
Allein auf seinem schäbigen Zimmer im Hotel First Grand Imperial Britannia, hatte Groanin wenig Freude an seinem Roastbeef. Er musste den Teller auf dem Servierwagen nur ansehen, um zu wissen, dass das Essen vollkommen ungenießbar war. Trotzdem plagte ihn ein wenig das schlechte Gewissen über die Art und Weise, wie er mit Angus, dem Empfangschef, umgesprungen war, und das Theater, das er um seine Forderung nach »anständigem englischen Essen« gemacht hatte. Deshalb zögerte er nun, seinem ersten Impuls nachzugeben und zum Telefonhörer zu greifen, um sich zu beschweren.
Er wollte auch den armen Küchenchef nicht kränken. Groanin hatte so oft für Nimrod gekocht, dass er sehr wohl wusste, wie verletzend die Beschwerde eines Gastes für das Personal sein konnte. Daher beschloss er, das Essen nicht einfach unangetastet stehen zu lassen, sondern sich die Mühe zu machen, es auf kluge Art und Weise zu entsorgen. Es war – zumindest in dieser Hinsicht – ein Glück, dass sich Groanins Zimmer im zweiten Stock direkt über den Mülltonnen auf der Rückseite des Hotels befand, sodass er sich ohne Mühe aus seinem schmutzigen Fenster lehnen und alles, was auf seinem Teller war, direkt in einen offenen Müllcontainer fallen lassen konnte, wo es später von einer Rattenfamilie vertilgt wurde.
Als eine angemessene Zeitspanne verstrichen war, in der er ohne Weiteres sein Abendessen hätte zu sich nehmen können, rief Groanin den Zimmerservice an und erklärte dem Mann am Schaltpult, dass der Servierwagen wieder abgeholt werden könne.
Wenige Minuten später stand Angus persönlich vor Groanins Zimmertür und war die Freundlichkeit in Person.
»Alles zu Ihrer Zufriedenheit?«, erkundigte sich der Schotte bei Groanin.
»Äh, ja, es war sehr schmackhaft«, erwiderte dieser.
»Es geht doch nichts über ein schönes Roastbeef, nicht wahr, Sir?«
Groanin nickte und verkniff es sich, dem Schotten zu erklären, dass das, was auf seinem Teller gelegen hatte, alles andere als ein schönes Roastbeef gewesen war. Was hätte es auch für einen Sinn gehabt? Der Mann war Schotte. Groanins Meinung nach waren gutes Essen und Schotten im großen Restaurant des Lebens nie gleichzeitig anzutreffen.
»Kann ich Ihnen sonst noch etwas bringen?«, fragte Angus.
»Danke, nein, das war völlig ausreichend«, sagte Groanin. »Ich gehe jetzt ins Bett. Und das englische Frühstück morgen früh, oder vielmehr das schottische, können Sie streichen. Ich brauche lediglich eine Fahrgelegenheit zum Bahnhof.«
»Ich fürchte, der komplette Zugverkehr in Süditalien wird bestreikt«, erklärte der Schotte, während er den Servierwagen zur Tür rollte.
»Sagen Sie bloß, der Vulkan wirkt sich auch darauf aus?«
»Nein, nein. Sie wollen bloß mehr Geld. Und sie streiken gerade jetzt, weil sie sich die Tatsache zunutze machen wollen, dass keine Flugzeuge fliegen.«
»Machiavelli hätte seine helle Freude gehabt«, sagte Groanin. »Dann brauche ich einen Taxifahrer, der gewillt ist, mich nach Rom zu bringen.«
»Wie Sie wünschen, Sir. Gute Nacht, Sir. Schlafen Sie gut, Sir.«
»Ja, ich glaube, das werde ich. Ich werde sicher gut schlafen. Dieser Tag war in mehr als einer Hinsicht ausgesprochen anstrengend und ermüdend.«
Der Schotte zog die Tür hinter sich zu und rieb sich hämisch die Hände.
»Schlaf gut, du englischer Fettwanst«, murmelte er in freudiger Erwartung seines baldigen Glücks und schob den Servierwagen in den Aufzug. »Angenehme Nachtruhe.«
Es war ein Glück, dass Groanin sein Abendessen nicht angerührt hatte, denn Angus hatte ein starkes Schlafmittel daruntergemischt. Irgendwann in den frühen Morgenstunden beabsichtigte er, ins Zimmer des ungehobelten englischen Butlers zu schleichen und die Tasche mit Bargeld zu stehlen, die John mithilfe von Dschinnkraft für Groanin geschaffen hatte.
Groanin leerte ein paar Tüten Kartoffelchips aus der Minibar, sah ein wenig fern und erfuhr auf diese Weise, dass auch verschiedene andere europäische Vulkane Zeichen von Aktivität zeigten: die Montañas del Fuego auf Lanzarote, die Hekla auf Island und der Vulkan von Santorin in der Nähe des griechischen Festlands. Es gab keinen Zweifel, überlegte Groanin, er musste so schnell wie möglich nach Rom, um einen Flug nach Manchester zu erwischen. Wenn sich die Auswirkungen des Streiks und der Vulkane erst richtig bemerkbar machten, lief er Gefahr, für den Rest des Sommers auf dem europäischen Kontinent festzusitzen.
Groanin nahm sein Gebiss aus dem Mund, ließ es in ein großes Glas Wodka Tonic fallen und ging zu Bett.
Trotz der einschläfernden Wirkung von David Copperfield hatte Groanin in dieser Nacht keinen allzu festen Schlaf. Kurz vor Tagesanbruch weckten ihn verstohlene Geräusche im Zimmer, das von dem durch die zerschlissenen Vorhänge hereinfallenden Licht der Straßenlaterne vor seinem Fenster hell erleuchtet wurde. Er öffnete ein Auge und sah eine Gestalt mit seiner Geldtasche in der Hand zur Tür schleichen. Groanin zögerte nicht. Er tastete nach einer Waffe, und das Erste, was er in die Finger bekam, war das silbergerahmte Porträt Ihrer Majestät der Königin. Er schleuderte das Bild wie eine Frisbeescheibe durchs Zimmer, dass es Angus mit voller Wucht an den Hinterkopf knallte und ihm das Bewusstsein raubte – aber nicht, ohne vorher zu Bruch zu gehen.
Groanin schaltete die Nachttischlampe an, setzte sein Gebiss ein, trank den Wodka Tonic, sprang aus dem Bett und betrachtete niedergeschlagen die Szene, die sich ihm bot.
Angus rieb sich mit lautem Stöhnen den rothaarigen Schopf.
»Es tut mir unendlich leid«, sagte Groanin zu dem Porträt. »Ich hätte alles gegeben, um das zu vermeiden, Eure Majestät. Dass Ihr als Projektil herhalten musstet, um einen diebischen Schotten niederzustrecken, ist wirklich unwürdig. Die Respektlosigkeit verschlägt einem die Sprache. Aber in der Hitze des Gefechts habe ich gepackt, was ich in die Finger bekam, und es durchs Zimmer geschleudert. Es tut mir aufrichtig leid.«
Er stieß die Geldtasche ans andere Ende des Zimmers und begann, die Scherben aufzusammeln. Er nickte der Frau auf dem Foto zu und stellte sie mitsamt dem Silberrahmen und der Papprückseite auf sein Bett.
»Schon gut«, sagte Angus. »Ist nichts weiter passiert, glaube ich.«
Groanin bückte sich und versetzte dem Schotten einen Schlag auf sein pinkfarbenes Ohr. »Aua!«, sagte Angus.
»Mit dir redet keiner, Rob Räuber MacGregor. Höchstens die Polizei, sobald ich sie angerufen habe.«
Er griff zum Telefonhörer und begann zu wählen.
»Bitte, Sir. Haben Sie Mitleid mit mir. Die Polizei hat schon eine Akte über mich und wird mich verhaften. Ich werde mit Sicherheit ausgewiesen.« Angus rollte sich herum und nahm eine flehende Körperhaltung ein.
Groanin hörte auf zu wählen. Als ehemaligem Dieb gefiel es ihm nicht, jemanden der Polizei auszuliefern: Wenn Nimrod sich nicht so nachsichtig gezeigt hätte, wäre er, Groanin, womöglich selbst ins Gefängnis gewandert. Konnte er da etwas anderes tun, als diesem wertlosen Kerl ebenfalls zu verzeihen?
Er legte den Hörer auf und packte den Schotten. Groanin hatte einen seiner Arme durch Dschinnkraft erhalten, der infolgedessen über besondere Kräfte verfügte. Das war vor allem dann praktisch, wenn es galt, Nimrods schwere Koffer zu tragen, während der Butler den Arm nur selten benutzte, um andere Leute einzuschüchtern. Jetzt allerdings hob er den Schotten mit seinem starken Arm langsam bis zur Decke hinauf. Was überaus einschüchternd war. Angus kreischte laut, als er mit dem Kopf die Decke streifte.
»Sei froh, dass ich so nachsichtig bin«, sagte Groanin.
»Vielen Dank, Sir.«
Groanin sah auf die Uhr. Es war fünf Uhr früh, und es schien wenig Zweck zu haben, sich wieder ins Bett zu legen.
»Ich sag Ihnen was«, sagte er. »Besorgen Sie mir ein Taxi, und wir sind quitt.«
»Jawohl, Sir. Sehr wohl, Sir.«
Groanin trug Angus zum Telefon und setzte ihn ab. Der Schotte wählte unverzüglich eine Nummer und sagte etwas auf Italienisch. Das ging mehrere Male so. Schließlich gestand er, dass in ganz Neapel kein Taxi aufzutreiben sei.
»Wegen des Eisenbahnstreiks«, erklärte er.
»Sehen Sie zu, dass ich irgendwie nach Rom komme, und zwar pronto«, knurrte Groanin, »sonst werden Sie feststellen, dass es keinen Mangel an Polizeiwagen gibt, die Leute ins Kittchen schaffen können.«
»Jawohl, Sir«, piepste Angus und griff wieder zum Telefonhörer.
Eine halbe Stunde später legte er mit erleichterter Miene auf.
»Alles klar«, sagte er. »Ich habe jemanden, der bereit ist, Sie nach Rom zu bringen. Es ist nicht unbedingt das, was man ein Auto nennen würde, aber ich kann Ihnen versichern, dass sich heute Morgen nichts anderes auftreiben lässt.«
»Wenn es kein Auto ist, was ist es dann?«
»Ein Lieferwagen«, sagte Angus. »Der Fahrer heißt Bruno Tataglia. Wie es aussieht, wollte Bruno sowieso nach Rom, um seine Mutter zu besuchen. Sie müssen ihm auch nichts dafür bezahlen. Er erweist mir damit einen Gefallen.«
Groanin nickte. »Ein Lieferwagen reicht mir.«
»Und Sie versprechen mir, nicht die Polizei zu rufen?«
»Wenn dieser Lieferwagen auftaucht, verspreche ich es. Wenn nicht, wandern Sie in den Bau.«
Eine Stunde später standen Groanin und Angus draußen vor dem Hotel neben dem Lederkoffer des Butlers und warteten auf seine Mitfahrgelegenheit nach Rom.
»Wo bleibt der Kerl?«
Eine fröhliche Klingelmelodie verkündete die Ankunft des blassblauen Lieferwagens vor dem Eingang des Hotels. Auf dem Dach des Wagens saß eine riesige Waffel mit einer Kugel Eiscreme, die über die Ränder zu laufen schien, während die schwarzweißen Sitze im Innern des Eiswagens aussahen, als wären sie mit Kuhfell überzogen. Der Wagen trug die Aufschrift TUTSI-FRUTSI GELATI.
»Das ist ein verflixtes Eisauto!«, protestierte Groanin. »Vielleicht sollte ich Sie doch noch der Polizei übergeben, Sie unverschämter Gauner!«
»Das ist das einzige Transportmittel, das ich auftreiben konnte, ehrlich, Sir.« Angus zuckte die Achseln. »Wenn Sie mir mehr Zeit geben, kann ich vielleicht einen passenderen Ersatz finden, aber ausgerechnet heute … «
»Es muss reichen«, sagte Groanin. »Ich kann nicht länger warten.«
Der Lieferwagen hielt an und die Klingelmelodie verstummte. Dann wurde eine Fensterscheibe heruntergeleiert, und der Fahrer lehnte sich heraus.
Er war ein großer Mann mit kurz geschnittenem grauem Haar, einem stattlichen Bauch und Glupschaugen. Seine Stimme klang, als würde man Kohlen zertreten. Groanin fand ihn ziemlich furchterregend für einen Eisverkäufer. Er konnte sich nicht vorstellen, dass viele Kinder Lust hatten, bei jemandem Eis zu kaufen, der aussah wie ein Profiwrestler. Und zwar nicht wie irgendein Profiwrestler, sondern wie der Bösewicht im Ring, der brutale Ich-mach-dich-fertig-Typ.
»Ist das der Engländer?«, fragte Bruno.
»Ja«, sagte Angus, »das ist er.«
»Andiamo«, sagte Bruno. »Wir fahren. Stellen Sie Tasche nach hinten und kommen Sie zu mir auf Kutschbock, Engländer. Okay?«
Groanin stellte seinen Koffer, wie geheißen, nach hinten und kletterte dann neben Bruno auf den Beifahrersitz. Beim Losfahren setzte die Klingelmelodie wieder ein.
Es dauerte ein paar Minuten, ehe Groanin das Gewehr hinter seinem Sitz bemerkte, und noch ein wenig länger, bis er den Mut zusammengerafft hatte, Bruno darauf anzusprechen. Allerdings nicht direkt. Er beschloss, sich dem Thema auf Umwegen zu nähern, indem er zuerst über Musik redete, von der es hieß, kein Tier sei so wild, dass sie es nicht zu zähmen vermöge, was natürlich auch für Eiscreme galt.
»Äh, die Melodie, die Ihr Wagen da spielt«, sagte er, »kommt mir irgendwie bekannt vor, was ist das?«
»Es heißt ›Parla più piano‹. Gefällt Ihnen, Engländer?«
»Ja, sie gefällt mir sehr. Ist sehr beruhigend und romantisch.«
»Und sehr italienisch auch.«
»Ja, das stimmt. Es ist die Art von Musik, bei der man an Sommer, Blumen und freundliche Italiener, an gutes Essen und glückliche Familien denkt. Die Art von Musik, bei der man sich wundert, warum ein Mann mit einer Schrotflinte in seinem Eisauto durch die Gegend fährt.«
Bruno zuckte die Achseln. »Wenn Sie neben mir auf Kutschbock sitzen, brauchen Sie Schrotflinte, Engländer. Was denken Sie von mir?«
Erst jetzt bemerkte Groanin, dass Bruno eine kugelsichere Weste trug. Sie war schwarz und hatte ein kleines grünes Krokodil auf der Brusttasche.
»Sie meinen, ich soll den Wachposten auf dem Beifahrersitz spielen, so wie in den alten Westernfilmen?«, fragte Groanin. »Sie machen Witze, oder? Auf der Autostrada gibt es keine Indianer.«
»Vor Indianern müssen wir nicht auf Hut sein.« Bruno lachte. »Und bis Rom Sie können ganz entspannt sein, Engländer. Ärger kommt erst dann.«
»Welcher Ärger?«
»Eiscreme wird in Rom kontrolliert von Mafia. Eiscreme in Neapel wird kontrolliert von Camorra. Camorra ist gleiche Bande wie Mafia. Eisverkäufer in Rom zahlen Schutzgeld an Mafia. Deshalb mögen sie keine Eisverkäufer aus Neapel in ihre Stadt. Ich will in Rom keine Eis verkaufen. Aber Mafia weiß das nicht.« Bruno zuckte die Achseln. »Also legen Sie Schrotflinte auf Knie für Fall, dass jemand Eiswagen entführen will. Capito?«
»Hören Sie, Bruno, ich will doch nur zum römischen Flughafen gebracht werden.«
»Alles klar. Ich tue Ihnen Gefallen. Aber Sie tun mir auch Gefallen, oder ich lasse Sie hier an Straßenrand. Sie entscheiden.«
Groanin dachte einen Moment nach. »Also gut. Wenn Sie es so formulieren.«
Es dauerte etwa eine Stunde, bis Bruno Groanin mitteilte, dass sie nun die Ausläufer von Rom erreichten und er die Flinte an sich nehmen solle.
Groanin tat, wie ihm geheißen. Er legte sich die Waffe in den Schoß, obwohl er sicher war, sie keinesfalls benutzen zu können, sollten sie in Schwierigkeiten geraten. Er hatte noch nie etwas geschossen, abgesehen von ein oder zwei Hasen. Einer der Vorteile, für einen Dschinn zu arbeiten, bestand darin, dass Gewehre zur Selbstverteidigung vollkommen überflüssig waren.
Vielleicht wäre ihre Reise auch weiterhin ereignislos verlaufen, hätten sich nicht zwei unglückliche Ereignisse zugetragen. Das erste bestand darin, dass Bruno am Straßenrand ein hübsches Mädchen entdeckte, das ihm zuwinkte, woraufhin er stehen blieb, um ihr ein Eis zu verkaufen.
»He, was machen Sie da?«, fragte Groanin, als der Eiswagen mit lautem Geklingel neben dem Mädchen an den Straßenrand fuhr. »Ich dachte, Sie hätten gesagt, Sie wollten im Umkreis von Rom kein Eis verkaufen. Das wird der Mafia nicht gefallen.«
»Ich bin Eisverkäufer«, verteidigte sich Bruno. »Ich kann nicht anders. Das ist meine Job. Außerdem ist sie sehr hübsches Mädchen.«
Und damit hatte er auf jeden Fall recht. Doch wie sich herausstellte, wollte das Mädchen kein Eis, sondern eine Mitfahrgelegenheit, und da der Beifahrersitz des Eiswagens bereits besetzt war, musste Bruno ablehnen. Also fuhren sie weiter und bemerkten dabei das zweite Unglück, das darin bestand, dass der Wagen immer weiter »Parla più piano« dudelte.
Eine ganze Weile fand Groanin diesen Umstand nur ärgerlich, bis Bruno erwähnte, dass diese Melodie für die Mafia ein Ärgernis war, ja sogar als Beleidigung galt.
»Können Sie sie denn nicht irgendwie ausschalten?«, fragte Groanin, während sie durch eine von Graffiti verschmierte Vorstadt fuhren.
»Dafür muss ich Wagen anhalten«, gab Bruno zu. »Und das will ich hier nicht. Außerdem, sie folgen uns schon, glaube ich.«
»Wie kommen Sie darauf?«
»Hinter uns ist anderer Eiswagen. Er folgt uns schon fünf Kilometer.«
Groanin beugte sich vor und spähte in den Seitenspiegel. Bruno hatte recht: Etwa dreißig Meter hinter ihnen befand sich ein grüner Eiswagen, und noch während Groanin hinsah, beschleunigte er und kam näher.
»Was werden die tun, wenn sie uns zum Stehen bringen?«, fragte Groanin.
Bruno lachte grimmig. »Werden sicher kein Eis kaufen, Engländer«, sagte er. »Und hinterher ist vielleicht Himbeersoße auf Boden, no?«
»Geben Sie Gas!«, schrie Groanin. »Sie kommen näher!«
Doch der grüne Eiswagen war schneller als Brunos blauer und schob sich zügig neben Groanins Seitenfenster.
Der Fahrer war ebenfalls ein sehr dicker Mann. Sein Mund war so breit wie eine Schaufel und seine Locken so dicht und schwarz, dass sie aussahen wie ein Wollhut. Er grinste Groanin an und fuhr dann mit dem Finger über sein mehrfach gefaltetes Kinn.
»Geben Sie´s der Bande!«, schrie Bruno. »Das Gewehr! Los, geben Sie´s ihnen!«
Das ließ sich Groanin nicht zweimal sagen. Überaus erleichtert, dass sich Bruno anscheinend doch auf keinen Kampf einlassen wollte, lehnte er sich aus dem offenen Fenster und reichte dem Fahrer des anderen Lieferwagens die Flinte mit dem Schaft voran.
»Was machen Sie da?«, brüllte Bruno.
»Sie haben gesagt, ich soll es ihnen geben«, sagte Groanin. »Und das hab ich gemacht.«
»Ich wollte, dass Sie Mann erschießen!« Bruno fluchte laut, als der andere Fahrer auf den Straßenrand deutete.
»Mit dem Gewehr?«, fragte Groanin schockiert.
»Jetzt wir müssen stehen bleiben«, sagte Bruno und fuhr langsamer. »Sonst sie erschießen uns.« Er zuckte die Achseln. »Vielleicht sie erschießen uns trotzdem, Engländer. Ich hoffe, Sie wissen, wie man betet. Und bettelt. Und schauspielert.«
»Schauspielert? Was reden Sie da? Schauspielern.« Groanin schüttelte den Kopf. »Ich bin ein Butler und kein säuselnder Rampentiger.«
Bruno hielt den Wagen an und schaltete den Motor aus, sodass das Geklimper endlich verstummte.
»Na, wenigstens etwas«, sagte Groanin.
»Tun Sie, als wären Sie verrückt. Das ist Ihre einzige Chance«, knurrte Bruno. »Römische Mafia ist sehr abergläubisch. Sie mögen es nicht, verrückte Menschen zu töten. Außer wenn sie sind Politiker. Vielleicht sie lassen Sie gehen, wenn Sie spielen verrückt.«
»Ich werde nichts dergleichen tun«, sagte Groanin. »Ich bin Engländer. Wir haben das britische Empire nicht geschaffen, indem wir uns verrückt stellten, wenn es brenzlig wurde. Was jetzt gebraucht wird, ist ein bisschen Rückgrat, mein neapolitanischer Freund. Rückgrat, starke Nerven und britische Beharrlichkeit.«
Er setzte seinen Bowlerhut auf, stieg aus dem Eiswagen und machte sich bereit, dem Feind ins Auge zu sehen.
