Werbung für Eltern

Für die Erwachsenen mag Fernsehen keine Gefahr mehr darstellen, und jemand, der zum Beispiel eine Stefan-Raab-Show gesehen hat und aus dem trotzdem kein Mörder wurde, der ist gegen das Fernsehen sowieso geimpft. Ihn kann keine Sendung mehr aus der Fassung bringen.

Ganz anders ist es bei kleinen Kindern. Sie haben noch keine große Fernseherfahrung und nehmen alles sehr ernst. Das kann Folgen für die ganze Familie haben. Einmal passten wir nicht richtig auf, während unsere Kinder eine Werbesendung auf dem Kinderkanal sahen. Eine halbe Stunde lang zeigte dort der Moderator verschiedene Puppen, Dollys und Mollys, und erzählte dazu mit süßlicher Stimme, was die eine und andere Puppe so alles machen könnte. Das war für unsere Kinder nichts Neues, jeder weiß, wie vielseitig die Puppen von heute sind, sie können praktisch alles. Nicht das Spielzeug selbst, sondern die Art der Berichterstattung darüber beeindruckte unsere Kinder. Es war immerhin die erste Werbesendung, die sie sahen. Sofort fingen sie an, selbst für alle Dinge, mit denen sie in Berührung kamen, Werbespots zu entwickeln.

»Schauen Sie sich diese wunderbar eklige Nudel an«, sagte Nicole mit süßlicher Fernsehstimme beim Mittagessen, »man kann sie runterschlucken, aber auch ausspucken« – und dann spuckte sie eine Nudel gegen die Fensterscheibe.

»Und mit diesem wunderbar fruchtigen Saft kann man auch Blumen gießen«, meinte Sebastian.

Nach dem Essen gerieten meine Frau und ich in den Mittelpunkt ihrer Aufmerksamkeit. Sie fingen an, Werbung für Eltern zu machen. Als unsere Freundin Katja uns besuchte, bekam sie gleich einen Werbespot zu hören:

»Mein Vater kann alles«, sagte Sebastian zu ihr, »er kann sogar im Stehen pinkeln.«

»Nun, das ist aber wirklich nichts Besonderes«, seufzte Katja, »ich kenne viele Männer, die das können.«

»Mein Vater aber«, ließ Sebastian nicht locker, »kackt auch im Stehen.«

Diese Vorstellung verschlug Katja den Atem. »Das glaube ich nicht«, japste sie.

»Doch, doch, das kann er«, bestätigte meine Tochter Nicole stolz.

»Und meine Mutter«, erzählte Sebastian weiter, »hat riesige Löcher in ihren Ohren. Sie kann Schmuck, aber auch alle möglichen anderen Dinge da rein stecken.«

Unsere Proteste, sie sollten keine Lügen über ihre Eltern verbreiten, beeindruckten die Kinder wenig. Ihre Werbesendung lief den ganzen Abend weiter.

»Wer hätte gedacht, dass dieser harmlose Kinderkanal einen solchen Schaden anrichten kann«, meinte meine Frau bestürzt. Aber mit eiserner Hand stellten wir schließlich wieder Ruhe her und schickten die Kinder ins Bett. Nun dürfen sie nicht mehr Werbefernsehen, und auch die private Werbung für Eltern gilt bei uns in der Familie als Tabu.