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»Autsch!« sagte ich. Dann: »Mein Name ist Drajak ti Zamran, ich bin auch als Drajak der Schnelle bekannt. Ich würde es als Gefallen betrachten, wenn du dich daran halten könntest. Alles andere könnte sehr peinlich werden.« Ich fügte bedrohlich hinzu: »Für die, die es herausgefunden haben.«

»Nun gut. Wenn du daran denkst, daß ich Nath der Geschickte bin.«

»Oh, komm schon, such dir einen besseren Namen aus!«

»Nun, ja, vielleicht.«

»Was die Botschaft angeht, bitte Khe-Hi darum, Deb-Lu zu verständigen. Er soll veranlassen, daß ein Voller – ein Flugboot – hierher geschickt wird. Laß zwei kommen, damit der eine Pilot wieder nach Hause fliegen kann. Hast du das verstanden?«

»Flugboote«, sagte er, vor Abscheu geradezu triefend.

»Du schlägst ihm am besten vor, daß sie es außer Lord Farris keinem anderen sagen. Sonst erleben wir hier nämlich eine Invasion.«

»Ich verstehe nicht ...«

»Egal. Jetzt, mein Junge, tu deine Arbeit ... Und mein Dank sei dir gewiß.«

»Ich werde etwas mehr Platz brauchen.«

»Natürlich.« Die saubere, frische Luft Kregens, die nur streckenweise von den Flußgerüchen beschmutzt wurde, wehte mir in die Nase, als wir an Deck gingen. Ich atmete tief ein. Bei Vox! Der junge Halunke von einem Zauberer aus Loh würde sich um meine Weiterreise kümmern und dafür sorgen, daß ich wieder nach Tsungfaril gelangte. Zurück zu Mevancy, Llodi und allen anderen, zurück zu Intrigen, Gefahr und Tod. Jetzt, da er sich entschlossen hatte, ging er es lebhaft an.

Wir fanden eine freie Stelle hinter einem baufälligen Warenlager, wo der Boden nicht zu lehmig war. Hier hielt sich niemand auf, und niemand konnte uns belauschen, ohne entdeckt zu werden. Ra-Lu-Quonling schloß die Augen, öffnete sie weit, bog die Finger, atmete dreimal tief durch und sagte: »Richtig.«

Er hockte sich nieder und hob die Hände vor die Augen, warf den Kopf zurück und blieb stumm und unbeweglich so sitzen. Ich beobachtete ihn kritisch. Er fing an zu zittern, der geschmeidige junge Körper unter der gelben Tunika bebte. Langsam zog er die Hände übers Gesicht. Die Augäpfel waren völlig nach hinten gerollt, so daß die Augen nur noch weiße Flecken in dem gebräunten jungen Gesicht waren. Sein Atmen ließ nach. Ruhig erwartete ich die nächste Phase dieses Prozesses. Mit einem unterdrückten Schrei, einem Keuchen, das von körperlichem Schmerz kündete, kam Ra-Lu-Quonling taumelnd auf die Füße. Das Zittern hörte auf. Die Arme hoben sich, bis sie fast horizontal abstanden, und wie eine Vogelscheuche, die vom Wind erfaßt wird, drehte er sich, schneller und immer schneller; ein wirbelnder Derwisch, der im Lehm kreiselte. Abrupt hörte die Bewegung auf. Er sank in die Hocke und legte die Hände flach auf den lehmigen Boden. Der Kopf kippte in den Nacken.

Ra-Lu-Quonling öffnete die Augen, nicht beide auf einmal, sondern erst das eine, dann das andere. Er starrte mich unglücklich an. Ich erinnerte mich an das erste Mal, als ich Zeuge wurde, wie ein Zauberer aus Loh sich ins Lupu versetzte. Damals hatte ich schon über die Idee an sich höhnisch gelacht; damals, als der gute alte Seg und ich so verzweifelt nach Delia suchten. Dem schwachen und nicht sehr fähigen Zauberer aus Loh Lu-si-Yuong war es nicht gelungen, sie für mich zu finden – und ich hatte mich dagegen gewehrt, daß sie tot sein sollte, so wie jeder sagte! –, aber er hatte vor der Gefahr gewarnt, in der sich Thelda befand. Es war ein alter Mann gewesen; dieser forsche Bursche hier war jung. Und doch benutzten beide fast gleiche Methoden, um sich ins Lupu zu versetzen. Deb-Lu oder Khe-Hi versetzten sich ins Lupu und wandelten kreuz und quer über die verschiedenen okkulten Ebenen Kregens, wie Sie oder ich eine Tür öffnen, um von einem Zimmer ins nächste zu gelangen.

Dieses Geschick in der Thaumaturgie konnte seine Fremdartigkeit nicht verbergen, jene gänsehauterregenden Ungeheuerlichkeiten, zu denen diese Magier fähig waren.

Allerdings mußte man zugeben, daß Deb-Lu Schwierigkeiten gehabt hatte, nach Süd-Loh vorzudringen. Aber ich war zuversichtlich, daß Nath der Geschickte, wie er sich nannte, Khe-Hi erreichen würde. Auch wenn ich nicht wußte, in welchem Teil von Loh sich Whonban befand, konnte es doch nicht allzu weit von hier entfernt sein, oder?

Quonling starrte mich an. Er hätte nun eigentlich das Lupu wieder verlassen müssen, nachdem er die Nachricht weitergegeben hatte. Er fing an zu zittern. Ich runzelte die Stirn. Daran konnte ich mich nicht erinnern. Er öffnete den Mund.

Eine rasselnde strenge Stimme, ein tiefer Baßton, kam aus dem Mund des Jungen. »Ich sehe ihn. Das also ist der Bursche ...« Die Augen des Jungen fixierten mich brennend. »Nachdem du deine Lehrer mit Verachtung behandelt hast, besitzt du die Unverschämtheit, deine lückenhaften Kenntnisse einzusetzen! Du solltest mittlerweile wissen, daß der Rückweg für dich schwierig ist, sehr schwierig. Geh jetzt ...«

Quonlings junge Gesichtszüge verzogen sich, seine Zunge schoß heraus, um die Lippen zu befeuchten, und ich erkannte, daß er versuchte, mit dem Besitzer der strengen und gnadenlosen Stimme zu sprechen.

»Ich bin ein Whonbim!« Seine eigene Stimme preßte die Worte hervor. »Ich will San Khe-Hi-Bjanching nur einen Gefallen tun. Er wird für mich bürgen!«

»San Khe-Hi weiß nichts von deiner Existenz, Ausgestoßener!«

Ich erkannte, was passiert war. Mein Val! Der junge Quonling versuchte sein Bestes, um Khe-Hi im Lupu zu erreichen, und seine Botschaft war von diesem besserwisserischen, aufdringlichen, aufgebrachten Zauberlehrer aus Loh abgefangen worden!

»Bitte ... San ... San Khe-Hi-Bjanching wird ...«

»Genug davon! Bei den Sieben Arkaden! Soll ich denn meine Zeit mit einem aufmüpfigen Halbwüchsigen weiter verschwenden, der keinen Respekt kennt! Du ...«

Ich trat vor und packte den Jungen an den Schultern. Ich starrte ihm tief in die Augen. Auf meinem Gesicht lag, ohne Zutun meines Willens, die Teufelsfratze, der bösartige herrische Anblick, der schon so manchen stolzen Geist bezwungen hatte. Glauben Sie nicht, daß ich stolz darauf wäre, ganz im Gegenteil, aber von Zeit zu Zeit hatte das dämonische Aussehen Dray Prescots seinen Vorteil. Wie jetzt.

»Du hast mir kein Llahal geboten«, sagte ich mit der bedrohlichen tiefen Prescot-Stimme. »Du bist ein Lehrer, der bei Quonling versagt hat. Ich denke, es wird dir schlecht bekommen, wenn du meine Nachricht nicht an Khe-Hi weiterleitest.«

Die rasselnde strenge Stimme gab nicht sofort Antwort. Ich war bereit, nur eine bestimmte Anzahl an Herzschlägen auf Antwort zu warten.

Das konnte er nicht wissen; aber er wartete so lange, bis ich nur noch drei Herzschläge zugab.

»Wenn du der bist, für den wir dich halten, wird die Nachricht weitergeleitet werden.«

Ich sagte: »Es steht dir nicht an, Ausflüchte zu suchen. Ich wiederhole mich für gewöhnlich nicht, nicht einmal bei Zauberern aus Walfarg. Ich sage dir, Namenloser, da es zwischen uns nicht einmal ein Llahal gegeben hat: Du weißt, was man sich über Lehrer erzählt. Jetzt benachrichtige Khe-Hi und übermittle ihm meine Nachricht!«

Das Keuchen aus Quonlings Mund konnte von dem Jungen selbst stammen oder aber von seinem aufdringlichen, verdammten Lehrer. In jedem Fall bewirkten meine Worte etwas. Quonling fiel nach vorn mit dem Gesicht in eine Pfütze flüssigen Lehms, der wir gerade ausgewichen waren. Ich packte seine Tunika und hievte ihn hoch. Er zitterte nun am ganzen Körper. Es waren eine rein körperliche Reaktion und Angst und hatte nichts mit Magie zu tun. Bei Krun! Der arme Junge hatte einiges durchgemacht!

Er gurgelte etwas und wischte den Lehm weg. Ich wollte wissen, ob der idiotische Lehrer die Nachricht weitergeleitet hatte.

Schließlich sagte er: »Ich weiß, was passiert ist. Ich habe es gehört. Aber ich glaube es nicht. Nein, bei Hlo-Hli, ich glaube es einfach nicht!«

»Hat er die Botschaft weitergeleitet, Junge?«

»Woher soll ich das wissen? Ich weiß, ich war respektlos und ungehorsam. Aber ich bin nie herumgelaufen und habe Drohungen ausgestoßen ...«

»Ich drohe nur selten. Wenn du es tun mußt, tu es. Wie dem auch sei, wenn du nichts weißt, können wir es nur herausfinden, wenn wir warten. Wer war dieser Onker überhaupt?«

»Das? Oh, das war Gal-ag-Foroming, einer der wichtigsten Lehrer. Er führt den schwersten und flinksten Stock in ganz Whonban.«

»Manchmal«, sagte ich, »ist es nötig, glaube ich. Wenn er als Lehrer etwas taugt, hättest du deine Prüfung bestanden, ohne daß ein Stock vonnöten gewesen wäre.«

Auch wenn ich dem Jungen dies sagte, war ich mir darüber im klaren, daß es bei den Leuten, die wirklich schwer von Begriff waren, Ausnahmen gab. Natürlich nicht den Stock, aber einen Klaps ...

»Oh, er ist klug, da gibt es keinen Zweifel. Es ist nur so, nun ...«

»Einige sind es, andere nicht«, sagte ich. »Bei diesem Spiel reicht es normalerweise nicht, wenn man es angestrengt versucht. Was man damit erreichen möchte, ist viel zu wichtig, als daß man es sich leisten könnte, Versager mit solchen Aufgaben zu betrauen.« Ich sah ihn an und bemerkte, daß er wieder Farbe gewonnen hatte. Er wischte sich Lehmbrocken aus dem roten Haar. »Ich danke dir, daß du dich ins Lupu versetzt hast, Ra-Lu. Du hast ein Risiko auf dich genommen, das ich nicht richtig eingeschätzt habe. Ich werde es nicht vergessen.«

»Ja, gut. Ich bin eher besorgt wegen der rauhen Burschen, die mich ins Wasser geworfen haben. Sie wissen, daß meine Kräfte sehr beschränkt sind; sie wissen auch, daß ich früher Zauberer werden sollte, und deshalb dürfen sie mich bestrafen.«

»Weswegen?«

»Viele Leute, nicht alle, geben die Schuld für den Verlust des Reiches den Zauberern aus Whonban. Ihnen und den fehlenden Flugbooten und Sattelvögeln.«

»Ich dachte immer, ein Zauberer aus Loh könne auf sich selbst aufpassen. Sie erzeugen tödliche Furcht in den Herzen derer, die außerhalb Lohs leben, glaub mir.«

»Warum versuchen wir dann wohl, unsere Kunst stets in Übersee auszuüben?«

»Das ergibt einen Sinn. Und wenn du nur zur Hälfte ausgebildet bist ...«

»Oh, ich bin mehr als nur halb fertig. Die Zwischenprüfung, die ich nicht bestanden habe, war nur eine Voraussetzung für die Abschlußprüfung. Die hätte ich mühelos bestanden.«

»Sagst du.«

»Ich habe den Unterricht geschwänzt, ja, und bin der wankelmütigen Pynsi hinterhergelaufen. Meine Enttäuschung hat mich respektlos gemacht. Aber ich habe hart gelernt, um aufzuholen, nachdem Pynsi mich betrogen hat.«

»Hm«, machte ich und benutzte damit das alte zögernde Brummen der Achterdeckangehörigen. »Wir sollten lieber entscheiden, was mit dir geschehen soll, nicht wahr?«

Ich schnallte eins der Schwerter ab, die ich den schläfrigen Wachen Lin und Hwang abgenommen hatte, nachdem ich die Lilie auf meinem Kopf losgeworden war. Beide Waffen waren Lynxter, die geraden Hieb- und Stichwaffen aus Loh, und es war egal, welche ich nahm. Ich reichte dem Jungen das Schwert.

»Hier, Ra-Lu. Man bewegt sich auf Kregen nicht unbewaffnet.«

»Das ist wahr.« Er nahm den Lynxter. »Aber ich bin eher ein Dolchkämpfer. Auch wenn der Bogen die beste Waffe von allen ist.«

Über dieses Thema kann man mit einem Bogenschützen aus Loh nicht reden.

Er schnallte sich das Schwert um und blickte plötzlich auf.

»Nun gut, Dray Prescot, Drajak der Schnelle. Ich werde mich Rollo nennen. Von Ra-Lu her ... Verstehst du?«

Ich nickte. »Ein schöner Name. Ich kenne einen großartigen Künstler, Rollo der Kreis. Er konnte einen ...«

»Ich weiß. Unser Kunstlehrer Tun-du-Haffyien auch. Perfekt.«

Der junge Draufgänger gefiel mir allmählich. Er wußte, wer ich war. Er hatte alle die unerhörten romantischen Geschichten über Dray Prescot gelesen, der im roten Lendenschurz mit seinem grausamen Krozair-Langschwert über die Welt von Kregen eilt, Unrecht wiedergutmacht, den Schwachen beisteht und Damen in Not rettet. Gleichzeitig behandelte er mich unbekümmert wie einen Gleichstehenden. Das gefiel mir. Er hatte vielleicht einige Lektionen geschwänzt, aber er war ein fast voll ausgebildeter Zauberer aus Loh. Er mußte noch sehr viel lernen, um alle Zauberkünste zu beherrschen. Sogar Deb-Lu, Khe-Hi und Ling-Li hatten ihre Fähigkeiten erst im Lauf der Zeit entwickelt. Aber er war nicht der unwissende Flegel, der es verdient hätte, aus Whonban hinausgeworfen zu werden.

»Gut«, sagte ich. »Rollo was?«

»Oh, darüber denke ich später nach.«

Vielleicht war es einer seiner Fehler, daß er die Dinge vor sich herschob.

»Ich habe«, sagte ich und lenkte das Thema auf etwas Lebenswichtiges, »nur ein Gold-, zwei Silber- und sieben Kupferstücke. Du hast gar kein Bargeld, nehme ich an.« Meins war der Rest aus den Börsen der Wachen.

Er schüttelte den Kopf. »Du hast recht, Drajak.«

»Wenn die Botschaft zu Khe-Hi vorgedrungen ist und Deb-Lu sie erhält und vorausgesetzt, Lord Farris schickt die beiden Voller ... Zur herrelldrinischen Hölle, vielleicht liegt eine lange Wartezeit vor uns, Rollo, mein Junge!«

Er nickte finster. Die Aussicht war wirklich nicht angenehm.

»Übrigens«, sagte ich und kleidete damit ein Problem in Worte, das mich schon die ganze Zeit über mit Sorge erfüllte, »wie hat diese Bande herausgefunden, daß du ein Zauberer aus Loh bist?«

Er schaute finster drein. »Ich hatte einen Alptraum und fing an, dumme Dinge zu schreien, die mich verrieten. Es war nicht mehr zu verleugnen.«

»Verzichte in meiner Umgebung bloß auf Alpträume, Sonnenschein!«

»Wenn ich es vermeiden kann, Schneller.«

Wie ich sagte, ein lebhafter junger Bursche.

Der Plan, den ich ausheckte, war einfach. Wir verhielten uns unauffällig und fanden eine billige Unterkunft. Ich hätte es zwar vorgezogen, ein anderes Schiff zu finden, um weiter flußabwärts zu fahren, aber wir mußten ausharren, um auf die Flugboote zu warten. Die Übernachtung kostete eine dünne Silbermünze. Von den zwei Silbermünzen, die ich besaß, war eine dünn, die andere dick; das reichte also mindestens für drei Nächte. Wir würden von den Kupfermünzen leben müssen, und das Gold, in Silber umgetauscht, würde dazu dienen, uns ein Dach über dem Kopf zu sichern. »Wir werden den Gürtel enger schnallen müssen, mein Junge.«

»Ich habe mich schon früher im Hungern geübt.«

Ein Plan, der mir sofort eingefallen war und den ich dann zögernd wieder verworfen hatte, wäre gewesen, ins Hinterland zu marschieren und dort im Freien zu kampieren. Doch obwohl Walfarg dekadent und heruntergekommen war, finanzierte man noch immer eine starke Patrouillen- und Ordnungstruppe, und mit Landstreichern ging man hart um. Das war nicht ungewöhnlich. Ich hatte keine Lust, die Wartezeit im örtlichen Gefängnis zu verbringen, das wenig einladend aussah.

Sollte es nötig sein, würden wir es natürlich tun. Man würde uns verpflegen. Und wir würden auszubrechen versuchen, wenn die Voller ankamen.

Wenn sie ankamen ...

Es kam darauf an, wie lange der Voller für die Strecke von Vallia bis hierher brauchte. Ich konnte darauf vertrauen, daß Farris den schnellsten Voller schickte, den er entbehren konnte. Das Problem war nur, welchen er entbehren konnte. Es gab noch immer Schwierigkeiten bei der Vollerproduktion. Herrscher Nedfar von Hamal tat sein Möglichstes, und sein Sohn Tyfar hielt sich zusammen mit meiner Tochter Lela draußen in den schrecklichen feindlichen Bergen des Westens in Hamal auf, um das Problem zu lösen. Ich machte mir große Sorgen um ihr Wohlergehen.

Deshalb konnte Farris vielleicht keinen der besten Voller losschicken. Unser Geld war bis auf vier Silbermünzen aufgebraucht, und von denen war nur eine dick. Wir verwendeten die Silbermünzen sowohl für die Unterkunft als auch für die Verpflegung. Wenn der Voller nicht bald eintraf, mußte ich mir etwas Neues einfallen lassen.

Die Herberge, nicht einmal ein richtiger Gasthof, war unter dem Namen Mutter Molly bekannt. Kochdünste durchdrangen das Haus. Die Stufen waren eine schmierige Todesfalle. Aber es war weitaus billiger als ein Gasthof oder eine Taverne.

Wir mußten nach draußen gehen, um Luft zu schnappen. Wer sollte uns daraus einen Vorwurf machen? Und wie es kommen mußte: Eines Tages wurde Ra-Lu-Quonling von einem Mannschaftsmitglied des Schiffes erkannt. Wir rannten auf der Straße los, und sofort war uns ein schreiendes Rudel auf den Fersen. Ra-Lu rannte. Als wir um eine Ecke schlidderten und am Fischmarkt vorbeiliefen, keuchte er: »Ich weiß, wie ich mich nennen werde. Bei den Sieben Arkaden, ich bin Rollo der Läufer!«

»Spar deinen Atem, Läufer, damit du deinem Namen Ehre machst!«

Ein wutschäumendes schreiendes Rudel stürmte hinter uns her, und ein weiterer Haufen erschien vor uns. Niemand zog eine Waffe. Die Menge vom Fischmarkt gesellte sich dazu, und nun formte sich ein Ring um uns. Die Schmährufe drehten sich nur um ein Thema: »Ein Zauberer aus Walfarg! Stampft ihn in den Boden! Er ist nur Schüler und hat keine Ahnung!«

»Und seinen Gefährten, den Shint!«

»Kannst du denn nichts tun, Rollo der Läufer?«

»Nichts.«

Ich sah mir die spottende Menge an, die bereit war, uns zu erschlagen. Wir konnten nicht mit Gnade rechnen. Es gab keinen Fluchtweg. Ich schaute mich um – und dann schaute ich nach oben.

»Opaz dem Pünktlichen sei Dank!« sagte ich und schwenkte erfreut die Arme.