26

Im House of God hatte jeder, der die Höcker sah, mit Ekel reagiert. Diese pneumatischen, gewaltigen, erstaunlichen Höcker hatten zu mehr Spekulationen geführt als ein Zock. Bei ihrer Atemfrequenz – sechs Züge pro Minute – sprach manches für die Sauerstoff-Theorie, und viele dachten, der leicht grünliche Gomer sei tatsächlich zur Pflanze geworden. Und so hatte LT-Leon, sein Fellowship unter Dach und Fach, in der letzten Woche des Internships endlich nachgegeben. Ich lag also auf dem oberen Bett und studierte ihre Krankenakte, die ganze Geschichte von Olive O., und grübelte über die beste Art, sie unserem Chief unter die Nase zu reiben. Ich wollte sehen, ob er beim Anblick dieser Höcker irgendeine menschliche Regung zeigte.

Nach jenem aufschlußreichen Essen hatte der Leggo tatsächlich einige Konzessionen gemacht, und es sah mittlerweile so aus, als würden alle außer zwei oder drei Interns bleiben. Der Kleine und ich gingen ganz bestimmt, Chuck hatte noch nichts gesagt. Die anderen blieben. Später würden sie in die akademischen Zentren und Fellowships Amerikas ausschwärmen, als Internisten echte Asse werden, ausgebildet im besten Haus der Best Medical School, im House of God. Auch wenn einige sich vielleicht umbrächten, süchtig oder verrückt würden, über kurz oder lang würden sie die Erinnerung an ihr Internship verdrängen, sich anpassen und den Leggo und das House of God und das Beste Medizinische Zeugs für die Ewigkeit bewahren. Motorrad-Eddie war versprochen worden, daß er das zweite Jahr als Resident mit einer festen Station anfangen könnte, mit »freier Herrschaft« über seine neuen Interns. Und Eddie sagte bereits, das Internship sei »gar nicht so schlimm« gewesen und bereitete sich darauf vor, seine neue Truppe zu indoktrinieren: »Ich will sie auf den Knien, vom ersten Tag an.« Ein Jahr später würde er zurückgehen nach Kalifornien, zu seinem Fellowship in Onkologie. Hyper Hooper blieb ebenfalls. Er schickte uns eine Postkarte aus Atlantic City, die er mit einer schwarzen Krähe unterzeichnete. Zurück im House, bewies er, daß er immer noch der alte war: Er betrat das Zimmer einer LAD in GAZ, der es bereits viel besser ging, sagte: »Hallo, Liebes«, und sie japste, griff sich an die Brust und war fünf Minuten später tot. Die Autopsie zeigte eine massive Lungenembolie. Der Leggo hatte Hooper versprochen, er könnte das zweite Jahr mit einem Wahl-Monat in der Pathologie anfangen und seine eigenen Autopsien an seinen eigenen Patienten machen. Und so behauptete auch Hooper, das Internship sei »gar nicht so schlimm« gewesen und träumte von einem Fellowship in »Thanatologie« in Kalifornien. Der Kleine wollte nach Westen gehen, zu einem »klassisch-östlichen« Ausbildungsprogramm in Psychiatrie auf dem »Gebirgscampus« der Universität von Wyoming, das von einem Guru namens Grogyam mit einem Doktortitel der Universität von Kansas geleitet wurde. Der Kleine war begeistert darüber, daß sein Eintritt in die Psychiatrie von einer Seite erfolgte, die dem psychoanalytischen Standpunkt seiner Eltern, »klassisch westlich«, diametral entgegengesetzt war. Es wurde ziemlich deutlich, daß dieser »östliche« Rausch der vorletzte Schritt war, den der Kleine machen mußte, um endlich zu rebellieren und dann zu Mom und Paps und Freud heimkehren zu können. Die Donnerkeule hatte dem Kleinen gesagt, daß sie ihn nicht vermissen würde. Der Kleine meinte, das sei ihm ganz recht. Noch wußte er wenig davon, wie einsam Wyoming sein konnte.

Meine Ambulanzpatienten waren traurig, als sie hörten, daß ich wegging. Sie brachten Geschenke und Familienmitglieder mit und wünschten mir Glück. Eine Patientin, der ich kürzlich gesagt hatte, daß sie unheilbar an Krebs erkrankt sei, die aber weiter so tat, als wäre alles in Ordnung, fragte mich:

»Wo machen Sie Ihre Praxis auf?« Ich sagte ihr, daß ich mir zunächst ein Jahr frei nähme. »OK, dann werde ich Ihre Patientin, wenn Sie zurück sind.«

Nein. Dann würde sie tot sein. Es war hart, zu hart. Ich ging durch meinen letzten Ambulanztag und holte tief Luft, um die Tränen zurückzuhalten. Mae, meine schwarze Zeugin Jehovas, fragte, besorgt über mein Schnaufen:

»Oh, Dokta Bass, Sie ham sich doch nich geholt mein Asthma von mir, ham Sie?«

Wenn ich jemandem sagte, daß ich vorhätte, in die Psychiatrie zu gehen, waren viele überrascht:

… Du machst deine Residency nicht in der Inneren? Das hast du ihnen doch versprochen! Wie wird das in deiner Akte aussehen? Bedenk das! Ich bin erstaunt …

Mein Vater. Zum ersten Mal war er aus seinen Konjunktionen gestürzt. Aber dann beruhigte er sich und griff seine Syntax wieder auf, nahm seinen Sohn wieder an und fuhr fort:

… Begreife nicht, wie du ein Jahr frei nehmen kannst: Du vergeudest das potentielle Einkommen eines Jahres. Bin erstaunt darüber, daß du in die Psychiatrie gehen willst, und es ist eine Vergeudung deines Talents. Hoffe, ich drücke mich klar aus, aber wahrscheinlich nicht. Ich weiß, du wirst dich wie immer ganz deinem neuen Gebiet der Medizin hingeben, und ich bin sicher, du hast alle Voraussetzungen dazu, ein herausragender Praktiker der Psychiatrie zu werden. Dein tiefes Interesse an Menschen und daran, was sie umtreibt, wird eine breite Basis für deine Arbeit bilden, und ich hoffe, du wirst in der Lage sein, deinen Lebensunterhalt damit zu verdienen. Die neue Philosophie für Menschen jeden Alters heißt, jeden Tag zu genießen, und zu tun, was man tun möchte innerhalb der Grenzen von Verantwortlichkeit, Arbeit und Engagement, und Mom und ich werden versuchen, dem zu folgen, wie wir es immer versucht haben, nur jetzt noch mehr.

Das Wetter war feucht, und denke daran, lieber Sohn Nummer eins: es regnet nie auf einem Golfplatz …

 

Ich begriff endlich, daß alle diese Konjunktionen Hoffnung bedeuteten. Was war jetzt meine Hoffnung? Ein Jahr freizunehmen, etwas zu wagen, zu wachsen, mit anderen zusammenzusein, selbst mit Eltern, die mich liebten, obwohl ich sie in so vielen arroganten Jahren schlecht behandelt hatte. War der Dicke noch meine Hoffnung? In dem, was er mich gelehrt hatte, ja. Er hatte mir die wahre Erfindung der Amerikanischen Medizin gezeigt: die Schaffung eines narrensicheren Systems, das ehrliche, kraftvolle, junge Männer mit wenig Anstrengung in fade, grandiose Ärzte verwandelte, die mit dem Horror der Krankheit und dem Betrug von »Heilung« leben konnten, die sich der öffentlichen Vorstellung vom Recht auf perfekte Gesundheit, frei selbst von der Abnutzung des Alters, anschließen konnten, eine ganze Nation von Hyper Hoopers und anderen Kaliforniern, die erwarteten, daß der Tag sonnig war und der Körper jung, und man immerfort auf den Wellen der Vitalität surfen könne, und die, wenn Wolken aufziehen, die Ehe kaputt geht, die Erektion abschlafft, die braunen Altersflecken wie geriatrische Akne auf den Handrücken auftauchen, in Angst und Schrecken ausrasten.

Und so schaffte ich es, Olive O. davor zu bewahren, von Privates und Schleckern und BMSs und Blazern und sogar von der Hauswirtschaft des House of God umgebracht zu werden. In wenigen Tagen würde ein taufrischer Intern den Gomer in die Hände bekommen. Wir hatten überlebt. Der Leggo kam zur Visite. Als ich anfing, den Fall vorzustellen, wurde mir klar, daß er sich seit unserem Dringlichkeits-Essen geheimnisvoll zurückgezogen, kaum noch gezeigt hatte. Bei den wenigen Malen, die er erschienen war, wirkte er niedergedrückt, traurig, ja bitter, verwundbar und mißtrauisch. Aus irgendwelchen Gründen machte ich mir Sorgen. Und doch schien Olive, ein echtes »Faszinosum«, ihn aufblühen zu lassen. Ich erwähnte die Höcker nicht, und die Fragen des Chiefs nach ihrem Diabetes gingen hauptsächlich an 789. Warum, wollte der Leggo wissen, hatte Sieben, obwohl Olives Blutzucker bei der Aufnahme das Dreifache des Normalwerts betrug, noch mehr Zucker infundiert und den Stand auf das Neunfache des normalen Zuckerwertes angehoben, einen neuen Rekord des Hauses? Sieben gab eine brillante, mathematische Exegese, malte Vektordiagramme von Enzymwirkungen, die uns alle verwirrten und beschämten. In einem seltenen Ausbruch von Begeisterung sagte der Chief:

»Großartiger Fall! Kommen Sie, Jungs, sehen wir sie uns an!«

Wir rannten geradezu an ihr Bett. Chuck und ich stellten uns ans Kopfende. Da er auf seine Fragen keine Antwort von Olive O. bekam, begann der Leggo mit der Untersuchung. In stummer Erwartung sahen wir ihn sanft das Laken wegziehen und dann innehalten. Es war nicht klar, ob er die Höcker bemerkt hatte. Als hielte er Zwiesprache mit dem Tod, rollte er das Nachthemd hoch, und da waren sie plötzlich, die beiden gewaltigen, weichen, wabbelnden, durchscheinenden, grünvenigen, mysteriösen und nahezu kabalistischen Höcker. Zuckte der Leggo wenigstens mit der Wimper? Nein. Viele Augen waren auf ihn gerichtet und keins konnte irgendeine Reaktion erkennen. Selbst eingefleischte, starknervige Interns hatten beim ersten Blick auf diese Höcker einen Anflug von Übelkeit verspürt, aber unser Chief rührte keine Faser. Und was machte er dann? Leise, so vorsichtig, wie eine Katze um ihr Futter herumschleicht, legte er seine rechte Hand auf den rechten Höcker und dann die linke auf den linken Höcker, und wir mußten an uns halten, um nicht vor Überraschung, Widerwillen und Abscheu loszuschreien: Tun Sie das nicht! Und was sagte unser Chief, was da drin sei? Nun, er sagte nichts. Er stand nur mit durchgedrückten Beinen da, die Handflächen zwei Minuten oder auch länger auf ihren Höckern. Und niemand konnte verstehen, warum. Jedenfalls war das einzige, auf das wir ihn je so hatten anspringen sehen, der Zeh von Moe und mit Pisse gefüllte, gottgegebene Dinge gewesen.

 

Und dann kam der letzte Tag. Erleichtert und glücklich stiefelten wir durchs House, verabschiedeten uns und machten lauter ausgeflippte Sachen, ein Karneval der Interns. Ich suchte den Dicken und fand ihn in einem Dienstzimmer, mit dem Telephon in der Hand vor drei neuen Interns an der Tafel stehend.

»Hallo, Murry, was gibt’s? He, großartig! Was? Ein Name? Sicher, ja, kein Problem, bleib dran.« Er wandte sich an die Interns, zwinkerte mir zu und fragte dann: »OK, ihr Schwachköpfe, sagt mir einen griffigen Arztnamen für eine Erfindung. Ich bin gleich soweit, Dr. Basch.«

Das war es also. Die Realität seiner Erfindungen bestand allein darin, daß sie eine Verbindung zu uns schufen, uns zeigten, daß man außerhalb der Schinderei der Hierarchien stehen und kreativ sein konnte. Er hatte uns an seinen Erfindungen teilhaben lassen, um uns durch schwere Zeiten zu helfen. Wie würde ich ihn vermissen! Mehr als irgendeiner wußte er, wie man Patienten beisteht, wie man uns beisteht. Endlich begriff ich, warum er bei der Inneren Medizin blieb: Nur die Innere konnte ihn aushalten. Belastet mit seiner Frühreife hatte der Dicke sein Leben lang die Menschen verletzt, weil er von allem zu viel war. Angefangen bei seinen verwirrten Eltern, seinen Lehrern und Freunden in der Schule, bis hin zu seinen Klassenkameraden im College und der Medical School, die sich beim Abendessen um ihn scharten, wenn er Zahlen und Gleichungen mit so genialer Brillanz auf die Serviette hinkritzelte, daß, wenn er aufstand und ging, ein wildes Gerangel um die Serviette begann, – immer war der Dicke durch seine Kraft und sein Genie von den anderen isoliert gewesen. Sein ganzes Leben hindurch hatte er sich zurücknehmen müssen. Schließlich, nachdem er zwei Jahre lang die Arbeit im House getestet hatte, wußte er, daß hier etwas war, das selbst er nicht knacken konnte, etwas, das ihn nicht voller Ehrfurcht und eifersüchtiger Wut ablehnen und mit jemand anderem spielen würde. Er konnte endlich austeilen, ohne jemanden zu verletzen. Er war sicher. Er würde gedeihen. Er würde aufblühen.

Der Dicke war fertig, entfloh der Menge, die sich von ihm verabschieden wollte, packte mich, schob mich in die Herrentoilette und schloß die Tür zu. Er strahlte:

»Ist das nicht klasse? Ich liebe es! Das ist wie auf Coney Island am Unabhängigkeitstag! Und morgen, Basch, die Stars!«

»Dickie, ich weiß jetzt, warum Sie in der Inneren Medizin bleiben.«

»Prima!« sagte er. »Raus damit, solange ich noch zuhören kann.«

»Das ist der einzige Beruf, der groß genug für Sie ist.«

»Ja, und wissen Sie, was die größte Scheiße dabei ist, Basch?«

»Was?«

»Am Ende ist er es vielleicht doch nicht.«

Getrommel gegen die Tür und die Rufe des Dickie-Fanclubs unterbrachen uns, und hastig fragte ich:

»Wirklich?«

»Sicher. Aber das ist das Spiel, oder?«

»Was?« Dieser gerissene Fettklops hatte mich wieder ausgetrickst.

»Es herauszufinden. Zu sehen, ob es mit unseren Träumen übereinstimmt.«

Der Lärm an der Tür wurde lauter, hartnäckiger, und in Panik spürte ich plötzlich, daß dies jetzt unser Abschied war.

»Das wär’s«, sagte der Dicke, »für diesmal.«

»Danke, Dickie. Ich werde nie vergessen …«

Große, fette Arme drückten mich, und das grinsende, fette Gesicht sagte:

»Basch, kommen Sie nach L.A. Seien Sie schön wie alles in Kalifornien. Selbst Autounfälle und Dickdärme sind da draußen schön. Also? Hören Sie zu, De Er Roy Gee Basch: Tun Sie Gutes, unterstützen Sie Ihre AMA und tun Sie hin und wieder in Erinnerung daran, woher Sie kommen, Geld in die pishke, damit ein Baum in Israel gepflanzt wird.«

Er schloß die Tür auf, wurde von der Menge umringt und war verschwunden.

Ich ging zur Telephon- und Piepserzentrale und gab meinen Piepser ab. Als ich den langen Flur im vierten Stock hinunterging, kam ich an Jane Doe vorbei und überhörte das »He Dok Warten Sie« von Harry dem Pferd. Ich traf Chuck bei einem invasiven Eingriff bei einem Gomer an. Er trug ein knalligorangefarbenes Hemd und einen grünen Schlips mit einem goldenen Herzen drauf, auf dem LOVE stand. Ich fragte ihn, wie es ihm ginge, und er antwortete:

»Mann, dassis jämmerlich, aber wie dieser Schlips sacht, ich habs geliebt. Kommit, Roy, muß dir was zeigen.«

Wir gingen in das Dienstzimmer, setzten uns und genehmigten uns einen Schluck aus der Flasche in seiner Tasche.

»Weiß du, Mann, ichab nachgedacht, wassich nächsses Jahr mach.«

»Du meinst, ab morgen.«

»Richtich. Ich krich immer noch diese Postkarten, hier«, sagte er und zeigte mir den Stapel, den er gesammelt hatte. »und ich hab überlecht, wassich machen soll. Hab’n langen Wech gemach von Memphis. Könnte gleich morgen so weitergehen. Aber wo hat’s mich hingebrach, hä? Weiß du was, Roy?«

»Was?«

»Ich denk, ich bin so sehr zum Weißen geworden, wie’s nur ging. Hier.«

Er nahm die Postkarten und zerriß sie eine nach der anderen in kleine Stücke. Als er fertig war, sah er mich an. Zum ersten Mal hatten seine Augen nicht diese falsche, dumpfe Sanftheit, nein. Sie blickten scharf. Sie blickten stolz.

»Gut gemacht, Baby«, sagte ich voller Stolz, »gut gemacht.«

»Und sieh dir das an«, sagte er und reichte mir ein Stück Papier.

»Ein Busticket?«

»Im Ernst, Mann. Morgen früh. Zurück nach Memphis. Nach Hause.«

»Super!« sagte ich und packte ihn. »Große Klasse!«

»Jap. Wird nich einfach sein, is ’ne ganz anre Welt da unten, und ich war weg seit der Busfahrt nach Oberlin, was sachich, jeah, neun Jahre. Leute sin da anders, und Mann, die einssige Baumwolle, die ich gezupft hab, war innem Aspirinfläschchen. Aber ich versuch’s. Muß sehn, dassich wieder in Form komm, ’ne schwarze Frau finden, ’n normaler, schwarzer Dok sein mit ’ner Menge Geld und ’ner großen, häßlichen Lim-O-siiiene. Und dassis genau das, was der Mann hier brauch.«

»Darf ich dich besuchen?«

»Bin da, Süßer. Keine Angs, ich bin da.«

Ich stand auf, um zu gehen und war traurig und glücklich zugleich.

»He, du Super-Intern, fällt dir was an mir auf?«

Er sah mich von Kopf bis Fuß an und sagte dann:

»’dammt, Basch! Kein Piepser!«

»Sie können mir jetzt nichts mehr tun.«

»Das isses, Mann.«

»Das ist es.«

Ich verließ das Dienstzimmer, ging den Korridor und die Treppen hinunter. Ich blieb stehen, hatte ein ungutes Gefühl. Irgend etwas war noch nicht erledigt. Der Leggo. Er hatte mich nie zu sich gerufen. Aus Gründen, die ich nicht verstand, mußte ich ihn sehen, bevor ich ging. Durch die offene Tür seines Büros sah ich ihn aus dem Fenster starren. Fern von dem glücklichen Treiben in seinem Haus, sah er einsam aus, ein Kind, mit dem keiner spielen will. Überrascht, mich zu sehen, nickte er mir zu.

»Ich wollte Ihnen auf Wiedersehen sagen.«

»Ja, gut. Sie fangen mit Psychiatrie an?« fragte er nervös.

»Wenn mein freies Jahr vorbei ist, ja.«

»Davon habe ich gehört. Drei von Ihnen gehen dieses Jahr, nun gut.«

»Fünf, wenn Sie die beiden Polizisten mitzählen.«

»Natürlich. Ich weiß, Sie werden es kaum glauben, aber ich habe auch einmal vorgehabt, ein Jahr freizunehmen. Ich hatte sogar mal vor, in die Psychiatrie zu gehen.«

»Wirklich?« sagte ich überrascht. »Und warum haben Sie es nicht getan?«

»Ich weiß es nicht. Ich hatte schon zu viel investiert, und … und ich denke, es war mir zu riskant«, sagte er mit fast brechender Stimme.

»Riskant?«

»Ja. Heute bewundere ich diejenigen beinahe, die das tun, die dieses Risiko eingehen. Es ist so merkwürdig. In meinem vorigen Krankenhaus hatten meine Jungs große Zuneigung zu mir, aber hier, in diesem Jahr …« Sein Blick schweifte ab, suchte in stillem Erstaunen den Himmel, wie ein Mann, der zusieht, wie seine Frau seinen Hund überfährt. Abrupt wandte er sich mir wieder zu und sagte:

»Sehen Sie, Roy, ich bin bestürzt. Die Dinge sind in Unordnung geraten: Drei von Ihnen gehen, und dann, was Sie da beim Essen über die Medizin im House gesagt haben, daß Potts sich deswegen umgebracht hat. Das ist mir noch nie passiert. Nie! Daß meine Jungs mich nicht leiden konnten. Ich weiß, zum Teufel, nicht, was hier vorgeht!« Er machte eine Pause und fragte dann: »Wissen Sie es? Warum ich?«

Plötzlich wurde mir klar, wie sehr er litt, wie verwundbar er in diesem Augenblick war. Wußte ich, warum er? Ja. Es war genau dieses Wissen, das mich aus diesem Schlamassel befreit hatte. Sollte ich es ihm sagen? Nein. Zu grausam. Was würde Berry tun? Sie würde es ihm nicht sagen. Sie würde fragen. Ich würde ihn also auch fragen, ihm eine Möglichkeit geben, darüber zu sprechen, ihm einen Ausweg anbieten aus dem Urteil, um das er mich bat.

»Es ist Ihnen noch nie passiert?« fragte ich. »Auch nicht in Ihrer Familie?«

»Meiner was? Meiner Familie?« sagte er verdutzt. Er schwieg. Seine Miene war bekümmert. Vielleicht dachte er an seinen Sohn. Ich hoffte, er würde einen Weg finden, darüber zu sprechen. Als ich ihn ansah, wurde sein Gesicht traurig, und da hoffte ich, er würde nichts sagen, fürchtete, wenn er sich öffnete, würde er sich auflösen. Der Chief in Tränen? Das wäre zu viel für mich. Ich wartete. Die Zeit schien stillzustehen.

»Nein«, sagte er schließlich und sah weg. »Nichts dergleichen. Zu Hause geht alles gut. Außerdem ist ja in vieler Hinsicht meine Familie das House hier.«

Ich war erleichtert. Irgendwie hatte er die Dinge wieder um sich aufgerichtet und konnte weitermachen, undurchdringlich, kalt, der zähe kleine pisher, der er immer gewesen war. Er tat mir leid. Ich ging frei meiner Wege, er saß in einem Käfig. Wie so oft in meinem Leben hatte der Tiger sich als Papiertiger entpuppt, als Traumtiger: abgenutzt, gelangweilt, schüchtern, neidisch und traurig.

Er streckte seine Hand zum Abschied aus und sagte:

»Trotz allem, Roy, war es, nun, war es gar nicht so schlimm, daß Sie dieses Jahr hier waren.«

»Für mich war es schwer, Sir. Es hat Zeiten gegeben, da habe ich Sachen getan, die Sie wütend gemacht haben, und das tut mir leid.«

»Es muß Ihnen nichts leidtun. Ich verstehe es. Ich bin auch mal da durchgegangen, bei Gott. Aber wissen Sie, Roy, das sage ich Ihnen aus meiner Erfahrung: Warten Sie es ab, eines Tages werden Sie auf dieses Jahr als das beste Jahr Ihres Lebens zurückblicken.«

Ich wußte nicht, was ich sagen sollte, schüttelte ihm die Hand und ging.

Ich verließ das House of God zum letzten Mal, ich war endlich frei, und doppelt frei, weil ich die Angst und Eifersucht derer erkannt hatte, die drinnen gefangen blieben. Diese Männer waren so verwundbar! Armer Nixon. Mit einer schweren Phlebitis, die ihn vielleicht umbrachte, – und zwar ganz sicher, wenn er Hooper zum Arzt hatte – dümpelte er mit schwerer Schlagseite dahin. Ich stand plötzlich auf dem Mikrofilm aus menschlichem Gewebe auf dem Parkplatz, den ich immer noch als Potts betrachtete. Ich spürte die warme Sonne auf meinem Gesicht, fühlte ein Gewicht an meiner Hand: meine schwarze Tasche. Ich wollte und brauchte sie nicht mehr. Was sollte ich damit machen? Sie dem nächsten Sechsjährigen geben, als Starthilfe auf den Weg nach oben? Sie irgendeinem unterprivilegierten armen Schlucker geben? Nein. Plötzlich wußte ich, was ich damit tun sollte. Wie ein Hammerwerfer schwang ich sie herum und herum und noch einmal herum, sammelte Schwung und schleuderte sie mit einem Schrei aus Bitterkeit und Freude hoch, hoch in die warme, frische Sommerbrise und sah dann zu, wie die glänzenden Chrominstrumente in einem Regenbogen herausfielen und unten auf das Pflaster klirrten.

Am Abend holten die Polizisten Berry und mich ab, luden unser Gepäck in den Streifenwagen und rasten mit Blaulicht und Sirene zum Flughafen.

»Wollen Sie wirklich Psychotherapeuten werden?« fragte Berry.

»Die Couch erwartet schon die Ergüsse unseres Unterbewußtseins«, sagte Gilheeny.

»Und wie die anderen katholischen Kandidaten, – die letzte war eine geile Nonne –«, sagte Quick, »sind wir Berühmtheiten. Unsere Gehirne werden fein säuberlich danach gefilzt, wie wir auf so viele Jahre Streifendienst reagiert haben.«

Wir kamen am Flughafen an, und Gilheeny sagte:

»In der Kürze liegt nicht meine Stärke, und doch sollte ich versuchen, mich kurz zu fassen.«

Weitschweifende Worte folgten, während das blinkende Licht auf dem Streifenwagen seine buschigen Züge hervorhob, bevor er schließlich endete:

»Und deshalb sind, da Quick und ich die letzte Buchstütze in das Regal unserer Zeit im House of God schieben, die drei, die wir stets verehren werden, Dubler, der Dicke und Roy G. Basch.«

»Ihresgleichen wird man nicht wieder begegnen«, sagte Quick.

»Aus libidinösem Herzen, dem Orakel des Ventrikels wünschen wir Ihnen beiden ›Auf Wiedersehen‹, Shalom und …« er wurde von einem Ausbruch dicker Tränen unterbrochen, die ihm die Wangen hinunterliefen, »Gott segne Sie.«

»Gott segne Sie«, echote Quick.

Mein erster Gedanke, als ich den bauchigen Jumbojet sah, war, daß er aussah wie ein fetter oder ödematöser Gomer. Ich sank für den kurzen Nachtflug nach Paris in den Sitz, Berry an meiner Seite, dachte an die Bahnreise, die uns am nächsten Tag in den Süden Frankreichs bringen würde und erzählte Berry, was der Leggo gesagt hatte. Daß dieses Jahr einmal »das beste meines Lebens« sein würde. Sie dachte einen Augenblick lang nach, legte dann ihren Kopf an meine Schulter, gähnte und sagte:

»Du hast ihm sicher gesagt, daß du bereits neunundzwanzig bessere erlebt hast.«

Verdammt, warum war mir das nicht eingefallen? Ich gähnte ebenfalls, schloß die Augen und rutschte ins Dunkel.

 

Ich bin ein blinder Höhlenfisch, der in einen Fluß aus Licht geworfen worden ist. Meine Sinne versuchen, sich anzupassen. Während ich lerne, in diesem seltsamen, vollen Spektrum zu leben, einen blendenden Tag nach dem anderen, werde ich gleichzeitig zurück in das schaurige Dunkel gezogen. Ich bin gespalten, von der Messerschärfe der französischen Sommersonne filetiert. Berry und ich werden in einem Garten unter einem Netz ineinander verwobener Zweige zu Abend essen, unser Tisch wird mit gestärktem Leinen und schwerem, mit Monogrammen graviertem Silber gedeckt sein, feines Kristall und eine frische, rote Rose in einer silbernen Vase als Tüpfelchen auf dem I. Mein Blick wird auf den betagten Kellner fallen, er wartet, eine Serviette über dem zitternden Arm, und ich werde an einen Gomer mit senilem Tremor im House of God denken. Wir werden auf einer Bank auf dem Dorfplatz sitzen, alles ist still außer dem Klack, Klack der Boulekugeln, und im Duft von Orangen, Knoblauch, Flußmoschus und Walnuß werde ich einen alten Mann sehen, der im Rollstuhl Boule spielt, und ich werde an Humberto zurückdenken, meinen mexikanischen BMS, der Rose Nizinsky in der Nacht, in der wir den Geschwindigkeitsrekord des House of God im Durchführen von Großen Darmangriffen gebrochen haben, zum Röntgen rollt. Am Markttag werde ich zwei LAD in GAZ in Schwarz sehen, die einen Stock tragen, an dem kopfüber drei quakende Gänse hängen; hinter ihnen zwei weißgekleidete kleine Mädchen, die Finger in die grünen Schleifen gehakt, mit der die Patisserie-Schachteln zusammengebunden sind. Es gibt kein Entrinnen. Selbst die sinnlichen Körper im Bikini an unserem Fluß sind nicht sicher. Ich seziere sie zu Sehnen, Muskeln und Knochen. Wenigstens, denke ich bei mir, habe ich bisher hier im Süden Frankreichs noch nicht die Hilflosigkeit, die vollständige Horizontalität gesehen, die zu einem echten Gomer gehört.

Und doch weiß ich, daß es nur eine Frage der Zeit ist. An einem herrlichen, trägen Tag sitze ich allein auf dem Friedhof über dem Dorf. Auf dem Grab eines kleinen Mädchens steht die Inschrift Priez pour elle, auf dem Grabgewölbe liegt ein Kruzifix, die gewölbte Brust des Christus lebensecht in glasiertem Ton. Als ich gehe, klingt mir das Priez pour elle, Priez pour elle in den Ohren. Ich schlendere den verschlafenen, gewundenen Weg hinunter, mit Blick über das Schloß, die Kirche, die prähistorischen Höhlen, den Marktplatz und weit unten das Flußtal, über die Spielzeugpappeln und die romanische Brücke, die den Weg markieren, und weit über unseren Fluß, den Sohn des Gletschers, den Schöpfer all dieser Dinge. Ich bin diesen Weg am Kamm entlang bisher noch nie gegangen. Langsam entspanne ich mich, kenne wieder, was ich früher kannte, den Frieden, die regenbogengleiche Vollkommenheit des Nichtstuns. Die Tage beginnen, sich weich und warm anzufühlen, wie die Nostalgie eines Seufzers. Die Natur ist so üppig, daß die Vögel gar nicht alle reifen Brombeeren holen können. Ich bleibe stehen und pflücke mir welche. Saftiger Staub in meinem Mund. Meine Sandalen schlappen auf dem Asphalt. Ich sehe, wie sich die Blumen in Farben und Formen überbieten, um die Bienen anzulocken. Zum ersten Mal seit einem Jahr habe ich Frieden.

Ich biege um eine Ecke und sehe ein großes Gebäude wie ein Altersheim oder Krankenhaus. »Hospice« steht über dem Eingang. Ich bekomme eine Gänsehaut, meine Nackenhaare sträuben sich, meine Zähne beißen sich fest zusammen. Da sind sie. Man hat sie in die Sonne hinausgesetzt, in einen kleinen Garten. Das Weiß ihrer Haare läßt sie im Grün des Gartens wie Pusteblumen auf der Wiese aussehen. Als warteten sie auf den Wind, der sie fortbläst. Gomers. Ich starre sie an. Ich erkenne die Zeichen. Ich stelle Diagnosen. Als ich an ihnen vorbeigehe, scheinen ihre Augen mir zu folgen, als versuchten sie, mir irgendwo in ihrer Demenz zuzuwinken oder bonjour zu sagen oder ein anderes Zeichen von Menschlichkeit zu geben. Aber sie winken nicht, sagen nicht bonjour und geben auch sonst kein Zeichen. Gesund, braungebrannt, schwitzend, betrunken, mit Brombeeren vollgestopft, innerlich lachend und die Grausamkeit dieses Lachens fürchtend, fühle ich mich großartig. Ich fühle mich immer großartig, wenn ich einen Gomer sehe. Jetzt liebe ich diese Gomers.

Das ist die schlimmste Nacht. Ich wache auf, fahre hoch, hellwach, in Schweiß gebadet und schreie, als die Kirchenglocken drei Uhr schlagen. Mein Kopf ist voller schrecklicher Bilder des Jahres im House of God. Mein Schreien weckt Berry und ich sage:

»Ich habe endlich gesehen, wo sie sie aufbewahren.«

»Wen?« fragt sie, noch halb im Schlaf.

»Die Gomers. Sie nennen es ›Hospice‹.«

»Beruhige dich, Liebling. Es ist vorbei.«

»Ist es nicht. Ich kriege sie nicht raus aus meinem Kopf. Alles erinnert mich an das Jahr im House. Ich weiß nicht, wie ich das vergessen soll. Das macht mein ganzes Leben kaputt. Ich hätte nie gedacht, daß es so schlimm sein würde.«

»Versuche nicht, es zu vergessen, Liebling. Versuche, es aufzuarbeiten.«

»Ich dachte, das hätte ich bereits getan.«

»Nein, das dauert seine Zeit. Komm«, sagt sie und umarmt mich, »rede mit mir, erzähle mir, wo es wehtut.«

Ich erzähle es ihr. Ich spreche wieder über Dr. Sanders, der in meinem Schoß verblutete, über den Blick in Potts Augen in der Nacht, bevor er sprang, darüber wie ich das KCL in den armen Saul gespritzt habe. Ich sage ihr, wie sehr ich mich schäme, ein sarkastisches Schwein gewesen zu sein, das die Alten Gomer nennt, und wie ich mich während meines Internships über sie lustig gemacht habe, weil sie schwach waren und weil sie mir ihr Leiden ins Gesicht geschleudert haben, weil sie mir Angst machten, weil sie mich zwangen, widerliche Dinge zu tun, wenn ich ihnen helfen sollte. Ich sage ihr, daß ich im Angesicht des Todes mitfühlend sein möchte, und daß ich nicht glaube, es jemals zu schaffen. Wenn ich zurückdenke an das, was ich durchgemacht habe und was aus mir geworden ist, steigt Traurigkeit in mir auf und mischt sich mit Verachtung. Ich lege meinen Kopf in Berrys Höhlungen und Rundungen und weine und fluche und schimpfe und weine.

»… du hast es auf deine Weise getan. Jemand mußte sich um die Gomers kümmern. In diesem Jahr hast du es getan, auf deine Art.«

»Das Schlimmste ist diese Bitterkeit. Ich war ganz anders, freundlich, ja großzügig, nicht wahr? Ich war nicht immer so, oder doch?«

»Ich liebe dich so, wie du bist. Für mich bist du – unter all dem – immer noch da.« Sie machte eine Pause und sagte dann mit blitzenden Augen: »Und vielleicht bist du jetzt sogar noch besser.«

»Was? Wie meinst du das?«

»Vielleicht war dies die einzige Möglichkeit, dich aufzuwecken. Dein ganzes Leben war ein äußerliches Wachsen, du mußtest mit Herausforderungen fertig werden, die andere dir gestellt haben. Jetzt wächst du vielleicht von innen. Es kann eine ganz neue Welt werden, Roy, das weiß ich. Ein ganz neues Leben.« Mit tränennassen Augen fügte sie hinzu: »Ich liebe dich noch mehr, Roy, weil ich so lange auf dich gewartet habe.«

Überwältigt. Sprachlos. Erregt, ja glücklich. Doch es schien zu leicht zu sein.

»Ich möchte dir so gern glauben, aber es ist alles so schmerzhaft. Das ganze Jahr kommt mir jetzt vor wie ein Alptraum.«

»Nicht alles. Du hast auch Freude gehabt: Freude, weil du die Medizin beherrschst, Freude unter euch Freunden, Freude der Latenz.«

»Latenz? Was ist Latenz?«

»Latenz ist die Lust vor der Pubertät. Latenz ist die Zeit der Clubs, der Gruppen, der Teams, wenn Baseball das Wichtigste im Leben ist, und die Tage zu kurz sind für alles, was man vorhat. Latenz ist sich-kümmern. Dieses Jahr ist ein Latenztrip gewesen: Das Internship hat euch erschüttert und brutal gemacht, aber das Sich-umeinander-kümmern hat euch aufrecht erhalten.«

In der Wiege ihrer Arme denke ich zurück an damals, an das Baumhaus in der überwucherten, seichten Schlucht, an die frühen Sommernächte, als wir aus dem Haus liefen in die warme Dämmerung zu den Baseballspielen, als der kleine dicke short stop einen zweimal aufprallenden Ball zur ersten base fing, um den Läufer gerade noch rechtzeitig zu stoppen. Und während ich mich in den Flußnebel des Schlafs einrollte, legte sich ein Laken besänftigender Gedanken über mich wie ein Lied, gesummt von einem Tyrannen und von den Vögeln aufgegriffen und überallhin weitergetragen, und ich denke an Tage, so windstill, daß die Flamme eines Streichholzes nicht flackert, und ich denke an blinde Fische in der schwarzen Welt einer mit Mammuts bemalten Höhle, die selbst in ihrem eisigen, weichwandigen Kalksteinbecken von den flachen, heißen Steinen des Sommers an den maskenweißen Wänden wissen, Steine die eine Katze wärmen, die auf der Straße eines französischen Hügeldorfes döst, mit Blick auf ein Flußtal, ein echtes Chateau und den blanken Marmor des Fleischerladens, der gefrorenes, mit Speckbändern umwickeltes Fleisch hütet, und eine Patisserie-Schachtel mit einem grünen Band und einer Schleife für den Finger eines Kindes, und ein Markt, der zu Ende geht, während die Worte aus den Mündern der Cafés lauter strömen, wo Männer, die französische Bauern karikieren, mit ihren Zigaretten zwischen den Lippen sitzen und ein Friedhof, der in die Totenstille Priez pour elle, Priez pour elle fleht. Und dann denke ich, daß es außerhalb des House of God selbst auf einem Friedhof kein Ergebnis gibt, daß alles Prozeß ist, und daß hier, wo meine Liebste mich im Arm hält, vielleicht jeder Tag mit allen Dingen und allen Farben ausgefüllt ist und mit der ewigen Wiederholung aller bunten, sich erneuernden Dinge, und ich fühle, daß vielleicht im Fluß der Zeit die Schichten von Bitterkeit anfangen werden, abzublättern, bis die Bitterkeit selbst nur noch eine verbleichende Ätzung auf einer Glaswand ist, Schichten von geätzten Glaswänden führen ein Leben in Latenz, ein Sommerspiel, ein Sommerspaß, und während ich Ruhe suche, beginnen die Schichten von Bitterkeit abzublättern, blättern ab, lassen mich zurück auf dem Heimweg flußaufwärts zu Unschuld und Nacktheit und Ruhe wie in der Zeit vor dem House of God, mit Berry, ich danke Gott für Berry und nur für Berry, wo wäre ich jetzt ohne sie, ich könnte nicht lernen, wieder zu lieben, wie ich einmal geliebt habe und liebe und lieben werde.

Inständig bat ich sie, mich zu heiraten.