Lycée St. Clément

 
 

Dreizehn Buchstaben, der letzte ein L.« Dustin wollte es mir aufschreiben, aber sein Füller war eingetrocknet. Er schüttelte ihn und unternahm noch einen Anlauf. Wir saßen im Flugzeug auf dem Weg nach Quebec.

Ich blinzelte. Während er in seiner Tasche nach Ersatz herumwühlte, blitzte in meinem Kopf das Bild eines Vogels auf, als wäre es auf die Rückseiten meiner Augenlider eingraviert. Plötzlich überwältigte mich das Verlangen, diesen Vogel zu finden. Ihn zu besitzen.

»Na bitte«, sagte Dustin und tauchte mit einem Bleistift in der Hand wieder auf. Er machte sich über sein Kreuzworträtsel her. »Also, wo war ich? Ach ja, Nummer siebzehn waagerecht –«

Die Antwort schien mir derart offensichtlich, dass ich Dustin nicht mal ausreden ließ. »Kanarienvogel.«

Er zählte die Buchstaben und ließ den Stift fallen. »Wie haben Sie das jetzt gemacht? Ich hatte Ihnen noch nicht mal die Frage vorgelesen.«

»Keine Ahnung. Ich – wahrscheinlich habe ich gerade an einen gedacht.« Ich drehte meinen Kopf zu dem kleinen Fenster und starrte auf die Wolken unter uns.

»Diese Begabung müssen Sie von Ihrer Mutter geerbt haben. Sie war die Meisterin des Kreuzworträtsels. Hat sie immer heimlich unter dem Frühstückstisch gemacht.«

»Wie war denn der Hinweis?«

»Federball in der Kohlengrube.«

»Und das soll ich erraten haben?«

Dustin lachte. »Offensichtlich.«

»Ein Kanarienvogel in der Kohlengrube?« Ich ließ mir die Worte auf der Zunge zergehen. Irgendwie klang es vertraut, obwohl ich mich nicht daran erinnern konnte, wo ich es schon mal gehört hatte. »Was soll denn das heißen?«

»Das wissen Sie nicht?« Sein Gesicht wurde ganz runzlig vor Erstaunen. »Die Bergleute haben früher Kanarienvögel mit in die Grube genommen, um festzustellen, ob giftige Gase austraten. Kanarienvögel reagieren sehr empfindlich auf so etwas, und wenn Gas in der Luft lag, sind die Vögel sofort gestorben und haben so den Kumpeln das Signal zur Evakuierung gegeben.« Dustin neigte seinen Sessel vor und zurück. »Ist das nicht unfassbar?«, fragte er. »In diesem Moment befinden wir uns Tausende von Metern über der Erde und schießen nur so durch die Luft!«

Trotz meiner trüben Stimmung konnte ich mir das Lächeln nicht verkneifen, als ich ihn so mit seinen Knöpfen an der Armlehne herumspielen sah. Dustin liebte Flugzeuge – das vorportionierte Essen auf den Tabletts, die Flugmagazine und die Flugbegleiterinnen in ihren Kostümen.

»Eine Erfrischung?«, fragte eine Stewardess, die ein Wägelchen den Gang entlangschob.

»Für mich ein Mineralwasser, bitte«, sagte Dustin, um sich gleich anders zu entscheiden. »Nein, machen Sie daraus einen Cranberrysaft.« Als sie einen Becher mit Eis füllte, unterbrach sie Dustin. »Wenn ich’s mir genau überlege; könnten Sie das noch in einen Tomatencocktail umändern?«

Mit glücklicher Miene wandte er sich mir zu und schüttelte begeistert eine Erdnusspackung. »Alles im Miniaturformat!«

Ich nahm mir Dustins Zeitschrift und blätterte sie durch, überflog die Werbung, bis ich schließlich über eine Karte von Nordamerika stolperte. Auf dem Klapptischchen faltete ich sie aus. »Waren Sie schon mal am Eriesee?«, fragte ich und starrte auf seinen blauen Umriss.

Dustins Strahlen verblasste. »Ja.«

»Wie ist er?«

»Kalt. Nass.«

»Waren sie sehr eng befreundet?«, fragte ich. »Meine Mutter und Miss LaBarge?«

Er lockerte sich den Gurt. »Als sie in Ihrem Alter waren, waren sie unzertrennlich. Natürlich nur, wenn Ihr Vater nicht dabei war.«

Als ich Montreal auf der Karte entdeckt hatte, legte ich meine Hand darauf ab. Einen Zeigefinger breit – das war der Abstand zwischen der Stadt und dem Haus meines Großvaters in Massachusetts. Zwei Finger – so weit war Miss LaBarge von Montreal entfernt gewesen, als sie gestorben war. Vier Finger – so weit war es bis zu dem Ort, wo meine Eltern gestorben waren. Ich legte meine ganze Hand flach aufs Papier – überall hier konnte Dante sein. Überall. Und jeder Tag, den wir getrennt waren, fühlte sich an wie ein ganzes verlorenes Leben.

»Haben Sie manchmal das Gefühl, dass Ihnen die Zeit davonrennt?«, fragte ich Dustin.

Er starrte auf die Eiswürfel in seinem Drink. »Ständig.«

»Und was machen Sie dagegen?«

»Nichts«, sagte er. »Ich versuche einfach, die Zeit zu genießen, die ich noch habe. Was anderes bleibt uns gar nicht übrig.«

Der Rest des Fluges verging im Nu. Mir schien es, als wären wir gerade erst an Bord gestiegen, als die Lautsprecher knackten und die Stimme der Flugbegleiterin auf Französisch und Englisch den Landeanflug ankündigte. Dustin beugte sich über mich, um aus dem Fenster zu sehen. Das Himmelsblau ging in Wolken über und wurde dann ersetzt von den winzigen Lichtern der Gebäude, den unregelmäßigen Spiralen von Straßen. Und dann, mitten aus dem Nebelschleier, erschien eine Insel.

 

Montreal war eine Festung von einer Stadt, auf allen Seiten von Wasser umgeben und mit dem Festland nur durch Brücken verbunden. Nachdem wir den Zoll hinter uns gelassen hatten, mieteten wir einen Kleinwagen und machten uns auf den Weg zum St. Clément, im alten Stadtteil Vieux-Port. Wir fuhren eine Straße namens rue Notre-Dame entlang, die von unebenen Gehsteigen und Stadthäusern mit Mansardendächern gesäumt war.

Der Himmel war bewölkt, die Luft warm. Als ich mein Fenster hinunterließ, überholten wir gerade eine Gruppe Radfahrer mit kleinen Mützen auf dem Kopf. Einer wandte sich mir zu, als wir vorüberzogen; seine Haare waren zu einem unordentlichen Knoten zusammengebunden. Dante, durchfuhr es mich und ich drückte meine Nase an die Scheibe. Aber es war nur ein großer Mann mit langen Haaren. Er zwinkerte mir zu, als wir in die rue Saint Maurice einbogen. Hier ging es geradeaus, bis wir eine schmale Straße ohne Straßenschild passierten. Dustin hielt den Wagen an, blickte über die Schulter und legte den Rückwärtsgang ein. Wir hielten auf Höhe der namenlosen Gasse. Sie war wirklich kaum mehr als ein Gässchen. Prüfend betrachtete Dustin die fleckigen Backsteingebäude.

»Wenn meine Erinnerung mich nicht trügt, sind wir hier richtig«, sagte er schließlich und bog ein. Die kleine Straße war abschüssig und unser kleines Auto holperte über das Kopfsteinpflaster.

Ein Taubenpaar ergriff vor uns die Flucht und flatterte in der Gasse umher, als wir uns an den am Bordstein aufgereihten Mülltonnen vorbeiquetschten. Am Ende der Straße stand ein Schild mit der Aufschrift PETIT RUE SAINT CLÉMENT.

Diese Straße war kaum breiter als das Gässchen, doch viel sonniger. Dustin bog links ab, fuhr noch ein Stückchen geradeaus und hielt dann vor einem riesigen alten Gemäuer mit Torbogen. Darüber stand in großen Buchstaben LYCÉE SAINT CLÉMENT in den Stein gehauen.

Ein Wachmann kam uns entgegen. Dustin stellte unser Gepäck ab und angelte in seinen Taschen nach einem Stück Papier. Nachdem es der Torwärter durchgelesen hatte, sagte er etwas auf Französisch und gestikulierte dazu. Zu meiner Überraschung schien Dustin ihn zu verstehen. »Merci, monsieur«, sagte er mit für mein Ohr perfektem Akzent und griff wieder nach den Taschen.

»Ich wusste gar nicht, dass Sie Französisch sprechen«, staunte ich, als wir den grasbewachsenen Innenhof der Schule durchquerten. In der Mitte stand ein Brunnen, daneben zwei Mädchen mit Büchern in der Hand. Hinter ihnen spritzte das Wasser in die Höhe.

»Das wusste ich auch nicht mehr«, gab Dustin zurück. »Ich habe es seit einer halben Ewigkeit nicht gebraucht.«

Wir betraten eines der Gebäude auf der gegenüberliegenden Seite des Hofs. FEMMES stand darauf. Im Gegensatz zu den Gottfried-Wohnheimen war es hier klein und gemütlich. Ein plüschiger Teppichboden bedeckte den Eingangsbereich, der mit dick gepolsterten Sofas eingerichtet war. Auf einer Seite prangte eine Pinnwand, übersät mit Reißzwecken und bunten Flyern. Auf den Fensterbrettern drängten sich die Topfpflanzen dicht an dicht und die Türen zierten Zahlen- und Namensschildchen aus Messing. Eine Treppe höher empfing uns ein Irrgarten von Gängen, allesamt rosafarben tapeziert. Überall drängten sich Mädchen, die Kisten, Koffer und Bücherstapel in ihre Zimmer wuchteten. Ich quetschte mich an ihnen vorbei, ohne eines Blickes gewürdigt zu werden.

Mein Zimmer teilte sich einen sonnigen Winkel des Hauses mit nur einem anderen Raum, der Nummer 32. CLEMENTINE LAGUERRE stand auf dem Namensschildchen. Ich hatte die Nummer 31. Ich hantierte mit den Schlüsseln und bekam die Tür gerade erst auf, als der schwer beladene Dustin mich eingeholt hatte.

Das Zimmer war einfach nur schön. Ein kurzer Flur mit Gewölbedecke führte zu einer Reihe kleiner Nischen: ein Waschbecken mit Spiegel, ein Schlafzimmer mit einem echten Kanonenofen und ein winziger Balkon, der auf den Innenhof hinausging. Sogar einen alten offenen Kamin gab es, der aber laut Dustin nach einem schlimmen Brand schon vor Ewigkeiten versiegelt worden war. Aber das Ungewohnteste an diesem Zimmer war, dass ich es ganz für mich allein hatte.

Der einzige gemeinschaftliche Teil war das Bad, das mein Zimmer mit dem von Clementine verband und in dessen tiefe Porzellanwanne ich dreimal hineingepasst hätte. Ich spielte an den Knöpfen des Bidets herum, drehte den rechten immer wieder und wieder, aber nichts passierte. Muss kaputt sein, dachte ich und schlug gerade mit der Hand dagegen, als Dustin mir irgendetwas aus dem Zimmer zurief. Plötzlich schoss eine Wasserfontäne aus dem Hahn hervor und spritzte mir die Beine nass.

»Was?«, brüllte ich und sprang zur Seite.

»Ich sagte, jemand hat gerade einen Umschlag unter der Tür durchgeschoben. Soll ich ihn öffnen?«

»Okay.« Ich kämpfte noch mit dem Wasserhahn.

»Bitte treten Sie Montag pünktlich um neun Uhr im Turnsaal zum Einstufungstest an.«

Ich wischte mir meine Shorts ab und kam ins Zimmer. »Ein Einstufungstest?«

»Genau.« Dustin sah prüfend auf die Uhr. »Morgen.« Als er meine durchnässten Kleider sah, grinste er und wühlte in meiner Tasche nach einem Handtuch.

»Morgen? Ich weiß doch noch nicht mal, was im Test drankommt.«

»Ich bin überzeugt, dass alles gut laufen wird«, sagte Dustin. Er zog ein Laken aus meiner Tasche und begann, die Matratze zu beziehen. Als ich ihm helfen wollte, scheuchte er mich fort.

Er konnte leicht glauben, dass alles gut laufen würde. Schließlich war er ja auch nicht derjenige, der die Prüfung bestehen musste. Ich pustete mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht und begann mit dem Auspacken. Während wir so arbeiteten, brachte Dustin mir ein paar Brocken Französisch bei. »La pelle«, sagte er und reichte mir eine Schaufel. »Les pièces«, fuhr er fort und übergab mir einen Beutel mit Münzen, zusammen mit dem Rest meiner Wächterausrüstung. »La vie.« Das Leben. »La mort.« Der Tod. Er packte meine alten Philosophiebücher aus Miss LaBarges Unterricht aus und schaute aus dem Fenster. Hinter den Häusern ging bereits die Sonne unter. »Éphémère.« Und nachdem er mein Bücherregal noch ein letztes Mal abgestaubt hatte, sagte er: »Cri de cæur«, umarmte mich zum Abschied und eilte zurück zum Flughafen, um seinen Rückflug zu erwischen. Kaum war er weg, schlug ich es in meinem Wörterbuch nach. Es bedeutete »Ruf des Herzens«.

Ich verzichtete auf das Abendessen und verbrachte den Rest des Abends allein auf meinem Zimmer. Nur einmal wagte ich mich hinaus, um den Abfall zu den Mülltonnen zu tragen, verlief mich aber im Gewirr der Flure, als ich den Rückweg zu meinem Zimmer suchte. Ich landete schließlich in einem Seitengang, der genauso aussah wie meiner, nur dass die Zimmernummer 21 lautete und der Name an der Tür ANYA PINSKY. Die Tür war einen Spaltbreit geöffnet und gab den Blick frei auf ein Chaos von Schachteln und Kleidern und eine halb fertige Zimmerdeko aus großen Windlichtern und Amuletten in allen Farben und Formen. Ein Mädchen mit unnatürlich dunkelrot gefärbten Haaren hielt einen Stoß Bettwäsche hoch und stritt sich mit einem älteren Mann in einer Sprache, die sich nach Russisch anhörte. Als sie meinen Blick bemerkte, sah sie mich wütend an, trat zur Tür und schloss sie.

Die Tür daneben war so oft übermalt worden, dass man kaum mehr den Spalt zwischen ihr und dem Türrahmen erkennen konnte. BESENKAMMER stand darauf.

Nachdem ich noch ein paarmal falsch abgebogen war, fand ich schließlich zurück zu meinem Zimmer. Hinter verriegelter Tür setzte ich mich aufs Bett und lauschte durch die Wände den Mädchen, wie sie die Korridore entlangspazierten und sich auf Französisch unterhielten. Ich hatte keine Ahnung, wer sie waren und was sie sagten; ich war mir noch nicht einmal sicher, ob ich es überhaupt wissen wollte. Sie und ich, wir lebten in verschiedenen Welten. Das erkannte ich an der Art, wie sie lachten; an der Tatsache, dass sie überhaupt lachen konnten.

Als ich fast schon eingeschlafen war, hörte ich die Toilettenspülung aus dem Gemeinschaftsbad. Ich setzte mich auf. »Eleanor?«, fragte ich und starrte in die Ecke des dunklen Zimmers, bevor ich begriff, dass ich allein war. Dustin hätte mir sagen können, wie das auf Französisch hieß, wenn er nur da gewesen wäre. Ich knipste das Licht an und griff mir das Taschenwörterbuch, das er mir dagelassen hatte. »Allein« hatte acht Einträge. »Seul. Isolé. Séparé. Écarté. Solitaire. Singulier. Sans aide. Perdu.« Welches davon war ich? Verlassen von meinen Eltern, von Miss LaBarge. Getrennt von Dante. Isoliert von den Menschen um mich herum. Verloren.

Ich schlug eben das Buch zu, da klingelte das Telefon. Erschrocken fuhr ich hoch.

»Renée?«, flüsterte eine Stimme aus dem Hörer in mein Ohr.

»Eleanor?«, fragte ich, ein wenig lauter als gewollt, und wiederholte dann: »Eleanor?«

Ich hörte, wie sie am anderen Ende der Leitung Luft holte. »Du bist es wirklich«, sagte sie ungewohnt ausdruckslos.

»Du bist es wirklich«, echote ich und lehnte mich gegen die Wand. Offensichtlich war sie zurück am Gottfried und rief aus unserem ehemals gemeinsamen Zimmer an. »Mir kommt’s vor, als hätten wir uns schon ewig nicht mehr gesehen.«

»Ich weiß.« Eleanors Stimme klang deutlich dröger als in meiner Erinnerung.

»Und deine Postkarten – ich hab keine Ahnung, wie ich ohne sie den Sommer überstanden hätte.«

»Na ja, so hatte ich immerhin etwas zu tun. Meine Mutter hat mich den ganzen Sommer lang in den Wahnsinn getrieben. Egal, wie ist’s da drüben?«

Ich seufzte.

»Hier im Gottfried genauso«, sagte sie. »Die bestellen uns alle einzeln ein, zum Verhör. Über den Tod von Miss LaBarge.« Ihre Stimme schwankte nicht, als sie den Namen sagte, als spräche sie über eine Fremde und nicht über unsere Philosophielehrerin.

»Zum Verhör?«

»Die wissen, dass sie von einer Gruppe von Untoten umgebracht wurde, und wollen herausfinden, ob einer von uns was weiß. Ich bin heute Morgen hin. Dein Großvater hat dauernd gefragt, ob mich kürzlich eine Gruppe von Untoten kontaktiert hat.«

»Eine Gruppe von Untoten? Was soll das heißen? Was für eine Gruppe denn?«

»Keinen Schimmer«, antwortete sie. »Mehr hat er nicht gesagt. Ich hab gehofft, du weißt vielleicht was.«

»Ich hab keine Ahnung.« Mit dem Finger fuhr ich die Naht meiner Daunendecke entlang. »Wie geht’s deiner Mom?«, fragte ich und dachte an das Foto, das ich in Miss LaBarges Haus gefunden hatte.

»Okay, glaube ich«, sagte Eleanor, obwohl sie verwirrt klang. »Genau wie immer. Warum?«

»Ich dachte, sie wär mit Miss LaBarge befreundet gewesen.«

»Wie kommst du darauf?«, fragte Eleanor. »Sie hat sie letztes Jahr zum ersten Mal getroffen.«

»Was?«, fragte ich und setzte mich auf. »Aber ich war mit meinem Großvater in Miss LaBarges Häuschen. Ich hab dort ein Foto gefunden, da war sie drauf, zusammen mit deiner Mutter und meiner, wie sie in unserem Alter waren. Es war gerahmt, in ihrem Schlafzimmer. Und bei der Beerdigung hab ich sie auch gesehen.«

Eleanor überlegte. »Bist du dir sicher, dass das meine Mom war auf dem Bild? Jedes Mal, wenn ich zu Hause Miss LaBarge erwähnt habe, hat sie ihren Namen vergessen gehabt oder ihn durcheinandergebracht, hat sie DuFarge genannt oder solchen Quatsch. Die hat sie in ihrem Leben bestimmt vorher noch nie gesehen.«

»Also, ich bin mir sicher, dass sie das war auf dem Foto. Oder hat deine Mom eine Schwester?«

»Nein. Einzelkind.«

Ich wickelte mir das Telefonkabel um den Finger und dachte daran, wie Eleanors Mutter völlig verloren auf dem Bootsdeck gesessen hatte. Warum hätte sie vorgeben sollen, Miss LaBarge nicht zu kennen?

»Hast du was von Dante gehört?«, unterbrach ich schließlich die lange Pause.

»Nein.« Sie räusperte sich. »Seit deinem Geburtstag hat er mir nichts mehr geschickt. Tut mir leid.« Ich wusste, dass das von Herzen kam, doch ihrer Stimme fehlte jedes Mitgefühl.

Ich lockerte meinen Griff um den Hörer. »Bei der Trauerfeier hat Brett mir von einem Gerücht erzählt, dass Dante in Kanada wäre. Glaubst du, da ist was dran?«

Eleanor schwieg eine ganze Weile. »Ich weiß nicht, wo er steckt«, sagte sie steif. Ihr Ton rief mir in Erinnerung, dass sie untot war und Bestattungen nicht gerade das günstigste Gesprächsthema waren, genauso wenig wie Brett, ihr Exfreund.

Sofort bereute ich es, überhaupt etwas gesagt zu haben. »Eleanor, tut mir leid –«

»Schon okay«, sagte sie schnell, als wollte sie noch nicht mal, dass ich es aussprach. »Das Komische daran ist, dass es mir so völlig egal ist. Ich weiß, es sollte anders sein, aber ich empfinde einfach nichts. Wegen Miss LaBarges Tod nicht und auch nicht, weil mit Brett Schluss ist. Nichts. Das ist doch nicht richtig. Ich weiß, dass es nicht richtig ist, aber ich kann nichts ändern.«

»Das ist nicht deine Schuld«, sagte ich sanft.

»Hier geht es nicht mehr um Schuld. Hier geht es darum, das jeden Tag mitzumachen. Zu wissen, dass ich mit jedem Tag, der verstreicht, ein bisschen weniger menschlich bin.«

Ich drückte den Hörer gegen meine Wange und versuchte, die Worte zu finden, die ausdrückten, wie dringend ich ihr helfen wollte, wie gerne ich jetzt bei ihr wäre. Doch alles, was ich zustande brachte, war: »Das tut mir leid. Das tut mir so leid.«

»Schon okay«, sagte sie mit bebender Stimme. »Ich hätte gar nicht davon anfangen sollen. Geht sicher wieder rum.« Aber die Worte verloren sich in der Leitung. »Erzähl mir was von dir. Mich selbst hab ich so satt.«

Also berichtete ich ihr von meinem Traum, von den Zeitungsartikeln in Miss LaBarges Häuschen, vom Brief, den meine Mutter ihr geschrieben hatte, und dass mein Großvater glaubte, dass Miss LaBarge und meine Eltern nicht kaltblütig ermordet worden, sondern auf der Jagd nach Untoten umgekommen waren.

Eleanor dachte nach. »Vielleicht hat er recht. Ich meine, genau das machen Wächter doch, oder? Die Untoten aufspüren und sie begraben?«

»Ich glaub nicht, dass es so einfach läuft«, meinte ich. »Es ist ja nicht so, dass wir die Untoten einfach so begraben, oder?«

»Das weißt du besser als ich«, sagte Eleanor. »Du bist hier der Wächter, nicht ich.«

»Das stimmt doch gar nicht«, sagte ich. »Ich bin so wie immer, nichts hat sich geändert.«

»Wie kommt’s dann, dass du am St. Clément bist und ich am Gottfried?«

Schockiert starrte ich auf den Hörer. »Ah, alles klar. Also ist es jetzt meine Schuld, dass ich hier bin und du dort? Glaubst du echt, ich will hier sein? Dass ich lernen will, wie man Leute begräbt?« Ich wollte schon auflegen, als Eleanor dazwischenfuhr.

»Warte – Renée, Entschuldigung. So hab ich das nicht gemeint. Ich weiß, dass du nichts dafür kannst. Das ist nur so unfair. Ich gehör hier nicht her, nicht zu all den anderen. Ich bin nicht wie die.«

»Wenn’s dich tröstet – all die anderen Wächter hier scheinen zu glauben, dass ich unsterblich bin«, sagte ich.

»Das sagen sie hier auch.« Sie senkte ihre Stimme zu einem Flüstern. »Hast du irgendwem erzählt, was wirklich passiert ist?«

Im Sommer hatte ich Eleanor alles in einem Brief erklärt. Sie wusste als Einzige, dass Dante und ich die Seele ausgetauscht hatten.

»Nein. Kann ich nicht. Mein Großvater hat einen Verdacht, aber eigentlich weiß er gar nichts.«

»Und glaubst du, an der Unsterblichkeit ist was dran?«

»Eigentlich nicht«, sagte ich und starrte auf die Deckenbalken. »Ich meine, wie sollte das gehen?«

Eleanor zögerte. »Ja, stimmt schon. Aber weißt du – die ganze Sache mit den Untoten. Das hab ich auch immer für einen Mythos gehalten, bis es mir am Gottfried dann selbst passiert ist. Also gibt’s da vielleicht noch mehr, über das wir gar nichts wissen.«

Irgendwas in Eleanors Stimme kam mir bekannt vor. Es war die gleiche Art blinder Hoffnung, die der Gedanke an Dante in mir auslöste. Hatte Eleanor recht? Konnte es für ihre Zukunft noch einen anderen Ausgang geben, und auch für meine? »Tja, vielleicht. Alles ist möglich, oder?«

In der Leitung wurde es still.

»Bist du noch da?«

»Ja – irgendwie schon.«

»Bist du okay?«

Ihre Stimme brach. »Keine Ahnung.«

»Mir geht’s genauso.«

»Können wir einfach noch nicht auflegen?«, wisperte sie. »Hier wird es nachts so einsam.«

»Hier auch«, sagte ich. Ich deckte mich zu und redete mit ihr in meiner Betthöhle, hörte den Klang ihres Atems am anderen Ende der Leitung, bis ich einschlief.

 

Die Turnhalle war schmuddelig und alt, mit verblasstem orangefarbenem Bodenbelag. Zum ersten Mal seit Gottfried-Zeiten entsprachen meine Klamotten der Kleiderordnung – schwarze Strümpfe, Faltenrock und gebügelte Bluse. Zwei Jungen vor mir hielten mir die Tür auf, als ich mit auf dem Gummiboden quietschenden Schuhen eintrat. In der Mitte der Halle saßen auf Klappstühlen ein Mann und eine Frau, beide im Anzug. Sie wiesen uns an, in den Umkleideräumen zu warten.

Auf den langen Holzbänken in den Kabinen drängten sich schon die Mädchen, als ich hineinkam. Manche plauderten, andere prüften ihre Frisuren in den Spiegeln rechts über der Waschbeckenreihe. In einer Ecke stand eine Gruppe Mädchen, die ich aus dem Gottfried kannte. Ich schob mich durch die Menge auf sie zu, aber als sie mich kommen sahen, zerstreuten sie sich und mieden meinen Blick. Ich erstarrte, als mir klar wurde, wer ihr Gesprächsthema gewesen war. Schließlich schenkte mir Greta, ein athletisches Mädchen, das im Gottfried auf meinem Flur gewohnt hatte, ein halbherziges Winken. Ich drehte mich weg, presste mir mein Arbeitsmaterial an die Brust und wollte gerade zu den Toiletten flüchten, als ich über das Geschnatter hinweg eine Stimme hörte. »Tut mir leid, Clementine.«

Ich fuhr herum, neugierig, wer es war, der im Zimmer gegenüber von meinem wohnte.

Clementine LaGuerre war klein und zierlich, mit dunkelbrauner Haut, so glatt, dass sie butterweich aussah. Sie hatte ihre kurzen Locken zu einem eleganten Seitenscheitel gekämmt und damit etwas von einer Dame aus den Zwanzigerjahren. Eine Gruppe Mädchen umringte sie, als sie sich ihre Haare mit einer einzigen Haarspange feststeckte. Mit fast erschreckend grünen Augen traf sie im Spiegel meinen Blick.

»Wer bist du?«, fragte sie mein Spiegelbild. Ihre Stimme war sanft und musikalisch, mit einer Mischung aus französischem und karibischem Akzent. Die Mädchen neben ihr verstummten und starrten mich an.

»Renée.«

»Renée Winters

Ich nickte, überrascht, dass sie meinen Namen kannte.

»Dann bist du diejenige, die den Tod überlisten kann«, sagte sie leise. Ihr Gesicht verriet keinerlei Emotionen.

»Und du bist Clementine. Du wohnst bei mir gegenüber.«

»Ich weiß, wo ich wohne«, sagte sie mit ruhiger, fester Stimme. Hinter ihr brachen zwei Mädchen im Partnerlook in Gelächter aus. »Also, hast du jetzt den Kuss des Untoten überlebt oder nicht?«

Irgendwo im Raum schlug eine Spindtür zu. Die Mädchen sezierten mich mit ihren Blicken, während sie auf meine Antwort warteten. Doch ich hatte es so satt, von Fremden angestarrt zu werden, immer wieder die gleichen Fragen gestellt zu bekommen. Sie waren in jener Nacht nicht dabei gewesen; sie hatten keinen blassen Schimmer, was passiert war. Was gab ihnen das Recht, in den persönlichsten Augenblicken meiner Vergangenheit herumzuschnüffeln? Aus ihren Blicken konnte ich schon herauslesen, dass es völlig gleich war, was ich sagte. Sie glaubten ohnehin schon an meine Unsterblichkeit. Also, sollten sie doch.

Clementine stemmte eine Hand in die Hüfte. »Also, ist es wahr oder nicht?«

Scheinbar ungerührt zuckte ich die Schultern. »Ich bin am Leben, oder?«

Im Umkleideraum brach auf einmal wildes Geflüster los, aber Clementine sagte nichts; ihre Augen klebten an meinem Spiegelbild.

»Beweis es doch.«

Ich zögerte; mein Gesicht im Spiegel starrte mich befremdet an. War das ihr Ernst?

Clementine verschränkte die Arme vor der Brust. »Los, mach.«

Am Ende des Raums führte eine Treppe hinunter zum Schwimmbecken, wie mir ein Schild verriet. Ich ging darauf zu. Die Untoten konnten nicht in den Keller gehen – das würde sie zur Ruhe bringen, genau wie eine Beerdigung.

Auf der obersten Stufe machte ich eine dramatische Pause und ich spürte, wie alle die Luft anhielten, als ich hinabstieg.

Hinter mir murmelten die Mädchen: »Wie kann das sein? Was ist da passiert?« Da unterbrach sie das Aufschwingen der Tür zum Umkleideraum.

Herein trat eine anmutige Frau. Das Alter hatte ihre Wangen hohl werden lassen, aber ihr Hals war dünn und gebogen wie der eines Schwans. Sie trug ein wollenes Kostüm und die Haare zu einem Dutt getürmt.

»Mädchen?«, sagte sie mit starkem französischem Akzent. »Es wird Zeit.«

Im Gänsemarsch ging es hinaus in die Turnhalle, wo sie uns je einen Bleistift und eine Karte des Schulgeländes in die Hand drückte. Die Jungen waren nirgends zu entdecken; wahrscheinlich wurden sie irgendwo anders geprüft.

»Bonjour«, sagte die Frau. Neben ihr stand ein kindlich wirkender Mann, dessen rundes Gesicht ihm über die Augen zu quellen schien. »Ich bin Madame Goût und dies ist Monsieur Pollet«, fuhr sie fort und sprach den Namen Polée aus.

»Pollet«, verbesserte der Mann und betonte das t. Er klang amerikanisch.

Sie ignorierte ihn völlig. »Wir beaufsichtigen Ihren Einstufungstest. Anhand dieser Prüfung wird Ihr Rang innerhalb der Klasse festgelegt. Wir bewerten Ihre Begabung, Schnelligkeit und Strategie.«

Sie drehte sich zu Mr Pollet, der das Wort ergriff. »Wir haben auf dem Campus von St. Clément neun tote Tiere versteckt. Ihre Aufgabe ist es nun, auf der Karte, die Sie erhalten haben, die exakte Position jedes einzelnen Tieres einzuzeichnen. Wir erwarten, dass die Liste in der richtigen Reihenfolge durchnummeriert wird. Am Ende der Prüfung sammeln wir sie ein.«

»Was für eine Reihenfolge?«, wollte ein sommersprossiges Mädchen wissen.

Die Frau schaute sie finster an. »Das bleibt natürlich Ihnen überlassen.«

Ein kurzer Blick in die Runde verriet mir, dass ich keineswegs die Einzige war, die mit diesen Anweisungen nichts anfangen konnte.

Mr Pollet fuhr fort. »Zum Auffinden und Bestimmen dieser Tiere steht Ihnen jede Methode frei. Es gibt nur drei Regeln. Erstens, in genau einer Stunde sind Sie wieder hier. Zweitens, Sie dürfen die Tiere nicht anfassen, bewegen oder gar an einen anderen Ort bringen. Und drittens: Jeder für sich.«

Madame Goût übernahm. »Gibt es noch irgendwelche Fragen, bevor es losgeht?«

Ich spürte, wie Panik in mir aufstieg. Ich hatte zu viele Fragen. Eine Stunde? Um neun tote Tiere zu finden, die irgendwo auf dem Schulgelände verborgen waren, während alle anderen Mädchen genau das Gleiche taten? Das war einfach nicht drin.

»Nein?« Die Sehnen in ihrem Hals traten hervor, als sie in die Runde spähte, um keine Meldung zu verpassen. »Okay. Machen Sie sich bereit.« Sie blickte auf die Wanduhr. Als die Zeiger genau neun Uhr trafen, sagte sie: »Los geht’s.«

Alles stob auseinander. Einige der Mädchen irrten umher, unsicher, was sie tun sollten. Andere zogen zielstrebig in eine bestimmte Richtung ab und der Rest folgte denjenigen, die zu wissen schienen, was sie taten. Clementine warf mir einen Blick zu und glitt lächelnd aus der Tür, hinaus in den hellen Tag.

Ich war die Einzige, die sich nicht rührte. Ich tat gar nichts, bis alle den Turnsaal verlassen hatten. »Die Zeit läuft, Mademoiselle«, warnte mich Madame Goût.

Jetzt, wo hier endlich Stille herrschte, konnte ich nachdenken. Ich schritt zur Mitte der Turnhalle, wo ein Kreis auf dem Boden aufgemalt war. Obwohl ich nicht genau wusste, was ich da tat, trat ich in seine Mitte und schloss die Augen.

Mit Trippelschritten drehte ich mich im Kreis, bis ich spürte, wie sich die Luft bewegte, als wiche sie mir aus. Übrig blieb nur ein winziger Pfad, der sich kühl anfühlte, irgendwie frei von allem. Ich stellte mir vor, wie ich ihn entlangging und die Zahl meiner Schritte auf meiner Karte einzeichnete. Zwölf Schritte geradeaus, vier Schritte nach links, zehn Stufen treppauf. Elf Schritte nach rechts. Drei Stufen abwärts. Zwei Schritte nach links. Hier zeichnete ich ein X ein. Und bevor mir überhaupt klar war, dass ich schrieb, hatte ich schon in großen, schiefen Buchstaben das Wort KATZE gekritzelt.

Verwundert starrte ich aufs Blatt. Ich hatte keine Ahnung, woher ich hätte wissen sollen, dass es eine Katze war, aber jetzt, wo ich es geschrieben sah, war ich mir sicher, dass es stimmte. Ich kritzelte »Nr. 1« daneben.

Ich wiederholte den Vorgang. Als diesmal die Luft von mir wich, schien mir der Pfad ein wenig schmaler. Ich folgte ihm und zählte die Schritte. Ich machte mein X und notierte SCHAF, Nr. 2. Dann ging es weiter, auf immer schmaleren Luftpfaden. KRÄHE, Nr. 3. EBER, Nr. 4. EICHHÖRNCHEN, Nr. 5. OPOSSUM, Nr. 6. RATTE, Nr. 7.

Bei den letzten beiden schließlich kam ich ins Schwanken. Ihre Pfade waren so schmal, dass es sie kaum zu geben schien. FISCH, schrieb ich, ohne mir sicher zu sein, und strich es dann durch, um es durch KARPFEN, Nr. 8 zu ersetzen. Ich sah auf die Uhr: nur noch fünf Minuten. Aber so sehr ich mich auch bemühte, ich konnte das letzte Tier nicht bestimmen. Als der Sekundenzeiger seine letzte Runde drehte, preschte Clementine in ihren weißen Tennisschuhen durch die Tür und gab ihre Liste ab. Wie konnte sie schon fertig sein? Ich kapitulierte und malte an den Ort, wo das letzte Tier lag, ein bloßes X und die Ziffer 9.

 

Nach einer Reihe von Klausuren über die Geschichte der Wächter waren wir schließlich durch mit den Prüfungen. Den Rest des Tages verbrachte ich auf meinem Zimmer und hörte, wie die Mädchen auf dem Flur kicherten und sich über ihre Sommerferien unterhielten. Ein Teil von mir wollte hinausgehen und mitreden, aber was hätte ich schon sagen können, wenn sie mich nach meinem Sommer fragten? Dass ich ihn im Haus verbracht hatte, mit Ärzten und Therapeuten? Dass meine Nächte sich am Fenster abgespielt hatten, wo ich herumgegeistert war und mich gefragt hatte, wann ich von meinem untoten Freund hören würde?

Auf einmal flog die Badezimmertür auf und ein rundliches, rotwangiges Mädchen platzte in mein Zimmer. »Oh, ’tschuldigung, falsche Tür«, sagte sie und gaffte mich an. »He, bist du das Mädchen, das nicht sterben kann?«

Ich rappelte mich auf und funkelte sie an.

»Verzeihung«, sagte sie, verdrehte die Augen und schlüpfte zurück in Clementines Zimmer, wo ich sie leise reden hören konnte. Wahrscheinlich über mich.

Erst zum Essen wagte ich mich hinaus. Der Speisesaal hatte etwas von einer mittelalterlichen Küche, mit langen Holztischen und drei Köchen, die hinter einem Tresen standen und Fleisch in den Bratpfannen wendeten. Der ganze Raum war überfüllt und dampfig. Obwohl es reichlich leere Stühle gab, schien für mich kein Platz zu sein. Clementine und ihre Freundinnen tuschelten, als ich an ihnen vorbeiging. Über das Klappern der Teller hinweg konnte ich Bretts Lachen hören. Er setzte sich zu einer Gruppe von Jungen am Rand. Schließlich entdeckte ich die Mädchen aus meinem Gartenbaukurs, zusammen mit ein paar Leuten, die ich schon im Wohnheim gesehen hatte. Ich kämpfte mich zu ihnen durch.

»Sitzt hier schon wer?«, fragte ich.

April sah zu mir hoch. »Oh, Renée. Äh – nein«, sagte sie und rückte gerade so weit zur Seite, dass ich mich auf die Kante quetschen konnte.

»Danke«, murmelte ich.

Nach einer betretenen Schweigesekunde wurden die Gespräche fortgesetzt. »Ihr hattet also Untote am Gottfried. Ich meine, in euren Kursen. Wie waren die so?«, fragte eine gut aussehende Koreanerin Aprils Zwillingsschwester Allison.

»Sie sind wie wir«, erklärte Allison und stocherte in ihrem Salat herum. »Nur dass sie Latein sprechen können.«

»Sehen sie anders aus?«, drängte das Mädchen. »Clementine meint, sie sehen aus wie Leichen. Dass ihre Augen ganz milchig sind.«

Mein Magen zog sich zusammen. »Ihr habt noch nie einen gesehen?«, fragte ich und starrte die Mädchen vom St. Clément über den Tisch hinweg an. Sie schüttelten die Köpfe, als sei das ja wohl klar. »Also, Clementine hat keine Ahnung, was sie da redet.«

»Aber sie hat schon Untote gesehen. Mit ihrem Vater.«

»Das habe ich auch. Und sie hat unrecht.«

Ein paar Mädchen mir gegenüber hielten befremdet inne, als hätte ich ihren Glauben beleidigt.

»Aber sind sie nicht aggressiv und völlig unkontrollierbar?«, fragte eine zarte Brünette und riss die Augen hinter ihren Brillengläsern auf. »Das sagt Clementine. Dass sie Tiere sind.«

»Ich begreif nicht, wie die das aushalten«, meinte ihre Freundin und spielte mit ihrem Strohhalm herum. »Zu wissen, dass in ihnen ein Mörder schlummert.« Die anderen Mädchen nickten beifällig.

Ich hörte auf zu essen. »Nicht alle Untoten rauben einfach wahllos Seelen. Und außerdem – jeder von uns könnte jemanden töten. Wir sind ja auch nicht gerade perfekt. Die Menschen bringen sich andauernd gegenseitig um. Als Wächter lernen wir, wie wir Untote umbringen. Stört euch das gar nicht?«

Eine unbehagliche Stille folgte und alle Augen lagen auf mir. Hilfe suchend schaute ich zu den Mädchen vom Gottfried, aber nur April schenkte mir einen mitleidigen Blick, bevor sie sich schnell wieder abwandte. Die Übrigen waren zu feige, mir auch nur ins Gesicht zu sehen, obwohl sie am Gottfried genau die gleichen Freunde gehabt hatten wie ich. »Allison, hast du noch Kontakt zu Eleanor?«

»Sie ist jetzt anders geworden.«

»Sie hat’s schwer. Es ist nicht ihre Schuld.«

»Das hab ich auch nicht behauptet«, sagte Allison beleidigt. »Aber sie ist jetzt untot und ich bin ein Wächter. Meine Schuld ist das auch nicht.« Sie legte ihre Gabel weg. »Wisst ihr, ich habe keinen Hunger mehr.« Ohne mich anzusehen, wandte sie sich an ihre Schwester. »Ich seh dich dann im Wohnheim.«

Über den Tisch senkte sich Stille, während sie ihre Sachen zusammensammelte, und mir wurde bewusst, dass sich hier keiner mit mir wohlfühlte. »Alles klar«, sagte ich und knüllte meine Serviette in der Faust zusammen. »Ich schätze, das ist mein Stichwort zum Aufbruch.« Und damit griff ich mir mein Tablett und stiefelte den Gang hinunter, ohne einen Blick zurückzuwerfen. Ich hielt inne, als ich Anya Pinsky entdeckte, die ganz allein in einer Ecke hockte. Ich lächelte, ging hinüber zu ihrem Tisch und setzte mich ihr gegenüber.

Sie blickte von ihrer Ochsenbrust auf. »Hab ich dich eingeladen, hier zu sitzen?«, fragte sie mit überdeutlicher Betonung jeder einzelnen Silbe. Ihr dunkelrotes Haar war im Nacken zu einem Knoten zusammengebunden.

»Verzeihung. Ich dachte, du wärst allein.«

»Bin ich auch.«

»Das war freundlich gemeint.«

»Ich brauche keine Freunde«, stellte sie klar.

»Hab ich kapiert.« Gerade als ich ans andere Tischende durchrutschen wollte, ging die Tür zum Speisesaal auf und ein großer Mann mit ebenholzfarbener Haut und einem Stoß Papier unterm Arm flanierte den Gang hinunter. Er trug einen dieser dunkelgrünen Anzüge, der an einer kleineren Person lächerlich ausgesehen hätte. Sein Haar war grau meliert.

Die Menge verstummte, als er sich ans Kopfende des Saales stellte und seine Brille aufsetzte.

»Hallo«, sagte er in frankokaribischem Akzent mit einer tiefen, sonoren Stimme, als sänge er die Worte. »Wie viele von Ihnen wissen, bin ich Rektor LaGuerre und möchte Sie herzlich am Lycée St. Clement willkommen heißen.«

Alles klatschte. Von meinem Sitzplatz aus konnte ich weiter vorn Clementines Hinterkopf ausmachen. Ihr Nachname war auch LaGuerre.

»Sie alle sind Wächter«, sagte er lächelnd. »Diese Worte erfüllen mich mit Stolz. Einige von Ihnen entstammen alten Wächterfamilien, andere sind neu in unserer Gemeinschaft, aber uns alle verbindet unser gemeinsames Talent: die einzigartige Fähigkeit, den Tod zu fühlen, und das angeborene Bedürfnis, ihn aufzuspüren und zu begraben.«

Alles im Saal verstummte, als sein Blick über uns glitt.

»Während Ihrer Zeit am St. Clément werden Sie neue Freundschaften schließen, neue Begabungen entdecken und sich schließlich für Ihren Zweig des Wächtertums entscheiden. Das Wichtigste jedoch ist, dass Sie lernen, Ihre Kräfte zu beherrschen und richtig einzusetzen. Der Sinn unserer Berufung liegt in der Kontrolle über die Untoten. Wir bringen sie nur dann zur Ruhe, wenn es wirklich notwendig ist. Jedes Leben ist wertvoll, auch das zweite Leben.«

Ich wollte zu Aprils Tisch hinübersehen, verkniff es mir aber.

»Die Berufung zum Wächter ist keine harmlose Aufgabe. Jeden Tag werden Sie Ihr Leben aufs Spiel setzen, alles im Dienst der Menschheit.« Er machte eine Kunstpause. »In Ihren Kursen werden Sie die drei grundlegenden Fähigkeiten des Wächters vervollkommnen: Intuition, die Untoten erspüren. Evaluation, sie beurteilen. Exekution, sie zur Ruhe bringen. Doch Unterricht ist kein Ersatz für echte Erfahrung. Sie werden lernen müssen, auf sich selbst achtzugeben, und jetzt ist der perfekte Moment, um damit anzufangen.« Er deutete auf die Tür. »Die Schulpforten sind stets geöffnet. Sie können kommen und gehen, wie Sie es wünschen, und auf eigenes Risiko.

Davon abgesehen gibt es bei uns zwei Regeln. Erstens verlange ich von Ihnen, dass Sie das am St. Clément Gelernte für sich behalten. Sie werden die Existenz von Wächtern oder Untoten mit niemandem außerhalb dieser Mauern besprechen. Genauso wenig werden Sie Ihre Fähigkeiten außerhalb dieser Gemeinschaft zur Schau stellen, solange sich keine lebensbedrohliche Situation einstellt. Sollte die Öffentlichkeit von der Existenz der Untoten erfahren, wird man versuchen, alle zu begraben. Das hat uns die Geschichte wiederholt gezeigt.

Und zweitens möchte ich, dass Sie jederzeit einen Schutz mit sich führen. Bewährt hat sich eine kleine Schaufel, weil sie als schlichte Waffe und als Begräbniswerkzeug zugleich verwendet werden kann. Aber auch eine Streichholzschachtel oder eine Rolle Mull sind denkbar. Unsere Aufgabe ist es, Sie das Denken und Handeln eines Wächters zu lehren.« Er griff in seine Jacke und zog etwas heraus, das in ein Tuch eingeschlagen war. Er faltete es auf und zog eine kleine Pflanzschippe und ein Paar Handschuhe heraus. »Für uns Lehrer gelten die gleichen Vorsichtsmaßnahmen, wie Sie sehen.«

Er wickelte sein Werkzeug wieder ein und ließ es zurück in die Tasche gleiten.

»Zuletzt möchte ich noch den Rangersten dieses Schuljahrs bekannt geben. Für diejenigen von Ihnen, die neu am St. Clément sind: Der rangerste Schüler ist derjenige, der im klassenübergreifenden Einstufungstest die besten Ergebnisse erzielt hat. Dieser Schüler ist damit der beste Wächter unseres Instituts.«

Er blickte auf einen Zettel. »Renée Winters.«

Ich brauchte ein paar Sekunden, um zu begreifen, dass er da meinen Namen genannt hatte. Als dann der Groschen fiel, war ich so überrascht, dass meine Gabel in meinem Schoß landete. Ich hob sie auf und wischte den Fleck weg, während sich alle Köpfe zu mir umdrehten und ich tomatenrot anlief. Wie konnte ich den ersten Platz erzielt haben, wo ich noch nicht mal alle Antworten geschafft hatte?

»Renée, treten Sie bitte nach vorn?«, sagte der Rektor und blickte suchend in die Menge, unsicher, welche ich denn nun war.

Ich erhob mich und ging nach vorne zum Podium. Auf dem Parkett waren meine Schuhe viel zu laut. Die Leute tuschelten, als ich oben ankam. Strahlend zog der Rektor eine kleine katzenförmige Brosche hervor.

»Die Katze ist das Maskottchen von St. Clément und das Wappentier von uns Wächtern aller Nationen«, sagte er und steckte sie mir an den Blusenkragen. »Jetzt sind Sie und die Katze eins.«

»Danke«, antwortete ich und versuchte, meine Gesichtsfarbe in den Griff zu bekommen.

»Meine Glückwünsche«, sagte er. »Und willkommen am St. Clément.« Unter lautem Beifall der anderen fügte der Rektor hinzu: »Könnten Sie mich bitte am Montagnachmittag nach dem Unterricht in meinem Büro aufsuchen?«

»Natürlich«, entgegnete ich und sah ihn neugierig an. Aber er lächelte nur. Ich wollte gerade an meinen Platz zurückkehren, als er mich aufhielt.

»Und nun wird uns Renée den Cartesischen Eid vorsprechen.«

Eine Welle der Übelkeit überrollte mich, während sich der gesamte Speisesaal erhob und die Bänke über den Boden kratzten.

»Entworfen von unseren Vorfahren im Geiste René Descartes’ ist der Cartesische Eid der einzige Schwur, dem sich die Wächter während ihrer Ausbildung verpflichten müssen. Er stellt unsere Verfassung dar, unseren ethischen Standard, unsere déclaration des droits.«

Ethischer Standard? Ich war wirklich die Letzte, die das hier laut vorlesen sollte. Ich sah ihn an und wehrte kopfschüttelnd ab, aber er lächelte nur wieder und reichte mir eine Papierrolle. »Wenn Sie bitte Renée nachsprechen.«

Ich konnte die sengenden Blicke meiner Flurnachbarinnen geradezu spüren. Ich versuchte, meine zitternden Hände zur Ruhe zu zwingen, und entrollte den Bogen.

»Nur weiter«, sagte der Rektor sanft.

Ich räusperte mich. »Als Wächter schwöre ich bei O-Osiris« – hier brach mir die Stimme – »dem Gott des Gerichts und des Jenseits, nach meinen besten Fähigkeiten alle Menschen innerhalb von zehn Tagen nach ihrem Tod zu begraben, um ihre Wiederauferstehung zu verhindern, auch wenn der Verstorbene mein Sohn ist, meine Tochter, mein Geschwister, Freund – oder … Geliebter«, sagte ich schließlich und leistete innerlich Abbitte bei Dante, während meine Schulkameraden dröhnend meine Worte wiederholten.

»Erspüre ich einen Untoten, so will ich ihn finden und den Grad seines Verfalls feststellen«, fuhr ich fort. Meine Augen trafen die von Brett, der meine Worte wiederholte und mir aufmunternd zulächelte.

»Sollte er wild sein, gefährlich oder dem totalen Verfall nahe, so werde ich mich bemühen, ihn einzufangen und dem Wächterhochgericht zu Untersuchung und Rechtsprechung vorzuführen.«

Aus der Mitte des Raums starrte mich Clementine mit vor Eifersucht verzerrten Gesichtszügen an.

»Niemals werde ich einen Untoten begraben, bevor er nicht des Mordes für schuldig befunden wurde oder mich – mich« – der Rektor nickte mir auffordernd zu – »in Lebensgefahr gebracht hat.«

Als die Stimmen verstummten, rollte ich den Bogen noch weiter aus und fuhr fort. »Begrabe ich einen Untoten, so geschieht das rasch, schmerzlos und in Übereinstimmung mit dem Wächterritual, ohne Rachegedanken oder Brutalität.

Niemals werde ich mich Plebejern oder Untoten zu erkennen geben. Zuletzt erkenne ich an, dass jedes Lebewesen auf Erden die Fähigkeit hat, Schmerz zu verursachen, auch die Wächter, und dass ich meine Macht und Ausbildung mit der gleichen Vorsicht und Bedachtnahme einsetzen werde, wie sie meinem eigenen Leben entgegengebracht werden.«

Nachdem wir den letzten Satz gesprochen hatten, löste sich im Saal die Anspannung. Ohne ein weiteres Wort gab mir Rektor LaGuerre mit einer kleinen Verbeugung zu verstehen, dass ich mich setzen durfte, und bald schwirrten im Saal wieder die Gespräche.

Als wir nach dem Essen in einer langen Reihe den Speisesaal verließen, teilte sich die Menge um mich herum. Ich versuchte, mich darunterzumischen, die Brosche an meinem Kragen unter meinem Schal zu verbergen. Im Eingangsbereich des Wohnheims stapelten sich die Mädchen, die alle versuchten, einen Blick aufs Schwarze Brett zu erhaschen.

»Was ist hier los?«, fragte ich ein Mädchen am Treppenaufgang. Bei meinem Anblick zuckte sie zusammen, als würde ich ihr Angst einjagen. »Das ist die Klassenrangliste. Die ist gerade aufgehängt worden, zusammen mit den Stundenplänen.«

In diesem Moment kam Clementine LaGuerre hereingestürzt, warf mir einen vernichtenden Blick zu und stob an meiner Schulter vorbei die Treppe hinauf. Ich arbeitete mich nach vorn durch und durchforstete einen Ordner mit Stundenplänen, bis ich auf das Blatt mit meinem Namen stieß. Darauf stand:

 

WINTERS, RENÉE: LEHRPLAN FÜR DAS DRITTE SCHULJAHR

Geschichte der Wächter

Strategie und Prognose

Kinderpsychologie

Französisch

Aufbaukurs Latein

 

Ich überflog die Klassenrangliste, bis ich meinen Namen fand.

Winters, Renée. Nummer eins. Immer noch fassungslos starrte ich auf das Blatt. Aus reiner Neugier suchte ich nach LaGuerre, Clementine. Sie war Nummer zwei.

Dead Beautiful - Unendliche Sehnsucht: Roman
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