Der Eishof

 
 

Renée?«, drang die Stimme meines Großvaters durch die Schlafzimmertür. »Zeit zum Mittagessen.« Er hielt inne. »Renée?«

»Ich hab keinen Hunger.«

»Du hast die ganze Woche so gut wie nichts zu dir genommen.« Er drehte am Knauf, merkte, dass ich abgeschlossen hatte, und rüttelte an der Tür. »Was machst du da drinnen?«

»Nichts.« Ich zerrte gerade einen Stuhl in die Kleiderkammer meiner Mutter, die noch immer mit Dingen aus ihrer Kindheit vollgestopft war. »Geh weg.« Ich stellte ihn an die Wand, und als ich annahm, dass mein Großvater kapituliert hatte, stieg ich drauf. Dann tastete ich im obersten Regalfach herum, bis ich auf ein langes Lederköfferchen stieß. Ich zerrte es heraus und ließ es mit einem dumpfen Aufschlag zu Boden plumpsen.

»Was war das für ein Geräusch?«, rief mein Großvater. »Bist du bald fertig mit Packen? In einer Stunde reisen wir ab.«

»Ja«, brüllte ich und ließ die Schlösser des Köfferchens aufschnappen. »Alles bestens. Lass mich einfach in Frieden.« Drinnen lag eine Schaufel, der hölzerne Schaft ganz dunkel von den Händen meiner Mutter und das Blatt rostfleckig. Sacht strich ich über das Metall. Als ich sie aus dem Koffer hob und aufrichtete, war sie überraschend schwer. Ich blickte in den Spiegel gegenüber und versuchte, in mir das zu erkennen, was ich war. Ein Wächter.

Ich zog mein Hemd im Nacken hinunter und starrte auf das Spiegelbild meines Rückenmals, wie es sich leise von weiß zu rosa verfärbte, wenn ich die Schultern rollte, und wie sich seine Form zu ändern schien, wenn ich den Hals bewegte. Von einem Oval zu einem Totenschädel zu den Umrissen von Dantes Gesicht.

»Uns verbindet gar nichts«, flüsterte ich. Meine Augen sahen mich schwer und dunkel an. Und rasch, ehe ich wieder ins Wanken kommen konnte, riss ich ein Pflaster aus seiner Hülle und drückte es über den Fleck, bedeckte ihn, entfernte ihn aus meinem Leben.

 

Montreal lag unter einer fast meterdicken Schneedecke, als ich abends dort eintraf. Der Trolley, den ich durch die Gasse zum St. Clément schleifte, hinterließ zwei zittrige Spuren im Schnee. Kurz vor dem Tor musste ich anhalten. Mein Koffer hatte sich in einer Eisfurche verfangen. Ich drehte mich um und zerrte am Griff, als ich bemerkte, dass es mehr als eine Furche war. Es war eine Form: ein riesiger, auf den Gehweg gezeichneter Buchstabe. Ich trat einen Schritt zurück und schob mir die Kapuze vom Kopf. Es war nicht nur ein Buchstabe, es waren mehrere. Da, unter der Straßenlaterne, war eine lateinische Botschaft tief in den Schnee gegraben.

VERZEIH MIR.

Ich ließ den Koffer fallen und wirbelte herum, suchte die Gasse und die Gebäude nach irgendeiner Spur von Dante ab. Doch es war alles ruhig. Ich zog den Mantel fester um mich und starrte auf die Botschaft; die Kälte biss mir in die Wangen, während der Schnee nach und nach die Buchstaben füllte. Ihm verzeihen? Wie sollte das gehen? Noch nicht einmal jetzt hatte er mir ehrlich sagen können, was er trieb.

Kaum hatte ich meinen Koffer in mein Zimmer gebracht, stattete ich Anya einen Besuch ab. Ich klopfte an ihre Tür, aber sie brüllte mir nur ein vertröstendes »Sekunde!« heraus und so hing ich eine Weile vor der Besenkammer herum und versuchte, meinen Rock zu entknautschen.

Anya öffnete die Tür im seidenen Bademantel. »Renée, hab gar nicht gewusst, dass du wieder da bist.«

»Wir müssen nach Vermont«, sagte ich.

Sie sah mich prüfend an. »Komm rein.«

Ihr Zimmer lag unter einer Schicht von Klamotten, Schuhen und Spitzenunterwäsche begraben. Sie pflügte das Sofa frei und setzte sich neben mich. »Du hast wieder eine Vision gehabt.«

Oben an ihrem Ohr prangte ein neues Piercing, an dem sie herumzwirbelte, während ich ihr von dem Bauernhaus und Cindy Bells Namen erzählte und dass ich die Schaufel meiner Mutter mitgenommen hatte. Doch ich scheute davor zurück, Dante zu erwähnen, obwohl ich nichts lieber getan hätte. Diese Last schleppte ich jetzt schon so lange mit mir herum; es wäre ganz natürlich gewesen, sich einfach davon zu befreien. Aber aus irgendeinem Grund brachte ich es nicht fertig.

Zum ersten Mal wurde mir klar, dass ich alles andere als ein großartiger Wächter war. Wäre ich das, hätte ich Dante ausgeliefert. Ich hätte ihn daran gehindert, in jener Nacht mein Zimmer wieder zu verlassen, hätte am nächsten Morgen meinen Großvater informiert und dann dabei geholfen, ihn zu fangen. Was hatte mich abgehalten?

Als ich fertig war, runzelte Anya die Stirn. »Aber Cindy Bell ist ja gar nicht in Breaker Chasm ermordet worden, sondern in Colorado. Was hast du da gesehen?«

»Keine Ahnung. Deshalb muss ich ja hin. Ich muss es rausfinden. Irgendwas könnte da versteckt sein. Vielleicht sogar der letzte Teil des Rätsels.« Dabei verschwieg ich ihr, dass mich nicht nur die vage Aussicht auf das Rätsel nach Breaker Chasm zog. Ich musste begreifen, was Dante dort gemacht hatte.

»Also, was meinst du?«, fragte ich. »Kommst du mit? Ich dachte, vielleicht Samstag. Mit dem Zug.«

»Übermorgen? Geht bei mir nicht.«

Ich sah sie überrascht an. »Wieso?«

Sie stand auf und durchquerte das Zimmer, um eine Opferkerze anzuzünden. »Ich muss meinem Dad im Laden helfen.«

»Kannst du dir nicht mal einen Tag freinehmen?«

»Nein. Das ist die stressigste Zeit des Jahres.« Sie pustete das Streichholz aus.

»Wir haben Mitte Januar«, sagte ich überdeutlich. »Da ist doch nirgends was los in Montreal.«

»Du trägst nie die Kette, die ich dir gemacht habe.«

Verwirrt schüttelte ich den Kopf. »Bitte?«

»Gefällt sie dir nicht?«

»Die mit den Bohnen?«, fragte ich. »Die ist … nicht ganz mein Stil. Aber warum drückst du dich um meine Frage? Willst du nicht mit? Das kannst du mir doch sagen.«

»Schön. Ich will nicht mit.«

»Weil du Angst hast?«

»Weil ich einfach nicht hinwill«, wiederholte sie. »Und ich finde, du solltest da auch nicht hin.«

»Warum nicht? Seit wann bist du die Stimme der Vernunft?«, fragte ich und hob einen mit Federn verzierten Wunschknochen-Talisman auf.

Anyas Gesicht wurde streng und sie hatte schon den Mund geöffnet, um mich anzuschnauzen, doch dann sank sie nur ins Sofa zurück. »Warum nimmst du das nicht einfach mit?« Sie wies auf den Talisman. »Könntest du brauchen.«

Ich stand auf und warf ihn aufs Sofa. »Danke, aber das bringe ich gerade noch so fertig.« Dann ließ ich die Tür hinter mir zuknallen.

Vielleicht hatte sie recht, dachte ich auf dem Weg zu meinem Zimmer. Man musste schon besessen sein, um einem Traum zu einem seltsamen Bauernhaus in Vermont zu folgen. Aber was blieb mir anderes übrig? Ich war schon so weit gekommen, ich konnte jetzt nicht einfach aufhören.

Durch das Fenster blickte ich über den Hof auf das Jungenwohnheim mit seinen hell erleuchteten Fenstern. Eines davon gehörte Noah. Er würde verstehen, dass ich gehen musste. Er würde noch nicht mal eine Erklärung brauchen. Und ohne nachzudenken stand ich auf und warf mir meinen Mantel über.

Es war eine eisige, windstille Nacht und kein weißes Ästchen rührte sich, als wäre der ganze Campus eingefroren. Ich hatte schon den halben Hof durchquert, als ich eine große, zusammengekauerte Gestalt auf mich zukommen sah. Unsere Wege kreuzten sich vor dem eisüberglänzten Brunnen. Ich zog die Kapuze enger um den Kopf.

»Renée«, rief die Stimme.

Ich blieb stehen und wirbelte herum. »Noah?« Ich schob die Kapuze zurück, um mir bessere Sicht zu verschaffen.

Noah trug eine dicke Fleecejacke und Lederstiefel. In seinem Haar sammelten sich die Schneeflocken. »Ich hab Licht bei dir gesehen und wollte Hallo sagen.«

»Du weißt, welches Fenster meins ist?«, stieß ich hervor. Der Gedanke machte mich glücklich.

»Aber du hast was vor, oder?«

»Nein«, sagte ich und konnte das Lächeln in meinem Gesicht nicht unterdrücken. »Ich wollte eigentlich gerade zu dir.«

»Du weißt, welches Fenster meins ist?«, fragte er geschmeichelt.

Ich schüttelte den Kopf und trat näher an ihn heran, die Arme fest um mich geschlungen. »Nein. War wohl mehr ein Versuch.«

»Bei mir auch«, sagte er. Er nahm seinen Schal ab und wickelte ihn mir um den Hals.

»Also, wie waren die Ferien?«, fragte er und betrachtete mein Gesicht. Seine Lippen waren hellrot und sein Atemnebel löste sich kurz vor meiner Nase in der Nacht auf.

»Können wir irgendwo rein?«, fragte ich.

Er wies zum Rand des Schulgeländes. »Da lang.«

Die Lichter in der Turnhalle surrten, als er sie einschaltete. Hier war es finster und kahl, nur aus den Umkleidekabinen drang ein Geräusch. Tropfendes Wasser. Chlor, dachte ich und versuchte, mich an den Schwimmbadgeruch zu erinnern, meine Sinne wieder wach zu rütteln. Aber es war zwecklos. Meine Schuhe quietschten auf dem Holzboden, als wir durch die Halle gingen und die Treppe zum Pool hinunterrannten. Das Wasser war blau und so ruhig, dass sich in ihm die Decke spiegelte. Es war wie in einem Paralleluniversum, in einer längst versunkenen Welt.

Wir zogen die Schuhe aus, setzten uns unter das Sprungbrett und tauchten die Füße ins Wasser. Ich erzählte ihm von dem Gehöft in Vermont, dem Zettel mit Cindy Bells Namen, und dass dort vielleicht der letzte Teil des Rätsels versteckt sein könnte.

»Lass uns hin«, sagte er sofort. »Der Unterricht fängt eh erst am Montag an. Heute ist es schon zu spät, aber morgen könnten wir los. Was brauchen wir?«

So saßen wir da, redeten und lachten und schmiedeten Pläne für unsere Expedition, und als er neben mir einschlief, verschmolzen unsere Schatten miteinander. Ich sah ihm zu, dem Auf und Ab seiner Brust, und wünschte mir, in seinem Arm einzuschlafen. Von einem einzigen seiner Worte an die Schönheit des Lebens erinnert zu werden. Von einer Berührung seines Fingers zu lernen, tiefer zu atmen, langsamer zu leben, ein besserer Mensch zu werden. Mich in ihn zu verlieben.

 

Am Samstagmorgen wartete Noah schon am Schultor auf mich, in der Hand zwei Kaffee und eine braune Papiertüte. Der Tag war kalt, die Sonne teilweise hinter Wolken versteckt. Wir nahmen ein Taxi zu einer Anlegestelle in Süd-Quebec, wo wir die Fähre bestiegen.

Gemächlich schipperte das Schiff über den Champlainsee und unter uns röhrten die Motoren, während wir in der schäbigen Snackbar am Fenster saßen. Noah zog zwei trockene Brioches aus der Papiertüte. »Schokolade oder Marzipan?«

Ich wählte Schokolade und lächelte. »Danke.«

Die Fähre war fast leer; außer uns hingen nur ein paar Leute in windgeblähten Parkas auf Deck herum. Noah beugte sich vor und zupfte mir ein Stück Brioche von den Lippen, wofür er eine Spur zu lange brauchte.

Der Lautsprecher brummte und verbreitete die Durchsage des Kapitäns: »Wir verlassen jetzt die kanadischen Gewässer. Willkommen in den Vereinigten Staaten von Amerika.«

»Jetzt sind wir zwischen den Welten«, murmelte Noah und schaute aus dem Fenster.

Das Wasser war dunkelblau und reichte bis zum Horizont, der durch den gespiegelten Himmel keinen Anfang und kein Ende zu haben schien. Und wir waren irgendwo in der Mitte gefangen, genau wie ich im Nirgendwo zwischen Leben und Tod festsaß, zwischen meiner Welt und der von Dante.

Es war später Nachmittag, als wir an einem trostlosen Kai an der Nordspitze von Vermont an Land gingen. Der Himmel trug schon rote Streifen und in der Ferne verschwand die Sonne hinter den Bergen.

Drei Taxis warteten auf dem Parkplatz. Wir steuerten auf das nächste zu. Der Fahrer schlief, den Kopf auf die Faust gestützt. Auf dem Armaturenbrett lag eine Zeitung ausgebreitet. Zögernd klopfte ich an die Scheibe. Er schreckte hoch und kurbelte sie runter.

»Wohin soll’s gehen?« Ausgezehrt sah er aus, mit grauem Stoppelbart und wild wuchernden Augenbrauen.

Ich fischte den Zettel aus der Tasche und las ihm die Adresse aus meiner Vision vor. Grunzend wies er auf die Rückbank. Während wir einstiegen, warf er die Zeitung auf den Beifahrersitz, dann fuhr er los.

Bei geöffnetem Fenster steckte er sich eine Zigarette an. Vom Rückspiegel baumelte ein Kirsch-Duftbäumchen. »Wie weit ist das?«, fragte ich und reckte mich zwischen die Vordersitze, als ein Schlagloch mich gegen Noah schleuderte. Seine Wärme traf mich unvorbereitet und ich fuhr zusammen. Wie anders als ich er sich doch anfühlte. Würde es sich auch so anfühlen, wenn ich Noah berührte, Noah küsste, mit Noah zusammen war – ein Schock der Fremdartigkeit? Der Fahrer grummelte etwas, das sich wie zwanzig Minuten anhörte, und drehte das Radio lauter.

Die Landschaft war von einer Eisschicht überzogen und auch die Bäume trugen einen zarten Eismantel. Wir fuhren vorbei an schwach erleuchteten Bauernhäusern und Schneefeldern hinter langen Holzzäunen. Als sich gerade die Dunkelheit auf den Baumspitzen niederlassen wollte, kamen wir an einem vertrauten Schild vorbei. WILLKOMMEN IN BREAKER CHASM

»Gleich sind wir da«, sagte ich und betrachtete die Straßenlaternen, die geschlossenen Geschäfte und die Tankstelle, die sich völlig mit meiner Vision deckten. Mit einem Finger schrieb ich fait accompli auf die beschlagene Scheibe.

»Vollendete Tatsache«, übersetzte Noah. »Warum hast du das geschrieben?«

Ich starrte auf die Worte. »Keine Ahnung«, murmelte ich und wischte es mit der Hand weg.

Auf einer rutschigen Straße voller Schlaglöcher ging es weiter, bis wir an einem windschiefen Blechbriefkasten am Anfang einer langen Zufahrt vorbeirollten. Ich drehte mich und musterte ihn durch die Heckscheibe, verglich ihn mit dem schneebedeckten Kasten aus meiner Vision.

»Stopp, halten Sie an!«, rief ich und deutete darauf. »Da ist es.«

Der Fahrer legte den Rückwärtsgang ein und blickte säuerlich über die Schulter, während er über das Eis zurückschlitterte. Noch bevor er zum Stehen gekommen war, hatte ich schon die Tür aufgerissen und war hinausgesprungen, um die Aufschrift auf dem Briefkasten zu lesen. Es war dieselbe Adresse wie in meiner Vision. Dahinter lagen das gelbe Gehöft und der Schuppen.

Wir bezahlten den Fahrer dafür, eine Stunde auf uns zu warten. »Eine Sekunde länger und ich bin weg«, sagte er, lenkte zu einer ebenen Stelle unter einem Baum und stellte die Scheinwerfer ab. In diesem Augenblick blies ein schmaler Luftzug durch die Bäume und wickelte sich mir um den Hals.

»Spürst du das?«, fragte ich Noah.

»Was denn?«

Ich hielt einen Finger an meine Lippen und versuchte, das Gefühl wieder einzufangen, doch als ich die Augen schloss, rührte sich kein Hauch. »Egal«, sagte ich.

»Schau mal«, wies Noah auf eine kleine Parzelle neben dem Hof, wo Dutzende kleine Grabsteine aus dem Acker ragten. »Da sind Familiengräber. Die spürst du wahrscheinlich.«

Erleichtert atmete ich aus. Ich ließ meine Tasche in den Schnee fallen, beugte mich hinunter und hielt wie in der Vision die Gelenke des Türchens fest, um das Quietschen zu verhindern. Leise machte ich es auf. Aber zu meiner Bestürzung lag nichts darin.

»Leer.« Noah lugte hinein. »Ich schätze, da bleibt nur noch eins.«

Wir beäugten das Bauernhaus, das von einer morschen Veranda umgeben war. Die dunklen Fenster machten mir Mut. Ich hob die Tasche auf und folgte Noah die Auffahrt entlang, den Blick auf die Fußspuren im Schnee vor uns gerichtet.

»Heimwerker scheinen hier jedenfalls keine zu wohnen«, flüsterte Noah und setzte einen prüfenden Fuß auf die Verandabohlen, bevor er zur Eingangstür ging. »Ich meine, schau dir das hier mal an. Das fällt alles auseinander.« Die gelbe Farbe blätterte großflächig von der Wand; die meisten Fenster waren entweder eingeschlagen oder mit Brettern verrammelt.

Ein Windstoß ließ die Läden klappern. Ich stellte meinen Mantelkragen auf und verschränkte die Arme. »Na dann«, sagte ich und warf einen letzten Blick auf den Sonnenuntergang hinter den Bäumen, bevor wir durch die Tür schlüpften.

Die Luft in der Diele war eisig und abgestanden, schwer von Staub. Mit Spinnweben umwickelte Arbeitsstiefel standen auf dem Boden und von den Wänden sackte graues Papier. Noah betätigte den Lichtschalter, aber nichts passierte.

Im Flur herrschte absolute Finsternis. Als wir ins nächste Zimmer gehen wollten, wich ich einem Beistelltisch aus und stieß mit Noah zusammen.

»Geh nur vor«, sagte er.

»Danke«, murmelte ich und hoffte, dass die Dunkelheit meine Schamesröte verbarg.

Obwohl alles im Bauernhaus von einer Dreckschicht bedeckt war, machte es einen seltsam bewohnten Eindruck. Die Sofas und Sessel waren uralt und heruntergekommen, aber die Polster wirkten, als hätte gerade noch jemand darauf gesessen. Und die Abdrücke darin wirkten beinahe frisch. Ich streckte die Hand nach einem Kissen aus, weil ich mir vorstellte, es müsse es noch warm sein. Zu meiner Erleichterung war es das nicht.

An der Wand hing ein Foto von drei Männern. Jeder von ihnen hielt einen großen Eisquader in die Kamera.

»Das war ein Eishof hier.« Noah überflog einen der gerahmten Zeitungsausschnitte an der Wand. Es gab Dutzende davon, alle verblasst, teils noch aus dem neunzehnten Jahrhundert. »Hier steht, dass sie die Eisblöcke aus dem See geschnitten, sie mit Stroh isoliert und dann mit der Kutsche in den umliegenden Städten an die Häuser verteilt haben, für Eisschränke, vor der Erfindung des Kühlschranks.«

»Das da muss er sein«, flüsterte ich hinter ihm. Noah folgte meinem Blick aus dem Fenster. In einiger Entfernung lag ein zugefrorener See, auf dem sich ein Amselschwarm versammelt hatte.

»Ein Eishof«, meinte Noah nachdenklich. »Ich frag mich, was das hier mit dem Rätsel zu tun hat.«

»Das weiß ich nicht«, sagte ich, obwohl ich mich in erster Linie fragte, was dieser Ort hier mit Dante zu tun haben sollte.

»Machen wir uns mal auf die Suche«, sagte Noah. »Wo könnte es versteckt sein, meinst du?«

Wir durchkämmten jeden Raum im Erdgeschoss nach dem letzten Teil des Rätsels, unter den Möbeln, hinter den Bildern an der Wand und unter den Teppichen, bis wir schließlich im ersten Stock landeten, in einem riesigen Schlafzimmer.

»Willkommen in den Gemächern des Hausherrn«, grinste Noah und hielt mir die Tür auf. Das Zimmer wirkte reichlich spartanisch, mit robusten Holzmöbeln und einer Balkendecke. Der einzige Luxus war ein Himmelbett, von dem seitlich vergilbte Spitze herabhing.

Von der Deckenmitte baumelte ein einfacher Leuchter, der aber nicht anging, als Noah an der Kordel zog. »Ich glaube, hier ist seit Jahren keiner mehr gewesen«, sagte er und öffnete die Schranktüren. Er sah sich nach irgendwelchen Schnitzereien im Holz um, doch die Wände waren kahl.

Wir suchten das ganze Zimmer ab, nach einer Gravur, einer Plakette. Da es draußen immer dunkler wurde, war kaum noch etwas zu erkennen und so mussten wir uns auf unsere Hände verlassen. Wir fuhren mit den Fingern unter der Kommode, dem Nachttisch, dem Sessel entlang, über den rauen Dielenboden und den unebenen Putz an der Wand. Es war uns klar, dass wir auf den Möbeln nichts finden würden, denn die neunte Schwester hätte nie den letzten Hinweis zur Unsterblichkeit auf einem beweglichen Gegenstand hinterlassen. Schließlich hatten wir alles untersucht und nichts gefunden.

»Bleibt nur noch ein Ort übrig«, sagte ich und wischte mir die Knie ab.

Wir starrten auf das Bett. Schon der erste Rätselteil hatte sich unter einem Krankenbett befunden.

»Der Hausherrin den Vortritt«, sagte Noah mit einem Diener und lüpfte den Spitzenvorhang, um mich hineinzulassen.

Ich duckte mich hindurch, ging auf alle viere und langte unter das Bett. Aber so oft ich meine Handflächen auch über das unebene Holz gleiten ließ, ich fand einfach nichts.

»Ich spür überhaupt nichts.« Ich rutschte noch näher heran, um weiter nach hinten zu greifen, als mich etwas Spitzes in den Knöchel stach.

»Aua«, schrie ich und wand mich heraus, um nachzuschauen.

Sofort kniete Noah neben mir. »Bist du okay?«

»Ja«, sagte ich mit Blick auf den dicken Holzspan, der aus meinem Strumpf ragte. »Nur ein Splitter, glaub ich.«

»Ein Monstersplitter«, sagte er. »Lass mich mal. Ich zieh mir dauernd welche ein.« Er fasste ihn mit Pinzettengriff und zog ihn heraus. Zurück blieb ein Loch in der Strumpfhose, das als Laufmasche sofort das ganze Bein hochkletterte.

Verlegen wand ich mich, um sie unter meinem Rock zu verstecken.

»Deine Beine.« Noah starrte auf den dünnen Streifen Haut, der wie ein Saum durch das schwarze Nylon lief. »Ich hab sie ruiniert.«

»Nur die Strümpfe«, flüsterte ich. »Nicht die Beine.«

Wir standen beide gleichzeitig auf und unsere Finger wanden sich auf dem Boden ineinander. Erschrocken sprang ich zurück, stieß gegen den Bettpfosten und eine Staubdusche ergoss sich auf unsere Gesichter.

Ich schnappte nach Luft und einen Moment lang war alles still. Der Staub legte sich über unsere Haare, unsere Wimpern, unsere Schultern. Ich blinzelte, hob die Lider und sah Noah, völlig mit grauem Puder bestäubt, als wäre er der Geist des Hausbesitzers. »Tut mir leid«, wollte ich sagen, aber es kam nur als Husten heraus und wir brachen prustend auf dem Boden zusammen.

»Ich hab’s in den Augen«, rief ich und presste sie zu.

»Zeig mal her«, sagte Noah. Ich spürte, wie er sich über mich beugte. Er berührte meine Wimpern und wischte den Staub fort. Mein Atem wurde ganz flach, als er mit sanfter Hand zu meiner Wange hinabglitt. Und dann spürte ich, wie etwas meine Lippen streifte. Es war warm und feucht und weich. Ich war schon so lange nicht mehr geküsst worden, dass ich nicht sagen konnte, ob es ein Kuss war oder seine Finger, die über meinen Mund gewandert waren. Nur war es so ganz anders gewesen als eine reine Berührung. Die Zeit schien sich zu dehnen und ich konnte mir fast vorstellen, ihn zu schmecken, ihn zu riechen, seine Wärme auf meiner Haut zu spüren.

Als er sich losriss, rann mir etwas die Wange hinunter. Vielleicht eine Träne, ich wusste es nicht. Und dann war da Noahs Hand, die sie wegwischte.

Keiner von uns sagte ein Wort und ich konnte mein Herz in die Stille des Raums schlagen hören. Ich schlug die Augen auf. Alles schien alles unverändert: Vor mir kniete Noah, auf ihm lag der Staub.

Doch bevor einer von uns etwas sagen konnte, schien die Zimmertemperatur abzustürzen. Ich spürte, wie sich etwas auf uns herabsenkte, als würde der Frost in jede Ritze des Hauses kriechen. Durch die Belüftungsschächte wölkte sich ein Eishauch. Noah hatte es auch gespürt und starrte mit plötzlich wachsamen Augen zur Tür.

Ich schaute aus dem Fenster. Das Wasser, das vorhin von der Regenrinne getropft war, war jetzt zu Eiszapfen gefroren. Ich kannte dieses Gefühl. Die Untoten. Aber diesmal war es nicht Dante.

Lautlos stand ich auf und machte mich bereit, völlig synchron mit Noah. Wir mussten nicht sprechen, wir dachten genau dasselbe. Wir schlichen an der Wand entlang. Als Noah sich unbeobachtet glaubte, befeuchtete er sich die Lippen. Hatte er mich geküsst? War das wirklich passiert? Ich wandte den Blick ab und betrachtete mein Gesicht im Spiegel. Es war staubig und hager, wie mein älteres Ich, ein uraltes Ich aus einem früheren Leben. Wenn es ein Kuss gewesen war, musste das auch in einer anderen Welt geschehen sein, als wir beide andere Menschen gewesen waren.

Im Flur angekommen, hörte ich von unten Stimmen. Ich schloss die Augen und versuchte, sie zu zählen. Einer beim Fenster. Einer an der Tür. Noch zwei am Küchentisch. Vier weitere draußen, bei der Scheune. Und noch eine Handvoll auf dem Acker. Uns blieb nur der Weg nach links über den Flur.

Vorsichtig wagte ich einen Schritt, dann noch einen und noch einen, bis wir ein Zimmer am anderen Ende des Hauses erreichten. Ich drehte den Knauf, stieß die Tür auf und trat ein, Noah mir auf den Fersen.

Wir fanden uns in einem schmalen, finsteren Raum wieder, mit niedriger Decke und einer engen Treppe an einer Seite. Das Dienstmädchenzimmer. Doch statt mit richtigen Möbeln war es mit Spielzeug vollgestopft. Altes, abgenutztes Spielzeug, verkratzt und zerbrochen, wie seit Generationen im Gebrauch. Plastiklaster und Matchboxautos, Murmeln und Bauklötze lagen auf dem Boden verstreut. Ich stieg vorsichtig um sie herum und bestaunte das Zimmer. Was war das hier?

Gerade wollte ich uns das Treppchen hinunter- und zur Tür hinausführen, als wir noch mehr Stimmen hörten. Wie Raureif drangen sie durch die Lüftung. Ich ging in die Hocke und hörte zu. Es mussten Dutzende sein. Sie plauderten und lachten und zankten sich, mit hohen, ausgelassenen Stimmen, die fast weinerlich klangen. Es waren Kinder – Jungen, nicht älter als zwölf, da sie noch nicht im Stimmbruch waren. Ich versuchte zu verstehen, was sie sagten, hörte aber nur Geplapper.

Gerade wollte ich mich abwenden, da schnitt sich eine tiefe Stimme durch ihr Schnattern hindurch. Sie sprach Latein. Es klang wie ein Junge – oder eher ein Mann – in Dantes Alter, vielleicht älter. Stille senkte sich über das Zimmer. Ich wartete mit zitternden Lippen, doch als er sprach, konnte ich nur ein paar Worte heraushören:

»Die Neun Schwestern.«

»Name im Briefkasten.«

»Haltet das Weib fest und wartet auf uns.«

»Dient dem Liberum.«

Lautlos erhob ich mich und zwang mein Herz, leiser zu schlagen. Ich starrte ins Leere. Das Liberum. Hatte die tiefe Stimme einem der Brüder gehört? Setzten sie untote Kinder darauf an, nach dem Geheimnis der Neun Schwestern zu suchen?

Ich spähte aus dem Fenster, dorthin, wo unser Taxi hätte warten sollen. Doch da war nichts mehr.

»Was sagt er?«, bewegte Noah die Lippen.

»Wir müssen hier raus«, flüsterte ich so leise, dass ich mir nicht mal sicher war, ob Noah mich gehört hatte.

Aber wie? Wir waren meilenweit von aller menschlichen Zivilisation entfernt. Unwillkürlich stieß ich mich von der Wand ab, um Abstand zwischen mich und die Stimme zu bringen. Aber ich hatte das ganze Spielzeug auf dem Boden vergessen und blieb an einer Eisenbahn hängen, deren Schienen durch den gesamten Raum verliefen.

Alles passierte viel zu schnell. Ich stolperte und breitete die Arme aus, um mich an einem Tisch festzuklammern. Doch ich war zu langsam, fiel wie ein nasser Sack auf den Boden und verteilte die klappernden Spielsachen unter mir im ganzen Zimmer.

Ich rührte mich erst wieder, als sich alles gelegt hatte. Im Haus war es still geworden. Noahs aufgerissene Augen wanderten von mir zur offenen Tür und dann zum finsteren Gang dahinter.

Von irgendwo aus der Ferne hörte ich das Tapsen kleiner Füße. Sie schienen aus dem Nirgendwo und aus dem Überall zu kommen, wie Regentropfen auf dem Dach – zunächst leise, dann lauter, wie Dutzende winziger Pfötchen, die die Treppe hinauftrippelten.

Ich spürte sie, bevor ich sie sah: eine Eisdusche, als wäre ich gerade in einen zugefrorenen See eingebrochen. Eine Gänsehaut überzog mich, als sie näher kamen, näher, immer näher, und die kalte Luft wickelte mich ein, schnürte sich so fest um meinen Hals, dass ich kaum noch atmen konnte.

Aus der Dunkelheit am Ende des Ganges erschien eine fahle Gestalt und rannte auf uns zu. Dahinter noch eine – ein wild fuchtelndes, weißes Ding – und dahinter noch eine, noch eine, noch eine. Sie bewegten sich so flink, so fremdartig, mit seltsam rudernden Gliedmaßen.

Noahs Stimme dröhnte durchs Zimmer. »Los, komm.«

Ich schnappte seine Hand und zog mich daran hoch.

Wir hasteten die enge Treppe hinab, ich so dicht auf Noahs Fersen, dass ich ihn beinahe umrannte. Unten lag ein weiterer Schlauch von einem Flur, gesäumt von Familienfotos und Türen. Am anderen Ende konnte ich die Küchenfenster sehen und daneben einen Hinterausgang.

Wir stürzten auf die Tür zu, bis uns plötzlich aus dieser Richtung weiße Schemen entgegenkamen.

Noah bremste jäh ab und schnellte zu mir herum, sein Atem kam in kurzen Stößen. Über uns hörte ich die Jungen durchs Spielzimmer trampeln, die Decke gab beinahe unter ihnen nach. Sie waren laut, nah.

»Was jetzt?« Ich schaute mich panisch nach einem Ausweg um.

Noah eilte gerade an meine Seite, da erschien am Treppenaufgang ein untotes Kind, mit wolkigen grauen Augen. Sie bewegten sich nicht mit, als der Junge sich wie ein verwirrtes Baby nach uns umhörte. Er konnte kaum älter sein als sechs. Ich betrachtete ihn, seine abgewetzte Hose, seine bloßen Füße, das verfilzte Haar, und dann begriff ich, dass er blind war.

Zwei weitere stolperten hinter ihm die Treppe hinab. Ihre Augen waren klarer, zielgerichteter, und sie kippten ihre Köpfchen zur Seite, als fragten sie sich, was ich wohl war.

Hinter mir spürte ich Noah. »Warum starren die uns so an?«, flüsterte er.

»Sie sind nur neugierig«, murmelte ich und zuckte jedes Mal innerlich zusammen, wenn ihr verschwommener Blick auf mir landete. »Sie sind nur Kinder, denk dran. Sie wissen nicht, wer wir sind. Lass sie nur nicht deine –«

»Schaufel!«, sagte einer von ihnen auf Lateinisch und wies auf die kleine Schippe, die aus der Innentasche von Noahs Mantel herausragte.

Langsam schritt ich rückwärts auf die Türen zu, in der Hoffnung, dass eine doch nach draußen führen würde. Da spürte ich auf meinem Bein ein Händchen, das an meinem Rock zerrte. Erschrocken fiel ich auf die Knie, auf den rauen Teppich, während der Junge an mir emporkletterte. Sein Körper war dreckverkrustet und jetzt griff er nach meinem Gesicht. Ich bog meinen Hals von ihm weg, hielt ihm den Mund zu, schleuderte ihn von mir und zwang mich auf die Beine.

Noah stand etwas entfernt und schüttelte gerade drei Jungen ab, die alle weder Schuhe noch Hemd trugen. Ich presste die Lippen aufeinander, bahnte mir einen Weg zu Noah, rupfte die Kinder von ihm herunter und zerrte ihn aus ihrer Mitte. Sie klammerten sich an unseren Knöcheln fest, als ich den Knauf der letzten Tür drehte. Innen war es stockdunkel und feucht. Ein Keller. Ich spähte gerade die Betontreppe hinunter, da schlang ein untoter Junge die Hände um mein Bein. Ich zerrte Noah durch die Tür; den untoten Jungen nahm ich einfach mit.

Der Junge klammerte sich an meinen Strümpfen fest. Seine Finger pressten sich gegen meine Oberschenkel, während ich treppab ins Unterirdische stolperte. Ich versuchte, ihn abzuwerfen, aber er wurde kurzatmig, verzweifelt, grapschte nach meinem Rock, meinen Armen, meinen Haaren. Bevor ich mich festhalten konnte, war ich schon ausgerutscht und ich jaulte vor Schmerz, als ich die Stufen hinabpolterte.

Ich spürte das Gesicht des Jungen dicht auf meinem, seinen kalten Atem an meiner Wange. Dann schlugen wir unten auf und der Griff des Jungen lockerte sich. Ich schälte ihn von mir ab, taumelte rückwärts und beobachtete, wie er seinen Hals wie aus tiefster Qual erst in die eine, dann in die andere Richtung renkte, schneller, schneller, bis er sich auf dem Boden wand.

Noah griff sich meinen Arm.

»Warte!«, sagte ich und starrte auf den schmalen Kinderkörper, auf seine Knopfnase, seine runden, schmutzverschmierten Wangen. »Er stirbt. Wir müssen ihm helfen.«

»Lass ihn«, sagte Noah.

»Er ist ein Kind!«, rief ich.

»Ist er nicht mehr. Er ist ein Monster.« Bevor ich mehr sagen konnte, fasste mich Noah um die Hüfte und zog mich in die Tiefe des Raums. Es war ein langer, gemauerter Keller, voll mit Heuballen und verrostetem Erntegerät.

»Vielleicht gibt’s hier eine Falltür nach draußen«, sagte Noah und suchte die Decke ab, bis er eine Metallklappe gefunden hatte. Er stieg auf einen Heuballen, stemmte sie auf und legte den dunkelblauen, sternwilden Nachthimmel frei.

Er wuchtete sich hinaus und wollte mir hochhelfen, aber ich hatte es ihm schon gleichgetan. Vor uns erstreckte sich ein riesiges Feld, der Schnee darauf schon völlig vereist. Wir rannten darüber hinweg und die Luft stach mir in die Lunge, als wir auf den See und die Wälder dahinter zukeuchten.

Am Ufer, wo der Schnee in reines Eis überging, kamen wir zum Stehen.

»Kann man hier drauf gehen?«, rief ich. Das Haar peitschte mir um den Kopf, als ich mich panisch umsah. Dort hinten schwärmten die Untoten aus dem Hof, mottengleich mit ihrer weißen, mondbeschienenen Haut.

»Na klar«, sagte Noah und trat vorsichtig auf den See hinaus. »Das hier war ein Eishof. Irgendwo müssen sie das Zeug ja herbekommen haben.«

Ich zögerte noch und lauschte, ob das Eis unter Noah nicht knackte. Aber ich konnte nur die knirschenden Schritte der Untoten hinter uns spüren.

Wir rannten über den See, rutschten auf glatten Sohlen übers Eis. Die Amselversammlung stob wild auseinander. Die Januarluft hatte meine Lunge völlig taub gemacht. Als wir es endlich zu den Bäumen auf der anderen Seite geschafft hatten, konnte ich durch das Geäst noch die Jungen erkennen. In der Dunkelheit wirkten ihre fahlen Gesichter fast bläulich. Es schien, als wollten sie uns herüberfolgen, doch da ertönte hinter ihnen eine tiefe Stimme. »Genug«, sprach sie und eine dunkle Gestalt erschien, lang und dürr wie eine Vogelscheuche. Ich fühlte, wie die untoten Kinder sich beruhigten und verstummten. Da standen sie entlang des Ufers und ihre trüben Augen folgten uns hinein in die Nacht.

Dead Beautiful - Unendliche Sehnsucht: Roman
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