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Wie sich herausstellte, mischte sich das Schicksal ein – oder der Zufall. Suchen Sie sich einen dieser Hochstapler aus; der eine oder andere wird Sie stolpern lassen, wenn Sie es am wenigsten erwarten. Auf jeden Fall kam ich bei dieser Reise nicht nach Sardanar; dieser Ort ist weniger schrecklich als völlig uninteressant. Er hat massive Mauern und Befestigungen zur See hin, die noch auf die frühen Tage des walfargischen Reiches zurückgehen. Diese Mauern würden gegen eine Himmelsarmada wenig nützen.
Als wir in den darauffolgenden Tagen weiter stromabwärts über den Fluß der Glitzernden Anmut fuhren, kam uns stromaufwärts bemerkenswerter Verkehr entgegen. Nath sagte, es seien mehr Schiffe aller Typen unterwegs als sonst in dieser Jahreszeit.
»Ich glaube«, sagte ich und schwang mein Ruder, um einem zur Seite geneigten Fahrzeug auszuweichen, das mit Leuten und Gepäck beladen war und wild hin und her schwankte, als der Steuermann versuchte, die aus Westen kommende Brise einzufangen, »ich kann mir gut vorstellen, warum diese Schiffe alle flußaufwärts fahren.«
»Aye«, sagte Nath der Poller, nahm den Strohhut vom roten Haar und schlug ihn gegen die Hüfte. »Aye, bei Hlo-Hli!«
Der Bootsmann, ein lebhafter Bursche mit fleischigem Kinn und fleischigen Fäusten, sagte: »Glaubst du, es sind die Fischköpfe, die Teufelsanbeter?«
»Mit ziemlicher Sicherheit, Larghos.«
Larghos der Bootsmann spuckte über die Reling. »Ich glaube, die gehen zu weit.«
Da stimmte ich ihm zu. Der Eroberungsplan, an den sich die Shanks hielten, setzte wahrscheinlich voraus, daß sich sämtliche Küstenstreifen völlig in ihrer Gewalt befanden; erst danach würden sie ihre Streitkräfte sammeln, um ins Landesinnere vorzustoßen. Der Kontinent Loh war so groß, daß seine Ausdehnung sie geradezu verschluckte. Deshalb würden sie mit fischköpfiger Schlauheit planen. Bedenken Sie, für die armen Einwohner Lohs, die zufällig in der Gegend wohnten, in denen die Shanks ihre Invasion durchführen wollten, mußte das Ende des normalen Lebens eingetreten sein.
Wir riefen ein vorbeifahrendes Schiff an und hörten undeutlich etwas über Feuer.
»Die Teufel unternehmen sicher ständig Überfälle entlang der Küste, um so viel Schrecken wie möglich zu verbreiten.« Ich nahm an, Tarankar war der Ort, wo der Hauptstoß der bereits begonnenen Invasion stattfand.
Am nächsten Tag kämpfte sich kein einziges Schiff flußaufwärts. Am Tag darauf erschien wieder eine Menge Schiffe, und am darauffolgenden Tag waren es nur noch wenige.
»Die Feiglinge!« knurrte Larghos der Bootsmann mit großer Verachtung.
Ich sagte nicht: ›Bist du schon einmal einem Shank begegnet, Larghos?‹, da dies beleidigend und gemein gewesen wäre. Aber der Gedanke blieb.
Andere Flußboote segelten flußabwärts, und wir hielten gewöhnlich großen Abstand zwischen den Schiffen, der Sicherheit wegen. Als ich zum Luftschnappen an Deck erschien, nachdem Nath der Poller mich mit einem seiner liebsten Jikalla-Tricks ordentlich geschlagen hatte, schaute ich nach vorn. Ich sah ein Schiff, das näher bei uns lag, als es mir gefiel. Ich sagte es dem Steuermann Chang-So, und er fauchte: »Sie luven an wie ein Rudel Famblys.«
Nath und Larghos leisteten mir an Deck Gesellschaft, und wir beobachteten die Manöver des vor uns liegenden Schiffes.
»Ah!« rief Nath. »Das ist der Grund!«
Ein dunkles Bündel wurde vom Deck hochgeschleudert, drehte sich in der Luft um und landete klatschend im Fluß.
Sofort nahm das Schiff Fahrt auf, setzte zusätzliche Segel und glitt nach vorn, um einen größeren Sicherheitsabstand zu gewinnen. Ich lehnte mich über die Reling, um zu sehen, was sie über Bord geworfen hatten. Ein Mann schlug wild im Wasser um sich, ging unter und tauchte wasserspeiend wieder auf. Ich riß meine Tunika herunter und sprang.
Ich mußte ihn nicht bewußtlos schlagen. Ich bekam ihn in den Griff und rief: »Halt still, Dom!« Und als er sofort erschlaffte, schwamm ich zur Garrus zurück. Sie hatten die Rah geschwenkt, um den Kurs zu unterstützen, und es war nicht schwer, das Tau zu ergreifen und um den jungen Burschen zu schlingen. Er wurde triefend hochgezogen; das rote lohische Haar klebte ihm am Schädel. Ich folgte ihm und schüttelte mich wie ein Hund. Die Hitze der Sonnen würde uns schnell trocknen.
Als er sich erholt und ein Gläschen getrunken hatte, stellte Nath der Poller die üblichen Fragen.
»Allen ein Lahal«, sagte der Bursche. Er war jung, obwohl sich an Kinn und Wangen der Schatten eines Bartes zeigte. »Ich heiße ... Nath der Geschickte.«
Das hielt ich sofort für eine Lüge. Es gibt auf Kregen so viele Naths, und der Name wird so oft benutzt, wenn er dem Träger des Namens nicht gehört, daß es ein völlig nutzloses Pseudonym ist.
»Warum haben sie dich über Bord geworfen?« wollte Larghos wissen.
»Sie sagten, ich sei ein Unglücksbringer.«
»Oho! Dann übergeben wir dich auch besser wieder dem Fluß.«
Der Junge zuckte zurück und ich bemerkte auf seinem Gesicht und in seinen Augen ein trotziges Aufflackern von Wut, als sei er es leid, herumgestoßen zu werden.
»Immer mit der Ruhe«, sagte ich. »Warum bist du ein Unglücksbringer, Dom?«
»Oh, ich schüttete das Spülwasser gegen den Wind aus ...«
»Ha!« rief Nath der Poller aus. »Eine Bedrohung!«
»Werft ihn wieder rein!« riet der Steuermann Chang-So.
Ich faßte den Jungen ins Auge und versuchte ihm aufmunternd zuzulächeln. Ich bin mir nicht völlig sicher, welchen Ausdruck ich aufsetzte; er starrte mich unfreundlich an, zuckte aber nicht mehr zurück.
Nath der Poller entschied, Nath den Geschickten an Bord zu behalten. Er sagte: »Wenn wir Hinjanchung hinter der übernächsten Biegung erreichen, legen wir an. Die Kerle da vor uns werden auch da sein. Dann können wir sie fragen.«
Für einen Moment hatte ich den Eindruck, der Junge wolle nun mit der Wahrheit herausrücken, da sie mit Sicherheit aufgedeckt werden würde; aber er schwieg. Vermutlich hoffte er, sich an Land schleichen zu können, um zu entkommen. Er trug eine einfache gelbe Tunika, die von einem schmalen Gürtel gehalten wurde, an dem eine leere Dolchscheide und die Tasche hingen. Seine Beine waren nackt. Er trug einen roten Lendenschurz, der mich für ihn einnahm.
Was sein Gesicht anging, so war es noch nicht von den Problemen eines Erwachsenen gezeichnet. Seine Haut war rein, und die Höhe seiner Stirn angenehm. Doch gleichzeitig lag um seine Mundwinkel ein rebellischer Zug und in seiner Haltung eine gewisse Rücksichtslosigkeit. Ich nahm an, daß seine Geschichte interessant zu werden versprach, so kurz sie naturbedingt auch sein mochte.
Auf jeden Fall gingen wir in Hinjanchung an Land. Nath der Poller hatte Larghos dem Bootsmann befohlen, den Jungen in seine Kabine einzuschließen. Als wir die Mannschaft des Schiffes fanden, die ihn über Bord geworfen hatte – in einer schmierigen Taverne zweifelhafter Freuden, dem Zinul und Queng –, wurde das Geheimnis schnell gelüftet.
»Ein verdammter Zauberer aus Walfarg!« verkündete Hwang, der Kapitän. »Wir wurden ihn im gleichen Moment los, da wir die Wahrheit erfuhren.«
»In diesem Fall ...«, sagte Nath der Poller voller Zweifel.
Chang-So rief aus: »Wirf ihn über Bord!«
An diesem Punkt begann ich die Auswirkungen des Schicksals – oder des Zufalls – etwas klarer zu sehen. Hätte sich dieser unerfreuliche Rast Pondro der Belegnagel nicht so schlecht benommen und hätte ich auf der Quaynts Glück bleiben können, wäre ich schon weiter flußabwärts gewesen und hätte den jungen Zauberer aus Loh nicht aus dem Wasser fischen können.
Nicht einen einzigen Augenblick lang glaubte ich, daß die Herren der Sterne oder die Savanti etwas mit dieser Begegnung zu tun hatten.
Ich sagte: »Laßt mich mit ihm reden.«
Niemand erhob Einspruch. Wieder an Bord der Garrus, ließ ich den Jungen aus der Kabine des Bootsmannes frei. Ich runzelte die Stirn, und er schwieg.
Es würde mich nicht überraschen, wenn Sie meinem neuesten Plan nicht schon weit voraus wären. Als ich die Möglichkeiten aufgezählt hatte, nach Tsungfaril tief im Süden Lohs zu gelangen, hatte ich diesen offensichtlichen Weg völlig übersehen.
»Du bist ein Zauberer aus Loh.« Er errötete, schwieg aber beharrlich. Ich entschied mich, ihn auf die Probe zu stellen. »Warum hast du die Leute, die dich über Bord warfen, nicht in kleine grüne Frösche verwandelt?«
»Oh«, fing er an, mit der ganzen temperamentvollen Arroganz eines jungen Mannes affektiert, »ich hätte es getan, aber ...« Er sah mein Gesicht und verstummte. Er holte Luft und sagte dann in einem ganz anderen Tonfall: »Ich glaube, du weißt warum.«
»Ja.«
»Was willst du von mir?«
»Das ist für einen Zauberer aus Loh nicht schwer. Wenn du mir freundlicherweise helfen würdest, bitte ich dich darum, ins Lupu zu gehen, um einen Freund zu benachrichtigen.«
Er verzog das Gesicht. »Lupu. Das war eine Übung, bei der ich immer ...«
»War?«
Wie ich wußte, gab es verschiedene Möglichkeiten, auf die ein Zauberer sich ins Lupu versetzen konnte, einen magischen, tranceähnlichen Zustand, in dem er über große Entfernungen hinweg Nachrichten austauschen und spionieren konnte. Was wollte er mit diesem ›War‹ sagen?
Er blickte auf seine Füße. »Sie haben mich ausgeschlossen.«
»Ausgeschlossen?« wiederholte ich wie ein Dummkopf. »Was meinst du damit: ›Sie haben mich ausgeschlossen?‹«
»Was ich sage. Ich habe den Lektionen nicht genug Aufmerksamkeit geschenkt. Ich habe eine Zwischenprüfung nicht bestanden.« Er schaute aufgebracht auf. »Daran war nur Pynsi schuld! Sie versprach sich mir, und dann schenkte sie ihre Gunst dem Tölpel Ul-ga-Sorming!«
»Bei den widerlichen, verachtungswürdigen verästelten Gedärmen Makki-Grodnos! Willst du damit sagen, du bist ein verdammter Zauberer aus Loh und kannst nicht mit einem Bruder oder einer Schwester in Verbindung treten?« Ich brüllte beinahe vor Empörung.
»Nicht richtig. Außerdem habe ich alles aufgegeben. Ich will Bogenschütze aus Loh werden.«
»Und ich nehme an, du bist bei der Prüfung gescheitert, das Auge Chunkrahs zu treffen!« fauchte ich bitter.
»Nein! Ich kann mich mit den Besten beim Bogenschießen messen!«
»Das nützt mir jetzt sehr viel.«
»Nun, wenn du dieser Meinung bist, ist es wohl besser, wenn du mich wieder ins Wasser wirfst.«
Ich kontrollierte meine Atmung. »Wie heißt du?«
»Nath der Geschickte.«
»Ja, ja. Dein richtiger Name, Fambly!«
Wieder sah er mich abschätzend an. Ich nehme an, ich war etwas aufgebracht. Kaum hatte ich gedacht, eine großartige Idee zu haben, um meine Freunde zu erreichen, mußte dieser Naseweis alles ruinieren, weil er einem Mädchen hinterhergeweint hatte, statt seine Lektionen zu lernen. Ich trug keinen Hut; in diesem Fall hätte ich ihn heruntergerissen, aufs Deck geworfen und wäre darauf herumgesprungen. Ist doch wahr, bei Vox!
»Ich bin Ra-Lu-Quonling.«
»Ha!« Ich überlegte mir schon, was ich mit diesem feinen Burschen anstellen sollte. »Kennst du Deb-Lu-Quienyin?«
»Nicht persönlich. Er verließ Whonban, lange bevor ich geboren wurde.«
»Aha, dann seid ihr miteinander verwandt.«
»Alle Zauberer aus Walfarg sind miteinander verwandt.« Das kam etwas hochmütig heraus, nicht unbedingt verächtlich, sondern in Anerkennung meiner Unwissenheit.
»Das glaube ich auch, mehr oder weniger. Kennst du Khe-Hi-Bjanching oder Ling-Li-Lwingling?«
»Sie trafen in Whonban ein, als ich ging.«
Ziemlich ernst fragte ich: »Geht es beiden gut?«
»Soweit ich weiß, ja. Du kennst sie also?«
»Ja, Deb-Lu-Quienyin befindet sich zur Zeit irgendwo in Vallia. Du hast von Vallia gehört?«
Wieder kam dieser Hauch arroganter Verachtung zum Vorschein. »Natürlich.«
»Nun, wenn er zu weit weg ist, mußt du eben Khe-Hi oder Ling-Li erreichen.« Ich dachte noch einmal darüber nach. »Khe-Hi wäre besser. Wenn Ling-Li im Moment schwer mit der Fortpflanzung beschäftigt ist, hätte sie was dagegen, wenn ein Fambly wie du hereinplatzen würde.«
Eisig sagte er: »Sie haben Zwillinge, ein Junge und ein Mädchen.«
»Mein Val.« Dies erfüllte mich mit Freude. »Ich bin nicht mehr auf dem laufenden.«
»Ich sagte es dir bereits. Ich bin nicht gut beim Lupu.« Sein Benehmen grenzte ans Launische. »Wie dem auch sei, selbst wenn ich so gut wie Khe-Hi-Bjanching wäre, ich würde es dir sagen. Ich habe die Zauberei aufgegeben. Die Thaumaturgie und ich gehen getrennte Wege. Ich werde Bogenschütze aus Loh.«
»Ich werde dir deinen verdammten Bogen auf dem Kopf zertrümmern, du Undankbarer! Habe ich dich nicht vor einem nassen Grab bewahrt?«
Er lachte.
Und ich lachte mit ihm.
»Nun gut«, sagte ich dann. »Komm, Ra-Lu-Quonling! Es ist von entscheidender Wichtigkeit, daß ich eine Nachricht weiterleiten kann.«
»Nu-un, ich könnte es versuchen. Weißt du, ich habe Geschichten über die Zauberer gehört, von denen du sprichst. Ich weiß, womit sie sich in diesen Tagen beschäftigen.«
»So?«
»Sie gehören zu den Erfolgreichsten. Ihr Klient ist das königliche Herrscherhaus von Vallia.«
Ein Zauberer aus Loh sähe diese Beziehung so, und ich vergaß nie, daß es stimmte. Khe-Hi und Deb-Lu waren echte Kameraden, das stimmte schon, aber sie blieben Zauberer aus Loh.
»Das habe ich auch gehört«, sagte ich gleichgültig.
»Wie ich bereits sagte, wir werden in Whonban umfassend unterrichtet. Selbst wenn ich ein paar Lektionen habe ausfallen lassen, so habe ich nie in aktueller Geschichte gefehlt. Und ich lese über viele Themen.«
»Das ist gut für dich, Ra-Lu. Also, du hast gesagt, du würdest es versuchen ...«
»Ja, ich werde versuchen, Khe-Hi-Bjanching zu erreichen. Welche Botschaft soll ich ihm übermitteln, Dray Prescot?«