Das Haus der Philosophie steht in unserer Kulturgeschichte wie eine imposante Kathedrale, die von den vorbeigehenden Menschen zwar registriert, aber wenig betrachtet und noch weniger besucht wird. Es herrscht eine gewisse Scheu, den Bau zu betreten, nicht nur, weil er so furchterregend groß und nicht immer einfach zu begehen ist, sondern weil die Hüter dieses Baus, die philosophischen Fachgelehrten, immer wieder behaupten, nur sie besäßen den Schlüssel zum Portal und seien in der Lage, den richtigen Weg durch das Innere zu finden.
Dies ist allerdings eine Aussage, der man nicht auf den Leim gehen sollte. Die Baumeister des Hauses, die großen Philosophen, haben keinen Schlüssel hinterlassen und das Tor so konstruiert, dass es jederzeit von allen geöffnet werden kann. Und entgegen anderslautenden Ansichten gibt es auch keinen vorgeschriebenen Weg, den der philosophisch Interessierte nach seinem Eintritt einschlagen müsste. Jedes große Werk der Philosophie führt uns ins Innere der Philosophie und verschafft uns den Zugang zu den wichtigsten philosophischen Fragen und Problemen. Werke, die uns zeitlich näher stehen, haben übrigens keinen Anspruch darauf, näher am Zentrum der Philosophie zu sein als z. B. die klassischen Werke des alten Griechenland, mit denen die westliche Philosophietradition beginnt.
Wenn sich also das Philosophenportal wieder öffnet, so können alle ohne Bedenken eintreten: diejenigen, die bereits einen Rundgang hinter sich haben und den Bau auf einem anderen Weg noch näher kennen lernen wollen, wie auch diejenigen, die zum ersten Mal den Schritt über die Schwelle wagen. Schon ein erster Blick ins Innere des Gebäudes kann einen davon überzeugen, wie überflüssig manch gelehrter Kommentar ist und wie weit einen die eigenen Eindrücke und die eigene Vernunft tragen.
Das Haus der Philosophie wird zuweilen umgebaut, und immer wieder entstehen auch neue Anbauten. Doch die hier vorgestellten Werke machen das Fundament und die tragenden Teile des Baues aus. Ohne sie würde die gesamte in Jahrhunderten entstandene Konstruktion zusammenbrechen. Der Leser ist deshalb nie in Gefahr, sich mit modischem Dekor und pseudogelehrter Effekthascherei befassen zu müssen.
Die achtzehn Essays dieses neuen Bandes können wie ein Flyer benutzt werden, der einen mit ausgewählten Tipps und Informationen auf dem Rundgang begleitet. Sie ergänzen die Essays des ersten Bandes, Das Philosophenportal, bauen aber nicht auf diesem auf. Jeder der nun insgesamt 34 Essays der beiden Bände kann völlig unabhängig von den anderen gelesen werden. Der Leser kann den Band in die Jackentasche stecken, bei Bedarf konsultieren oder sich auch gleich einen Überblick über ganze Teile des Gebäudes verschaffen.
Der Verfasser dankt Yvonne Petter-Zimmer, die alle Kapitel auf Klarheit und Verständlichkeit hin geprüft, und Martin Morgenstern, der auf sachliche Fehler hingewiesen hat.