»This is the end … beautiful friend
This is the end … my only friend, the end
Of our elaborate plans, the end
Of everything that stands, the end
No safety or surprise, the end
I’ll never look into your eyes … again.«


THE DOORS, »The End«

NEUNTER HÖLLENKREIS VERRÄTER

»Wir hatten nun das kranke Tal im Rücken und gingen auf den Damm, der es umgürtet, hinüber, quer, und redeten kein Wort. Da war es nicht ganz Nacht und nicht ganz Tag, so daß das Aug nur wenig vorwärts drang. Doch hörte ich gar laut ein Horn erschallen, das jeden Donner übertönen konnte. (…) Kaum hatte ich den Kopf dorthin gewendet, als viele hohe Türme mir erschienen und ich den Meister frug: ›Wie heißt die Stadt?‹ Und er entgegnete mir: ›Allzuweit willst du voraus durch dunkle Räume eilen, und so verwirrt sich deine Phantasie. Wenn du dir’s dort besiehst, wirst du verstehn, wie leicht der Sinn sich auf die Ferne täuscht.‹«


DANTE, Die Göttliche Komödie,
»Hölle«, Einunddreißigster Gesang

21. DEZEMBER

Greenwich Village, Manhattan, New York
7:11 Uhr
(52 Minuten vor dem prophezeiten Ende der Tage)


Major Steve Downey saß auf dem Beifahrersitz des schwarzen Hummer und konzentrierte sich auf die Bilder, die ihm in Echtzeit von den beiden über Chinatown schwebenden Reaper-Drohnen übermittelt wurden. Seit fast zwei Stunden hatten seine Ranger die beiden Militärfahrzeuge über Bürgersteige voller Toter und Sterbender manövriert, wobei sie ihrer Zielperson immer weiter in südlicher Richtung durch Lower Manhattan folgten. Und dann waren Shepherd und seine Begleiter plötzlich verschwunden. Als die Reaper wieder Sichtkontakt herstellen konnten, hatte Downeys Truppe die Houston Street erreicht.

Die west-östliche Verkehrsader, die Greenwich Village von SoHo trennte, war eine einzige Mauer aus Fahrzeugen; die Hummer konnten sie nicht überwinden. Da wegen der Wolke und der für halb acht angesetzten Evakuierung des UN-Gebäudes der Einsatz von Hubschraubern verboten worden war, blieb Downey fast keine Zeit mehr.

»Basis an Serpent one.«

Downey griff nach dem Funkgerät. »Hier Serpent one, ich hoffe, Sie haben gute Neuigkeiten.«

»Die ESVs sind eingetroffen. Ankunftszeit für ESV-2 in drei Minuten.«

»Roger.« Downey wechselte die Frequenz, um mit seinem direkten Untergebenen zu sprechen. »Serpent two, fahren Sie zur Seite. Gleich wird die Straße geräumt.«


Abrams-und Bradley-Panzer bilden das Rückgrat der amerikanischen Bodentruppen. Doch die schweren Fahrzeuge wiegen über siebenundsechzig Tonnen, und oft dauert es Monate, sie auf ein Schlachtfeld zu transportieren. Für Einsätze, die rascher erfolgen müssen, hatte das Verteidigungsministerium die Stryker Force entwickelt, ein achträdriges Kampffahrzeug, das nur achtunddreißig Tonnen wog und mit einer C-130 befördert werden konnte. Ihre Panzerung war so stark, dass sie dem Beschuss aus Waffen mit kleinerem Kaliber widerstand.

Bei den beiden Fahrzeugen, die im Battery Park und im Hudson River Park von Frachtkähnen rollten, handelte es sich um zwei M1132 Stryker Engineer Support Vehicles (ESVs), die mit einer zwei Meter hohen und sechzig Zentimeter dicken Schaufel ausgerüstet waren. Diese Schaufel hatte die Form einer Pfeilspitze und war vorn an den ESVs montiert worden, was die Maschinen in schnell fahrende Bulldozer verwandelte.

Nach der Landung an Pier 25 in Tribeca bahnte sich ESV-2 mit fünfzig Kilometern pro Stunde seinen Weg auf der Houston Street in Richtung Osten. Mithilfe von Nachtsicht-und Wärmebildkameras behielt der Fahrer seine Umgebung im Auge, während er eine Schneise von sechs Metern Breite durch Lower Manhattan zog, indem er mit seiner V-förmigen Schaufel Autos und Busse beiseiteschob. Als das Allradfahrzeug den Broadway erreichte, bog der Fahrer nach links ab und schlug eine Bresche in die Mauer, die den Hummern den Weg versperrte, sodass die beiden Ranger-Teams dem schweren Gefährt weiter in südlicher Richtung folgen konnten.



Tribeca, Manhattan, New York
7:17 Uhr


David Kantor trat aus dem Treppenhaus an der Südwestseite des Gebäudes. Er hielt den Siebenjährigen im Arm, während ihm die übrigen Schüler dicht auf den Fersen folgten. Die älteren Teenager sahen sich entsetzt um. »Was ist passiert?«

»Oh nein, da sind überall Tote.«

»Ohhh!« Einzelne Kinder schrien und versetzten damit die anderen in Panik.

»Es ist alles in Ordnung. Bleibt ganz ruhig.« David sah sich um und bemühte sich verzweifelt, ein Transportmittel zu finden, doch er sah sehr schnell ein, dass er so keinen Erfolg haben würde. »Wisst ihr, wo die Schulbusse stehen?«

»Ich weiß es!« Eine Sechstklässlerin deutete in westlicher Richtung die 41st Street hinab.

»Gut. Bleibt alle zusammen und passt auf, wo ihr hintretet.« Er folgte dem Mädchen durch eine schmale Gasse zwischen zwei Reihen feststeckender Autos, während ihn die älteren Schüler mit Fragen bestürmten.

»Sind alle diese Menschen an der Pest gestorben?«

»Wie wollen Sie einen Bus fahren? Die Straßen sind verstopft.«

Weit weg war ein schwaches Geräusch zu hören – eine Art dumpfer Knall, wie ein fernes Feuerwerk.

»Manhattan steht unter Quarantäne. Wie wollen Sie uns von der Insel wegbringen?«

»In der Schule waren wir sicherer. Vielleicht sollten wir wieder umkehren?«

»Seid leise!« David blieb stehen, um zu lauschen.

Das Geräusch wurde lauter. Es näherte sich von Norden und klang nun eher wie das Knirschen von Metall, das gegeneinandergedrückt wird, begleitet von einem tiefen Grollen.

»Das ist ein ESV. Anscheinend macht das Militär eine Evakuierungsroute frei. Los, Kinder, kommt!«



Battery Park, Manhattan, New York
7:19 Uhr


Als Sheridan Ernstmeyer aus der Lobby des Gebäudes kam, hörte sie, wie Metall gegen Metall krachte. Es war wie bei einem Stockcarrennen. Sie schätzte die Entfernung ab und eilte dann zum SUV. »Bert?« Sie schüttelte den Verteidigungsminister, der mühsam erwachte.

»Wo ist Shepherds Frau?«

»Tot«, log sie. »Aber das Militär ist hier. Ein ESV fährt auf dem Broadway in Richtung Norden. Es muss zu einem Bergungsteam gehören.«

Bertrand DeBorn setzte sich auf. Seine Maske war mit Blutspritzern bedeckt. »Schaffen Sie uns hier raus.«



Chinatown, Manhattan, New York
7:22 Uhr


Die Überlebenden – sieben in Decken gehüllte ausländische Mädchen – folgten ihrem einarmigen Engel und dem amerikanischen Teenager durch pechschwarze Korridore und eine baufällige Holztreppe hinauf ins Erdgeschoss des chinesischen Souvenirgeschäfts.

Die über hundertzwanzig Kilo schwere mexikanische Puffmutter stand in der Ladentür, und ihre gewaltige Masse versperrte den Durchgang. »Wohin willst du denn, chuleta?«

Patrick Shepherd trat vor die Mädchen und richtete die Waffe des toten Kolumbianers auf den Kopf der Madame. »Verschwinde von hier, oder du verschwindest für immer.«

Die Mexikanerin lächelte durch ihre blutbeschmierten Zähne. »Du machst mir keine Angst. Santa Muerte beschützt mich.«

»Hab noch nie von ihr gehört.« Patrick hob sein rechtes Knie und trat der fetten Frau in den Bauch, sodass sie nach hinten durch die Glastüre geschleudert wurde.

Die Mädchen stolperten über den Körper der Frau, deren Gefangene sie eben noch gewesen waren, hinaus in die Nacht.


Columbus Park, Hoboken, New Jersey
7:25 Uhr


Pankaj Patel führte seine Familie und die übrigen Überlebenden der Seuche durch die Bayard Street an den Zaun, der das Parkgelände begrenzte. Die asphaltierten Basketballfelder und das Kunstrasen-Baseballfeld waren noch immer mit Schnee bedeckt, und die reflektierende alabasterfarbene Oberfläche vermittelte einen Eindruck davon, wie sehr Scythe der Nagerpopulation der Stadt zugesetzt hatte.

Hunderte schwarze Ratten bewegten sich wie ein einziges Tier in einem symbiotischen Tanz, der etwas von einem Tauziehen hatte. Durch die ständigen Bisse Zehntausender Flöhe in Raserei versetzt, strömten auf dem Basketballfeld konkurrierende Meuten vor und zurück wie Fischschwärme. Mitten in diesem blutigen Gedränge befanden sich die sterblichen Überreste eines älteren Paares, dessen zerrissene Oberkörper nur noch an ihrer zerfetzten Kleidung erkennbar waren, an der sich die Tiere mit ihren winzigen Klauen und Zähnen festhalten konnten.

Der Anblick der grausigen Schlacht ließ die sechs Überlebenden vom Zaun zurücktreten.

Francesca stöhnte. Ihre Wehen kamen jetzt in immer kürzeren Abständen. »Paolo, tu irgendwas!«

»Virgil, meine Frau bekommt unser Baby.«

»Und was soll ich deiner Meinung nach tun?«

»Bring uns weg von diesem schrecklichen Ort. Bring uns zum Ufer und zum Boot meines Schwagers.«

»Was ist mit Patrick?«

»Wir können nicht länger auf ihn warten. Wenn es wahr ist, was er gesagt hat, dann läuft uns die Zeit davon. «

Manisha nickte Pankaj zu. »Er hat recht. Wir können nicht länger warten.«

»Mom, nein!«

»Dawn, Schätzchen, was immer er auch gerade tun mag – er wird uns wiederfinden, wenn er kann.«

»Vielleicht solltet ihr ein goldenes Kalb errichten?«

Die vier Erwachsenen sahen den alten Mann an.

»Und das Idol anbeten. Vielleicht gewährt es euch ja das Heil, das ihr sucht.«

»Virgil, meine Frau steht kurz davor, ein Baby zu bekommen. Überall umgibt uns der Tod …«

»Und wer hat euch durch dieses Tal des Todes geführt? Wer hat dafür gesorgt, das sich deine Frau und dein Kind nicht mit der Pest anstecken? Manisha, wer hat sein Leben riskiert, um deine Familie vor der Schlinge des Henkers zu retten? Und doch seid ihr bereit, den Menschen, der euch geführt hat, ebenso schnell aufzugeben, wie die Israeliten Moses am Sinai aufgegeben haben. Es ist einfach zu glauben, solange alles glatt läuft und man mit den Herausforderungen ganz gut zurechtkommt. Aber wenn man mit seiner eigenen Sterblichkeit konfrontiert wird, ist es gar nicht mehr so einfach. Wenn aber nun genau dies der Sinn unserer physischen Existenz wäre – nämlich den Glauben auf die Probe zu stellen, gegen das Ego anzukämpfen und dem System zu vertrauen?«

Kalter Schweiß rann über Pankajs Gesicht. Er konnte die Ratten knurren hören, die zehn Meter hinter ihm ihre Zähne in Fetzen menschlichen Fleisches schlugen. »Welchem System, Virgil? Was rätst du uns?«

»Handelt stets von unerschütterlicher Zuversicht erfüllt. «

Dawn hob die Hand. »Da ist er!«

Von einer kleinen Gruppe Mädchen zwischen zehn und achtzehn Jahren begleitet, kam Shep im Laufschritt auf sie zu. Das jüngste Kind, eine Mexikanerin, hielt sich an seine Brust geklammert.

Manisha brach in Tränen der Scham aus, denn sie begriff sofort, dass die Aufgabe, von der Patrick gesprochen hatte, die Sexsklavinnen betraf, die er gerade befreit hatte.

Sie nahm Shep das Kind ab, damit er wieder ein wenig zu Atem kommen konnte. »Wir müssen uns beeilen. Die Sonne wird bald aufgehen.«

Der Einarmige nickte Virgil zu und führte die größer gewordene Gruppe auf der Worth Street nach Westen in Richtung Broadway.



United Nations Plaza, Manhattan, New York
7:29 Uhr


Die zivile Boeing CH-47F Chinook flog in geringer Höhe über den New York Harbor. Ihre beiden Rotoren wirbelten die eisigen Fluten auf, während die Piloten so weit wie möglich der in gut zweihundert Metern Höhe schwebenden braunen Wolkendecke auswichen. Sobald der schwere Transporthelikopter den East River erreicht hatte, wandte er sich nach Norden, indem er dem schmalen Fluss bis nach Lower Manhattan folgte. Schließlich landete er auf der United Nations Plaza.

In einer Reihe verließen die Delegierten die Lobby des UN-Gebäudes. Jeder von ihnen steckte vom Scheitel bis zu den Füßen in einem biologischen Schutzanzug. Wer gehen konnte, nahm auf einem der Sitze in der Mitte des Chinook Platz. Wer auf einer Trage lag, wurde im Frachtbereich untergebracht. Zu Letzteren gehörte auch Präsident Eric Kogelo.



Foley Square, Manhattan, New York
7:32 Uhr


Das Geräusch erreichte sie zuerst – ein Dröhnen von ineinanderkrachendem Metall, das die Nacht durchdrang. Dann kamen die gleißend hellen Lichter, die eine dunkle Woge aufgetürmter Fahrzeuge anstrahlten, und schließlich erschien das stählerne Monster, das die Fahrzeuge beiseiteschleuderte, während es sich auf der Worth Street in Richtung Osten fraß.

»Hier entlang!« Shep führte die Gruppe nach Süden auf den Foley Square. Stroboskoplichter erhellten die Säulen der umgebenden städtischen Gebäude. Eine Reaper-Drohne schwebte über dem Platz, deren Kamera ein Bild von Shep einfing, als er versuchte, seine Begleiter zum US Courthouse hinaufzuführen – über jene Stufen, die schon Bernard Madoff einige Jahre zuvor hinaufgestiegen war. Doch wie für den Finanzbetrüger gab es auch für Shep kein Entkommen.

Von allen Seiten stürmten Ranger in dunklen Uniformen heran und rissen Patrick Shepherd zu Boden. Ihre Taschenlampen blendeten ihn, als sie jeden Quadratzentimeter seiner Haut abtasteten und ihm die Kleider vom Leib zogen. Von Schmerzen gequält schrie er auf, als zwei Ranger seine stählerne Armprothese von seiner verletzten Schulter wanden und seinen künstlichen Arm gewaltsam amputierten, indem sie Nervenenden und Sehnen zerrissen.

Patrick wand sich am Boden. Sein verwundeter Körper zuckte heftig, und es war, als stünde sein Geist in Flammen. Er hörte, wie Dawn vor Schmerzen weinte. Er nahm wahr, wie Paolo protestierte, als behandschuhte Hände energisch seine Frau abtasteten, die in den Wehen lag.

Schließlich hatte der Terror ein Ende, und die Opfer wurden nackt und schaudernd auf dem schneebedeckten Rasen zurückgelassen. Major Downey trat nach vorn. »Bericht.«

»Sir, wir haben drei Fläschchen des Scythe-Impfstoffs bei Sergeant Shepherd gefunden, das ist alles.«

Downey stellte sich breitbeinig über Patrick und drückte seinen Stiefel gegen den blutenden linken Deltamuskel des Amputierten. »Wo ist der restliche Impfstoff? «

»Ich habe ihn an deine Mutter geschickt, als kleines Dankeschön für letzte Nacht.«

Der Ranger holte aus, um Shep ins Gesicht zu treten, als Virgil, der neben Patrick lag, den Knöchel des Soldaten umklammerte. »Er hat diese Überlebenden damit geimpft. Nehmt sie mit. Sie werden nicht erkranken. «

»Hier geht niemand irgendwohin, alter Mann.« Downey aktivierte sein Headset. »Serpent an Basis. Wir haben den Scythe-Impfstoff sichergestellt.«

»Sehr gut. Wir erwarten Sie in fünf Minuten am Evakuierungspunkt. «

»Roger. Okay, Leute, bewegt euch!«

Die Ranger stürmten im Laufschritt zu ihren Fahrzeugen zurück, als ein Chevy Suburban heranraste und schlitternd vor den Hummern anhielt. Die Soldaten richteten ihre Waffen auf das Fahrzeug. Eine Frau, die eine Atemmaske trug, rutschte mit erhobenen Händen vom Fahrersitz. »Nicht schießen! Ich bin beim Secret Service. Verteidigungsminister Bertrand DeBorn sitzt auf der Rückbank. Wir sollten ebenfalls evakuiert werden.«

Downey öffnete die Hintertür des Suburban und musterte den weißhaarigen Mann, der bewusstlos zu sein schien. »Es ist tatsächlich DeBorn. Er hat Scythe in einem weit fortgeschrittenen Stadium. Nehmt ihn mit. Wir besorgen ihm an den Docks einen Schutzanzug.«

»Was ist mit ihr?« Einer der Ranger deutete auf Sheridan Ernstmeyer.

»Sie kommt auch mit.«

Die Attentäterin atmete erleichtert auf.

Auf der anderen Seite des Parks trat eine zierliche Gestalt in einem weißen Racal-Schutzanzug hinter einer Statue hervor. Der tibetische Mönch schob seine Kapuze zurück, und seine undurchdringlichen Augen funkelten Bertrand DeBorn wie Diamanten an.

DeBorns Kehlkopf hatte sich mit Blut gefüllt. Der Verteidigungsminister stieß einen gurgelnden Laut aus, stolperte aus der offenen Hintertür des Suburban und stürzte zu Boden.

Einer der Ranger tastete nach seinem Puls. »Er ist tot.«

»Lasst ihn hier. Wir haben fast keine Zeit mehr.« Major Downey kletterte auf den Beifahrersitz des ersten Hummer.

»Warten Sie!« Sheridan Ernstmeyer griff nach der sich schließenden Tür. »Was ist mit mir?«

»Tut mir leid, Lady. Sieht aus, als wäre Ihr Ticket gerade ungültig geworden.«

Bevor sie reagieren konnte, hatten die beiden Militärfahrzeuge bereits auf dem schneebedeckten Rasen gewendet und sich auf den Weg zurück in die Worth Street gemacht.

Am östlichen Horizont verriet ein dünner Steifen grauen Himmels unter der künstlichen Wolkendecke, dass die Morgendämmerung anbrach. Schaudernd vor Kälte griffen die Überlebenden nach ihren Kleidern und zogen sich rasch an.

Als Patrick Hemd und Jacke überstreifte, fühlte sich seine verletzte Schulter an, als stünde sie in Flammen. Mit seiner rechten Hand schob er einen Klumpen Schnee zusammen und presste ihn gegen die Wunde. Dabei legte er eine in den Boden eingelassene Platte mit einer Inschrift frei.


»DIES SIND DIE ZEITEN, DIE DIE SEELE DER MENSCHEN IN VERSUCHUNG FÜHREN …«

THOMAS PAINE

Paolo legte Francesca seinen Mantel um und tröstete sie. »Es ist alles in Ordnung. Gott wird uns in der Stunde unserer Not nicht verlassen.«

»Wach auf, Paolo! Sieh dich um. Gott hat uns schon verlassen

»Du solltest deine Zunge vor aller Negativität hüten, besonders da du gleich ein Kind zur Welt bringen wirst.«

Francesca drehte sich zu dem bizarr aussehenden Asiaten um. »Verdammt, wer sind Sie denn?«

Gelut Panim deutete eine Verbeugung an. »Ein demütiger Diener des Lichts.«

Pankaj blickte auf. Als er den Mann sah, eilte er zu ihm. »Wie?«

»Das ist nicht wichtig.« Der Mönch betrachtete die Gruppe. »Ich suche den Gerechten. Wo ist er?«

Alle drehten sich um, als plötzlich ein gelber Schulbus dröhnend aus der Center Street gefahren kam und wenige Meter vor ihnen hielt.

Zischend öffnete sich die Vordertür, und eine Gestalt in einer schwarzen Uniform kam die Stufen hinab.

Die Frauen schrien auf.

David Kantor zog seine Schutzmaske aus. »Es ist alles in Ordnung. Ich werde euch nichts tun. Ich habe gesehen, wie die Militärfahrzeuge weggefahren sind, und da …«

»Dad?«

David sah sich suchend um. Das Herz schlug ihm bis zum Hals, als er eine Gruppe spärlich bekleideter Mädchen musterte – und schließlich sein verlorenes Lämmchen fand. »Gavi? Oh. Mein Gott, danke.« Er rannte zu ihr, riss sie hoch wie eine Stoffpuppe und erdrückte sie fast in seiner Umarmung, während seine Tochter hemmungslos weinte. »Ich hatte solche Angst! Ich habe dich gesucht. Ich bin zu deiner Schule gegangen …«

»Sie haben mich entführt! Sie haben mich geschlagen, Daddy, ich hatte solche Angst …«

»Wer hat dich geschlagen?« Er sah ihr ins Gesicht. »Ist alles in Ordnung mit dir?«

»Mir geht es gut. Dieser Mann hat mich gerettet. Der Mann, der nur einen Arm hat.« Sie deutete auf Patrick, der zusammengesunken auf einer Parkbank saß.

David starrte die hagere Gestalt an. »Shep?«

»Daddy, du kennst ihn, nicht wahr? Ich habe ein Bild von euch beiden zusammen im Irak gesehen.«

»Gavi, steig in den Bus. Und nimm auch die anderen Mädchen mit.« David sah ihr nach. Dann ging er zur Bank, indem er sich an einem kleinen Asiaten und einem alten Mann vorbeischob.

»Shep, ich bin’s, D. K.«

Patrick hob den Kopf. Der Schmerz hatte ihm Tränen in die Augen getrieben. »Wer?«

»David … Dr. Kantor. Erkennst du mich nicht? Wir haben drei gemeinsame Einsätze hinter uns.«

»David?« Shep setzte sich auf. Die schmerzhafte Bewegung riss ihn aus seiner Benommenheit. »Was machst du denn hier?«

»Die Nationalgarde wollte, dass ich nach dir suche. Wegen des Impfstoffs. Das Mädchen, das du gerettet hast, ist meine Tochter. Mann, ich bin dir wirklich was schuldig.«

Patrick wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. »Ich wollte, ich hätte meine eigene Tochter retten können. Die Schweine haben mir den Impfstoff weggenommen, bevor ich ihn zu ihr bringen konnte.«

»Deine Tochter? Oh mein Gott.« David wandte sich an den alten Mann. »Sind Sie mit ihm befreundet?«

»Ich würde mich gerne als seinen Freund betrachten. Patricks Erinnerung ist nicht besonders gut. Vielleicht können Sie ihm ja helfen?«

David setzte sich neben seinen ehemaligen Kameraden. Die anderen versammelten sich um die beiden. »Shep, wie sollte der Impfstoff Donna helfen können? «

»Donna?«

»Deine Tochter.«

Sheps Augen wurden immer größer, als er sich wieder erinnerte. »Donna. Mein kleines Mädchen heißt … Donna. Ich habe mich an Beatrice erinnert, aber ich habe es einfach nicht geschafft …«

»Wer ist Beatrice?«

»Meine Frau. Aber das weißt du doch.«

»Shep, hast du geheiratet, als du im Krankenhaus warst?«

»David, ich bitte dich. Beatrice! Die einzige Frau, die ich je geliebt habe. Die Mutter meines Kindes. Meine Seelengefährtin.«

David sah die anderen an und legte dann seine Hand auf Patricks gesunde Schulter. »Der Chirurg hat gesagt, dass die Explosion deine Erinnerungen durcheinandergebracht hat, aber niemand konnte voraussehen, wie sehr. Shep, ich weiß nicht, wer diese Beatrice ist, aber die Frau, die du immer deine Seelengefährtin genannt hast, hieß … Patty. Patricia Segal.«

Patrick erbleichte. Das Blut schwand aus seinem Gesicht.

»Du hast sie Trish genannt. Vermutlich klingt das ein wenig wie Beatrice. Shep, ihr beide habt nie geheiratet. Ihr wart verlobt. Es gab bereits Pläne für die Hochzeit, aber ihr Vater – dein Baseballcoach an der Highschool – wurde krank. Der Krebs hat ihn geholt. Kurz bevor sich die Red Sox bei dir gemeldet haben. Kurz vor dem Unfall. «

Ein eisiger Schauer fuhr über Patricks Rückgrat. »Welcher Unfall?«

Quer durch den Park starrte ihn der Sensenmann an … und wartete.

David sah zu Virgil. Virgil nickte. »Machen Sie weiter. Er muss es hören.«

»Shep, Trish und Donna waren im Flugzeug aus Boston … In dem Flugzeug, das in das World Trade Center gerast ist. Du hast deine Familie am 11. September verloren. «

Francesca umklammerte den Am ihres Mannes und krümmte sich unter der Wehe zusammen. Dawn wurde schwindelig. Manisha fing ihre Tochter auf, bevor sie in Ohnmacht fiel.

Patrick Shepherds Brust schnürte sich so eng zusammen, dass er kaum mehr atmen konnte.

Und in diesem Augenblick der Offenbarung löste sich plötzlich ein mehr als zehn Jahre altes Trauma voller aufgestauter Gefühle, und die Synapsen seiner verletzten Großhirnrinde feuerten wieder, als setzten sich die Einzelteile im Inneren einer Uhr mit einem Schlag wieder in Bewegung.

Und plötzlich konnte er sich wieder erinnern.

Er erinnert sich daran, wie er über den Trinity Place rennt, nachdem der zweite Turm getroffen worden ist.

Er erinnert sich an den dichten braunen Rauch, der zum Himmel aufsteigt. Und an Menschen, die aus dem Himmel fallen.

Er erinnert sich an den Trinity-Friedhof und an das Begräbnis seiner Seelengefährtin und seiner kleinen Tochter. Er erinnert sich, wie er einige Habseligkeiten in ihre leeren Särge gelegt hat … und alles unter der Skulptur eines engelgleichen Kindes zur Ruhe gebettet wurde … unter jenem Grabstein, auf den der düstere Schnitter vor wenigen Stunden gedeutet hatte.

Doch ein Puzzleteil fehlte noch … eine letzte Erinnerung. Die Erinnerung an den Tag, an dem ihm die Wahrheit über den 11. September klar wurde. An den Tag, an dem er das ganze Ausmaß des Verrats begriffen hatte.

An den Tag, an dem er aus seiner Kaserne in der Grünen Zone hinaus in die Sonne tritt, den Abzugsstift in der rechten Hand – und die scharfe Granate in der linken.

Auf der anderen Seite des Rasens breitete der Sensenmann seine von dunklem Stoff umhüllten Arme aus und rief ihn stumm zu sich.

Shep sprang von der Bank auf und rannte stolpernd auf den Todesengel zu, bereit, allem ein Ende zu machen.

Der düstere Schnitter lächelte und verschwand in den Schatten.

»Shep, warte!« David wollte ihm hinterherrennen, doch der alte Mann trat ihm in den Weg.

»Sind Sie Arzt?«

»Was? Ja …«

»Wir haben hier eine Schwangere, die in den Wehen liegt. Paolo, dieser Mann wird deinen Sohn zur Welt bringen. Pankaj, du musst alle in den Battery Park fahren. «

»Virgil, was ist mit dir?«

»Patrick braucht mich. Beeil dich, wir haben nicht viel Zeit.« Der alte Mann gab Pankaj einen Klaps auf die Wange, sah den verblüfften Gelut Panim mit einem schiefen Lächeln an und folgte Patricks Spuren durch den Schnee.

David, Pankaj und Paolo halfen Francesca in den Schulbus, in dem es gut zehn Grad wärmer war als draußen. Manisha stützte Dawn, doch im letzten Augenblick löste sich das Mädchen von seiner Mutter, riss dem kleinen Asiaten Patricks stählerne Armprothese aus der Hand und stürmte über den Rasen.

»Kommen Sie mit uns?«

»Gerne.« Der Tibeter drehte sich um und hielt nach dem alten Mann Ausschau.

Doch Virgil Shechinah war verschwunden.


Der Streifen am Horizont war bereits hellgrau, als Shep die Ann Street erreichte. Vor ihm lag der Broadway. Als er Richtung Norden sah, erkannte er den düsteren Schnitter, der auf einem umgekippten Fahrzeug stand. Wieder tropfte Blut von der olivgrünen Klinge seiner Sense.

»Bastard!« Patrick nahm all seine Kraft zusammen, überquerte den Broadway und ging weiter in östlicher Richtung bis zur Ecke Trinity Place und Vesey Street – und dann lag das Areal des ehemaligen World Trade Center vor ihm.


Pankaj Patel raste mit dem Schulbus auf dem Broadway in Richtung Süden, indem er der Route folgte, die die zweite Stryker Force freigeräumt hatte. Das frühe Morgenlicht hob den Schleier einer langen Nacht, sodass das Grauen der Seuche zum ersten Mal in seinem ganzen Ausmaß sichtbar war. Überall in Manhattan lagen Leichen; es sah aus, als hätte ein dreißig Stockwerke hoher Tsunami den Big Apple getroffen. Einige der Toten hingen aus geborstenen Fenstern, andere saßen noch immer in den unzähligen Autos, die überall die Straßen verstopften. Männer, Frauen und Kinder, Alte und Junge, Menschen aller Hautfarben, Einheimische und Fremde – Scythe hatte niemanden verschont.

Der Bus fuhr an der Trinity Church und der New Yorker Börse vorbei auf seinem Weg zur Südspitze Manhattans, dem Battery Park.

Francesca lehnte sich an Paolos Brust.

Die Finger der beiden schlangen sich ineinander, während David Kantor sich zwischen den gespreizten Beinen der Frau an die Arbeit machte. Im beheizten Fahrzeug hatte der Armeemediziner seinen unhandlichen Schutzanzug ausgezogen.

»Okay, Francesca. Der Muttermund hat sich vollständig geweitet.« Er wandte sich an seine Tochter Gavi, die auf der Bank hinter ihm saß und ihm half. »Besorg mir irgendetwas Sauberes. Ein Handtuch oder eine Decke wäre großartig.«

Francesca zitterte. Sie war erschöpft, und die Angst hatte ihren Nerven zugesetzt. »Sie sind doch wirklich Arzt, oder?«

»Mit allen notwendigen Zeugnissen. Allerdings habe ich meine Praxis aufgegeben, um mich anderen Geschäften zu widmen. Vielleicht hätte ich ja Kinderarzt werden sollen. Das ist heute meine zweite Geburt.«

Paolo zwang sich zu einem nervösen Lächeln. »Siehst du, mein Liebling. Gott kümmert sich um uns. Dr. Kantor, was war das erste Kind, das Sie zur Welt gebracht haben?«

David musste einen Kloß im Hals herunterschlucken. »Ein gesundes kleines hispanisches Mädchen. Okay. Leicht pressen bei der nächsten Wehe. Auf die Plätze … fertig … pressen!!«

»Ahhh!« Francesca presste, und das ungeborene Kind glitt in ihrem sich weitenden Geburtskanal noch ein Stück tiefer. Die Schmerzen waren entsetzlich. Als sie den Kopf hob, sah sie den merkwürdigen Asiaten, der sie von der anderen Seite des Ganges aus betrachtete. »Warum machen Sie kein Foto? Das hält länger.«

»Verzeihung. Ich fühle mich einfach nur geehrt, bei diesem Wunder Zeuge zu sein.«

»Wunder? Das nennen Sie ein Wunder? Ich bin in einem Schulbus und bringe vor einem Haufen Fremder in einer pestverseuchten Stadt ein Kind zur Welt.«

»Genau. In einer Stadt, in der auf Schritt und Tritt der Tod lauert, haben Sie und Ihr Mann es geschafft, alle Hindernisse zu überwinden und zu überleben. Und jetzt bringen Sie einen neuen Lichtfunken in diese Welt der Dunkelheit. Ist das etwa kein Wunder?«

David sah auf. »Der Mann hat recht. Okay, noch einmal …«

Über einen der Sitze im hinteren Teil des Busses gebeugt, sah Sheridan Ernstmeyer, wie der Arzt das Kind der Italienerin zur Welt brachte, und ihr Ärger wurde immer größer.



Areal des ehemaligen World Trade Center,
Manhattan, New York
7:42 Uhr


Das Grundstück war gesäubert, der Tatort war gereinigt worden. Jedes noch so kleine Trümmerteil war untersucht worden, wobei von Familienfotos über persönliche Gegenstände bis hin zu winzigen DNS-Spuren die verschiedensten Dinge zutage kamen, mit deren Hilfe man die Passagiere in den Flugzeugen und die Menschen in den Büros identifizieren konnte. Alles außer den praktisch unzerstörbaren Black Boxes der beiden Flugzeuge, die die Gespräche der Piloten während der letzten Minuten aufgezeichnet hatten.

Tonnen von Stahl waren verschifft und durch funkelnde neue Bauteile ersetzt worden, die sich über dem ausgebaggerten Friedhof von Ground Zero erhoben. Schafft das Alte raus, schafft das Neue rein …

Patrick schob sich durch eine Lücke im Aluminiumzaun und betrat die Baustelle. Es war das erste Mal, dass er an diesen Ort zurückkehrte, wo seine Frau und seine Tochter zusammen mit dreitausend anderen unschuldigen Menschen bei lebendigem Leib verbrannt waren.

Zitternd und von seinen Gefühlen fast überwältigt, trat er an den Rand der riesigen Grube, in der sich das Fundament dessen befand, was schon bald ein neues, gewaltiges Gebäude sein würde. Grauer Nebel wurde vom Hudson herübergeweht und versperrte teilweise die Sicht auf die Gebäude, die sich auf der anderen Seite des Bauplatzes befanden.

Er spürte eine inzwischen vertraute Präsenz und wandte sich nach links. Der Sensenmann stand neben ihm am Rand der Grube und starrte in die Tiefe.

»Warum hast du mich hierhergeführt?«

Der Todesengel hob seine Sense in die Höhe. Eine dichte Schicht wirbelnder brauner Wolken verbarg den Himmel – genau wie es am Tag des Verrats gewesen war.

Ein plötzliches, heftiges Schwindelgefühl. Patrick sank auf ein Knie, während eine Woge zischender Energie durch sein Gehirn und seine Arme und Beine fuhr. Es war, als hätte er ein Stromkabel berührt.

Desorientiert und verwirrt riss er die Augen auf und schnappte nach Luft.

Der Himmel ist ein Mahlstrom aus wirbelnden dunklen Sturmwolken. Der Regen, der auf jeden unbedeckten Zentimeter seiner Haut trommelt, ist eiskalt wie Tropfen aus einem gefrorenen See und heftig wie der Monsun. Er steht auf einer hohen hölzernen Vorrichtung, fünfzehn Meter über einem einst mächtigen Zedernwald, der nach dem Werk der Äxte nur noch aus Baumstümpfen und Setzlingen besteht. Das Tal unter ihm ist überflutet. Die Flut steigt.

Menschen nähern sich der hölzernen Vorrichtung. Es sind Tausende. Sie tragen ihre Kinder und ihre Habseligkeiten auf den Armen. Sie sind verzweifelt und wütend und verängstigt. Sie stehen bis zu den Knien im Wasser und schreien in einer nahöstlichen Sprache zu ihm hinauf.

Eine neue Entdeckung lenkt ihn ab: Er hat wieder einen linken Arm. Doch es ist nicht sein Arm. Er mustert seine linke Hand, dann seine rechte … Beide sind wettergegerbt, knotig und arthritisch, sein Fleisch ist sephardisch gebräunt. Er tastet sein hageres Gesicht ab. Es ist ledrig und von vielen Falten durchzogen. Er greift nach einer Strähne seines zottigen weißen Haares und streicht durch seinen dichten weißen Bart. Sein fast schon ausgemergelter Körper steckt in feuchten Kleidern, die einen schweren Tiergeruch ausströmen.

Was geschieht mit mir? Ist das eine neue Halluzination? Ich bin ein alter Mann …

Wieder ziehen die Rufe der Menge seine Aufmerksamkeit auf sich. Er geht an den Rand der hölzernen Vorrichtung, und plötzlich wird ihm klar, dass er auf einem gewaltigen Schiffsdeck steht.

Ein Donnerschlag erschüttert Himmel und Erde. Der Boden erzittert, und dann öffnet sich die Flanke eines Berges. Geschmolzenes Gestein spritzt aus dem Spalt, und das Magma lässt die überflutete Landschaft kochen.

Die Menge schreit auf. Viele versuchen, an Bord zu kommen, indem sie übereinanderklettern, doch der abgerundete Kiel und die steilen Wände des Schiffs machen den Aufstieg unmöglich. Die tobende Strömung des überschwemmten Tigris löst die Arche von ihren Stützpfählen. Die kochend heißen Fluten verbrühen das Fleisch jedes Mannes, jeder Frau und jedes Kindes.

Mit der Stimme eines alten Mannes stößt Shep eine Art bellendes Wehklagen aus …

… und sein Bewusstsein führte ihn wieder zurück an den Rand der Baugrube.

Er schnappte nach Luft, und sein Geist kämpfte darum, die letzte Welle der Angst hinter sich zu lassen, als eine neue Vision vor seinen Augen Gestalt annahm.

Mitten im grauen Nebel erschienen die Twin Towers. Sie brannten, doch sie standen noch. Die beiden Türme des World Trade Center hatten ihre Betonfassaden abgeschüttelt, und Stockwerk für Stockwerk konnte man die nackten Stahlträger erkennen. Stumm ragten die Türme in die Höhe. Der Blick auf alle Büros lag frei, und in den Schatten waren die Opfer des 11. September als dunkle Silhouetten zu erkennen.

Shep drehte sich um, denn das übernatürliche Wesen zu seiner Linken ließ ihn die lastende Präsenz dieser verlorenen Seelen spüren. Der Todesengel sah ihn mit dreitausend zuckenden Augen an, die in den runden Höhlen seines Schädels wie vibrierende Moleküle kreisten. Dunkles Blut floss in einem ununterbrochenen Strom aus der geschwungenen, olivgrünen Klinge seiner Sense den hölzernen Schaft hinab, sammelte sich auf der rechten Knochenhand der Kreatur und tropfte von dort in die Tiefe.

Ohne Vorwarnung sprang der düstere Schnitter mit den Füßen voran in die Grube, und eine Art Strudel riss Patrick Shepherd mit in die Tiefe … in den neunten Kreis der Hölle.



Pier A
Battery Park, Manhattan, New York
7:45 Uhr


Pankaj Patel steuerte den Schulbus über den Bürgersteig und fuhr über den schneebedeckten Rasen. Als er das Ufer schon fast erreicht hatte, bremste er ruckartig, doch das Fahrzeug schlitterte noch ein paar Meter weiter, und der Kühler durchbrach den Bauzaun, der Pier A umgab.

Die kleineren Kinder schrien. Francesca Minos drückte das Neugeborene an ihre Brust, um ihm im schwankenden Bus einen sicheren Halt zu geben. »Paolo, such Heath. Hilf ihm, das Boot startklar zu machen.«

Noch immer tief bewegt von den Gefühlen, die die Geburt seines Sohnes in ihm ausgelöst hatte, stieg Paolo aus dem Bus. Pankaj und David Kantor folgten ihm. Die drei Männer schoben sich durch den zerschmetterten Bauzaun, gingen zum südwestlichen Eingang der Pier und betraten das verfallene Gebäude.

Der Pestgestank war überwältigend.

Heath Shelby lag unter dem in seiner Aufhängung schwebenden neun Meter langen Cuddy Cruiser. Noch immer war der Tote fast vollständig mit seinem Weihnachtsmannkostüm bekleidet. Seine Gesichtshaut war bläulich-fahl, seine Lippen waren blutverschmiert. An seinem Hals konnte man eine pflaumenfarbene Beule erkennen.

Von Grauen erfüllt wandte sich Paolo ab.

David überprüfte den Sitz seiner Kapuze und seiner Schutzmaske und kniete sich dann neben den Toten unter das Boot. »Dein Schwager hat den Rumpf repariert, nicht wahr?«

»Ja. Er hat gesagt … Er hat versprochen, dass er es schaffen würde, bis wir ankommen.«

»Ich weiß nicht, ob diese Ausbesserungen halten werden. «

»Wir sollten beten, dass es dicht hält.« Pankaj inspizierte die Winde. »Paolo, wie bringen wir das Boot ins Wasser?«

»Wenn du die Winde anwirfst, öffnet sich die Luke unter dem Boot.«

Pankaj startete den Generator und schaltete die Winde ein. Unter dem Boot schwang eine stählerne Doppelklappe auf; zweieinhalb Meter unter der Pier schimmerte das Wasser. Die Männer sahen zu, wie der Cuddy Cruiser langsam ins Hafenbecken hinabschwebte, wo er zwischen den Wellen auf und ab tanzte. Lächelnd und zugleich erschöpft sahen die drei Überlebenden einander an, nachdem sie dem Tod noch einmal entronnen waren.

Dann kippte das Boot nach steuerbord. Der Bug hob sich, als Wasser ins Heck zu laufen begann – und die Rettungsmöglichkeit der kleinen Gruppe versank im Hafen von New York.



Areal des ehemaligen World Trade Center,
Manhattan, New York


Er fiel in die Dunkelheit, und ein Gewirr verschiedener Stimmen – ferne Erinnerungen – hallte in seinen Ohren wider. Der Ball ist gut … Schnapp ihn dir, German Shepherd … Das ist nicht unser Kampf, Sergeant … Dann bleibst du eben den ganzen Tag hier unten … Ein richtig gutes Spiel heute, mein Sohn … Verdammte Sprengfallen … Der Arm ist weg, ziemlich üble Schädelfraktur … Du hast dich schon vor drei Wochen verabschiedet … Die Ausrüstung ist sehr umfangreich, aber du wirst noch froh darüber sein … Ich liebe dich, Shep … Der Blutdruck fällt! Ich brauche noch einen halben Liter Blut … Ich dachte, ich sei deine Seelengefährtin … Für die Red Sox wirft jetzt … Warum bin ich hier?

»Das Leben ist eine Prüfung, Patrick …«

Ein Lichtfleck raste von unten auf ihn zu. Er wurde immer größer, immer gewaltiger – und plötzlich bewegte sich Shep durch das Licht hindurch und versank in klarem, blauem Wasser. Er geriet in Panik, verlor die Orientierung, konnte nicht mehr atmen. Er wand sich hin und her, trat wild um sich und hob sich mit energischen Schwimmzügen an die kristallblaue Wasseroberfläche. Seine nackten Arme waren von der Sonne gebräunt, muskulös und gesund.

Er schwamm zur Leiter und stieg, nur mit einer Badehose bekleidet, aus dem Swimmingpool. Noch immer desorientiert, setzte er sich auf den Schieferboden eines Patio.

Der Patio gehörte zu einem direkt am Ozean gelegenen Strandhaus. Die Sonne wärmte sein Gesicht. Wasser rann von seinem Körper. Einhundert Meter entfernt im Osten schlugen unter einem wolkenlosen blauen Augusthimmel die Wellen des Atlantiks sanft an den Strand.

Das ist nicht real. Das ist nur der Impfstoff …

»Hey, Baby. Wie war das Schwimmen?«

Er drehte sich um, als sie zu ihm hinaus in den Patio kam. Sie trug einen winzigen roten Bikini. Ihr wohlgeformter, von der Sonne gebräunter Körper und ihr gewelltes blondes Haar waren so unwiderstehlich und so atemberaubend wie an jenem Tag, als er sie zum letzten Mal gesehen hatte.

»Trish? Oh Gott, bist du es wirklich?«

»Es ist alles okay, Baby. Es wird alles in Ordnung kommen. « Sie reichte ihm einen Kapuzen-Bademantel.

Er zog ihn an, und ihm war ein wenig schwindelig. »Du bist nicht real. Nichts von alledem ist real. Das spielt sich alles nur in meinem Kopf ab. Ich habe wieder Halluzinationen.«

»Diesmal nicht, Baby. Das hier ist das Leben, das der Schöpfer uns gestohlen hat … nur um dir eine Lektion zu erteilen.«

»Eine Lektion? Was für eine Lektion?«

»Demut. Durch den Schmerz, einen geliebten Menschen zu verlieren.«

»Aber der Krieg … All das kam doch erst, nachdem ihr beide schon gestorben wart, du und unsere Tochter. Das ergibt überhaupt keinen Sinn.«

»Anscheinend waren das die Folgen von Sünden in einem früheren Leben.«

»Aber das ist doch Wahnsinn! Warum werde ich für etwas bestraft, an das ich mich nicht einmal mehr erinnern kann? Warum bin ich verantwortlich für die Fehler eines anderen? Und warum bin ich hier … gerade jetzt? Muss Gott mir das alles auch noch ins Gesicht reiben?«

»Das ist nicht das Werk Gottes, Shep. Wir sind in der elften Dimension, einem weitaus lebenswerteren Reich, das nach ganz anderen Regeln funktioniert. Der Widersacher kontrolliert all das gefilterte Licht hier.«

»Der Widersacher? Du meinst, Satan.«

»Entspann dich, Baby. Es gibt keinen Teufel, keine dämonische Macht. Es ist vielmehr so, dass man hier nicht von uns verlangt, kuschend durch einen Reifen zu springen oder endlose Qualen zu erdulden. Wir brauchen nur zu wollen – das ist schon alles. Schau nicht so besorgt. Jeder von uns wurde mit dem Verlangen geboren zu empfangen; das ist der einzige Grund, warum wir überhaupt geschaffen wurden. Luzifer ist nicht der Teufel, Shep. Er ist ein Engel, der den Himmel verlassen hat, um den Menschen dabei zu helfen, glücklich zu sein. Das Bedürfnis, unserem Verlangen nachzugeben, bringt das Licht des Schöpfers in die elfte Dimension und schenkt uns eine Existenz unendlicher Erfüllung – und zwar ohne überflüssige Schmerzen und überflüssiges Leid.«

Ein Lichtblitz – und er stand auf der Mound im Fenway Park und sah sich im siebten Spiel der World Series den Philadelphia Phillies gegenüber. Die Menge in dem bis auf den letzten Platz ausverkauften Stadion tobte und schrie seinen Namen. Es stand 1 : o für die Red Sox im neunten Inning, der Spieler am Schlagmal hatte noch einen Versuch.

Er warf einen Blick auf die Anzeigetafel und sah, dass er ein perfektes Spiel gemacht hatte.

Er holte aus und warf einen 169 Stundenkilometer schnellen Fastball, den der Batter um einen ganzen Meter verpasste.

Seine Mitspieler stürmten von allen Seiten auf ihn zu, ihre wilde Freude berauschte seine Seele. Fans strömten von den Besucherrängen, halb nackte Frauen zerrten an seinem Trikot …

»Es reicht!«

Sie waren wieder am Pool. Shep lag ausgestreckt in seinem Liegestuhl, Trish beugte sich über ihn. Der von Sonnenöl feuchte Spalt zwischen ihren Brüsten war verführerisch nahe.

»Baby, was ist los? Hast du das nicht immer gewollt?«

»Nein … Ich meine, ja. Aber ich wollte nicht, dass man es mir einfach so gibt. Ich wollte es mir verdienen. «

»Shep, Liebling, du hast es dir verdient. Du hast alles verdient. Nur Er hat es dir genommen. Er hat dir mich genommen. Er hat dir unsere Tochter genommen. Das war nicht richtig. Das war nicht fair. Und weißt du, warum Er es dir genommen hat?«

Shep spürte, wie ihm das Blut aus dem Gesicht strömte. »Weil ich es als selbstverständlich betrachtet habe. Weil ich es nicht zu schätzen wusste.«

»Unsinn. Natürlich hast du es zu schätzen gewusst. Sicher, es gab Momente, da war deine Aufmerksamkeit anderswo – aber bei wem wäre das denn nicht so? Sogar als wir uns wegen dieses Hauses gestritten haben, wusste ich, dass du mich noch liebst. Wir sind schließlich Seelengefährten. «

»Wir sind Seelengefährten. Ich schwöre es.«

»Die Wahrheit ist, dass ich es war, die mehr Glück hatte. Sieh dir nur an, wie du gelitten hast, nachdem wir gestorben waren. All der Schmerz, all die Leere. Hast du auch nur einen einzigen Augenblick der Freude erlebt, seit wir dir genommen wurden?«

Er kniff die Augen zusammen, um die Tränen abzuschütteln. »Nein.«

»Krieg … Hungersnöte. Endloses Leid. Sollte sich so ein liebevoller Vater oder eine liebevolle Mutter gegenüber ihren Kindern verhalten?«

»Nein. So ganz bestimmt nicht.«

»Es geht im Leben nicht darum zu leiden. Es geht darum, seinem Verlangen nachzugeben. Frag die Reichen und Mächtigen, ob sie leiden. Dieses Strandhaus ist das perfekte Beispiel. Hätte ich auf dich gehört und dir erlaubt, es zu kaufen, wären deine Tochter und ich nie in diesem Flugzeug gewesen. Du hattest recht, und ich hatte unrecht, aber du warst es, der den höchsten Preis für unsere Ignoranz bezahlen musste.«

»Oh Gott …«

»Vergiss Gott. Gott ist nichts als ein geistiges Konzept … eine fiktive Gestalt, die irgendwo auf einem Thron sitzt und ständig über ihren eigentlichen Aufgaben einschläft. Wir haben Gott nie gebraucht. Während Seiner Abwesenheit ist der Widersacher stark geworden. Der Widersacher bietet uns das Geschenk der Unsterblichkeit ohne irgendwelche versteckten Prüfungen an.«

»Was muss ich tun, damit … du weißt schon … damit wir wieder zusammen sind?«

»Zunächst einmal, hör auf, dir ständig Sorgen zu machen. Gewalt spielt dabei keine Rolle. Du musst niemanden umbringen. Du musst einfach nur mit mir anstoßen. « Sie griff nach einer Weinkaraffe und goss etwas von der roten Flüssigkeit in einen goldenen Kelch.

»Mit dir anstoßen? Auf wen? Auf Luzifer?«

»Baby, du musst aufhören, dir so viele Horrorfilme anzusehen.« Sie setzte sich rittlings auf ihn. Noch immer hatte sie den Weinkelch in der rechten Hand. »Erinnerst du dich an den Lateinkurs, den wir im zweiten Studienjahr zusammen belegt haben? Weißt du noch, was das lateinische Wort Luzifer bedeutet? Licht-Bringer. Luzifer war kein gefallener Engel, Shep. Er wurde ausgesandt, um das Licht in unsere Welt zu bringen – und zwar durch das, was wir selbst tun, durch unsere eigenen Handlungen. Ich meine, im Ernst: Sieht das hier für dich etwa wie die Hölle aus?«

»Nein.«

»Dann trink mit mir. Wir wollen uns an dem Saft der Weinrebe berauschen und eine Verbindung mit dem Licht herstellen.«

Eine Verbindung mit dem Licht …

Sheps Herz raste, als er sich an eine ähnliche Unterhaltung erinnerte, die er einige Stunden zuvor mit Virgil auf dem Friedhof gehabt hatte. »Noah beging einen letzten Fehler. Es war derselbe Fehler, den auch Adam begangen hatte. Die Frucht, die Adam in Versuchung führte, war kein Apfel, sondern eine Traube, oder vielmehr der Wein, der aus den Trauben stammt. Wein kann missbraucht werden und den Menschen mit Bewusstseinsebenen in Berührung bringen, auf denen sich eine Verbindung mit dem Licht nicht aufrechterhalten lässt …«

Er schob den Kelch beiseite. »Und wenn ich hier betrunken liege, dann kastrierst du mich?«

Sie zwang sich zu einem Lächeln. »Shep, Liebling, wovon sprichst du denn da?«

»Das weißt du genau. Ich rede davon, wie mein Sohn Ham mich kastriert hat, als ich betrunken und nackt in der Arche lag.«

Ihr Blick wurde hart. Es war, als schleuderten ihre Augen Dolche auf Shep. »Trink den Wein, Patrick.«

»Du wirst ihn trinken, Seelengefährtin.« Er schleuderte sie von seinem Schoß herab und stand auf. Der Wein strömte aus dem Kelch über ihr Gesicht und ihren Hals und zwischen ihren Brüsten hindurch und – ließ das Fleisch schmelzen und legte den vom Alter dunklen Schädel frei, in dessen runden Höhlen Tausende Augen zuckten.

Die Umgebung zerbarst wie ein Spiegelkabinett und enthüllte eine gewaltige dunkle Grube, über der die skelettartigen Trümmer des World Trade Center in den Himmel ragten. Shep stand auf einem gefrorenen See, aus dem Tausende hin und her schwankende Köpfe ragten, während die dazugehörigen Körper im Eis darunter feststeckten. Verräterische Betrüger der Menschheit, die in Zungen redeten. Jedes verzerrte Wort schuf einen winzigen Lichtfunken, der wie ein Glühwürmchen durch die erstickende Luft flog und von der gewaltigen, erstarrten Kreatur aufgesaugt wurde, die sich in der Mitte des Sees befand.

Luzifer steckte bis zur Brust im Eis fest, und doch ragten seine Schulter und seine drei Köpfe zehn Stockwerke hoch über die gefrorene Oberfläche des Sees auf. Der geflügelte Dämon war ein entsetzlicher Anblick, doch das Wesen selbst schien seine Umgebung überhaupt nicht wahrzunehmen, als wäre es nur eine Art gewaltige Hülle – eine riesige aufgeblähte Marionette. Belebt von den Funken der Negativität, die von den wirr redenden Köpfen der Gefolterten aufstiegen.

Über Luzifers linkem Flügel schwebte der Sensenmann.

Zur Rechten des Dämons befand sich die Seelengefährtin des düsteren Schnitters.

Santa Muerte trug eine purpurne Seidenrobe. Ihr von einer Kapuze halb verhüllter Schädel war mit einer dichten, elfenbeinfarbenen Perücke bedeckt. Die Kreatur des Abscheus stieß ein wütendes Knurren aus, als sie Shep sah. Sie packte ihre Sense mit den Knochenhänden und kam auf Shep zu, wobei sie ihre tödliche Klinge wie ein Pendel schwang.

Shep versuchte zu rennen, doch er rutschte auf dem Eis aus und fiel hin. Er sah auf, als die geschwungene Klinge bogenförmig nach unten fuhr, durch seinen Deltamuskel drang und seinen neuen linken Arm in einer einzigen brutalen Bewegung abtrennte.

Er drückte sich auf dem gefrorenen See hoch auf die Knie. Nicht mehr lange, dann würde er wegen der rasenden Schmerzen ohnmächtig werden. Doch Santa Muerte war noch längst nicht fertig mit ihm.

Noch einmal hob sie die Sense weit über ihre Knochenschulter. Dann schwang sie das Instrument des Todes nach unten. Die blutbeschmierte Klinge zischte durch die Nacht – doch der tödliche Hieb wurde durch die Sense ihres männlichen Gegenstücks abgeblockt. Der düstere Schnitter stand über Shep und bewahrte ihn vor ihrem Angriff.

Und dann senkte sich ein goldenes Leuchtfeuer aus dem unsichtbaren Himmel herab …

… und riss sein Bewusstsein aus der Hölle heraus.