Dienstag, 28. September 2010

 

 

Die kurz gefasste Ankündigung »Die Wahrheit über FNews und deren Hintergründe. Pressekonferenz, 9 Uhr, 28. 9. 2010, Café Landtmann«, noch in der vergangenen Nacht über die APA, die Austria Presse Agentur, ausgeschickt, reichte, um einen Ansturm der heimischen Medien auszulösen.

Das berühmte Kaffeehaus neben dem Burgtheater an der Wiener Ringstraße, traditioneller Ort für große Pressekonferenzen, ist zum Bersten voll. Gespannt wartet die Journalistenmeute auf die kommenden Ereignisse.

»Gilt die Wette?« Ein ORF-Kameramann hält seinem Kollegen vom Privatsender ATV die Hand hin, der sofort einschlägt.

Die Inszenierung ist perfekt durchgeplant. Um noch mehr Verwirrung zu stiften, tritt zuerst Freitag auf und setzt sich auf seinen Platz hinter dem Podium. Dann folgt Alfred Cench, dem seine Beurlaubung und das damit verbundene Interviewverbot gänzlich egal sind. »Das Risiko ist es mir wert«, sagte er noch vor Beginn der Pressekonferenz zu Kokoschansky, »jetzt habe ich mich so weit aus dem Fenster gelehnt. Mehr als hinunterfallen kann ich nicht.«

Petranko verweigerte sofort. Das war Kokoschansky klar. Nie im Leben würde der pensionierte Chefinspektor vor Kameras und Mikrofone treten. Privatdetektiv Wolfram Panker kann es sich aus beruflichen Gründen nicht leisten, dass sein Gesicht publik wird. Da kann er gleich seine Detektei zusperren. Die beiden Herren haben es sich in Pankers Büro gemütlich gemacht und warten gespannt auf die kommenden Ereignisse.

Am frühen Morgen gelang es Kokoschansky, den ORF-Chefredakteur telefonisch zu überzeugen, eine Sondersendung der Zeit im Bild anzusetzen und die Pressekonferenz live zu übertragen, nachdem ihm sensationelle Enthüllungen versprochen worden waren. Im lachenden Tonfall bemerkte der ranghohe ORF-Mann, sollten die nicht eintreffen, werde er Kokoschansky persönlich den Kopf abreißen.

»Jetzt bist du die Flasche Champagner los«, grinst der ORF-Kameramann zu seinem Kollegen hinüber, als Kokoschansky als Letzter mit einem Packen Unterlagen unterm Arm und zwei Videobändern in der Hand auf das Podium steigt. »Ha, ich wusste es! Ich kenne doch meinen alten Koko, dieses Schlitzohr«, und fährt groß auf dessen Gesicht zu. Ein Raunen geht durch die Menge. Ein Sturm an Fragen bricht vom Stapel, niemand versteht auch nur ein Wort.

Kokoschansky deutet mit den Händen an, sich zu beruhigen, bevor er vor dem Mikrofonwirrwarr das Wort ergreift. »Meine Damen und Herren, werte Kolleginnen und Kollegen. Vielen Dank, dass Sie so zahlreich erschienen sind. Mein Gesicht ist bekannt, ich muss mich nicht näher vorstellen. Die anderen Herren werden sich dann präsentieren, wenn sie an der Reihe sind. FNews ist ein Projekt gewesen, das nur vorübergehend gestoppt wurde, weil es gewissen Herrschaften in diesem Land nicht in den Kram passte. Nach dieser Pressekonferenz wird FNews mit Sicherheit wieder auferstehen, vielleicht in völlig anderer Form. Der Initiator ist dieser Nigerianer. Moses Querantino, mein Freund und Kollege, der leider aufgrund seiner Hautfarbe in diesem Staat in seinem ursprünglichen Beruf als Journalist nur schwer Fuß fassen kann. Daher gezwungen ist, als Taxifahrer in Wien herumzukutschieren, doch glaube ich, dass er sehr bald ein Taxi nur mehr als Fahrgast benützen wird. FNews war seine Idee. Doch der Reihe nach.

Allgemein bekannt ist, dass ich durch zwei BKA-Beamte namens Lackner und Erharter vorübergehend in Teufels Küche geraten bin. Wie Sie wissen, ist dieser plumpe Versuch, mich kaltzustellen, gründlich danebengegangen.« Kokoschansky nimmt aus einer der Mappen ein Schriftstück heraus. »Ich habe hier eine eidesstattliche Erklärung von einem der beiden. Ein Freund, mehr möchte ich dazu nicht sagen, besuchte gestern Erharter und übergab mir danach dieses überaus wertvolle Präsent.« Auf Petranko ist eben immer Verlass.

 

*

 

BKA-Chef Edmund Katterka ballt seine Fäuste, seine Mundwinkel vibrieren. Er verbarrikadiert sich in seinem Büro und verfolgt nervös die Sondersendung.

Kreidebleich und mit schlotternden Knien sitzt Lackner vor seinem Fernseher in einem Reihenhaus am Wiener Stadtrand.

 

*

 

»Hiermit erkläre ich an Eides statt, dass wir, mein Kollege Waldemar Lackner und ich, Paul Erharter, von unserem Chef Edmund Katterka den Auftrag erhielten, dem Journalisten Heinz Kokoschansky eine Falle zu stellen, weil Katterka befürchtete, dass durch Kokoschanskys Naheverhältnis zu Robert Saller einiges auffliegen könnte, was für Katterka äußerst unangenehm wäre.

Nach Sallers Flucht wurde Katterka nervös, nachdem bekannt wurde, dass Kokoschansky und Saller am Fluchttag im gleichen Krankenhaus waren. Katterka versprach uns mehrmals Beförderungen, dass er sich für uns einsetzen würde, wenn wir Kokoschansky ein Bein stellen.

Gemeinsam planten wir – Katterka, Lackner und ich – die Aktion mit dem untergeschobenen Kokain, was leider nicht klappte.

Danach ließ Katterka uns fallen, spielte das Unschuldslamm. Auch mein Partner Lackner wandte sich ab von mir. Fast wäre er zum Mörder geworden. Er wollte mich im Spital umbringen, indem er mich mit einem Kissen zu ersticken versuchte, weil ich ihm zu gefährlich geworden bin. Ob dahinter auch Katterka steckt, weiß ich nicht. Ich überlebte, weil ich im allerletzten Moment wieder reanimiert werden konnte. Vielleicht wäre es besser gewesen, hätte ich nicht überlebt. Allerdings will ich auch nicht, dass Lackner und Katterka ungestraft davonkommen.

Ich bin überzeugt, dass ich von Hermann Honsas Leuten durch den Wolf gedreht worden bin, weil ich mit ihm illegale Geschäfte getätigt habe, mich laufend bestechen ließ und ihn mit Kokain aus der Asservatenkammer belieferte. Wahrscheinlich wollte er mich zwingen, dass ich nach seiner Pfeife zu tanzen habe. Davon wusste auch Lackner, möglicherweise auch Katterka.

Ich werde zu meinen Taten stehen und auch die Konsequenzen tragen.«

Kokoschansky legt das Papier zurück in die Mappe. Trotz der großen Menschenmenge könnte man eine Stecknadel fallen hören.

 

*

 

Mit zitternder Hand greift Katterka nach dem Telefonhörer, hört zu und legt auf. Der Generaldirektor für Öffentliche Sicherheit hat ihn nach Absprache mit der Innenministerin mit sofortiger Wirkung seines Amtes enthoben. Eine Anzeige wegen Amtsmissbrauchs ist bereits in Vorbereitung. Bis auf Weiteres darf er sein ehemaliges Büro nicht verlassen und muss mit einer Festnahme rechnen. Zum interimistischen Leiter des BKA wird Alfred Cench bestellt. Paul Erharter wird noch in seinem Krankenzimmer festgenommen und steht unter Bewachung.

 

Der abgerissene Zettel von einem Schreibblock liegt auf dem Küchentisch. Verzeiht mir. Nur zwei Worte zum Abschied an seine Familie. Danach geht Waldemar Lackner in seinen Garten, dämpft seine letzte Zigarette ab. Der Schuss in der Siedlung klingt wie ein Donnerhall.

 

*

 

»Diese eidesstattliche Erklärung räumt wohl die letzten Zweifel aus, was meine Person betrifft. Nachdem ich Lackner und Erharter öffentlich angeprangert hatte und nachweisen konnte, was tatsächlich Sache ist, dachte ich, es wäre vorbei. Doch danach ging es erst richtig los. Robert Saller ließ mich wissen, dass er mich sprechen wolle …«

»Mit anderen Worten«, wird Kokoschansky von einem jungen Journalisten unterbrochen, der direkt vor ihm sitzt und eifrig mitschreibt, ihm aber gänzlich unbekannt ist, »Sie haben Kontakt zum weltweit gesuchten Saller.«

»Habe ich das gesagt? Sie müssen genau zuhören, werter Kollege«, maßregelt Kokoschansky ihn. »Selbst wenn ich mit ihm in Verbindung stünde, würde ich es nicht verraten.«

Allgemeines Gelächter.

»Kam der Kontakt in Wien zustande?«, lässt der Jungreporter sich nicht aus der Fassung bringen.

»Einigen wir uns darauf, wir fanden einen Kommunikationsweg.«

»Persönlich?«

»Junger Freund, spreche ich Kishuaeli oder eine andere Ihnen nicht geläufige Sprache? Um Ihre durchaus verständliche Neugier zu befriedigen, ich sah Robert Saller erstmals wieder in Montenegro auf dem Anwesen des inzwischen getöteten `Ndrangheta-Bosses Salvatore Madeo, und dort traf ich auch auf den ehemaligen kroatischen Exgeneral Branko Daramcić. Man wollte mir Material aushändigen, das im Zusammenhang mit dubiosen Machenschaften der Estate Carinthia Bank steht und mit einem illustren Personenkreis, an denen sich die Staatsanwaltschaften in mehreren europäischen Ländern seit geraumer Zeit die Zähne ausbeißen. Dazu zählen Kurt-Friedrich Midas, Gilbert Ährenbach, Sigmund Sauslinger, Adolphe Mannsbergkh-Souilly; Markus Schloimo, derzeit in Tel Aviv; Nazeem al-Qatr und seine Familie in Nordafrika; der angeblich durch Selbstmord aus dem Leben geschiedene Oberstaatsanwalt Lukas Bortner und der tödlich verunglückte Kärntner Landeshauptmann Marius Höger. Bevor man mir das versprochene Belastungsmaterial übergeben konnte, passierte dieses fürchterliche Massaker. Das Blutbad hat nichts mit der ursprünglichen Geschichte, die vor allem Österreich betrifft, zu tun. Es war eine Fehde zwischen der `Ndrangheta, in dem Fall zwischen Madeo mit seiner Nammoliti-Familie und dem mexikanischen Sinaloa-Kartell wegen eines verpatzten Kokaindeals im Tonnenbereich. Auftraggeber war der oberste Boss Joaquín Archivaldo Guzmán Loera alias El Chapo. Das wurde uns inzwischen von der DEA, der amerikanischen Antidrogenbehörde, bestätigt.

Wenn Sie so wollen, eine unglückliche Fügung der Umstände. Nach dem Gemetzel gab es zuerst drei Überlebende. Robert Saller, Branko Daramcić und mich. Ich spürte beide in Madeos Haus auf, kam gerade zu einem Streit zwischen den beiden zurecht, wovon ich nichts verstand, da sie kroatisch sprachen. Als sie mich bemerkten, bedrohte Daramcić mich, und Saller rettete mir mit hoher Wahrscheinlichkeit das Leben, indem er den ehemaligen General mit einem gezielten Messerwurf ausschaltete. Danach setzte Saller sich ab, hinterließ mir aber drei CD-ROMs mit sehr aufschlussreichen Inhalten. Einen Teil des Materials sehen Sie hier auf dem Tisch liegen. Weitere Unterlagen ließ ich einfach mitgehen, weil ich nicht mit leeren Händen nach diesen schrecklichen Erlebnissen nach Wien zurückkehren wollte. Anscheinend hatte ich dabei ein recht glückliches Händchen. Nach den ersten Auswertungen ist es äußerst vielversprechend.«

»Das klingt ja wirklich alles sehr aufregend und abenteuerlich«, plustert der Jungspund sich ein weiteres Mal auf und wittert seine große Chance, »sagt aber gar nichts. Sie können sich das alles wunderbar zusammengereimt haben. Wo sind die Beweise, dass Sie tatsächlich dort waren? Warum haben Sie nicht gleich die Polizei in Montenegro gerufen? Außerdem haben Sie sich selbst strafbar gemacht, indem Sie Unterlagen gestohlen haben, wenn sie auch der Mafia gehören. Und Sie decken den international gesuchten Verbrecher Robert Saller. Wurden Sie von der Mafia gekauft? Zu welchem Preis?«

Am liebsten möchte Kokoschansky vom Podium steigen und diesem wichtigtuerischen Frischling einen Satz Ohrfeigen verpassen. Doch er beherrscht sich.

Dem Kameramann, der gerade eine Wette gewann, platzt der Kragen: „Für wen schreibst du eigentlich, du Blödmann?“, ruft er nach vorne, „Für Micky Mouse? Der Typ da oben und ich haben jahrelang zusammengearbeitet, da hast du noch in die Windeln geschissen!“ Gelächter, Gejohle, Applaus. Der übereifrige Kollege zieht Farbe auf, seine Ohren leuchten wie Bremslichter.

»Um weiteren penetranten Fragen dieser Art vorzubeugen«, Kokoschansky setzt bewusst eine Pause, »… ja, ich hatte einen Arbeitsvertrag mit der `Ndrangheta, mit Salvatore Madeo. Allerdings sehr einseitig. Madeo machte mir unmissverständlich klar, sollte ich nicht in seinem Sinne berichten und mir dabei jedes Wort von ihm genehmigen lassen, würden meine Angehörigen zuerst sterben und zuletzt ich. Somit beantworte ich gleich Ihre nächsten Fragen, meine Damen und Herren. Warum war ich plötzlich so wichtig für die `Ndrangheta geworden? Ein österreichischer Journalist, nicht ganz unbegabt, aber auch nicht der große Zampano. Weil Robert Saller mich Salvatore Madeo wärmstens empfohlen hat, er der Meinung war, ich würde mich an diese gefährliche Story wagen. Was ist die Story? In der Estate Carinthia Bank sind hohe Summen an Mafiageldern geparkt, die aus gemeinsamen Geschäften von Madeo, Saller und Daramcić stammen. Noch zu Lebzeiten Högers, der bestens über diese Vorgänge Bescheid wusste, wurde die ECB auf seine Anweisung dafür zur Verfügung gestellt. Natürlich nicht ohne persönlichen Reibach für Höger und seine Partei. Nach Högers Tod übernahm Kurt-Friedrich Midas diese Agenden, verzettelte sich mit seinen Getreuen in zahllosen, undurchsichtigen Transaktionen, weil sie ihre Hälse nicht voll genug kriegen konnten und es so einfach war. Nach unseren Recherchen ist eine der wichtigsten Drehscheiben für die Anbahnung dieser Megadeals im Millionenbereich die Lobbyingagentur Krösus, dessen Inhaber Othmar Kaltengruber ist.

Der Nammoliti-Familie wurde dieses bunte, unkontrollierte Treiben schließlich zu heiß, ebenso wie Saller und Daramcić. Das Mafiageld war extrem gefährdet und musste gesichert werden. Eine überaus gewichtige Rolle spielen dabei auch Högers ehemaliger Busenfreund Nazeem al-Qatr und dessen Familienclan, der für seinen Vater als Statthalter die Stellung in Österreich hält. Auch mit den al-Qatrs pflegte Höger äußerst lukrative Geschäfte wie auch zum Irak, und dreimal dürfen Sie raten, über welche Bank die Transfers abgewickelt wurden. Meine Aufgabe wäre es gewesen, sofern mir daran gelegen ist, dass meine Lebensgefährtin und mein Kind am Leben bleiben, Midas und seine Kumpane hochgehen zu lassen. Das ist auch mein Ziel, jedoch ohne Beeinflussung und Kontrolle meiner Berichterstattung durch Madeo. Das Massaker des Sinaloa-Kartells änderte die Situation schlagartig.«

Inzwischen sprengt die Pressekonferenz alle Zeitvorgaben. Auch ZDF, ARD, 3sat, SRG und sämtliche Privatsender im deutschsprachigen ändern ihre Programme. Selbst CNN sendet laufend Kurzberichte.

 »Zur Untermauerung und, um unseren aufstrebenden Kollegen zu beruhigen«, diesen Seitenhieb kann Kokoschansky sich nicht verkneifen, »bitte ich, die Bänder abzufahren.« Sämtliche Objektive richten sich auf den extra installierten Bildschirm, und das Erstaunen ist groß, als die Journalistenmeute Kurt-Friedrich Midas und Adolphe Mannsbergkh-Souilly auf dem Anwesen Salvatore Madeos sieht. Das zweite Video zeigt in einer kurzen Sequenz die Ankunft des deutschen undurchsichtigen Investors Tilman Hannover, der sogar persönlich von Madeo am Einfahrtstor empfangen wird.

 

*

 

»Schön, jung, intelligent. Damit ist es jetzt endgültig vorbei, Herr Exschwiegersohn. So hast du dich doch immer gesehen.« Zufrieden lächelt Cornelius Rüggele im Salon seiner Villa im fernen Vorarlberg, hebt sein Mineralwasserglas und prostet dem Fernsehapparat zu, bevor er sich seiner Tochter widmet, die weinend neben ihm sitzt. »Hast du jetzt endlich begriffen, Graciella, welches Windei du in unsere Familie gebracht hast?«

 

*

 

»Natürlich wird sämtliches Material, das mein Team und ich zur Verfügung haben, dem BKA übergeben.« Kokoschansky deutet auf die beiden Stapel auf dem Tisch. »Was Sie hier sehen, ist nur ein geringer Teil davon. Allerdings weiß ich nicht, wem ich es übergeben soll. Edmund Katterka, glaube ich, scheidet aus.«

»Du kannst es mir überlassen«, spricht erstmals Alfred Cench, und die Genugtuung in seinem Gesicht kann er kaum verbergen, »die Innenministerin hat mich, wie ich sehe, per SMS zum interimistischen Leiter bestellt.«

»Dann weiß ich es in guten Händen.« Kokoschansky, der bis dahin souverän seinen Part abspulte, zeigt erstmals eine Regung und verhehlt seine Freude über diese Nachricht nicht. »Endlich sitzt in Österreich einmal der richtige Mann auf der richtigen Position. Wenn sich jetzt noch mutige Leute in der Justiz finden, die sich nicht einschüchtern, unter Druck setzen lassen und genügend Mumm haben, nicht vor großen Namen in die Knie zu gehen, bin ich der festen Überzeugung, dass auch in diesem Land ein entscheidender, beispielgebender Beitrag gegen die ausufernde und wuchernde Korruption geleistet werden kann.

Nach meiner Rückkehr aus Montenegro wusste ich, dass ich zusammen mit Moses Querantino FNews ins Leben rufen werde. FNews wollte ein Vorreiter werden, ein unabhängiges Medium im Internet für Österreich, anders als WikiLeaks. Wir wollten keinen Rundumschlag starten, sondern uns ausschließlich den krummen Touren der Estate Carinthia Bank widmen. Später uns hauptsächlich auf brisante österreichische Themen spezialisieren. Themen, die Sie zwar gerne aufgreifen möchten, Ihnen jedoch durch die Interventionen, Einflussnahmen in den Chefetagen Ihrer Arbeitgeber und die Rücksichtnahme auf parteipolitische Interessen die Hände gebunden sind.

Wir sind zwar nicht gescheitert, doch wie wir es uns vorstellten, ist es uns leider nicht gelungen, weil uns eine entscheidende Person fehlt. Der Kern von FNews bestand aus vier Personen, Moses Querantino, meiner Lebensgefährtin Lena Fautner, einem weiteren Freund und mir. Mein Quartett … Kokoschanskys Quartett …«

Plötzlich wird Kokoschanskys Stimme kratzig und heiser, obwohl er sich fest vorgenommen hatte, Emotionen nicht zuzulassen. »Ich sagte vorhin, einer fehlt, sprach von einem weiteren Freund, der mir jahrelang zur Seite stand, wenn ich ihn brauchte. Mitnick war nur sein Spitzname, ein begnadetes Hackergenie.Es wäre nicht in seinem Sinne, noch nachträglich seine Person zu enttarnen. Ich werde es jedenfalls nicht tun, das bin ich ihm schuldig. Wer glaubt, es unbedingt machen zu müssen, bitte, ich kann ihn nicht daran hindern. Heute, in den frühen Morgenstunden ist Mitnick seinen schweren Verletzungen erlegen, zugefügt durch Folterungen, nachdem man ihn entführt hatte.« Kokoschansky hat sich wieder gefangen, seine Stimme wird zunehmend lauter. »Ich behaupte, im Auftrag von Markus Schloimo, ausgeführt von Mossad-Agenten, weil Mitnick der technische Kopf von FNews war. Zuerst wurde die Webseite gehackt, danach sollten er, meine Lebensgefährtin und ich an dem geheimen Ort, wo wir zusammen mit Mitnick arbeiteten, liquidiert werden.«

Cench gibt Kokoschansky per Handzeichen zu verstehen, dass er sich zu Wort melden will. »Ich kann bestätigen, dass derzeit sechs Israelis in polizeilichem Gewahrsam sind. Nähere Details kann ich zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht mitteilen. Tatsache ist, dass der letztendlich ermordete Mitnick genau in der gleichen Jagdhütte festgehalten und gefoltert wurde, in der auch Oberstaatsanwalt Lukas Bortner aus dem Leben schied. Das Grundstück selbst gehört Schloimo, und die Jagdhütte ist an Adolphe Mannsbergkh-Souilly verpachtet. Ein weiterer Israeli kam bei der geheimen Befreiungsaktion, die ich in die Wege leitete, durch die COBRA ums Leben, als er auf einen der Beamten geschossen hatte. Mitnick konnte noch lebend befreit werden, den Rest kennen Sie. Ob sich noch weitere Personen dieses Mordkommandos in Österreich aufhalten, wissen wir

derzeit nicht …«