Mittwoch

Kapitel 18 Callie

Rae ist so aufgeregt, weil sie nach der Schule zu Hannah zum Spielen darf, dass sie gleich aus dem Bett springt und wenige Minuten später fertig angezogen ist. Dann läuft sie herum und sammelt alle möglichen Armreifen und Sticker ein, die sie mit zu Hannah nehmen will.

Als sie den letzten Löffel Porridge in den Mund geschoben hat und wir uns aufmachen, riskiere ich in der Diele die Frage: »Du hast also nichts dagegen, in den Hort zu gehen?«

Sie setzt zu einem Lächeln an, doch es endet in einem verwirrten Blick. »Nein. Ich weiß nicht.« Plötzlich wird ihr Gesichtchen ernst. »Ich vermisse dich schon.«

»Ich vermisse dich auch«, erwidere ich, bürste vor dem Dielenspiegel ihre langen Locken, ziehe einen Mittelscheitel und flechte zwei Zöpfe, die, wie ich jetzt schon weiß, längst aufgelöst sein werden, bevor sie nach Hause kommt. »Aber bald können wir uns auf viele neue Dinge freuen. Wenn du dich wirklich gut benimmst und tust, was Hannahs Mummy dir sagt, können wir Hannah vielleicht auch einmal zu uns einladen.«

»Ja!«, schreit Rae.

»Und weißt du, was?« Ich lächle sie im Spiegel an. »Vielleicht habe ich auch eine neue Freundin. Eine junge Frau in der Arbeit, die Megan heißt.«

Rae starrt mich im Spiegel an. »Wie ist sie denn so?«

»Nett«, sage ich. »Freundlich. Sie würde dir gefallen – sie sieht aus wie Alice im Wunderland. Und findet meine Witze gut.«

Rae reißt die Augen auf und schaut mich halb verschmitzt, halb spöttisch an, ein Ausdruck, den sie Tom abgeguckt hat.

»He – du Schimpanse!«, knurre ich, packe sie um die Rippen und drücke im Spaß zu.

 

Diesmal haben wir noch viel Zeit, als wir aus der Haustür treten.

»Hey, Honey!«

Sobald ich Suzys Stimme höre, blicke ich unwillkürlich zu Boden und fühle Panik aufsteigen, als wäre eine Falle zugeschnappt. Ich zwinge mich zu einem Lächeln und schaue dann zu Suzy hinüber, die mit Henry aus dem Gartentor tritt.

»Wir haben euch gestern gar nicht gesehen. Wolltet ihr nicht rüberkommen, zu uns ins Bad?«

»Wir waren erst spät zu Hause«, sage ich, als ich mit Rae die Straße überquere. »Aber vielleicht heute Abend. Wenn’s dir recht ist, benutzen wir eure Toilette. Der Klempner hat erst morgen Zeit.«

»Klar.« Gemeinsam laufen wir die Churchill Road entlang. »Na, wie geht’s, Süße?« Suzy klopft Rae auf die Schulter. »Hast du Mummy vom Hort erzählt?«

Raes Gesicht verfinstert sich.

Suzy sieht mich fragend an.

»Ich werde diese Woche mit Ms. Aldon reden«, sage ich. »Bis jetzt hatte ich noch keine Gelegenheit dazu.«

»Na, dann wünsch ich dir viel Glück, dass du was Vernünftiges aus ihr rauskriegst, Honey«, seufzt sie. »Ich kann es kaum erwarten, bis Henry nicht mehr in ihre Klasse muss – eine der Mütter hat mir neulich erzählt, dass sie …« Sie deutet mit der Hand an, dass die Lehrerin wohl gern einen kippt. »Findest du nicht, dass sie manchmal ganz schön verkatert aussieht?«

Aber bevor ich antworten kann, legt Rae los.

»Mummy hat eine neue Freundin in der Arbeit. Sie sieht aus wie Alice im Wunderland. Und findet, dass Mummy gute Witze macht.«

Sie wiederholt ihre drollig-ungläubige Grimasse vor Henry, der in lautes Gelächter ausbricht.

O je. Die arme Suzy. Das wird ihr einen Stich versetzen.

»Sie ist nicht meine Freundin«, murmle ich Suzy so leise zu, dass Rae es nicht hören kann. »Sie arbeitet bloß im Studio.«

Aber Suzy hat anscheinend weder das eine noch das andere gehört. Sie konzentriert sich auf Henrys offenen Schulranzen, den sie beim Gehen zu schließen versucht.

Ich beobachte sie und denke an Megans Vorschlag.

Soll ich Suzy bitten? Bin ich da nicht falsch zu ihr?

Ich krame vernünftige Argumente hervor: Wenn ich anfange, Freundschaften außerhalb der Churchill Road zu schließen, könnte das Suzy auf lange Sicht auch guttun. Sie merkt es freilich noch nicht, aber sie muss sich von mir genauso befreien wie ich mich von ihr. Wenn ich mir meine Freiheit nehme, gebe ich ihr auf Umwegen die ihre zurück.

»Suze …«, beginne ich, als wir die Hauptstraße erreichen.

»Hmmm?«

»Am Donnerstagabend gibt es im Studio einen kleinen Umtrunk. Ich habe wirklich ein schlechtes Gewissen, dass ich dich frage, aber wäre es möglich, dass du ein paar Stunden auf Rae aufpasst? Es wäre erst später, wenn die Jungs schon im Bett sind.«

»Gern, wenn Jez da ist.«

»Wirklich?«

»Aber klar doch.«

»Danke.« Ich hake mich bei ihr ein. »Wenn ich wieder Vollzeit arbeite, werde ich mir eine Tagesmutter suchen, dann brauche ich dich nicht mehr dauernd zu belästigen.«

Sie starrt mich an.

»Also wirklich, Callie! Du brauchst doch keine Tagesmutter! Ich helfe immer gern. Bei Fremden weiß man doch nie, ob man ihnen seine Kinder wirklich anvertrauen kann. Wenn wir schon dabei sind – warum biegst du nicht zum Bahnhof ab? Dann nehme ich Rae mit in die Schule.«

»Wirklich?«

»Klar. Und wenn du magst, rede ich auch mit Ms. Aldon und erkundige mich, was mit Rae los ist. Wenigstens kann ich mein Bestes versuchen.«

»Oh, tausend Dank«, murmle ich erleichtert. Ich weiß, dass ich eigentlich selbst mit Ms. Aldon reden sollte, aber Rae wirkt heute viel munterer, und wenn Suzy sie in die Schule bringt, wären das zwanzig geschenkte Minuten, um mich länger auf die Besprechung mit Parker vorzubereiten.

Ich winke, als Suzy Rae fest an der einen und Henry an der anderen Hand nimmt und mit ihnen die Hauptstraße überquert.

Rae sieht sich noch einmal nach mir um. Lautlos forme ich mit den Lippen die Worte: »Bis später, bei Hannah!« Beinahe hätte ich sie Rae zugerufen, aber im letzten Moment warnte mich mein Instinkt, dass Henry noch nichts von ihrer Verabredung weiß.

 

Bis ich bei Rocket eintreffe, brummt mein Kopf nur so vor Ideen für Parkers Soundtrack.

Er kommt für eine Stunde vorbei, um sie mit mir durchzusprechen, und verabschiedet sich dann für heute. Auf der Suche nach Inspiration google ich »norwegische Seen«, um mehr über die dortige Tierwelt zu erfahren, dann durchsuche ich unser riesiges Tonarchiv. Ich vertiefe mich in Überlegungen, welches spezielle Geräusch eine Plötze macht, wenn sie eine winzige Wasserschnecke ins Maul saugt. Dass es darüber Mittag geworden ist, merke ich erst, als Megan hereinkommt und anbietet, mir ein Sandwich zu holen.

»Na, klappt es am Donnerstag?«, fragt sie. Von ihrem Leoparden-Top weht mich ein wunderbares Parfüm an.

»Ich glaube schon.« Ich lächle. »Wenn es immer noch gilt.«

»Aber klar doch! Das wird super. Also was Vegetarisches?«

Ich gebe ihr Geld. Einerseits ist es mir peinlich, dass sie mir etwas zu essen besorgt, andererseits finde ich es toll, dass ich eine der vielen untergeordneten Aufgaben, die so lange meine Tage ausgefüllt haben, an jemand anderen abgeben kann, der dafür bezahlt wird und sie gern erledigt, damit ich währenddessen weiterarbeiten kann.

 

Ich bin so intensiv damit beschäftigt, nach Geräuschen für den Hüttenbau zu forschen, dass ich richtig zusammenzucke, als mein Handy klingelt.

Ich erkenne die Nummer nicht. Wer kann das sein?

»Callie, hier ist Caroline, Hannahs Mutter«, bohrt sich eine Stimme in mein Ohr.

Ich brauche einen Moment, um sie einzuordnen.

»Ach ja, Caroline – hi!«, sage ich zu laut und mit einem Blick auf die Uhr. Wie ist es nur so schnell drei Uhr geworden? »Gut, dass du anrufst. Ich wollte mich heute Nachmittag auch schon bei dir melden und Bescheid sagen, dass man mit Rae auf der Straße zurzeit etwas aufpassen muss. Die Sache ist ein bisschen kompliziert: Als Rae vor der Einschulung ihre große Herz-OP hatte, gab es … nun ja, sie hat kurz unter Sauerstoffmangel gelitten und hat seither ein schlechtes Koordinationsvermögen. Das Problem im Moment ist, dass sie so wahnsinnig gern rennt und ich …«

»Callie, darf ich dich unterbrechen«, sagt Caroline.

»Klar. Entschuldige.« Ich höre mich bestimmt an wie eine Verrückte. Sie wird glauben, dass ich schon wieder betrunken bin.

»Es tut mir sehr leid, aber ich rufe an, weil ich dir sagen muss, dass Rae heute doch nicht kommen kann.«

Ich halte die Luft an. Nein. Bitte nicht.

Caroline redet weiter. »Ich hatte völlig vergessen, dass Hannah heute um fünf noch eine Klavierstunde hat; sie holt die Stunde von letzter Woche nach, als sie krank war.«

Caroline hält inne und wartet auf meine Antwort.

Wie bringt sie das nur fertig? Was um Himmels willen habe ich dieser Frau getan?

Und dann begreife ich. Caroline hatte nie die Absicht, Rae zum Spielen einzuladen. Sie hat gestern Abend nur ja gesagt, weil ihr so schnell keine Ausrede eingefallen ist, mit der sie sich hätte herauswinden können.

Grausame Enttäuschung macht sich in mir breit. Wie wird Rae das aufnehmen?

»Ach, wie schade. Nun ja, macht nichts«, murmle ich. »Caroline, würdest du es ihr bitte sagen, wenn du Hannah vom Hort abholst?«

»Ja, natürlich. Und es tut mir so leid, Callie«, sagt Caroline. »Vielleicht ein anderes Mal.«

»Vielleicht«, sage ich. Obwohl ich weiß, dass es kein anderes Mal geben wird.

»Tschüs dann.«

»Tschüs.«

 

Mir bleibt gar keine Zeit, mich aufzuregen. Rae tut mir wahnsinnig leid, die Trauer sitzt mir als dicker Kloß im Hals, der beim Schlucken schmerzt. Guy flattert den ganzen Nachmittag bei mir ein und aus und belauert meine Fortschritte. Er vertraut mir an, dass Parker, wenn sein Kurzfilm gut ankommt, vielleicht auch Spielfilme drehen wird wie Sam Taylor-Wood und ähnliche Künstler. Wenn wir ihn jetzt beeindrucken, bringt uns das in Zukunft vielleicht weitere, noch größere Aufträge ein.

Parker muss nächsten Mittwoch nach New York, deswegen ist die Zeit für uns knapp. Später am Nachmittag kommt Parker ebenfalls noch einmal vorbei, um zu sehen, was ich geschafft habe. Wir spielen alles noch einmal ab, dann fällt mein Blick auf die Uhr. Mir wird ganz anders. Wie ist denn das passiert? Eben war es noch zehn nach vier. Jetzt ist es zwanzig nach fünf.

»Guy?«, flüstere ich. »Geht diese Uhr richtig?«

Er vergleicht sie mit seiner Armbanduhr. »Ja – wieso?«

»Tut mir leid, aber ich bin schon furchtbar spät dran – ich muss weg.«

Er runzelt die Stirn.

»Fünf Uhr, haben wir abgesprochen!« Ich bilde die Worte lautlos, nur mit den Lippen.

»Kannst du noch zehn Minuten bleiben, Cal?«

Was dabei mitschwingt, ist klar. Wir stehen unter Druck. Gestern hat er mich um vier gehen lassen, da bin ich ihm heute ein paar Minuten schuldig.

»Okay, aber dann muss ich jemanden anrufen.«

Ich laufe zur Empfangstheke, und Megan reicht mir ihr Telefon. Hektisch tippe ich eine Nummer ein. Ich hasse mich für meine Verlogenheit. Erst versuche ich, sie abzuschütteln, dann spanne ich sie ein, als gehörte sie zur Familie.

»Suzy«, flüstere ich. »Hör mal – es tut mir furchtbar leid. Ich wurde aufgehalten. Ich glaube nicht, dass ich es bis sechs zum Hort schaffe. Ist es dir irgendwie möglich, Rae abzuholen? Dann rufe ich im Hort an und sage, dass du kommst?«

Schweigen am anderen Ende.

»Suze?«

»Okay, Honey, mach ich …«, murmelt sie.

»Was ist?«, frage ich. »Du klingst verärgert.«

»Nein – überhaupt nicht, Honey. Nicht deinetwegen jedenfalls. Aber als ich Henry um halb vier abgeholt habe, hat Rae wieder ziemlich Theater gemacht.«

»Wirklich?«, frage ich bestürzt. Um halb vier konnte Rae noch nichts von ihrer geplatzten Verabredung wissen – sie hätte sich eigentlich freuen müssen, dass sie mit Hannah in den Hort gehen kann.

»Ja, sie lag auf dem Boden und hat gekreischt. Schließlich musste Ms. Aldon sie in den Hort bringen, weil sie mit Ms. Buck nicht mitgehen wollte. Und wenn jetzt noch dazukommt, dass du sie nicht abholst … Ich meine ja bloß, Honey. Da frage ich mich eben – bist du sicher, du schaffst das alles?«

O Gott. Zu allem Überfluss wird Rae am Boden zerstört sein, weil es mit Hannah nicht klappt, und Suzy muss auch das noch ausbaden, wenn sie sie abholt. Mir wächst das Ganze über den Kopf. Guy taucht aus dem Studio auf und winkt mich wieder hinein.

Ich habe Magenschmerzen.

»Suze, ich weiß. Aber kannst du sie heute bitte trotzdem abholen? Ich ruf dich an, sobald ich hier wegkomme, und erklär dir alles.«

»In Ordnung, Honey. Und mach dir keine Sorgen«, sagt Suzy und legt auf.

Ich lege den Hörer hin, sehe Megan an und verdrehe die Augen.

»Du kriegst das schon hin«, sagt sie. »Meine Schwester hat ewig gebraucht. Aber sie hat es geschafft.«

Warum redet mir Suzy nicht so zu, denke ich, als ich ins Tonstudio zurückkehre. Jetzt bin ich so beunruhigt, dass ich kaum geradeaus denken kann.

 

Guy behält mich dann sage und schreibe vierzig Minuten länger da anstatt der ausgemachten zehn, zum Schluss bin ich nahe am Hyperventilieren. Endlich nimmt Parker sein Sakko, und Guy gibt mir mit einem Nicken grünes Licht für den Aufbruch.

»Guter Start«, sagt er. »Da machen wir morgen weiter.«

Eine Anstandsminute nach Parker schieße ich aus dem Studio und haste auf meinen High Heels schnellstmöglich in Richtung U-Bahn, das Handy am Ohr – ich versuche pausenlos, Suzy zu Hause zu erreichen. Kein Wunder, dass man in London so viele Frauen im Trainingsanzug und Sportschuhen herumrennen sieht.

Suzys Telefon klingelt sechsmal, dann springt der Anrufbeantworter an.

Vielleicht sind sie in den Park gegangen. Ich versuche es auf ihrem Handy. Dort schaltet sich gleich die Mailbox ein.

Merkwürdig.

Am Oxford Circus bleibe ich stehen und starre unentschlossen auf den U-Bahn-Eingang; ich weiß nicht, was ich tun soll. Wenn ich einmal im Zug sitze, habe ich eine halbe Stunde lang kein Netz mehr.

Nervös rufe ich Suzy auf beiden Nummern noch einmal an und entschuldige mich verkrampft, dass ich erst um Viertel vor sieben zurück sein kann.

Kaum habe ich den Fuß auf die erste Treppenstufe abwärts zur U-Bahn gesetzt, klingelt mein Handy.

»Hi, Suze!«, übertöne ich den Verkehrslärm und den Zeitungsverkäufer, der unablässig schreit: Das müssen Sie lesen! »Hast du meine Nachricht bekommen?«

Plötzlich kreischt in meiner Nähe jemand los. Eine große, dünne Frau im Schneiderkostüm, mit perfektem Haarschnitt und Make-up, marschiert auf der Oxford Street im Stechschritt auf mich zu, während sie auf Französisch in ein Headset schreit. Der Anblick ist so skurril, dass es mir kurz die Sprache verschlägt und ich ins Starren gerate. Bei jedem Schritt hebt sie wie ein Storch die langen Beine und nimmt gleichzeitig ihren Gesprächspartner so heftig unter Beschuss, dass eine Mutter ihre Kinder schützend an sich zieht. Die wurde garantiert von ihrem Freund abserviert, denke ich. Mein lieber Schwan. Da ist er aber an die Falsche geraten.

»Cal?«, höre ich Suzy sagen.

Ich entschuldige mich. »Da läuft eine echt seltsame Frau durch die Gegend …«

»Cal«, wiederholt sie.

»Was ist denn?«

Durch den Hörer dringt ein Geräusch, das ich nicht einordnen kann. Das wie ein scharfes Einatmen klingt. Darauf folgt Stille.

»Was ist denn«, wiederhole ich. »Suze? Was sagst du? Sprich lauter, ich kann dich nicht hören.«

Die Französin bleibt vor mir stehen und kreischt weiter. Ich versuche verzweifelt, Suzy zu verstehen, und drehe den Kopf weg.

»Auf die Straße …«, höre ich sie sagen.

»Was?«

Die Schimpftiraden der Französin lassen nicht nach.

»Jetzt halten Sie doch endlich den Mund!«, herrsche ich sie an, dass sie verstummt und mit einem hochnäsigen Blick enteilt.

»Der haben Sie’s aber gegeben«, ruft der Zeitungsverkäufer neben mir begeistert.

»Rae … auf die Straße gestürzt …«

»Was?«

»… sich am Bein verletzt …«

»Was soll das heißen, es geht ihr gut?« Meine Stimme gerät ins Stottern wie ein Motor, dem das Benzin ausgeht.

»… nur ein bisschen aufgeschürft …«

»Ihre Atmung, Suze – wie atmet sie?«, rufe ich.

»Gut. Ich glaube … willst du … in die Notaufnahme bringe?«

»Ja! Bitte!« Ich schreie schon richtig. »Sie muss durchgecheckt werden. Fahr in die Northmore-Klinik. Sag Bescheid, sie sollen sofort den Kardiologen informieren, sobald sie da ist …«

Der Hörer bleibt stumm. Ich starre ihn an. Das Gespräch ist unterbrochen.

Am ganzen Leib zitternd, drehe ich mich um und stolpere gegen den Zeitungsstand.

»Alles in Ordnung?«, ruft der Zeitungsverkäufer mit rauer Stimme.

Ich schüttle den Kopf, wanke ein paar Schritte in die eine Richtung, dann in die andere.

Er fasst mich an der Schulter, der Geruch von kaltem Rauch steigt mir in die Nase.

»Ich muss nach Northmore – meine Tochter ist auf der Straße gestürzt.« Panisch reiße ich mich von ihm los.

»Alles klar. Bleiben Sie hier stehen«, ruft er mit seiner rauen Stimme, streckt den Arm aus und stößt einen durchdringenden Pfiff aus. Ein schwarzes Taxi bleibt stehen, er reißt den Schlag auf und schiebt mich hinein.

»Northmore, Mann, Notaufnahme«, ruft er. »Das Töchterchen.«

Und der Taxifahrer rast los, bevor ich danke sagen kann.