„Wo ist in diesem Reisebericht eigentlich das Negative?“, hat mich ein Leser nach der Lektüre meines Büchleins gefragt. Diese Frage hat mich erstaunt. Der lange Weg zu Fuß nach Santiago de Compostella war nicht immer einfach. Manchmal war der Weg abgründig. Nicht die körperliche Anstrengung nicht die Wegbeschaffenheit oder das Wetter waren die Herausforderungen.
Abgründig waren die Länge des Weges und die Einsamkeit. Ich wollte allein gehen - und manchmal war genau das furchtbar. Es ist herrlich, mit viel Zeit einen langen Weg zurückzulegen - aber zeitweise war es erschreckend wenn ich mir klar machte: In einem Monat bist du immer noch unterwegs, und es sind noch unvorstellbar viele Kilometer zu gehen. Dennoch ist am Ende ein Bericht herausgekommen, in dem das Negative anscheinend gar nicht ins Auge fallt — geblieben ist die Begeisterung für eine große Lebenserfahrung.
Es geht, wenn man geht. Das ist eine Erkenntnis, die mir zugefallen ist auf dem langen Weg. Ich habe nichts Spektakuläres erlebt. Ich bin der Kilometerzahl nach gar nicht so weit entfernt gewesen. Jeder, der mit dem Flugzeug nach Amerika fliegt, hat mehr Kilometer hinter sich gelassen. Ich war innerhalb von Europa unterwegs — und doch ganz weit weg. Der Jakobsweg war nicht die Hauptsache. Die entscheidende Erfahrung war: wegzugehen, allein, einen langen Weg eine lange Zeit und dann auch anzukommen. Ich möchte diese Erfahrung nicht missen.
Der Autor ist evangelischer Pfarrer der Karl-Friedrich-Gemeinde in Karlsruhe-Mühlburg. Von Karlsruhe fuhr er mit dem Auto nach Konstanz am Bodensee und pilgerte von dort zu Fuß auf dem berühmten Jakobsweg durch die Schweiz, Frankreich und Nordspanien 2195 Kilometer in das ferne Santiago de Compostella. Er nahm sich dafür drei Monate Sabbatzeit.