SEROTONIN, DIE GLÜCKS- UND WOHLFÜHLQUELLE

Noch wichtiger als genügend Wachstumshormon ist ausreichend Wohlfühlhormon Serotonin im Gehirn. Es ist ein wahrer Zauberstoff, und Millionen Menschen sind – zumeist unbewusst – auf der Suche danach.

Inzwischen nehmen circa 60 Millionen US-Amerikaner Prozac oder analoge Medikamente aus der Klasse der Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer ein. Diese letzte Generation der Antidepressiva bringt als wesentliche Nebenwirkung eine spürbare Stimmungsaufhellung mit sich. Dazu kommt es, weil einmal in den sogenannten Synapsenspalt ausgeschüttetes Serotonin nicht mehr aufgenommen werden kann. Diesen Schritt hemmen die entsprechenden Medikamente, die bei uns unter Namen wie Cipralex oder Fluctine ebenfalls von Millionen geschluckt, weil von Medizinern so bereitwillig verschrieben werden.

Dazu muss man nicht besonders depressiv sein. Oder anders ausgedrückt, so depressiv, dass Mediziner das entsprechende Rezept ausfüllen, sind heute Millionen. Weltweit lag der Umsatz mit diesen Antidepressiva 1986 bei 240 Millionen, 2004 aber bereits bei über 11 Milliarden Dollar. Diese (Un-)Sitte grassiert nun schon seit Jahrzehnten, und es gibt offenbar wenig Beunruhigung bezüglich Nebenwirkungen, wobei ich einen solchen pharmazeutischen Eingriff in die Gehirnchemie trotzdem nicht empfehlen würde.

Keine Lösung: Ecstasy und Ritalin

Eine andere, ebenso große und in die Millionen gehende Gruppe sind die Techno-Kids und Raver, die weltweit auf ihren Partys MDMA, ein Amphetamin, bekannter unter dem Namen Ecstasy, schlucken. Dieses hat die Wirkung, alles im Gehirn verfügbare Serotonin gleichsam auf einmal auszuschütten und dabei ekstatische Glücksempfindungen zu vermitteln. Dass diese Droge das Herz öffnet, erklärt die Love-Parades der Welt. In den großen weiten Pupillen der solcherart Begeisterten spiegelt sich die Weite der geöffneten Herzen. Wer unter den Jungen Ekstase und überwältigende Glücksgefühle weder aus Meditation noch von (tantrischen) Liebesfesten kennt, verzichtet offenbar auch unter Androhung drakonischer Strafen nicht auf solche Erlebnisse.

Die Lösung kann natürlich auch solch eine Droge nicht bringen, im Gegenteil, sie kann manchmal sogar richtig gefährlich werden. Aber trotzdem wird sie sich nicht gänzlich unterdrücken lassen. Nach anfänglichem erfolgreichen Einsatz in der Psychotherapie wird sie nun – ohne Erfolg – auf der Ebene von Heroin kriminalisiert. Ihre wirkliche Gefährlichkeit dürfte auf der Ebene von Ritalin liegen, jenem Amphetamin, das hyperaktiven Kindern dreimal täglich über viele Jahre verabreicht wird.

Inzwischen wird auf Schulhöfen Ritalin von kleinen Jungen an größere getauscht und hat offensichtlich schon weitgehend die Rolle von Ecstasy bei entsprechenden Partys übernommen. Kleine hyperaktive Jungen, bei denen es vor der Pubertät beruhigend wirkt, sparen ihr Ritalin ein und verhökern es an Kollegen jenseits der Pubertät, denen es Ecstasy-ähnliche Wirkungen bringt.

In Schweden ist Ritalin verboten. Das ist immerhin konsequent. Im deutschsprachigen Raum wird es dagegen ziemlich freigebig verschrieben. Entweder ist das ein Verbrechen an kleinen Kindern oder die Kriminalisierung der Großen ist eine Überreaktion. Ganz sicher jedoch liegt hier keine Lösung für bewusste Menschen auf dem Entwicklungsweg.

Das Verlangen nach Süßigkeiten

Die gebräuchlichste, wenn auch schwächste Serotonin-Quelle sind Süßigkeiten. Sie sind aber erst recht problematisch. Wer mehr als zwei Stück Schokolade nimmt, hat offensichtlich neben der Geschmacksempfindung noch andere Ambitionen. In Schweden wurde nachgewiesen, wie mit kürzer werdenden Tagen und abnehmendem Licht der Schokoladen- und Süßigkeitenkonsum steigt. Das ist leicht erklärbar, denn sobald es dunkler wird, braucht unser Organismus mehr Melatonin, das Hormon der Nacht und Dunkelheit. Der Körper kann es nur aus Serotonin herstellen, das er wiederum aus der Aminosäure L-Tryptophan gewinnt. Sobald es also im Herbst spürbar dunkler wird, hat der Organismus, der jetzt mehr Melatonin (ver)braucht, dadurch weniger Wohlfühlhormon Serotonin zur Verfügung und lässt die Stimmung sinken. Statt in Depressionen flüchten sich viele in Orgien mit Schokoladen und anderen Süßigkeiten, wie die Verbrauchsstatistiken belegen.

So lässt sich auch die Herbst-Winter-Depression erklären. Natürlich hat diese auch mit dem Jahresende, den Themen Abschiednehmen und Loslassen, dem Sterben in der Natur zu tun, aber die Körper­ebene ist wie immer die zweite Seite der Medaille.

Der skizzierte Stoffwechselweg von L-Tryptophan über Serotonin zu Melatonin erklärt auch, warum wir nach längerem Mittagsschlaf als einer halben Stunde oft mit solch einer »Mattscheibe« erwachen. Nach einer halben Stunde Schlaf beginnt der Organismus bereits mit der Serotonin-Umwandlung in Melatonin. Beim Aufwachen spüren wir dann schon den Mangel daran. Deshalb raten viele Schlafspezi­alisten, den Mittagsschlaf zeitlich auf eine halbe Stunde zu begrenzen. Die andere Möglichkeit wäre, für genug Serotonin zu sorgen und sich einen längeren und noch heilsameren Mittagsschlaf zu gönnen.134

Die Wirkung von Süßigkeiten, die als raffinierte Kohlenhydrate zu den vorrangigen Krank- und Dickmachern gehören, ist verheerend. Zu empfehlen sind sie alles in allem genauso wenig wie einer der zuvor beschriebenen Wege, wenngleich ihre Anhängerschar zig Millionen umfasst, was wiederum zeigt, wie wichtig vielen Menschen dieses Bedürfnis und wie aktuell das Thema ist. Letztlich ist der Wunsch nach Wohlbefinden und Glück wahrscheinlich der mächtigste und menschlichste überhaupt, und Serotonin spielt dabei eine große Rolle.

Serotonin und Gesundheit

In Anbetracht seiner Bedeutung für Wohlbefinden und Glück und der großen Sucht danach, wollen wir Serotonin und seiner schon recht weit gediehenen wissenschaftlichen Erforschung breiteren Raum widmen.

Eine seiner zentralen Aufgaben ist es offenbar, für gute Stimmung zu sorgen. Das schafft es, indem es die entsprechenden Zentren im Gehirn aktiviert. Das Ergebnis ist ein entspanntes Gefühl von Zufriedenheit. Bei Stress und Sorgen sinkt auch die Stimmung rasch und mit ihr der Serotonin-Spiegel. Wer sich viel ärgert, verbraucht viel Serotonin und erntet schlechte Laune. Je mehr Stress ein Mensch in seinem Leben hat, desto mehr Serotonin verbraucht er und desto weniger bleibt zum Anheben der Stimmung.

Bei extremen Situationen wie Depressionen und Zwangsstörungen ist der Serotonin-Spiegel tatsächlich um bis zu 50 Prozent niedriger als normal. Beide Störungen sind deshalb auch gut mit Medikamenten zu behandeln, die den Serotonin-Spiegel heben, wie die genannten Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer. Altes, an sich verbrauchtes Serotonin bleibt dadurch lange aktiv. Medikamente, die zusätzlich Serotonin ins Gehirn schleusen, gibt es bisher nicht, wenn wir von dem noch zu besprechenden Trick mit der Rohkost »Take me« absehen.

Natürlich wäre es besser, es gar nicht erst zum Absinken des Serotonin-Spiegels kommen zu lassen. Es ist ein Funktionsprinzip des Körpers, seine komplexen Wirksubstanzen nach Gebrauch aus dem Verkehr zu ziehen und neue zu bilden. Ganz offensichtlich sollen so Fehlfunktionen verhindert werden. Pharmazeutische Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer zwingen die Serotoninmoleküle zu immer neuen Arbeitseinsätzen, was auf Dauer Nebenwirkungen wie Blutbildveränderungen hat.

Die beste Lösung wäre Nachschub an unverbrauchtem Serotonin. Die essenzielle Aminosäure L-Tryptophan, aus der es sich aufbaut, ist in vielen Lebensmitteln enthalten. Ihr Weg ins Gehirn ist aber recht kompliziert aufgrund der sogenannten Blut-Hirn-Schranke, die die Aufgabe hat, mit dem Gehirn unsere Zentrale vor ungeeigneten Substanzen zu schützen, selbst wenn diese schon ins Blut gelangt sind. Alle anderen Aminosäuren werden hier gegenüber L-Tryptophan bevorzugt, weshalb sie abgelenkt oder aus dem Verkehr gezogen werden müssten.

Die Wissenschaft weiß seit Jahren, dass eine an Tryptophan reiche Nahrung in Kombination mit Zuckern, die das Insulin locken, den Serotonin-Spiegel im Gehirn erhöht. Das Insulin spielt dabei insofern eine Rolle, als es die Zellen für alle möglichen Aminosäuren außer L-Tryptophan öffnet und sie so aus der Konkurrenz an der Blut-Hirn-Schranke nimmt. So ermöglicht es dem L-Tryptophan, ins Gehirn vorzudringen. Einen ähnlichen Effekt hat Bewegung, die Muskelzellen für alle Aminosäuren außer L-Tryptophan öffnet. Dieses kann aufgrund seiner räumlichen Struktur und Bindung im Blut an Albumin nicht in die Zellkraftwerke der Mitochondrien der Muskeln aufgenommen werden.

Neben seiner Rolle als Stimmungsaufheller und zugleich -barometer hat Serotonin weitere Auswirkungen auf die Psyche und ist außer bei der Depressionsverhinderung auch bei einer Reihe von anderen seelischen Störungen hilfreich. Bei Patienten mit Zwangsstörungen wie Wasch- und Kontrollzwängen fanden Wissenschaftler wie gesagt um bis zu 50 Prozent unter der Norm liegende Serotonin-Spiegel. Weitere Forschung ergab, wie Hemmungslosigkeit und der Hang zu verrückten und hochgradig irrationalen Handlungen ebenfalls mit deutlichem Serotoninmangel einhergehen. Auch außerordentlich eifersüchtige und von Verlustängsten geplagte Menschen haben deutlich reduzierte Serotonin-Spiegel. Versuche ergaben laut Marco Rauland135, dass Eifersucht durch Medikamente, die den Serotonin-Spiegel erhöhen – wie etwa die Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer –, erfolgreich gebessert werden konnte.

Verliebtheit und Liebe aus Serotonin-Perspektive

Interessanterweise findet sich auch bei Verliebten ein deutlicher Serotoninmangel. Und tatsächlich hat die Verliebtheit mit dem Schmetterlingsgefühl im Bauch – vom Serotoninmangel im Verdauungstrakt – und der Bewusstseinseinschränkung auf den einen besonderen Menschen durchaus Ähnlichkeiten mit einer, wenn auch sehr angenehmen Zwangsstörung. Die Wahrnehmung ist völlig von diesem einen Menschen in Beschlag genommen und insofern eingeschränkt, die Schattenseiten der geliebten Person werden konsequent ausgeblendet, und man fixiert sich in extremer Weise auf diese Person in ihrer lichtesten Erscheinung, während große Teile des übrigen Lebens ignoriert werden. Nach spätestens einem Jahr lässt die Verliebtheit – biochemisch jedenfalls – nach und das Leben normalisiert sich parallel zum Serotonin-Spiegel.

Die Bestimmung des Serotonins bietet also die Möglichkeit, Verliebtheit von Liebe zu unterscheiden. Der Zustand der Verliebtheit gleicht biochemisch einer Stresssituation: Serotonin ist reduziert bei zugleich erhöhten Stresshormonen wie Cortisol und Adrenalin. Auf der anderen Seite sind unter einem besonders hohen Serotonin-Spiegel tiefe, ruhige Liebesgefühle vorherrschend.

Mit Liebesekstase kann der Organismus offenbar auch ohne Drogeneinfluss große Mengen Serotonin mobilisieren. Wir sollten ihm nur gefüllte Speicher dieses wundervollen Stoffes zur Verfügung stellen und öfter Gelegenheit zur Ekstase bieten. Serotonin macht weit und offen, friedlich und von tiefer Ruhe erfüllt, Serotoninmangel hingegen offenbar eng und fixiert. Letzeres fühlt sich verrückt an.

Beim Phänomen der Verliebtheit, die mit dem Absinken des Serotonin-Spiegels in Verbindung steht, gibt es wahrscheinlich eine Interaktion mit dem »Hormon der Begeisterung«, Phenylethylamin. Dieses übernimmt mit dem Zurückweichen des besonnen und offen zugleich machenden Serotonins, das im Überfluss ruhige Ekstase fördert, die tragende Rolle im psychischen Geschehen und vermittelt das Gefühl des Außersich-Seins vor Begeisterung und der Ekstase, wie sie frisch Verliebte kennen.

Wirkungsdauer und Tagesrhythmus

Serotonin hat eine Halbwertszeit von 21 Stunden, das heißt danach ist die Hälfte wieder aus dem Blut verschwunden. War es in dieser Zeit in der Erfüllung seiner vielen Aufgaben stark beansprucht, etwa beim Stressabbau, ergibt sich in den frühen Morgenstunden ein Serotonin-Tief, das bei zu Depressionen neigenden Menschen als Morgentief bekannt ist. Solch ein relatives Tief haben aber auch all jene, die schwer aus den Federn kommen und denen morgens meist die Lust auf den neuen Tag fehlt. Beides ist, wie sich zeigen wird, vermeidbar.

Abends, wenn es dunkel wird, werden wir müde, wenn der Organismus beginnt, vorhandenes Serotonin in das Schlafhormon Melatonin umzuwandeln. Unser Gehirn hat in Gestalt der Epiphyse oder Zirbeldrüse eine Art Lichtschalter, der den Tag-Nacht-Rhythmus steuert. Am helllichten Tag schaltet die Epiphyse den Serotoninschalter ein und den für Melatonin aus, bei Dunkelheit umgekehrt. In den frühen Morgenstunden ist der Serotonin-Spiegel jedenfalls auf dem Tiefpunkt, weil ein guter Teil vom aufgenommenen Serotonin aufgrund der Halbwertszeit verbraucht ist; andererseits ist es während der Nacht auch in Melatonin umgewandelt und als solches aufgebraucht worden. Nun vergeht Zeit, bis unter dem Einfluss von (Sonnen-)Licht wieder neues Serotonin nachproduziert werden kann, sofern die dafür notwendigen Rohstoffe zur Verfügung stehen.

Diesem morgendlichen Elend lässt sich ein wenig mittels Gute-Nacht- oder Schlaftrunk entgegenwirken.

Insofern ist es verständlich, wenn holländische Forscher kürzlich belegten, ein tryptophanreicher Schlaftrunk wie Honig-Milch schaffe hier eine gewisse, wenn auch beschränkte Abhilfe und fördere obendrein noch das Einschlafen. Biochemisch ist das logisch, denn ein Serotoninanstieg erlaubt die Produktion von mehr Melatonin, ermöglicht also besseres Einschlafen, und dann ist morgens noch mehr Serotonin übrig, was die Stimmung hebt. Übriges Melatonin wird morgens wieder in Serotonin zurückverwandelt, denn wenn es nach dem nächtlichen Einsatz zerlegt wird, taucht sein Hauptbaustein Serotonin wieder auf. Omas guter alter Gute-Nacht-Trunk erscheint plötzlich in einem ganz anderen, weil wissenschaftlichen Licht, auch wenn Milch dadurch für Erwachsene weiterhin problematisch bleibt.

Die holländischen Forscher zeigten, wie solch tryptophanreiche Schlafgetränke nicht nur das Erwachen erleichtern und die Stimmung dabei bessern, sondern obendrein, wie so versorgte Menschen bei frühmorgendlichen Reaktionstests deutlich besser abschnitten. Andere Forschungen belegten, wie auch ein besonders tryptophanreiches Frühstück unsere Stimmung deutlich heben kann. Wissenschaftlich gesehen verkürzt jedes Frühstück die Reaktionszeit und verbessert die geistige Aufnahmefähigkeit. Je höher sein L-Tryptophan-Anteil ist, desto ausgeprägter ist der Effekt. Insofern ist meiner Ansicht nach eine vegane Alternative zum Gute-Nacht-Trunk mit Milch ein Rohkost-Getränk mit der Mischung »Take me«. Mehr dazu lesen Sie im Anhang (>).

Nach meinen Erfahrungen ist das allerdings alles sehr relativ, da wir nüchtern auch viele Vorteile haben, wie ich sie vom Fasten kenne. Meine Lösung ist hier sehr einfach: Ich nehme bald nach dem Erwachen das genannte Getränk zu mir, indem ich einen gehäuften Löffel »Take me« – also tryptophanreicher Rohkost – in Saft verrühre. Das schenkt mir all die Vorteile eines frühmorgendlichen Serotonin- und damit Stimmungsanstiegs, ohne meinen Verdauungstrakt zu fordern. So lässt sich der Vorteil einer langen Phase zur Produktion von Wachstumshormon, wie zuvor beschrieben, mit ausreichend Serotonin für den Tag verbinden. Das fällt mir persönlich besonders leicht, da ein hoher Serotonin-Spiegel auch den Hunger reduziert und ich anschließend bis in die Mittagszeit nichts oder nur wenig Obst zu essen brauche.

Weitere Aufgaben von Serotonin

Im Gehirn hat Serotonin darüber hinaus eine Fülle von Kontrollaufgaben. Es ist neben anderen Neurohormonen für die Grundfunktionen des Gehirns wie Denken, Fühlen und Handeln ein – auch die ganze Nacht hindurch – unerlässlicher Botenstoff. Obendrein koordiniert es offenbar die Zusammenarbeit der Hormone untereinander.

Eine weitere, allerdings weniger populäre Aufgabe von Serotonin ist es, die Verdauung in Gang zu bringen. Etwa 10 mg Serotonin sollten ständig im Körper kreisen, aber nur 1 Prozent davon im Gehirn. Dieser kleine Teil ist allein für die Stimmung zuständig, der Rest ist vor allem im Darm anzutreffen. Im Verdauungstrakt regelt Serotonin die Peristaltik, das heißt es steuert die sanften Wellen, die über das Darmrohr laufen und dafür sorgen, den Nahrungsbrei langsam durch die meterlange Darmpassage zu befördern. Starker Stress kann diese Passage erheblich beschleunigen und die gesamte Verdauung aktivieren mit dem durchaus sinnvollen Ziel, die Verdauungsarbeit so rasch wie möglich abzuschließen. Wer allen schwerwiegenden Ballast losgeworden ist, tut sich bei anstehenden Auseinandersetzungen, bei Flucht oder Kampf deutlich leichter. Das erklärt zum Beispiel den Durchfall vor Prüfungen. In solchen Situationen wird also noch mehr oder sogar alles Serotonin im Verdauungstrakt benötigt und fehlt von daher im Gehirn. Damit sinken Stimmung und Laune, während die Peristaltik verrückt spielt. Wir sagen, der Stress schlage uns auf den Magen, wir »bekommen Schiss« und Magengrimmen. Im Darm wird folglich ein erhöhter Serotonin-Spiegel, der uns im Gehirn so herrlich beschenkt, zur Zumutung.

Auf der anderen Seite kann eine ruhige, gelassene Lebenssituation frei von Angst und Anspannung den Serotoninbedarf im Verdauungstrakt verringern, sodass mehr fürs Gehirn zur Verfügung steht und folglich Stimmung und Wohlbefinden steigen. Auf alle Fälle hat der Verdauungs- und damit Bauchbereich ganz entscheidend mit unserer Lebensstimmung zu tun. Das lässt sich aufgrund der Serotonin-Thematik heute schon mit Sicherheit sagen, auch wenn wir das Funktionieren des sogenannten Bauchhirns noch nicht annähernd verstehen.

Bedenken wir, dass nur 1 Prozent des im Organismus kreisenden Serotonins im Gehirn landet und also fast 99 Prozent im übrigen Körper und besonders im Darm, können wir auch ermessen, wie sehr unsere Verfassung vom Zustand des Verdauungstraktes abhängt.

Der Hunger dämpfende Effekt des Serotonins ist mittlerweile ebenfalls wissenschaftlich nachgewiesen. Viele kennen ihn auch aus Erfahrung. Wenn wir glücklich und zufrieden sind, und das ist praktisch immer, wenn der Serotonin-Spiegel hoch ist, verspüren wir kaum Hunger. Liebende leben bekanntlich ganz gut von Luft und Liebe – möglicherweise auch von Luft, Liebe und Licht. Die Erfahrung depressiver Patienten, die nach der Einnahme von Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmern an Appetit und Gewicht verloren, weist ebenfalls in diese Richtung.

Auf dem Gegenpol treibt es uns vermehrt in Richtung Kühlschrank, wenn wir übel gelaunt und schlecht drauf sind. Ein niedriger Serotonin-Spiegel macht Hunger, weil der Organismus die Hoffnung hegt, so neues L-Tryptophan zu bekommen. Man könnte also diese Art des Frustessens durchaus nutzen, um die Stimmung noch viel gezielter zu heben, indem man L-Tryptophanreich essend dafür sorgt, den Körper wieder genug Serotonin nachproduzieren zu lassen.

Serotonin und Licht

Licht kurbelt ebenfalls die Serotonin-Produktion an, wobei wir noch nicht genau wissen, wie das geschieht. Ist es die Stimmung, die durch Licht gehoben wird und mehr Serotonin im Hirn erfordert, oder hat Licht direkten Einfluss auf die Serotonin-Produktion? Lichtstärken ab 2500 Lux regen jedenfalls die Serotonin-Produktion merkbar an (1 Lux entspricht einer Kerzenflamme). An einem Sommertag herrschen circa 10 000 Lux, in einem normalen Büro etwa 1000. Das Ergebnis dieser Situation schlägt sich im Winter-Blues nieder, der in den nördlichen sonnenarmen Ländern immerhin 10 bis 25 Prozent der Menschen trifft. Typisch sind, wie bereits erwähnt, in diesen Breiten in dunklen Zeiten Heißhunger-Attacken auf Süßigkeiten, die die Stimmung über den Zuckeranteil anheben, aber auch über den Nachschub an L-Tryptophan, das etwa in Schokolade vorhanden ist. Insofern haben Schokoladen-Nikoläuse und -weihnachtsmänner eine verständliche Funktion.

In diesen Zusammenhang gehören die bekannten Winterdepressionen im lichtarmen Norden und die dort weit höheren Selbstmordraten. Endokrinologen nennen Serotonin von daher auch zu Recht das Suizidkontrollhormon. Kein Mensch mit – serotoninbedingt – guter Lebensstimmung denkt daran, sich freiwillig von dieser Welt zu verabschieden.

Frauen-Heil-Kunde und Serotonin

Ein Anstieg von Östrogen führt parallel zu einem von Serotonin, dem Wohlfühlhormon, und Dopamin, einem anderen Glückshormon. Woraus sich ersehen lässt, was für ein wundervoller Stoff Östrogen ist. Unter diesem Aspekt wird verständlich, warum sich viele Frauen mit den ersten Antibabypillen, die wahre Östrogenbomben waren, so wohl fühlten. Mit sinkendem Östrogenspiegel gehen Serotonin und Dopamin ebenfalls zurück. Das mag erklären, warum die Depressionsanfälligkeit mit der Menopause so wächst.

Drei Viertel der Depressiven erfahren durch Erhöhung des Serotonin-Spiegels eine deutliche Besserung. Eine Rolle mag auch spielen, dass weibliche Gehirne nur etwa die Hälfte des Serotonins von männlichen produzieren. Diese Tatsache könnte die höhere Anfälligkeit von Frauen für Depressionen erklären. Und natürlich kommen seelische Aspekte hinzu wie das morgendliche »Fertigmachen« vor dem Spiegel.

Die Verbindung mit Östrogen illustriert auch, wie der weibliche Zyklus die Stimmung über den Serotonin-Spiegel mitbestimmt. Das Wohlgefühl wächst in der ersten östrogenreichen Periodenphase kontinuierlich bis zum Eisprung und ist anschließend wieder rückläufig mit dem Rückgang von Östrogen und Serotonin. Der Tiefpunkt im Hinblick auf beide Hormone wird kurz vor der Monatsblutung erreicht, genau in der Zeit, wo viele Frauen besonders leiden. An den Tagen vor den Tagen macht sich zunehmend das sogenannte prämenstruelle Syndrom (PMS) breit, das bereits 30 Prozent der Frauen quälen soll und bei 5 Prozent die Lebensqualität erheblich mindert. Auch das ließe sich durch ausreichend Serotonin bessern.

Die Beschwerden dieses Syndroms reichen von Stimmungsschwankungen bis zu richtigen Missstimmungen, von Niedergeschlagenheit, Lust- und Antriebslosigkeit bis zu depressiven Beklemmungen. Eher harmlose Varianten wie Konzentrationsschwäche, Hungerattacken und Reizbarkeit kennen die meisten Frauen. Auf der körper­lichen Ebene finden sich an die 100 Symptome im Zusammenhang mit dem PMS. Sie reichen von Hitzewallungen und Unterleibsbeschwerden über Übelkeit, Kopfweh bis zu Wassereinlagerungen und Völlegefühl.

85 Prozent aller von Frauen begangenen Gewalttaten – insgesamt sind das gemessen an den männlichen wenige – werden in der prämenstruellen Phase begangen. In den USA, dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten, gilt der Nachweis von PMS als strafmindernd.

Auch der sogenannte Babyblues oder die Wochenbettdepression lassen sich über den Abfall des Hormons Östrogen erklären und den damit verbundenen Rückgang an Serotonin. Denn nach der Geburt erleidet die Mutter einen abrupten Absturz des Östrogenspiegels, was für ihre Lebensstimmung verheerende Folgen haben kann. Das mag der deutsche Philosoph Immanuel Kant geahnt haben, jedenfalls sprach er sich in seiner »Metaphysik der Sitten« gegen die strafrechtliche Verfolgung von Kindstötung aus, wenn die Mutter ihr uneheliches Kind nach der Geburt tötete. Bei der besonderen Launenhaftigkeit, die seit alters dem weiblichen Geschlecht unterstellt wird, wäre an die um 50 Prozent geringere Serotoninproduktion des weiblichen Gehirns einerseits und die Östrogenschwankungen andererseits zu denken.

Möglich, dass eine Erhöhung des Serotonin-Spiegels auch Östrogen aktiviert. Das würde erklären, warum einige wenige Konsumentinnen der Serotoninerhöhenden Rohkost im entsprechenden Alter berichten, ihre Regel wieder bekommen zu haben und mit ihr eine fühlbare Stärkung der Libido.

Serotonin aus natürlicher Quelle

Zum Glück gibt es eine viel bessere Möglichkeit als Medikamente, Drogen und Süßigkeiten, um genügend von Serotonin, diesem wunderbaren Stoff, ins Gehirn zu bringen. Obendrein ist sie noch gesund.

Wenn wir unsere Vorfahren betrachten, können wir wieder einiges lernen, denn unser Organismus hat sich in ihrer Zeit entwickelt, nicht in unserer. Wir sind ihre Erben und haben den von ihnen in ganz anderen Zeiten entwickelten Körper lediglich völlig neuen Bedingungen ausgesetzt – nicht immer zu seinem und unserem Vorteil. Wie wir schon hörten, müssen unsere sehr frühen Vorfahren Rohköstler gewesen sein, denn sie hatten noch keine Macht über Feuer. Insofern sollte ein möglichst großer Rohkostanteil auch immer wesentlicher Bestandteil gesunder Ernährung sein. In dieser Frühzeit, wo Hunger das lebensbestimmende Empfinden war und alle folglich immer hungrig aufwachten, gab es wenig Alternativen. Unsere Ahnen müssen gleich morgens aus ihren Höhlen ausgerückt sein, um – im Wesentlichen – Pflanzen sammelnd den Hunger zu bekämpfen. Dabei dürften sie sich langsam trottend fortbewegt haben, da zum Sprinten die Energie fehlte und sie zusehen mussten, dass sie vo­rankamen, um Essbares zu finden. Sie haben sich folglich – aus der Sicht moderner Sportmedizin – im Sauerstoffgleichgewicht, unterhalb der Fettverbrennungszone bewegt und kleine Pausen zum Aufheben und Pflücken von Pflanzen gemacht. Heute wissen wir, wie bekömmlich solche Bewegung noch immer für uns wäre. Durch die Savannen und Tundren trottend, haben die Vorfahren wahrscheinlich alles Essbare gleich verspeist und intensiv gekaut. Solch ausgesprochen gutes Kauen war mit ihren stärkeren Gebissen problemlos möglich, aber auch notwendig, um an die spärlichen Kalorien heranzukommen. Es wäre noch heute für uns gesund, nur fehlen uns Zeit und Ruhe dafür. Auf jeden Fall bekamen sie dadurch neben anderen Aminosäuren auch L-Tryptophan in Magen und Blut. Während aber durch ihre Bewegung andere Aminosäuren in die Skelettmuskulatur aufgenommen und dort verstoffwechselt wurden, blieb das im Blut an Albumin gebundene L-Tryptophan dort allein übrig. Dieser kleine, aber immens wichtige Kunstgriff der Evolution machte es im Gehirn an der Blut-Hirn-Schranke konkurrenzlos, sodass es diese passieren konnte. Solange andere Aminosäuren mit dem L-Tryptophan dort um Aufnahme konkurrieren, zieht Ersteres jeweils den Kürzeren.

So hatten die Vorfahren guten Zugang zu Serotonin und einer, wann immer möglich, aufgehellten Stimmung, die angesichts der vielfältigen Bedrohungen sicher (über)lebenswichtig war. Auf ihre Weise war die frühe Umwelt genauso bedrohlich wie die heutige, nur anders.

Wir können noch Ähnliches erleben, etwa auf Bergtouren, wenn wir in das alte Muster der Vorfahren zurückfallen. Wer frühmorgens von einer Hütte aufbricht, wird das oft nüchtern tun, weil er um fünf Uhr morgens noch keinen Hunger verspürt. Wenn er dann im Laufe des Vormittags langsam und wiederum im Sauerstoffgleichgewicht aufsteigend an Obst oder Gemüse knabbert und dieses wirklich gut kaut, weil er gar nichts anderes zu tun hat, kann sich ein Hochgefühl einstellen, das noch nichts mit Gipfelerlebnissen zu tun hat. Während er die pflanzliche Nahrung faserfein kaut und seine Backenzähne, auch Mahlzähne genannt, wirklich mahlen lässt und die anderen Aminosäuren durch die stetige Bewegung in die Muskelzellen abgelenkt werden, kann genug L-Tryptophan die Blut-Hirn-Schranke überwinden und in den Liquor, das Gehirnwasser, überwechseln, wo es in Serotonin umgewandelt wird.

Diese Erfahrung machte ich selbst bei vielen Bergtouren, konnte sie aber nicht in der Ebene oder bei anderen Gelegenheiten wiederholen. Ich wusste, es geht um L-Tryptophan beziehungsweise Serotonin, hatte Ersteres sogar schon über einige Monate als Medikament ausprobiert, konnte aber die mir vom Bergwandern bekannten Effekte nicht wiederholen. Eine Lösung des Rätsels ist nach meiner Erfahrung das Präparat »Take me«, über das Sie mehr im Anhang finden (>).

Fazit: Für gutes Befinden und Glück ist ausreichend Serotonin, das sogenannte Wohlfühlhormon, im Gehirn erforderlich. Chemische Drogen sind allerdings genauso wenig eine sinnvolle Lösung wie Süßigkeiten. Am sichersten hilft die Rohkost »Take me«, den Serotoninspiegel auf natürliche Weise zu heben. Auch Licht sorgt für eine gewisse Steigerung des Serotonin-Spiegels.

Peace Food
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