Paris

DIE EREIGNISSE VON 1711 BIS 1713

Die Fahrt nach Paris war überaus lang und mühselig. Wir mussten zahllose Pausen einlegen. Obwohl Domenico, Cloridia und ich, der ich wieder zu Kräften gekommen war, ihm zur Seite standen, musste Atto die ganze Zeit über in der Sänfte reisen.

Mein Gewerbe als Rauchfangkehrer hatten wir in aller Eile an eine italienische Familie verkauft. Die Verhandlungen hatte Camilla als Vertreterin des einflussreichen Himmelpfortklosters überaus geschickt geführt – Nonnen sind bekanntlich immer schon gute Geschäftsfrauen gewesen. Den Erlös hatte ich unseren beiden Töchtern nach Rom geschickt; – es war die langersehnte Mitgift.

Ich hätte auch den Weinberg und das Haus in der Josephina verkaufen wollen, denn die Vorstellung, dieses Besitztum für wer weiß wie lange Zeit allein zu lassen, missfiel mir. Womöglich würde jemand es sich aneignen. Doch Cloridia war nicht einverstanden und hatte die Schwester um Hilfe gebeten. Camilla beruhigte uns, sie wolle persönlich über das Gut wachen. Abbé Melani lobte diese Entscheidung: «Die Kaufleute wollen uns unserer Ländereien berauben, indem sie uns lumpiges Papier dafür geben, das von einem Tag zum anderen wertlos werden kann. Der Boden hat keinen Preis, mein Junge: Er gibt zu essen, und darum macht er uns frei.»

In Paris wohnte Atto, und wir mit ihm, in der Rue des Vieux Augustins in einer Mietwohnung, die einem gewissen Monsieur de Montholon gehörte. Seltsam, dachte ich, wir hatten das Augustinerinnenkloster in der Himmelpfortgasse verlassen, um in einer Straße zu wohnen, die nach demselben Orden benannt war.

Anfangs hatte ich geglaubt, ich würde ein Diener Attos werden, ein Page oder etwas Ähnliches. Doch bei unserer Ankunft wurde mir sofort klar, dass er mich nicht brauchte. Der alte Kastrat verfügte über eine ansehnliche Schar von Hausdienern. Und obwohl es zutraf, dass die frühere, hochbetagte Gouvernante sich zurückgezogen hatte und Cloridia daher recht bald ihre neue Stellung im Haus des Abbés fand, sah ich wahrhaftig nicht, was ich, obendrein ohne Stimme, hier hätte tun können.

Ich konnte noch nicht wissen, dass Atto ganz besondere Pläne mit mir hatte, und zwar nicht erst seit kurzem.

Nicht das erste Mal hatte er mich gebeten, bei ihm zu wohnen. Er hatte es mir schon 1683, vor achtundzwanzig Jahren, angeboten, doch ich hatte abgelehnt, empört über die Intrigen und Lügen, in die er mich verstrickt hatte.

Jetzt konnte er seinen Wunsch endlich verwirklichen. Damit ich mich nicht überflüssig fühlte, gab er mir kleine Aufträge und zahlte mir ein Gehalt, das einem Kardinalssekretär gebührt hätte. Den größten Teil der Zeit verbrachte ich indes damit, ihm zuzuhören. Eines Tages begann er, wie nebenbei, mir von seiner Herkunft zu erzählen, von seiner Kindheit, seinen Jugendträumen. Er wurde immer vertraulicher, nicht einmal den schrecklichen Tag, als der Barbier mit dem Messer in der Hand im Haus seines Vaters erschien, um ihn zu kastrieren, ließ er aus.

Er erzählte Tag und Nacht, während der Mahlzeiten, mit vollem Munde, nachdem er alle anderen vor die Tür gesetzt hatte, und weiter bis zum späten Abend, wenn er keinen Schlaf fand und mich aus dem Ehebett riss, um ein wenig Gesellschaft zu haben. Cloridia zeigte Verständnis für die Launen des Kastraten und übte sich in Geduld. Sie hatte den nunmehr fast hilflosen Alten in ihr Herz geschlossen.

Alles, wirklich alles erzählte mir Abbé Melani: Machinationen und Geheimnisse, bei denen es mir den Atem verschlug, unverzeihliche Sünden, für die er dem Allerhöchsten schon bald würde Rechenschaft ablegen müssen. Manchmal überwältigte ihn die Trauer, wenn er die Vergangenheit mit seinen eigenen Worten noch einmal durchlebte; andere Male hingegen zeigte er sich demütig bereit, den Preis für seine Sünden zu zahlen. So zogen in den drei Jahren, die ich bei ihm blieb, die Lustren seines langen Lebens in ungestümer Weise an meinen Augen vorüber, bis er so weit war, der Jahre seiner Reife zu gedenken. Und dann erzählte er mir auch noch das, was ich schon kannte oder, besser, was ich zu kennen glaubte: jene Geschichten nämlich, die ich gemeinsam mit ihm erlebt und deren Geheimnisse ich alle enthüllt zu haben meinte, doch in Wirklichkeit …

Ansonsten verlief Cloridias und mein Leben mit dem alten Kastraten in geordneten Bahnen. Regelmäßig erhielten wir aus Rom die Briefe unserer Mädchen, die sich endlich mit wackeren jungen Männern von bescheidenem Stand (in Rom, der Hauptstadt des Wuchers, konnte es nicht anders sein), aber viel gutem Willen verlobt hatten.

Doch vom ersten Tag an wurde unser Aufenthalt in Paris von den Scharmützeln zwischen Atto und seinen Verwandten getrübt. Domenico wurde, wie Abbé Melani mir schon angekündigt hatte, alsbald in die Toskana zurückgeschickt. Stattdessen kam nun häufig ein gewisser Champigny ins Haus, der ihm als Sekretär diente. Atto diktierte ihm alle Schreiben, die er den Verwandten in Italien sandte, damit sie weiterhin glaubten, er sei unrettbar erblindet. Domenico würde ihn nicht verraten: Er wusste, dass ihn eine stattliche Erbschaft als Belohnung erwartete.

Es war dies ein fortwährendes Hin und Her, das dem trotzigen Geplänkel zwischen Kindern glich. Im Juni erinnerte der Abbé die Neffen vergeblich daran, dass sie ihm die kandierten Orangen noch nicht geschickt hatten – als wäre Paris nicht voll sizilianischer Konfiserien! Dann ging er dazu über, wegen eines Wäldchens in seinem Besitz zu klagen, welches aus Mangel an Pflege zugrunde zu gehen drohte. Im August schrieb er den Neffen endlich, dass er genau wisse, wie viel Geld der Familie Melani zufließe, denn als Domenico seinerzeit das Amt des Sekretärs der Consulta von Siena erhalten habe, habe man ihm aus Florenz eine Nachricht über all seine Bezüge und Ehrungen geschickt. Nachdem sie diesen Schlag eingesteckt hatten, versprachen die Neffen, um den Onkel versöhnlich zu stimmen, ihm einen Landsmann mit einer Hartwurst und einer Mortadella von bester Qualität zu schicken, besser als jene harte und übermäßig gepfefferte, die sie ihm kurz vor seiner Reise nach Wien untergejubelt hatten.

Doch nicht nur Unerquickliches kam aus der heimatlichen Toskana. Gast in seinem eigenen Landhaus war in diesen Tagen Madame Konnetabel Maria Mancini, seine alte, angebetete Freundin, die vor elf Jahren in Rom vor meinen Augen eine Intrige mit Atto angezettelt und damit das Schicksal Europas gewendet hatte.

Wenn die Briefe der Madame Konnetabel ankamen, verschwanden alle Schatten aus Attos Gesicht. Sogleich traf er Vorbereitungen, um sich nach Versailles zur Audienz bei Ihrer Majestät zu begeben, wo er um Erlaubnis bat, Maria in seiner Heimatstadt Pistoia zu besuchen.

Diese Geschichte wiederholte sich jedes Jahr: Kaum brach die schöne Jahreszeit an, erschien Maria in Attos Villa in der Toskana. Auf diese Nachricht hin ließ der alte Kastrat die Kutsche anspannen und suchte eilig den König auf, um ihn zu bitten, nach Italien zurückkehren zu dürfen. Jedes Mal, wenn er eine Abfuhr erhielt, ärgerte er sich maßlos. Doch der Abbé versuchte es immer wieder, und trotz der schwülen Witterung reiste er oft zwischen Paris und Versailles hin und her, unermüdlich und ohne dass es ihm beschwerlich wurde, fast wie ein junger Mann – so viel Kraft fuhr ihm in die alten Glieder, wenn er nur an seine Madame Konnetabel dachte, die einzige Frau, die der alte Kastrat je geliebt hatte. Sie hatten sich seit fünfzig Jahren nicht gesehen.

Auch der Großherzog hörte nicht auf, ihn mit Bitten wegen seiner Schutzbefohlenen zu belästigen. Im Herbst jenes Jahres erlitt Atto einen Sturz in seinem Zimmer, welches er fast den ganzen Winter über nicht verließ, obwohl er bei guter Gesundheit war. Die kandierten Orangen, die gute Mortadella und die Wurst, zu denen sich noch die Bitte um Pomade und Orangenblütenkonfekt gesellt hatte, waren immer noch nicht eingetroffen. Unterdessen schickte Atto Boten nach Pistoia, damit sie ihm vom Zustand seines Hauses und dem Aussehen des Großneffen berichteten, nicht zuletzt auch die ersehnten Leckereien mitbrächten (der Abbé war wirklich dickköpfig!) und den Neffen ankündigten, dass er selbst, so der Krieg im Frühling beendet wäre, nach Pistoia kommen und dort ein Jahr bleiben würde.

Doch ein Jahr später, im März des Jahres 1712, war der Frieden immer noch nicht da, und so musste ich zu meiner Überraschung aus dem Mund des Abbés Worte bitterer Reue darüber hören, dass er vor zwölf Jahren die Wahl des Papstes Albani erwirkt hatte. Jetzt trauerte er seinem guten Freund nach, dem seligen Kardinal Buonvisi, und hatte sich sogar einige seiner Briefe an ihn in Pistoia kopieren lassen, damit sie der Nachwelt erhalten blieben.

«Wenn Buonvisi Papst geworden wäre», jammerte er, «wäre die Toskana nicht von den Alemannen unterdrückt worden, und der Frieden wäre schon vor Jahren geschlossen worden. Doch weil Gott die christliche Welt strafen wollte, rief er diesen großen Mann zwei Monate vor der Wahl des regierenden Pontifex zu sich, denn hätte Buonvisi noch gelebt, wäre gewiss er Papst geworden, nicht Albani, und ich hätte meinen Lebensabend vielleicht in Rom und nicht in Frankreich verbracht!»

Wie Palatino angekündigt hatte, hörte der Krieg nicht auf zu wüten, und die Völker verarmten. So würde es weitergehen, bis das zerstörte Europa einem von den Geschäftemachern beschlossenen Frieden ausgeliefert war. In ihrem Würgegriff endete schließlich auch der Abbé: Die Zahlungen seiner Ruhegelder, sowohl jene des Königs als auch jene des Hôtel de Ville, wurden ausgesetzt, und Atto musste an seine Ersparnisse, um die monatlichen tausend Franken für seine Miete bezahlen zu können.

Doch nicht alle besaßen diese Möglichkeit. Die Armut war so groß, dass auch Menschen, die ihm von Madame Konnetabel empfohlen worden waren, sich schließlich wie Betrüger verhielten, zum Beispiel ein gewisser Monsieur Jamal, der plötzlich unter falschem Namen aus Paris abreiste, um dem Abbé die zweihundert geliehenen Franken nicht zurückzahlen zu müssen. Zum Glück griff Madame Colonna sofort ein und beglich die Schuld.

Und inmitten all dieser Unbilden wurden die kandierten Orangen, nachdem die Neffen sie endlich abgeschickt hatten, unterwegs gestohlen.

Attos einziger Trost war es, in den Briefen des Durchlauchtigsten Großherzogs zu lesen, dass der neue, soeben geborene Großneffe, dem der Großherzog bei der Taufe Pate gestanden hatte, der Madame Konnetabel überaus wohl gefallen, ja sie an eine jener Putten aus Stuck erinnert habe, welche in Lucca hergestellt werden. Und kaum las Atto wieder Nachrichten von Maria Mancini, saß er am nächsten Morgen bei Tagesanbruch schon in der Kutsche nach Versailles, um den König zum erneuten Male anzuflehen, er möge ihn nach Pistoia zurückkehren lassen.

1713 hatte Atto schon zwei Großneffen, doch seine Gesundheit gestattete ihm nicht mehr, einen einzigen Schritt in seinem Zimmer zu tun, ohne sich abzustützen, ja, er konnte nicht einmal mehr zur Messe gehen. Überdies war er inzwischen wirklich erblindet. In einem unaufmerksamen Moment hatte er den Neffen geschrieben: «Zuletzt traf mich das Unglück, nicht mehr lesen noch schreiben zu können», was die Verwandten und sogar den Großherzog, die ihn seit Jahren blind wähnten, überrascht und empört hatte. Große Hoffnungen machte ihm sein Freund Monsieur de la Haye, der seine Sehkraft mit achtzig Jahren wiedererlangt hatte. Doch an Attos Augen sollte dieses Wunder nie geschehen.

Da er ahnte, dass der Abbé nicht mehr lange leben würde, schickte der Großherzog im Sommer Domenico nach Paris. Atto war sehr schwach, hoffte aber immer noch auf ein Wunder, das ihm gestatten würde, nach Pistoia zurückzukehren.

In diesem Jahr 1713 hatte Frankreich die Talsohle erreicht: Die Staatsfinanzen waren so zerrüttet, dass nach Melanis Worten hundert Jahre Frieden nicht ausreichen würden, die Schulden des Königs zu bezahlen. Sämtliche Einkünfte des Reiches waren verpfändet, darum fürchtete man, dass die Einnahmen des Hôtel de Ville alle geschönt wurden. Seit gut zwei Jahren wurden keine Pensionen mehr gezahlt, obwohl halb Frankreich von diesen Bezügen lebte. Atto hatte inzwischen seine gesamte Habe in Bargeld erschöpft, er wusste nun wirklich nicht mehr, wie er die Miete bezahlen sollte. So nahm die Rückkehr nach Pistoia die Bedeutung einer Rettung in extremis an, denn zum Glück besaß er noch sehr viele Ländereien und Häuser.

Im November 1713 erfuhr er, dass Maria immer noch in seinem Haus in Pistoia weilte, und hoffte, der König werde ihn endlich freigeben. Der Frieden war fast perfekt: Prinz Eugen und der Marschall de Villars hatten in Rastatt eine Unterredung geführt, und man nahm an, dass das Abkommen über den Waffenstillstand noch vor Weihnachten unterzeichnet würde. Europa lag am Boden. Atto plante, nach Versailles zu fahren, sobald der Winter vorbei war, im April. Wieder wollte er den König anflehen, ihn in seine Heimat reisen zu lassen. Gondi, der Sekretär der Medici, suchte für ihn eine Wohnung in Florenz, im Viertel Borgo Santo Spirito. Er wollte ihn benachrichtigen, wenn er eine angemessene Residenz gefunden hatte. Atto hegte nämlich mitnichten die Absicht, sich aus dem politischen Leben zurückzuziehen, nein, er plante, ungeachtet seines hohen Alters, zwischen Florenz und Pistoia zu pendeln.

Er vertraute darauf, dass der König ihn endlich abreisen lassen würde, wenn der Frieden da war. Voller Vorfreude schrieb er nach Pistoia. Er konnte nicht wissen, dass es sein letzter Brief an die Neffen sein würde.

In dem überaus harten Winter, in welchen die letzten Lebensmonate Attos fielen, begab ich mich eines Tages in das Geschäft eines Buchhändlers aus Pontevedra, bei dem ich regelmäßig einkaufte. Ein anderer Kunde, der mir offensichtlich gefolgt war, drängelte sich im Laden vor, um als Erster bedient zu werden. Sein Gesicht war hinter einem großen Wollschal verborgen. Er fragte den Buchhändler, ob er einen Band mit dem Titel «Aus Halb-Asien» habe. Erstaunt antwortete der Buchhändler, von einem solchen Werk noch nie gehört zu haben. Darauf drehte der Kunde sich auf dem Absatz herum und brummelte ärgerlich vor sich hin:

«Ach, diese Pontevedriner … Halb-Asien!»

Ich blickte auf, und wie in einem Traum sah ich, dass die blaugrünen Augen eines etwas gebückten Hünen, den ich gut kannte, mir hinter dem Wollschal spitzbübisch zuzwinkerten …

Er drückte mir etwas in die Hand und verschwand dann rasch auf der Straße. Ich wollte ihm nachlaufen, doch er war größer, jünger und schneller als ich, ich wollte schreien, aber ich war stumm, ich wollte weinen, aber es hätte nichts genützt. Also lachte ich, immer lauter, denn ich fühlte mich plötzlich leicht wie eine Feder, und dann beugte ich mich über das, was er mir in die Hand gedrückt hatte. Es war ein schmales Büchlein:

Doctoris Henrici Casparis Abelii

STUDENTEN-KÜNSTE

Ein kleines Lesezeichen steckte darin. Ich öffnete das Buch an der Stelle und wusste schon, was ich finden würde. Es war die Seite, wo die Kunstgriffe beschrieben werden, mit denen man Kleider gegen Waffenverletzungen präpariert, jemanden drei Tage schlafen lässt und sich Tiere gefügig macht. Blitzschnell sah ich alles genau vor mir: den Panther und die anderen Raubtiere eingeschläfert oder gezähmt, meinen Gehilfen, der durch den Stollen in die Simmeringer Haide flieht. Richtig, Frosch hatte ihn uns gezeigt. Das hatte ich vergessen. Simonis nicht. Am Rand der Seite stand in der Handschrift von Simonis oder Symon oder wie auch immer sein wirklicher Name lautete: «Danke». Und ich war glücklich.

Eines Nachts träumte ich von einer geheimnisvollen, unter einem schneeweißen, wohlriechenden Mantel verborgenen Wesenheit, die mit dem Fliegenden Schiffe ankam und mich bis zum Turm des Stephansdoms emporhob. Dort erblickte ich den Sockel, der in längst vergangener Zeit den Goldenen Apfel getragen hatte. An seiner Stelle ragte dort nun der Reichsapfel auf, das Sinnbild des Erzengels Michael, Verteidiger des Gottesvolks. Das Wesen zeigte mir eine Inschrift. Es waren die sieben Worte des Erzengels Michael:

Imprimatur

Secretum

Veritas

Mysterium

Dann folgte ein wenig weiter unten: unicum … Und die beiden letzten Worte, die der Erzengel geschrieben hatte? Wie von einem Sturmwind erfasst, entfernte sich das Fliegende Schiff mit schwankendem Bug. Ich fuchtelte verzweifelt mit den Armen, suchte nach Halt, damit ich die letzten Worte der Botschaft noch lesen konnte, doch vergeblich. «Imprimatur et secretum, veritas mysteriumst», rezitierte die überirdische Wesenheit unterdessen mit dröhnender Stimme, wobei sie die übliche gedrängte Form antiker lateinischer Inschriften auflöste, bei denen Verben und Adverbien ausgelassen werden. «Man möge das Geheimnis ruhig enthüllen, die Wahrheit bleibt ein Mysterium!», übersetzte ich.

Darauf sprach das Etwas weiter: «Unicum …» Also: «Es bleibt nur …» Was bleibt? Und nun offenbarte sich mir das Wesen. Es nahm die Kapuze ab und zeigte sein lächelndes Gesicht: Es war Ugonio. Schlagartig bin ich aufgewacht, und darum weiß ich jetzt nicht, wie der Satz endet. Doch vielleicht ist es besser, nicht allzu viel nachzuforschen. Wer weiß, ob dies nicht wieder eine der verrückten Botschaften des Heiligenfledderers ist, wie Allium ursinum oder der Große Legator und das Albanum der Ereignisse in der Villa Spada, die Atto und mich vor vielen Jahren so sehr in die Irre geführt hatten …