Mutter der Schlangen

 

Die­se Ge­schich­te hat sich vor vie­len Jah­ren, kurz nach dem Auf­stand der Skla­ven, zu­ge­tra­gen. Die Skla­ven wa­ren nach vie­len vor­an­ge­gan­ge­nen blu­ti­gen Aus­ein­an­der­set­zun­gen durch Tous­saint l'Ou­ver­ture, Des­sa­li­nes und Kö­nig Chri­sto­phe von der fran­zö­si­schen Will­kür­herr­schaft be­freit wor­den. Sie hat­ten dar­auf­hin ein Kö­nig­reich ge­grün­det, des­sen Grau­sam­kei­ten und Här­ten die der vor­he­ri­gen Re­gie­rung je­doch bei wei­tem in den Schat­ten stell­ten.

Die Schwar­zen auf Hai­ti wa­ren in je­nen Ta­gen al­les an­de­re als glück­lich. Sie hat­ten zu vie­le Quä­le­rei­en und Met­ze­lei­en mit­er­lebt. Den Skla­ven und den Nach­kom­men die­ser Skla­ven war das sorg­lo­se Le­ben ih­rer west­in­di­schen Nach­barn völ­lig un­be­kannt.

Auf Hai­ti war ein selt­sa­mes Ras­sen­ge­misch ent­stan­den. Es be­stand aus An­ge­hö­ri­gen der wil­den Stäm­me aus As­han­ti, Dam­bal­lah und der Gui­nea­küs­te, aus fins­te­ren Ka­ri­ben und dun­kel­häu­ti­gen Nach­kom­men von ab­trün­ni­gen Fran­zo­sen, aus Mes­ti­zen und Mu­lat­ten. Die Küs­ten wur­den von ver­schla­ge­nen, heim­tücki­schen Halb­blü­ti­gen be­herrscht; doch die Men­schen, die in den dar­un­ter­lie­gen­den Ber­gen haus­ten, wa­ren noch weitaus üb­ler als die Küs­ten­be­woh­ner.

Große Flä­chen Hai­tis be­stan­den aus un­durch­dring­li­chem Dschun­gel. Die wei­ten Sumpf­ge­bie­te, in de­nen Schling­pflan­zen wu­cher­ten, be­her­berg­ten gif­ti­ge In­sek­ten und wa­ren ver­seucht. Der wei­ße Mann wag­te sich nicht in den Dschun­gel, ihn er­war­te­te dort nicht nur der Tod, son­dern auch die Höl­le, denn die­ser Dschun­gel war mit fleisch­fres­sen­den Pflan­zen, gif­ti­gen Rep­ti­li­en und Sump­forchi­de­en an­ge­füllt; die­ser Dschun­gel ver­barg ein Grau­en, das selbst Afri­ka nie ken­nen­ge­lernt hat.

In den Ber­gen, die vom Dschun­gel um­ge­ben wa­ren, blüh­te die He­xe­rei. Man sag­te, daß dort die Nach­kom­men von ent­flo­he­nen Skla­ven mit Mör­dern und Wil­den zu­sam­men­leb­ten. Es soll­te ver­steck­te An­sied­lun­gen ge­ben, in de­nen der Kan­ni­ba­lis­mus noch aus­ge­übt wur­de und in de­nen es fins­te­re re­li­gi­öse Ri­ten gab, die grau­en­haf­ter und per­ver­ser wa­ren als die, die vom Kon­go be­kannt sind. Geis­ter­be­schwö­run­gen, Teu­fel­s­an­be­tun­gen, Zau­be­rei und ab­scheu­li­che Aus­übun­gen der Schwar­zen Mes­se wa­ren et­was All­täg­li­ches. Der ›Schat­ten des To­des‹ war all­ge­gen­wär­tig. Über das Op­fern von Häh­nen und Zie­gen brauch­te man gar nicht erst zu spre­chen, und auch das Dar­brin­gen von Men­schen­op­fern war nichts Un­ge­wöhn­li­ches. An den Al­tä­ren des He­xen­wahns ver­fie­len die Tän­zer in wil­de Ek­sta­se und tran­ken das Blut ih­rer Op­fer zu Eh­ren ir­gend­wel­cher dunk­ler Göt­ter.

Je­der auf Hai­ti wuß­te das.

Nacht für Nacht dröhn­te das mo­no­to­ne Trom­meln aus den Ber­gen, und über dem Dschun­gel zuck­te der Feu­er­schein.

Auch an der Küs­te selbst leb­ten ei­ni­ge Wun­derärz­te und Me­di­zin­män­ner. Doch nie­mand stör­te sie in der Aus­übung ih­rer Tä­tig­keit. Fast al­le der ›zi­vi­li­sier­ten‹ Schwar­zen glaub­ten im­mer noch an Zau­be­rei und die Wir­kung von Lie­bes­trän­ken. Selbst die be­kehr­ten Schwar­zen, die zur Kir­che gin­gen, ver­lie­ßen sich im Not­fall lie­ber auf einen Ta­lis­man oder ei­ne Zau­ber­for­mel als auf das Wort Got­tes. Auch die so­ge­nann­ten ›ge­bil­de­tem Ne­ger der Ge­sell­schaft in Port-au-Prin­ce konn­ten ih­re Ab­stam­mung von den bar­ba­ri­schen wil­den Stäm­men nicht im­mer ver­leug­nen. Trotz ih­rer nach au­ßen hin ge­zeig­ten Zi­vi­li­sa­ti­on zog es sie im­mer wie­der zu den blu­ti­gen Pries­tern hin, die im Ver­bor­ge­nen herrsch­ten.

Skan­da­le konn­ten na­tür­lich nicht aus­blei­ben. Hin und wie­der ver­schwan­den ge­wis­se Leu­te un­ter mys­te­ri­ösen Um­stän­den von der Bild­flä­che, wor­auf die eman­zi­pier­ten Bür­ger ge­le­gent­lich pro­tes­tier­ten. Aber die Pro­tes­te wa­ren nur schwach, denn es war nicht rat­sam, sich mit de­nen zu ver­fein­den, die sich vor der ›Schwar­zen Mut­ter‹ ver­neig­ten, oder sich den Är­ger der al­ten Män­ner zu­zu­zie­hen, die im Schat­ten der ›Schlan­ge‹ leb­ten.

So et­wa war es mit Hai­ti be­stellt, als die In­sel ei­ne Re­pu­blik wur­de.

Die Leu­te fra­gen sich oft, wie es mög­lich ist, daß die He­xe­rei auch heu­te noch dort exis­tie­ren kann. Zu­ge­ge­ben, sie geht jetzt mehr im ge­hei­men vor sich; aber sie hat trotz­dem die Zei­ten über­lebt. Die­sel­ben Leu­te wun­dern sich, daß man die ab­scheu­li­chen Zu­lu­kaf­fern nicht aus­ge­rot­tet hat und daß es der Re­gie­rung nicht ge­lun­gen ist, die blu­ti­gen Kul­te, de­nen sich die Be­woh­ner des Dschun­gels auch heu­te noch hin­ge­ben, ab­zu­schaf­fen.

Viel­leicht kann die­se Ge­schich­te da­zu bei­tra­gen, ei­ne Ant­wort auf die­se Fra­gen zu ge­ben. Es ist ei­ne al­te, ge­hei­me Ge­schich­te der neu­en Re­pu­blik. Und die of­fi­zi­el­len Stel­len, die sich an die­se Ge­schich­te er­in­nern, scheu­en sich auch heu­te noch, der Sa­che nach­zu­ge­hen.

Denn der Schlan­gen­kult wird auf Hai­ti nie­mals aus­ster­ben; auf Hai­ti, die­ser phan­tas­ti­schen In­sel, de­ren ge­krümm­te Küs­ten­li­nie ei­ne be­mer­kens­wer­te Ähn­lich­keit mit ei­ner Schlan­ge hat.

 

Ei­ner der ers­ten Prä­si­den­ten von Hai­ti war ein ge­bil­de­ter Mann. Er war zwar auf der In­sel ge­bo­ren, aber er war in Frank­reich zur Schu­le ge­gan­gen und hat­te dort sehr in­ten­siv ge­lernt. Als er sein Re­gie­rungs­amt auf Hai­ti über­nahm, galt er all­ge­mein als ein auf­ge­klär­ter, um­sich­ti­ger, mo­der­ner Mensch. Wenn er al­lein in sei­nem Bü­ro war, zog er selbst­ver­ständ­lich sei­ne Schu­he aus, aber er zeig­te nie­mals sei­ne nack­ten Ze­hen bei ei­ner of­fi­zi­el­len Be­spre­chung. Ver­ste­hen Sie das rich­tig: Die­ser Mann war kein blau­blü­ti­ger Herr­scher – er war nur ein po­lier­ter pech­schwar­zer Gent­le­man, des­sen na­tür­li­che Ur­sprüng­lich­keit ab und zu die Schran­ken der Zi­vi­li­sa­ti­on durch­brach.

Auf al­le Fäl­le war er ein sehr ge­schei­ter Mann, der ge­nau wuß­te, was er woll­te. Ge­nau­so muß­te er auch sein, um es in je­nen Ta­gen bis zum Prä­si­den­ten zu brin­gen. Nur be­son­ders ge­schei­ten Män­nern wur­de die­se Eh­re zu­teil. Man muß da­zu nur wis­sen, daß das Wort ›ge­scheit‹ zu je­ner Zeit auf Hai­ti ei­ne höf­li­che Um­schrei­bung für ›rück­sichts­los, kor­rupt und un­ehr­lich‹ war.

Ihm sind wäh­rend sei­ner kur­z­en Re­gie­rungs­zeit nur we­ni­ge Geg­ner ent­ge­gen­ge­tre­ten. Und die, die sich ge­gen ihn auf­lehn­ten, ver­schwan­den für ge­wöhn­lich. Hin­ter der nied­ri­gen Stirn die­ses großen, kohl­ra­ben­schwar­zen Man­nes mit dem Go­ril­la­ge­sicht ver­barg sich ein scharf­sin­ni­ges Ge­hirn.

Sei­ne Fä­hig­kei­ten wa­ren tat­säch­lich er­staun­lich. Sei­ne ers­te Tä­tig­keit war, sich einen ge­nau­en Ein­blick in die Fi­nan­zen des Lan­des zu ver­schaf­fen. Er pro­fi­tier­te von die­sem Ein­blick so­wohl dienst­lich als auch pri­vat. Im­mer wenn es ihm ein­fiel, die Steu­ern zu er­hö­hen, ver­grö­ßer­te er zu­nächst ein­mal die Ar­mee, da­mit auf je­den staat­li­chen Steuer­ein­trei­ber zu­min­dest ein be­waff­ne­ter Sol­dat kam. Sei­ne Han­dels­ab­kom­men mit an­de­ren Län­dern wa­ren Meis­ter­stücke un­ge­setz­li­cher Le­ga­li­tät. Die­ser schwar­ze Ma­chia­vel­li wuß­te ge­nau, daß er es schnell zu et­was brin­gen muß­te, denn die Prä­si­den­ten von Hai­ti hat­ten al­le das Pech, nicht lan­ge am Le­ben zu blei­ben. Die­ser Prä­si­dent ar­bei­te­te wahr­lich schnell, und er ver­rich­te­te gan­ze Ar­beit.

Im Hin­blick auf sei­ne be­schei­de­ne Her­kunft war das wirk­lich sehr be­mer­kens­wert. Sein Va­ter war un­be­kannt. Sei­ne Mut­ter war ei­ne He­xen­meis­te­rin in den Ber­gen, die – ob­wohl sie sich ei­ni­ger Be­liebt­heit er­freu­te – sehr arm war. Der Prä­si­dent war in ei­nem al­ters­schwa­chen Block­haus ge­bo­ren wor­den. Das ver­ein­bar­te sich al­les so präch­tig mit sei­ner zu­künf­ti­gen Wür­de als Prä­si­dent! Sei­ne Kind­heit ver­lief bis zu dem Ta­ge sehr ein­tö­nig, als ihn ein mild­her­zi­ger pro­tes­tan­ti­scher Pfar­rer ad­op­tier­te. Er war da­mals drei­zehn. Er leb­te ein Jahr lang im Hau­se die­ses gü­ti­gen Man­nes und mach­te sich als Mäd­chen für al­les nütz­lich. Dann wur­de der ar­me Pries­ter krank und ver­schied nach län­ge­rem Lei­den. Das war um so be­dau­er­li­cher, weil er recht wohl­ha­bend ge­we­sen war, sei­ne Krank­heit aber das gan­ze Geld ver­schlun­gen hat­te. Wie dem auch sei: Der rei­che Pries­ter starb, und der ar­me Sohn der He­xen­meis­te­rin dampf­te nach Frank­reich ab, um dort die Uni­ver­si­tät zu be­su­chen.

Was die He­xen­meis­te­rin an­geht, so kauf­te sie sich einen neu­en Maulesel und sag­te zu der gan­zen Ent­wick­lung kein ein­zi­ges Wort. Durch ih­re Ge­schick­lich­keit im Um­gang mit Kräu­tern hat­te sie ih­rem Sohn ei­ne Chan­ce in der Welt ver­schafft. Das reich­te ihr. Sie war zu­frie­den.

Acht Jah­re ver­gin­gen, ehe der jun­ge Mann zu­rück­kam. Er hat­te sich in der Zwi­schen­zeit be­acht­lich ver­än­dert. Nach sei­ner Rück­kehr be­vor­zug­te er den Um­gang mit Wei­ßen und hell­häu­ti­gen Misch­lin­gen in Port-au-Prin­ce. Man sagt, daß sei­ne al­te Mut­ter für ihn nicht mehr exis­tier­te. Im Krei­se sei­ner neu­en Freun­de wur­de ihm un­an­ge­nehm be­wußt, wie un­ge­bil­det und ein­fäl­tig sei­ne Mut­ter doch war. Zu­dem war er un­ge­mein ehr­gei­zig und leg­te über­haupt kei­nen Wert dar­auf, daß sei­ne ver­wandt­schaft­li­chen Be­zie­hun­gen zu die­ser no­to­ri­schen He­xe be­kannt wur­den.

Denn auf ih­re Art war sie ziem­lich be­rühmt. Kei­ner wuß­te, wo­her sie ei­gent­lich kam und wer ihr ih­re Fä­hig­kei­ten ver­lie­hen hat­te. Trotz­dem war ih­re ver­fal­le­ne Hüt­te in den Ber­gen jah­re­lang der An­zie­hungs­punkt für Hil­fe­su­chen­de und der Treff­punkt von Teu­fel­s­an­be­tern und den Ver­eh­rern dunk­ler Göt­ter. An ih­rem ver­bor­ge­nen Stein­al­tar in den Ber­gen rief sie die dunklen Mäch­te an, wo­bei sie stän­dig von ei­ner Schar von An­hän­gern um­ge­ben war. In mond­lo­sen Näch­ten stieg ihr ri­tu­el­les Feu­er zum nächt­li­chen Him­mel em­por; Och­sen wur­den zer­ris­sen und auf grau­sa­me Wei­se den schlei­chen­den We­sen der Nacht‹ zum Op­fer ge­bracht. Denn sie war ei­ne ›Pries­te­rin der Schlan­ge‹.

Der Schlan­gen­gott ge­hör­te zu den wich­tigs­ten Gott­hei­ten des Kul­tes ›Schat­ten des To­des‹. Die Schwar­zen in Da­ho­mey und Se­ne­gal hat­ten die Schlan­ge seit Men­schen­ge­den­ken an­ge­be­tet. Sie hat­ten ih­re ei­ge­ne Art, die­ses Rep­til zu ver­eh­ren; für sie gab es einen ver­bor­ge­nen Zu­sam­men­hang zwi­schen der Schlan­ge und dem Neu­mond.

Der Schlan­gena­ber­glau­be ist et­was Selt­sa­mes. Die Schlan­ge taucht schon im Pa­ra­dies als Ver­su­che­rin auf, und dann weiß die Bi­bel noch von Mo­ses und sei­nen Schlan­gen zu be­rich­ten. Und der Gott der Hin­dus war ei­ne Ko­bra. Man scheint in der gan­zen Welt die Schlan­gen glei­cher­ma­ßen ge­haßt und ver­ehrt zu ha­ben. Und im­mer schie­nen sie das Sym­bol des Bö­sen dar­zu­stel­len. Die In­dia­ner glaub­ten an die Macht der Schlan­gen, und die Az­te­ken folg­ten ih­rem Bei­spiel.

Die afri­ka­ni­schen Le­gen­den über die An­be­tung der Schlan­gen sind schon furcht­bar, aber sie wer­den von den Ze­re­mo­ni­en auf Hai­ti bei wei­tem in den Schat­ten ge­stellt.

 

Zur Re­gie­rungs­zeit des Prä­si­den­ten soll­ten ei­ni­ge der Zau­be­rer in den Ber­gen die Schlan­gen re­gel­recht ge­züch­tet ha­ben. Die Ge­rüch­te be­sag­ten, daß sie sie di­rekt von der El­fen­bein­küs­te her­über­ge­schmug­gelt hät­ten, um sie für ih­re Zwe­cke zu be­nut­zen. Es wa­ren Ge­schich­ten im Um­lauf, de­nen zu­fol­ge zehn Me­ter lan­ge Py­thon­schlan­gen Kin­der ver­schluckt hät­ten, die ih­nen am Schwar­zen Al­tar als Op­fer ge­reicht wur­den. An­de­re Ge­schich­ten be­sag­ten, daß gif­ti­ge Schlan­gen zu den Geg­nern der An­be­ter ge­schickt wür­den, da­mit sie die­se tö­te­ten.

Da es er­wie­sen ist, daß von An­hän­gern ei­nes Kul­tes, die Go­ril­las an­be­te­ten, ei­ni­ge Men­schen­af­fen ins Land ge­schmug­gelt wor­den wa­ren, er­hebt sich die Fra­ge, warum die Le­gen­de mit den Schlan­gen nicht auch stim­men soll­te.

Wie dem auch sei: Die Mut­ter des Prä­si­den­ten war ei­ne Pries­te­rin. Und sie war auf ih­re Art ge­nau­so be­rühmt wie ihr dis­tin­guier­ter Sohn.

Er hat­te seit sei­ner Rück­kehr Stu­fe um Stu­fe der Lei­ter zur Macht er­klom­men. Zu­erst war er Steuer­ein­trei­ber, dann Schatz­meis­ter, und schließ­lich wur­de er Prä­si­dent. Ei­ni­ge sei­ner Ri­va­len star­ben un­ter merk­wür­di­gen Be­gleit­um­stän­den. Nach ei­ni­ger Zeit hiel­ten es sei­ne Wi­der­sa­cher für zweck­mä­ßi­ger, ih­ren Haß ihm ge­gen­über zu ver­ber­gen. Denn sie fan­den sehr schnell her­aus, daß er im Grun­de sei­nes Her­zens im­mer noch ein Wil­der war; und die Wil­den pfle­gen ih­re Fein­de zu pei­ni­gen. Ei­ni­ge woll­ten wis­sen, daß er sich un­ter sei­nem Pa­last ei­ne Fol­ter­kam­mer ein­ge­rich­tet hat­te. Die Ge­rä­te soll­ten ros­tig sein, was aber nicht be­deu­te­te, daß er sie nicht be­nutz­te.

Der Bruch zwi­schen dem jun­gen Staats­mann und sei­ner Mut­ter mach­te sich schon vor sei­ner Amts­über­nah­me be­merk­bar. Der An­laß war sei­ne Ehe­schlie­ßung mit der Toch­ter ei­nes fast hell­häu­ti­gen Far­mers von der Küs­te. Die Mut­ter war nicht nur über die Tat­sa­che er­grimmt, daß ihr Sohn das Blut der Fa­mi­lie ver­un­rei­nig­te (sie war ei­ne Voll­blut­ne­ge­rin), son­dern sie fühl­te sich auch sehr ge­de­mü­tigt, daß sie nicht zur Hoch­zeit ein­ge­la­den wor­den war.

Die Hoch­zeit fand in Por­te-au-Prin­ce statt. Au­ßer der Haute­vo­lee von Hai­ti wa­ren auch noch die aus­län­di­schen Bot­schaf­ter an­we­send. Die lieb­li­che Braut war ge­ra­de aus der Klos­ter­schu­le ge­kom­men, und es gab kei­nen, der ihr nicht die ge­büh­ren­de Hoch­ach­tung zu­teil wer­den ließ. Der ge­schei­te Bräu­ti­gam hielt es da­her für un­an­ge­bracht, die Hoch­zeits­fei­er­lich­kei­ten durch die An­we­sen­heit sei­ner nicht sa­lon­fä­hi­gen Mut­ter zu ent­wei­hen.

Aber sie ließ es sich nicht neh­men, trotz­dem zu kom­men. Sie ver­folg­te die gan­zen Ze­re­mo­ni­en aus an­ge­mes­se­ner Ent­fer­nung. Es war gut, daß sie sich nicht be­merk­bar mach­te, denn sie hät­te da­mit nicht nur ih­ren Sohn in Ver­le­gen­heit ge­bracht, son­dern auch die an­we­sen­den Gäs­te scho­ckiert.

Was sie von ih­rem Sohn und der Braut sah, stimm­te sie al­les an­de­re als hei­ter. Ihr Sohn war jetzt ein af­fek­tier­ter Dan­dy, und die Braut war ei­ne dum­me Gans. Der Pomp und das gan­ze Drum und Dran konn­ten ihr nicht im min­des­ten im­po­nie­ren. Sie wuß­te, daß die meis­ten der An­we­sen­den, die jetzt ein über­heb­li­ches Ge­sicht zur Schau tru­gen, im Grun­de ih­res Her­zens nichts wei­ter als aber­gläu­bi­sche Ne­ger wa­ren, die bei den ers­ten An­zei­chen ei­ner Ge­fahr zu ihr ge­rannt kämen, um sich von ihr ein Wun­der­mit­tel ge­ben zu las­sen. Trotz die­ser Er­kennt­nis un­ter­nahm sie nichts. Sie lä­chel­te nur bit­ter vor sich hin und hum­pel­te dann nach Hau­se. Denn trotz al­le­dem lieb­te sie ih­ren Sohn im­mer noch.

Je­doch die nächs­te Be­lei­di­gung, die ihr an­ge­tan wur­de, konn­te sie nicht so ge­las­sen hin­neh­men. Es han­del­te sich um die Amtsein­wei­hung des neu­ge­wähl­ten Prä­si­den­ten. Ob­wohl sie zu die­sem fest­li­chen An­laß eben­falls nicht ein­ge­la­den wor­den war, er­schi­en sie wie­der. Und dies­mal ver­barg sie sich nicht im Schat­ten. Als der neue Prä­si­dent sei­nen Eid auf die Ver­fas­sung ab­ge­legt hat­te und sich ge­ra­de mit dem deut­schen Bot­schaf­ter un­ter­hielt, mar­schier­te sie di­rekt auf ihn zu und sprach ihn an. Al­le blick­ten er­starrt auf die­se dun­kel­häu­ti­ge al­te Vet­tel, die un­be­hol­fen vor dem neu­en Prä­si­den­ten stand. Sie war kaum eins­fünf­zig groß, bar­fuß und in Lum­pen gehüllt.

Ihr Sohn schau­te über sie hin­weg und nahm von ih­rer Ge­gen­wart über­haupt kei­ne No­tiz. Das al­te ver­trock­ne­te Weib fuhr sich zu­erst in töd­li­chem Schwei­gen mit der Zun­ge über den zahn­lo­sen Gau­men, und dann fing sie ganz lang­sam an, ih­ren Sohn zu ver­flu­chen. Nicht auf fran­zö­sisch, son­dern in dem Ein­ge­bo­re­nen­dia­lekt der Be­woh­ner der Ber­ge. Sie be­schwor den Zorn ih­rer dunklen, blu­ti­gen Göt­ter auf sein un­dank­ba­res Haupt her­ab und droh­te so­wohl ihm als sei­ner jun­gen Frau mit ih­rer Ra­che und der Ver­gel­tung der Göt­ter. Die selbst­herr­li­che Hal­tung der bei­den wür­de nicht un­ge­straft blei­ben.

Die an­we­sen­den Gäs­te wa­ren scho­ckiert.

Der Prä­si­dent war auch scho­ckiert, aber er be­herrsch­te sich. Er mach­te einen völ­lig ru­hi­gen Ein­druck, als er sei­ner Wa­che ein Zei­chen gab, die dar­auf­hin die al­te hys­te­ri­sche He­xe ab­führ­te. Er wür­de mit ihr spä­ter ab­rech­nen!

Als er am nächs­ten Abend Zeit hat­te und in den Ker­ker ging, um sei­ne Mut­ter zur Re­de zu stel­len, muß­te er fest­stel­len, daß sie nicht mehr da war. »Sie ist ver­schwun­den«, mur­mel­ten die Wa­chen und ver­dreh­ten die Au­gen. Er ließ den Ker­ker­meis­ter er­schie­ßen und ging dann in sei­ne Amts­räu­me zu­rück. Die Sa­che mit dem Ver­flu­chen be­un­ru­hig­te ihn ein we­nig. Er wuß­te, wo­zu sei­ne Mut­ter fä­hig war. Die Dro­hun­gen, die sie ge­gen sei­ne Frau aus­ge­sto­ßen hat­te, ge­fie­len ihm gar nicht. Nach ei­ni­gen Über­le­gun­gen ließ er am nächs­ten Tag ein paar Sil­ber­ku­geln gie­ßen und be­sorg­te sich von ei­nem Wun­der­arzt, den er kann­te, ei­ni­ge wirk­sa­me Kräu­ter. Er wür­de die Zau­be­rei mit Zau­be­rei be­kämp­fen.

Nachts er­schi­en ihm in sei­nen Träu­men ei­ne rie­si­ge Schlan­ge mit grü­nen Au­gen, die ihm mensch­li­che Wor­te zu­flüs­ter­te. Als er im Schlaf nach ihr schlug, zisch­te sie schrill und höh­nisch. Am nächs­ten Mor­gen war sein Schlaf­zim­mer von Schlan­gen­ge­ruch er­füllt, und auf sei­nem Kopf­kis­sen wa­ren Schleim­spu­ren, von de­nen der­sel­be Ge­stank aus­ging. Da wuß­te der Prä­si­dent, daß ihn nur sei­ne Wun­der­kräu­ter ge­ret­tet hat­ten.

Am Nach­mit­tag be­rich­te­te ihm sei­ne Frau, daß sie ei­ni­ge ih­rer Pa­ri­ser Mo­dell­klei­der ver­mis­se. Dar­auf nahm sich der Prä­si­dent sei­ne Die­ner vor und be­frag­te sie in sei­ner pri­va­ten Fol­ter­kam­mer. Er wag­te sei­ner jun­gen Frau nicht zu sa­gen, was er zu hö­ren be­kom­men hat­te, aber er mach­te da­nach einen nie­der­ge­schla­ge­nen Ein­druck. Er hat­te frü­her schon er­lebt, wie sei­ne Mut­ter mit klei­nen Wachs­fi­gu­ren her­um­han­tier­te. Die­se Fi­gu­ren wa­ren das Eben­bild von ir­gend­wel­chen le­ben­den Per­so­nen ge­we­sen und in Stücke der ge­stoh­le­nen Klei­dung gehüllt. Manch­mal steck­te sei­ne Mut­ter Na­deln in die Wachs­fi­gu­ren, und manch­mal rös­te­te sie sie lang­sam über ei­nem of­fe­nen Feu­er. Und im­mer wur­den dann die Per­so­nen, die sie dar­stell­ten, krank und star­ben. Durch die­ses Wis­sen wur­de der Prä­si­dent jetzt sehr un­glück­lich. Und als er von den zu­rück­keh­ren­den Bo­ten er­fuhr, daß sei­ne Mut­ter ih­re Hüt­te ver­las­sen und sich in die Ber­ge zu­rück­ge­zo­gen hat­te, fand sei­ne Un­ru­he kei­ne Gren­zen.

 

Drei Ta­ge da­nach starb sei­ne Frau an ei­ner schmer­zen­den Wun­de in der Sei­te, für die kein Arzt ei­ne Er­klä­rung fand. Sie kämpf­te bis zum En­de ver­zwei­felt um ihr Le­ben, und man sagt, daß ihr Kör­per kurz vor dem To­de blau wur­de und fast zur dop­pel­ten Grö­ße an­schwoll. Ihr Ge­sicht sah so aus, als wä­re es von der Le­pra zer­fres­sen, und nach ih­ren ge­schwol­le­nen Ge­len­ken zu ur­tei­len, hät­te sie ein Op­fer der Ele­phan­tia­sis sein kön­nen. Die­se ekel­haf­ten Tro­pen­krank­hei­ten wü­te­ten auf Hai­ti, aber kei­ne von bei­den führ­te in­ner­halb von drei Ta­gen zum To­de …

Nach die­sem Er­eig­nis schäum­te der Prä­si­dent vor Wut.

Er be­fahl ei­ne He­xen­ver­fol­gung, die nur im Mit­tel­al­ter ih­res­glei­chen ge­fun­den hät­te. Po­li­zei und Sol­da­ten durch­kämm­ten die Küs­ten­ge­bie­te, Spä­her rit­ten zu den Hüt­ten in den Ber­gen hin­auf, und be­waff­ne­te Pa­trouil­len stie­ßen in die ab­ge­le­ge­nen Ge­bie­te vor, in de­nen die He­xen und Teu­fel­s­an­be­ter haus­ten und mit gla­si­gen Au­gen un­auf­hör­lich den Mond an­starr­ten. Die Ma­ma­lois wur­den bei der Be­fra­gung über of­fe­nes Feu­er ge­hal­ten und die Be­sit­zer von ver­bo­te­nen Bü­chern über ei­ner Flam­me ge­rös­tet, die von eben die­sen ver­bo­te­nen Bü­chern ge­nährt wur­de. Blut­hun­de jaul­ten in den Ber­gen, und die Pries­ter star­ben an den Al­tä­ren, an de­nen sie sonst ih­re Op­fer dar­zu­brin­gen pfleg­ten. Die Hä­scher hat­ten völ­lig freie Hand. Es gab nur einen ein­zi­gen Son­der­be­fehl: Die Mut­ter des Prä­si­den­ten soll­te le­bend ge­faßt und ihr soll­te nichts an­ge­tan wer­den.

Der Prä­si­dent saß im Pa­last und war­te­te. Sei­ne Hän­de zuck­ten, und in sei­nen Au­gen glomm ein bö­ses Feu­er, das zur lo­dern­den Flam­me wur­de, als sei­ne Wa­chen das al­te ver­hut­zel­te Weib ins Zim­mer stie­ßen. Man hat­te sie im Sumpf, in der Nä­he ih­res Al­tars, auf­ge­grif­fen.

Auf sei­nen Be­fehl hin brach­ten die Wa­chen die al­te He­xe, die sich wehr­te und wie ei­ne Wild­kat­ze um sich biß und kratz­te, nach un­ten. Dann zo­gen sich die Wach­män­ner zu­rück und lie­ßen sie mit ih­rem Sohn al­lein. Al­lein in der Fol­ter­kam­mer. Kei­ner hör­te, wie sie ih­ren Sohn ver­fluch­te, als sie auf der Fol­ter­bank fest­ge­schnallt war. Kei­ner sah sein vor Wut ver­zerr­tes Ge­sicht, sei­nen irr­sin­ni­gen Blick und das große sil­ber­ne Mes­ser in sei­ner Hand …

Der Prä­si­dent ver­brach­te wäh­rend der nächs­ten Ta­ge ei­ni­ge Stun­den in der Fol­ter­kam­mer. Er war kaum noch im Pa­last zu se­hen und hat­te An­wei­sun­gen ge­ge­ben, daß er nicht ge­stört wer­den wol­le. Als er am vier­ten Tag zum letz­ten­mal die ver­bor­ge­ne Trep­pe hin­auf­stieg, war das wahn­sin­ni­ge Feu­er aus sei­nen Au­gen ver­schwun­den.

Es wird sich nie her­aus­stel­len, was sich in die­sem Ver­lies wirk­lich zu­ge­tra­gen hat. Das ist viel­leicht auch ganz gut so. Denn der Prä­si­dent war im Grun­de sei­nes Her­zens im­mer ein Wil­der ge­blie­ben, und die Wil­den ge­ra­ten in Ek­sta­se, wenn sie die Qual ih­rer Fein­de ver­län­gern kön­nen …

Es wird je­doch be­rich­tet, daß die al­te He­xe mit ih­rem letz­ten Atem­zug ih­ren Sohn mit dem Schlan­gen­fluch be­haf­tet hat; und die­ser Fluch ist der schlimms­te von al­len. Aber aus dem Ver­hal­ten des Prä­si­den­ten kann man sich un­ge­fähr vor­stel­len, was in der Fol­ter­kam­mer pas­siert war, denn er hat­te einen bö­sen Hu­mor und einen ma­ka­b­ren Sinn für Ver­gel­tung. Sei­ne Mut­ter hat­te erst ei­ne Wachs­fi­gur nach dem Eben­bild sei­ner Frau an­ge­fer­tigt, ehe sie sie ge­tö­tet hat­te. Er be­schloß, et­was zu tun, was in der­sel­ben Rich­tung lag.

Als er zum letz­ten­mal die ver­bor­ge­ne Trep­pe her­auf­kam, sa­hen sei­ne Die­ner, daß er ei­ne große Ker­ze in der Hand trug; ei­ne Ker­ze, die aus Men­schen­fett her­ge­stellt war. Und da kein Mensch je wie­der sei­ne Mut­ter zu Ge­sicht be­kam, la­gen ge­wis­se Ver­mu­tun­gen auf der Hand, wo­her er das Men­schen­fett ge­won­nen ha­ben könn­te. Aber aus gu­tem Grund wag­te nie­mand, ei­ne Fra­ge zu stel­len …

Das En­de der Ge­schich­te ist rasch er­zählt.

Der Prä­si­dent kehr­te di­rekt zu sei­nen Amts­zim­mern im Pa­last zu­rück und stell­te die Ker­ze in einen Stän­der auf sei­nem Schreib­tisch. Ihn er­war­te­te viel Ar­beit, denn er hat­te in den letz­ten Ta­gen sei­ne Pflich­ten reich­lich ver­nach­läs­sigt. Trotz­dem saß er jetzt erst mi­nu­ten­lang schwei­gend an sei­nem Schreib­tisch und starr­te die Ker­ze mit ei­nem zu­frie­de­nen, un­er­gründ­li­chen Lä­cheln an, ehe er sich über sei­ne Pa­pie­re beug­te.

 

Er ar­bei­te­te die gan­ze Nacht über und hat­te be­foh­len, daß wäh­rend die­ser Zeit zwei Pos­ten vor sei­ner Tür Wa­che stan­den. Er brü­te­te bei Ker­zen­schein – beim Licht je­ner Ker­ze, die aus Men­schen­fett her­ge­stellt war – über sei­ner Ar­beit. Der Fluch sei­ner Mut­ter schi­en ihn nicht im min­des­ten zu be­un­ru­hi­gen. Er war zu­frie­den, daß er sei­nen Blut­durst ge­stillt hat­te, und hielt die Mög­lich­keit ei­ner Ra­che für aus­ge­schlos­sen. Er war nicht so aber­gläu­bisch, an­zu­neh­men, daß die He­xe aus dem Grab zu­rück­keh­ren könn­te. Er saß ru­hig und ge­las­sen an sei­nem Schreib­tisch und er­weck­te ganz den Ein­druck ei­nes zi­vi­li­sier­ten Man­nes. Die Ker­ze fla­cker­te und warf un­heil­vol­le Schat­ten in den Raum. Er be­merk­te es nicht – bis es zu spät war!

Als er schließ­lich auf­blick­te, sah er, daß sich die Ker­ze aus Men­schen­fett schlän­gel­te und zu grau­en­haf­tem Le­ben er­wach­te.

Der Fluch sei­ner Mut­ter …

Die Ker­ze aus Men­schen­fett – leb­te! Es war ein ge­wun­de­nes ge­krümm­tes Et­was, das sich vol­ler bö­ser Ab­sich­ten hin und her­be­weg­te.

Die Flam­me leuch­te­te in­ten­siv auf und nahm plötz­lich ein er­schre­cken­des Aus­se­hen an, das sich un­ter den er­staun­ten Bli­cken des Prä­si­den­ten in ein wil­des Ge­sicht ver­wan­del­te – in das Ge­sicht sei­ner Mut­ter! Das klei­ne, schrump­li­ge Ge­sicht war von Flam­men um­ge­ben und schi­en sich mü­he­los zu be­we­gen.

Die Ker­ze schi­en auf ei­gen­ar­ti­ge Wei­se zu schmel­zen, denn sie wur­de im­mer län­ger. Sie wuchs und wuchs und schlän­gel­te sich ziel­be­wußt und for­dernd auf den Mann zu.

Der Prä­si­dent von Hai­ti schrie gel­lend auf – aber es war zu spät!

Er starr­te hyp­no­ti­siert in die im­mer grö­ßer wer­den­de Flam­me und war un­fä­hig, sich von der Stel­le zu rüh­ren. Er schrie und schrie!

Er schrie auch dann noch, als die Ker­ze zu ru­ßen an­fing und fla­ckernd am Ver­lö­schen war. Der Raum ver­sank in ei­ne un­heil­vol­le Dun­kel­heit, die von ei­nem ein­zi­gen Stöh­nen er­füllt war. Das qual­vol­le Stöh­nen kam aus dem Mund ei­nes Man­nes, der ge­schla­gen und be­siegt wur­de. Dann wur­de das Stöh­nen schwä­cher und schwä­cher …

Als die Wa­chen den Raum be­tra­ten und Licht an­ma­ch­ten, war al­les still und vor­bei.

Die Wa­chen wuß­ten von der Ker­ze aus Men­schen­fett und dem Fluch der He­xe, die die Mut­ter ih­res Ge­bie­ters ge­we­sen war. Des­halb wa­ren sie auch die ers­ten, die den Tod des Prä­si­den­ten von Hai­ti be­kannt­ga­ben. Sie schos­sen ihn zu­erst noch in die Schlä­fe und un­ter­rich­te­ten dann die Be­völ­ke­rung da­von, daß der Prä­si­dent Selbst­mord be­gan­gen hät­te.

Sei­nem Nach­fol­ger er­zähl­ten sie je­doch die wah­re Ge­schich­te, wor­auf die­ser so­fort die He­xen­ver­fol­gun­gen ein­stell­te, denn er ge­dach­te, recht lan­ge am Le­ben zu blei­ben, und war eben­falls ein ge­schei­ter Mann …

Die Wa­chen hat­ten ihm er­klärt, daß sie den Prä­si­den­ten in die Schlä­fe ge­schos­sen hat­ten, um sei­nen Tod als Selbst­mord er­schei­nen zu las­sen. Und der Nach­fol­ger woll­te al­les ver­mei­den, um sich dem Schlan­gen­flucht nicht aus­zu­set­zen.

Denn der Prä­si­dent von Hai­ti war von der Ker­ze aus dem Fett sei­ner Mut­ter er­würgt wor­den. Als man ihn fand, war die Ker­ze wie ei­ne Rie­sen­schlan­ge um sei­nen Hals ge­wun­den.