ACHT
Damen dreht sich zu mir um, und das Wort
Problem springt von seinem Verstand in meinen über.
Doch ich stehe einfach nur da, so erschlagen, dass
ich keine Ahnung habe, wie ich jetzt weitermachen soll.
»Ich wusste ja, dass sie ein Problem sein würde.«
Kopfschüttelnd lässt er sich aufs Sofa fallen. »Sie ist zu
anfällig, zu sprunghaft, sie wird mit all dem nicht klarkommen. Es
wird nicht lange dauern, bis ihre Macht sie verzehrt, wart’s nur
ab.«
»Abwarten?« Ich hocke mich neben ihm auf die
Armlehne. »Ist das dein Ernst. Was denn abwarten? Du meinst,
es wird noch schlimmer als das, was wir gerade gesehen
haben?«
Er nickt und gibt sich große Mühe, sich einen
rechthaberischen Blick zu verkneifen. Nicht dass es darauf ankäme.
Wir wissen beide, dass ich für diesen Schlamassel verantwortlich
bin.
Ich seufze, rutsche von der Armlehne und plumpse in
seinen Schoß. Mir ist klar, dass ich irgendetwas tun muss, die
Situation unter Kontrolle bringen muss, bevor es noch schlimmer
wird, aber ich habe keinen blassen Schimmer, was dieses
Irgendetwas ist. Jede Entscheidung, die ich bis jetzt
getroffen habe, hat alles nur noch verschlimmert. Und ich bin so
müde, so ausgelaugt. Alles, was ich will, ist, ein schönes langes,
friedliches Schläfchen halten, irgendwo, wo Roman nicht in meine
Träume eindringen kann.
Roman.
Der Name hallt aus meinem Kopf in seinen, und als
er mich ansieht, ist es zu spät - ich weiß, dass er es gespürt
hat.
»Warum hast du es dir anders überlegt?« Er sieht
mich unverwandt an, sucht die Wahrheit hinter dem Blick in meinen
Augen, den Worten auf meiner Zunge. »Warum hast du ihr gesagt, sie
soll ihn meiden?«
»Weil du Recht hattest«, murmele ich undeutlich.
Ich hasse die Lüge, die ich gleich aussprechen werde. »Das war
egoistisch, sie in solche Gefahr zu bringen, nur damit wir davon
profitieren können.« Ich schüttele den Kopf und lasse mein Haar so
über mein Gesicht fallen, dass es meine Züge verbirgt.
Denn die Wahrheit ist, ich habe Angst, dass ich es
nicht um ihretwillen getan habe.
Ich habe Angst, dass ich versucht habe, sie von
Roman fernzuhalten, damit mehr Platz für mich ist.
So verharre ich, das Gesicht verborgen, während ich
mit aller Kraft versuche, mich zusammenzureißen, einen kleinen
Schimmer meines alten Ichs heraufzubeschwören. Schließlich hebe ich
den Kopf und sehe, dass er die Stirn in sorgenvolle Falten gelegt
hat. Seine Hand drückt mein Knie.
»Hey, ganz locker bleiben«, sagt er mit sanfter
Stimme. »Sei nicht so hart gegen dich selbst. Okay, wir haben ein
bisschen eine Durststrecke erwischt, das stehen wir schon durch.
Wir haben doch immer noch uns, nicht wahr? Das ist alles, worauf es
im großen Plan aller Dinge ankommt. Und was alles andere angeht, da
finden wir einen Lösung. Ich versprech’s dir, wir finden
eine.«
»Wirklich?« Ich sehe ihn an, und meine Augen werden
groß, als mir klar wird, was ich gerade gesagt habe. Ich hatte
hinterfragen wollen, dass wir eine Lösung finden werden -
nicht dass wir immer noch uns haben.
Er sieht mich an, eindeutig beunruhigt von meinen
Worten. »Ich dachte, das wäre selbstverständlich. Liege ich da
falsch?«
Ich schlucke krampfhaft und greife nach seiner
Hand, sehe den Schleier aus Energie zwischen seiner und meiner
Handfläche tanzen. Dabei halte ich die Worte zurück, bis ich meiner
Stimme wieder trauen kann. »Du liegst nicht falsch«, flüstere ich.
»Du bist das Beste in meinem Leben, das Einzige, was wirklich
wichtig ist.« Wiederhole die Worte, von denen ich ganz genau weiß,
dass sie wahr sind. Ich wünschte nur, ich könnte sie noch immer
genauso fühlen wie sonst.
Doch Damen kauft mir das nicht ab, er kennt mich zu
gut - hat im Laufe der letzten vierhundert Jahre eine Million
verschiedene Stimmungsumschwünge miterlebt, eine Quadrillion
verschiedene Stimmlagen und Vermeidungstechniken. Und damit sind
nur meine gezählt.
»Ever, ist irgendetwas? Du benimmst dich seltsam,
seit du …«
Ich sehe ihn an, und meine Stimme ist scharf und
gereizt, als ich ihm ins Wort falle: »Seit ich dir das Elixier
eingeflößt habe, das Berührungen tödlich gemacht hat?«
Er schüttelt den Kopf.
»Seit ich Haven zu einer Unsterblichen gemacht
habe?«
Wieder schüttelt er den Kopf und legt mir diesmal
den Finger auf die Lippen, bringt mich zum Schweigen. »Das habe ich
alles nicht gemeint. Du hast die besten Entscheidungen getroffen,
die dir unter den jeweiligen Umständen möglich waren. Ich habe kein
Recht, dir das vorzuwerfen. Was ich sagen wollte, ist, du benimmst
dich merkwürdig,
seit du angefangen hast, dich näher mit Magie zu befassen. Du
wirkst geistesabwesend, zerstreut, als ob du gar nicht mehr richtig
anwesend bist. Und ich mache mir Sorgen um dich und frage mich, ob
du dich übernommen hast, und wenn ja, wie ich dir helfen
könnte.«
Ich sehe ihm in die Augen, und dort ist so viel
Hoffnung und Zärtlichkeit, dass ich es nicht über mich bringe zu
gestehen, was ich in letzter Zeit für Roman empfinde. Allein der
Gedanke ist zu grauenhaft. »Ich gebe zu, ich stecke ein bisschen in
einer Klemme. Und auch wenn ich lieber nicht auf all die Details
eingehen möchte, jetzt ist es besser. Romy und Rayne haben mir
gezeigt, wie ich das Problem lösen kann, und es ist alles …
gut. Du musst mir einfach vertrauen.«
Er sieht mich an, und seine Besorgnis nimmt zu,
trotzdem nickt er nur und sagt: »Wenn du mir sagst, ich soll dir
vertrauen, dann vertraue ich dir. Aber lass mich wissen, wenn ich
sonst noch etwas tun kann.«
Ich strecke die Hand nach ihm aus, nach meinem
Freund, meinem Seelengefährten, meinem Partner fürs ganze Leben.
Und weiß, dass es genau so sein soll, dass alles, was ich
jetzt durchmache, lediglich eine rüde Störung ist, ein technisches
Problem, ein kurzes Flackern auf dem Schirm unserer endlosen
Leben.
Und ich bin mir dieses schrecklichen, beharrlichen
Summens bewusst, das im Hintergrund schwirrt und droht, wieder die
Oberhand zu gewinnen, als ich ihm direkt in die Augen sehe und
frage: »Was hältst du davon, wenn wir uns absetzen?«
Sein Gesicht wird weicher, seine Augen leuchten
auf; für ein gutes Abenteuer ist er immer zu haben. »Hast du etwas
Besonderes im Sinn?«, erkundigt er sich und hat eindeutig
keine Ahnung, was ich im Sinn habe, doch sein Blick erklärt sich
unverkennbar einverstanden.
Ich nicke, drücke seine Hand und dränge ihn stumm,
die Augen zu schließen. »Komm mit«, flüstere ich.