Einführung in die Alpträume
Es ist ein einfaches Wort mit sechs Buchstaben.
Die heutigen Autoren verwenden viele Wörter mit sechs Buchstaben – aber mein Wort hat in ihrem Wortschatz keinen Platz.
Ich scheue mich trotzdem nicht, es zu gebrauchen, denn es bildet das Fundament meiner Geschichten.
Mein Wort mit sechs Buchstaben heißt –
FURCHT
Sie lächeln überheblich, nicht wahr? Denn in unserer unerschrockenen Welt fürchtet sich doch niemand. Das Märchen vom schwarzen Mann wurde aus psychologischen Gründen abgeschafft; dafür wird den Kindern eingeschärft, niemals aus Angst zu weinen. Kleine Jungen üben sich im Stoizismus der Sioux-Indianer, denn man hat ihnen eingetrichtert, daß Weinen unmännlich sei und daß es ein Ding der Unmöglichkeit ist, auch nur die leiseste Regung eines Angstgefühls zu zeigen. Im Film und Fernsehen fürchten sich die Helden niemals. Selbst ihre bitterbösen Feinde sind tapfer. Zugegeben, es kann vorkommen, daß der Erzfeind in dem Augenblick, in dem ihn sein Schicksal ereilt, seine bis dahin verborgene Feigheit offenbart; doch das ist nur der letzte Beweis seiner angeborenen Schurkerei.
Aber es gibt die Furcht!
Sie lauert in den Schatten einer einsamen Nacht, in dem leeren Haus, in dem nicht leeren Grab. Sie ist an allen finsteren Orten zu Hause einschließlich denen des menschlichen Herzens.
Doch manchmal können wir nicht umhin, die Existenz der Furcht einzugestehen. Und wenn es nur aus dem Grunde geschieht, um unsere eigene Existenz erträglicher zu machen.
Dann suchen wir Ritter ohne Furcht und Tadel nach einem offenen Ventil für unsere Furcht; nach einer Möglichkeit, unseren ängstlichen Gefühlen – die im ›wirklichen‹ Leben für uns nicht existieren – freien Lauf zu lassen. Und so kommen wir unweigerlich zu den Gruselgeschichten.
Ich habe viele solcher Geschichten für den Film, das Fernsehen, den Funk und die Zeitschriften geschrieben. Damit habe ich mich wahrscheinlich von meinen eigenen Angstgefühlen befreit.
Und meinen Lesern helfe ich mit meinen Geschichten. Denn wenn sie das Buch gelesen haben und ihnen tritt irgendwann einmal die Furcht in der üblichen Neurose gegenüber, dann ist ihnen wenigstens das Angstgefühl nichts Neues mehr. Außerdem kann man leichter über einen Alptraum lachen, wenn man ihn ans Licht zerrt. Diese Methode bietet dem angekränkelten Geist eine Art Therapie und dem gesunden Geist eine Art Unterhaltung.
Ich bin kein Therapeut, aber ich hoffe, daß diese Geschichten Sie unterhalten werden.
Und behalten Sie immer im Auge: Sie haben nichts zu fürchten als die Furcht selbst.
Robert Bloch