14. KAPITEL
Die weiße Hexe wollte die hochmütigen MacLeans mit ihrem Fluch bändigen, und zunächst schien das auch zu klappen. Fast hätten sie sich selbst zerstört. Aber die Hexe hatte nicht bedacht, dass die MacLeans geborene Dickköpfe sind. Sie geben niemals auf, nicht die MacLeans. Nicht in der Liebe und auch nicht im Kampf.
So sprach die alte Heilerin Nora von Loch Lomond in einer kalten Nacht zu ihren drei jungen Enkelinnen.
Spät am nächsten Morgen trug Fiona ihren Nähkorb in den Salon. Nach einem entspannten Frühstück hatte Jack angekündigt, dass er gedachte auszugehen, und sie hatte mit einer deutlichen Beklemmung zu kämpfen gehabt. Zweifellos würde mittlerweile ganz London über ihr Zusammentreffen mit Lucinda Featherington reden, und Jack würde von der abendlichen Szene erfahren.
Sie zog ihren Stuhl ans Fenster, um mehr Licht zu haben, nahm sich ein kleines Stück Seide und begann zu arbeiten.
Als sie den Kopf wieder hob, stand die Sonne schon hoch am Himmel. Fiona warf einen Blick auf die Uhr über dem Kamin. Wie die Zeit verging! Gregor und Dougal hatten ihr eine Nachricht gesandt, dass sie gern im Park mit ihr ausreiten würden, und sie fand den Gedanken schön, etwas Zeit mit ihren Brüdern zu verbringen. Nun da Callum nicht mehr lebte, wünschte sie sich, sie hätte häufiger etwas mit ihm unternommen.
Beim Gedanken an Callum lächelte sie sehnsüchtig. Er hätte London geliebt. Viele Jahre hatte er sich immer gewünscht, hierherzukommen, aber letztlich hatte er die große Stadt nicht gesehen.
Eine Welle der Traurigkeit überflutete sie, doch sie konzentrierte sich entschlossen auf die Haube aus Baumwolle und Seide, an der sie gerade arbeitete, und betrachtete ihr Werk kritisch.
„Sie ist hübsch.“
Als Fiona die tiefe Stimme hinter sich hörte, fuhr sie zusammen und wandte sich um. Im Türrahmen lehnte Jack mit vor der Brust gekreuzten Armen. Er trug Reitkleidung, seine Jacke spannte sich über den breiten Schultern, seine ledernen Hosen steckten in hohen Stiefeln, die so gekonnt poliert waren, dass sie wie Spiegel glänzten.
Fiona bemühte sich, an seiner Miene abzulesen, ob er von ihrem Zusammenstoß mit Lucinda gehört hatte, doch sein Gesicht verriet nichts. „Ich habe gar nicht die Haustür gehört“, bemerkte sie in ruhigem Ton.
Er stieß sich vom Türrahmen ab und kam ins Zimmer. „Das liegt daran, dass ich durch den Hintereingang gekommen bin, von den Ställen her. “
„Aha.“ Sie legte die Haube zurück in ihren Nähkorb und fühlte sich ein wenig stärker und sicherer als vorher.
Er stellte einen Stuhl gegenüber von ihrem ans Fenster und setzte sich, ein Bein lässig über die Armlehne gelegt. „Ich muss dir eine Frage stellen, Fiona.“
Plötzlich war sie sehr beschäftigt damit, einige miteinander verknotete Fäden zu lösen, die sie im Korb gefunden hatte. „Tatsächlich?“
„Ja. Ich habe ein höchst interessantes Gerücht gehört.“ Verflixt noch einmal. Sie beugte ihren Kopf über die verwirrten Fäden und tat höchst beschäftigt.
„Hast du gestern Abend vielleicht vergessen, mir etwas ganz Bestimmtes zu erzählen, Fiona?“, erkundigte sich
Jack in gefährlich ruhigem Tonfall.
„Vergessen? Nein, ich glaube nicht. “ Sie senkte den Kopf noch tiefer und wühlte in ihrem Nähkorb. Sie' brauchte ... blau. Ja, einen blauen Faden. Unbedingt. „Oh, Liebster! Ich habe überhaupt keinen blauen Faden mehr“, verkündete sie aufgeregt und sprang von ihrem Stuhl hoch. „Ich muss das Mädchen ins Geschäft schicken, um welchen zu holen.“
„Fiona!“ Nun klang er ein wenig drohend.
Als Jacks ernster Blick sie traf, seufzte sie und setzte sich wieder hin. „Ich glaube, dann sticke ich erst mal die Initialen am Saum. Ich habe noch eine Menge gelben Faden und könnte ... “
„Fiona“, sagte Jack noch energischer. „Stell diesen verdammten Nähkorb weg.“
Schweigend faltete sie ihre Näharbeit, legte sie in den Korb und faltete dann die Hände im Schoß.
„Es war ein wenig verwirrend, überall in der Stadt deinen Namen zu hören, Fiona.“ Forschend musterte er ihr Gesicht.
Sie biss sich auf die Lippe. „Vermutlich hätte ich es dir erzählen sollen. “
„Großer Gott, was hast du dir bloß dabei gedacht?“, fragte er sie kopfschüttelnd.
„Ich habe mir gar nichts gedacht. Jedenfalls nicht, als es passierte“, gestand sie mit leiser Stimme.
„Und du konntest nicht einfach Weggehen?“ Er schaute sie an, als hätte er sie nie zuvor in seinem Leben gesehen.
Fiona richtete sich kerzengerade auf. „Ich habe nicht geplant, eine Szene zu machen, aber sie wollte unbedingt mit mir reden. “
„Tatsächlich? Sie kann nichts zu sagen haben, das einen von uns interessieren könnte.“ Er hob die Schultern und ließ sie wieder fallen, um ihr zu zeigen, wie unwichtig Lucinda Featherington für ihn war.
„Sie hatte eine Menge zu sagen. Sie erzählte mir von ...euch beiden. Sie wusste auch, dass ich dich entführt und gezwungen habe, mich zu heiraten. “ Fiona warf ihm einen vorwurfsvollen Blick zu. „Es tat weh zu erfahren, dass du ihr davon erzählt hast.“
„Ich habe keinem Menschen erzählt, wie es zu unserer Hochzeit kam. Mir ist es ein Rätsel, woher Lucinda das wissen konnte“, erklärte er mit ernster Miene.
„Nun, sie wusste jedenfalls davon. Sie war sehr hässlich zu mir, und es tut mir kein bisschen leid, dass ich ihr Wasser über den Kopf geschüttet habe. Wäre sie draußen gewesen“, fügte Fiona finster hinzu, „wäre sie noch viel nasser geworden. Im Regen.“
Jack schüttelte den Kopf. „Ich wusste, dass irgendetwas geschehen war. Der Lilienduft war zu stark. “
Ihre Wangen glühten. „Es tut mir leid, dass ich gestern Abend so viel Aufsehen erregt habe.“ Sie zögerte und sprach denn weiter. „Wann hast du aufgehört, sie zu treffen, Jack?“
„In derselben Nacht, in der du und ich hier angekommen sind. Seitdem bin ich ihr nur noch zufällig auf Gesellschaften begegnet.“ Er sah ihr direkt in die Augen.
Das hatte Campbell anders erzählt. Tatsächlich hatte er noch viel mehr gesagt, hatte angedeutet, dass da mehr, viel mehr gewesen war. Nicht nur eine kleine Liebschaft, die Jack ganz nebenbei beendet hatte.
„Hast du sie geliebt?“ Sie konnte nicht anders, als ihn das zu fragen.
„Gott, nein!“ Jack hob abwehrend die Hand.
„Sie erzählte mir, ihr hättet geplant zu heiraten“, sagte Fiona leise.
„Und Lord Featherington ist der Ehrengast bei der Hochzeit?“, spottete Jack. „Ich bitte dich!“
Gott sei Dank! „Ich nehme an, die Leute in der Stadt reden über mich?“
Er lachte kurz auf. „Ja. Allerdings nicht auf die Weise, wie du vielleicht denkst. Ich habe heute nicht weniger als acht Einladungen erhalten, drei davon aus den höchsten Kreisen. Du scheinst seit gestern Abend einige Stufen auf der gesellschaftlichen Leiter emporgestiegen zu sein.“ „Bei den Frauen habe ich sicherlich an Ansehen gewonnen. Ich glaube, sie mögen Lucinda Featherington nicht besonders“, stellte Fiona zufrieden fest.
Jack lachte in sich hinein. „Es interessiert dich womöglich, dass es seit gestern Abend ununterbrochen über Lucindas Haus geregnet hat. Ich hörte, ihr Dach sei undicht geworden, und ihr Weinkeller wäre überflutet.“
Es gelang Fiona nicht, ihr Lächeln zu unterdrücken. „Oh Jack, erzähl mir nicht solche Sachen! Ich fühle mich schon schlecht genug, weil ich eine ganze Blumenvase über ihrem Kopf geleert habe! “
„Sie hat sich durch das bisschen Wasser nicht aufgelöst, oder?“, beruhigte er sie.
„Nein, Jack, aber ich hatte nicht vor, dich da mit hineinzuziehen, und nun musstest du dir all diesen Tratsch anhören. “
„Wir sind verheiratet, Süße. Wohin du gehst, da werde auch ich hingehen und all diese Dinge. Du weißt schon.“ Ihre Blicke trafen sich. Fiona konnte kaum atmen; die Worte waren so bedeutungsvoll und sprachen von einer Zukunft, von der sie beide wussten, dass es sie für sie nicht geben würde.
Jack runzelte die Stirn und stand hastig auf, als hätte er es eilig, seinen Worten und ihr zu entfliehen. „Fiona, ich wollte nicht ... “
„Ich weiß.“ Sie lächelte ihn verhalten an. „Es war nur so dahergesagt.“ Jedenfalls war es für sie beide nicht mehr als das.
Die Uhr schlug zur vollen Stunde, und sie stand auf und griff nach ihrem Korb. „Ich muss gehen. Ich habe meinen Brüdern versprochen, mit ihnen im Park auszureiten, und ich bin noch nicht umgezogen.“
„Warte.“ Jack kam auf sie zu, griff nach ihrer Hand und zog sie an die Lippen. „Es ist schade, dass du in Eile bist.“
„Warum?“
Er beugte den Kopf und flüsterte dicht bei ihrem Ohr: „Wir können deine Brüder ein paar Minuten warten lassen, nicht wahr? Nur eben lange genug, um noch rasch ... “
Fiona schloss die Augen, und ihre Knie wurden so weich, dass sie sich an ihn lehnen musste.
Sanft nahm er ihr den Korb aus den Händen und stellte ihn auf den Tisch, dann zog er sie an sich und sank mit ihr in den Armen in einen tiefen Sessel, sodass sie auf seinem Schoß saß.
Fiona legte die Arme um seinen Hals und presste ihm einen leidenschaftlichen Kuss auf die Lippen, während er seine Hose lockerte. Als sie sah, wie erregt er war und wie sehr er sie begehrte, stockte Fiona der Atem. Vorsichtig legte sie die Finger um den dicken Schaft und drückte ihn sanft. Jack ließ den Kopf gegen die Stuhllehne fallen, und er stöhnte unterdrückt auf.
Auf diese Weise ermutigt, ließ sie ihre Hand an dem samtweichen Stab nach oben gleiten. Mit dem Daumen umkreiste sie die pralle Eichel, an deren Spitze eine Perle aus Feuchtigkeit schimmerte.
„Fiona“, keuchte Jack, während er sie fest umklammerte. „Bitte!“
Ihr Herz pochte wild, ihr Atem ging rasch, und sie bebte am ganzen Körper. So verzweifelt er auch klang, wollte sie ihn doch noch verzweifelter. Jede Faser ihres Körpers verlangte nach ihm.
Jack legte die Hand um ihren Kopf und zog ihren Mund zu einem verzehrenden Kuss an seinen, der ihr Blut in Flammen setzte.
Himmel, wie sehr sie ihn wollte! Jetzt. Sie rutschte auf seinem Schoß nach vorn, und der Stuhl knarrte unter ihrem gemeinsamen Gewicht. Er zog sie noch näher, sodass sie mit hochgeschobenem Rock, die bestrumpften Beine über seinen kräftigen Schenkeln gespreizt, über ihm kniete.
Es hatte etwas Erregendes an sich, oben zu sein, die Macht zu haben.
Ihre Brüste waren prall vor Verlangen, und ihr Körper prickelte erwartungsvoll, als er sich von unten gegen sie presste. Nur noch ihr langes Unterkleid war zwischen ihren Körpern. Sie rieb sich an ihm, rutschte vor und zurück, wollte mehr und wünschte sich doch, dass er sie noch mehr wollte, bevor er alles von ihr bekam.
Jacks Atem kam rasch und stoßweise, sein Blick tauchte in ihren, als wäre sie die einzige Frau auf Erden.
Während sie sich immer noch auf ihm bewegte, löste Fiona ihr Haar, und die dicken Locken fielen ihr über Brust und Rücken.
Jack legte die Hände fest auf ihre Hüften, und plötzlich hielt sie es nicht mehr aus. Sie brauchte seine Lippen und seine Hände direkt auf ihrer Haut.
Mit zitternden Händen löste sie die Bänder ihres Kleides und schob es herunter auf ihre Taille. Ihre Brüste, nun nur noch bedeckt von der dünnen Chemise, waren jetzt auf einer Höhe mit Jacks Mund. Sofort zog er sie dichter an sich heran, und sie spürte durch den Stoff seine heißen Lippen, seine Zunge glitt wieder und wieder über ihre Knospen, die sich hart und rosig gegen den inzwischen nassen und durchscheinenden Musselin drückten. Fiona keuchte, warf den Kopf zurück und wand sich vor Lust und Verlangen.
Unter ihr bewegte er seine Hüften rastlos, schob sich gegen sie, stieß immer wieder aufwärts. Dann glitten seine Hände unter ihren Rock. Er schob ihr Unterkleid beiseite und strich mit seinen Fingern über ihre feuchte Erregung, lockend und quälend. Fiona krallte sich mit beiden Händen in sein Hemd und stöhnte. Seine Finger streichelten sie fester, bevor er sie dann in sie hineinschob.
Jedes Vor- und Zurückgleiten brachte sie dem Gipfel näher, näher an den köstlichen Wahnsinn. Ruckartig bewegte sie ihre Hüften gegen seine Finger, bis plötzlich Wellen reiner Lust sie durchfluteten, die ganz langsam verebbten und sie vollkommen erschöpft zurückließen. Ihre Wange ruhte an seinem Nacken, und dort flüsterte sie atemlos seinen Namen.
Unter sich spürte sie den beharrlichen Druck seiner erregten Männlichkeit, und obwohl sie tief im Inneren immer noch das befriedigende Pochen spürte, sehnte sie sich danach, ihn in sich zu fühlen. Sie legte die Hände auf seine Schultern, hob die Hüften ein wenig in die Höhe und ließ sich wieder herunter.
Jack keuchte, als sie über ihn glitt und ihn mit ihrer engen Nässe umfing, die seinen Puls zum Rasen brachte.
Nie zuvor hatte er etwas Schöneres gesehen als den Ausdruck tiefsten Verlangens in ihrem Gesicht, und er kämpfte verzweifelt darum, die Kontrolle zu bewahren. Sie war so eng, so heiß, und sie war sein. Er presste den Mund auf ihre Brust, und sein Atem kam keuchend und laut.
Ganz langsam rutschte Fiona nach vorn, dann wieder nach hinten, wiegte sich über ihm, eine exquisite Tortur. Sein ganzes Empfinden konzentrierte sich auf den einen Punkt, an dem ihre Körper verbunden waren, konzentrierte sich auf das Gefühl, wenn sie sich um ihn zusammenzog, und auf das erregende Reiben ihrer Stiefeletten an seinen Schenkeln.
Himmel, er liebte ihre Stiefeletten - wenn auch nicht so sehr, wie er es liebte, sie nass und bebend um sich herum zu fühlen.
Jack stöhnte und konnte kaum atmen, während er ihr dabei zuschaute, wie sie ihn ritt. Nie zuvor hatte er etwas Erregenderes gesehen als Fiona, die nun den Kopf in den Nacken warf und am ganzen Körper zitternd seinen Namen rief, während sie die Erfüllung fand.
Ihre Lust entfachte seine. Er explodierte in ihr, und sein Stöhnen kam im gleichen Rhythmus wie ihres, während unbändige Lust sie beide in riesigen, dicht aufeinander-folgenden Wellen durchströmte.
Mit einem letzten Aufbäumen ihres Körpers ließ sie sich gegen ihn fallen. Als er sie fest an sich zog, war ihr wilder Herzschlag dicht an seinem Ohr. Nie zuvor war er mit einer so sinnlichen, so aufregenden Frau zusammen gewesen.
Fiona verbarg ihr Gesicht an Jacks Nacken. Was für eine wilde, blinde, aufwühlende Leidenschaft sie teilten! Ihr Körper wurde immer noch von den langsam nachlassenden Wellen des Verlangens geschüttelt.
Zitternd sog sie den Atem ein und richtete sich auf.
Mit einem Lächeln tiefster Zufriedenheit auf den Lippen lehnte er sich im Stuhl zurück. „Ich bin völlig erschöpft.“
„Ich auch“, gestand sie, immer noch atemlos.
In diesem Moment wurde ihr bewusst, dass der Zusammenstoß mit Lucinda ihr etwas gezeigt hatte: Wenn sie nicht aufpasste, konnten ihre Gefühle immer weiter wachsen, bis sie sie, ebenso wie die Unwetter, die mit ihnen einhergingen, nicht mehr unter Kontrolle hatte. Bei diesem Mann gab es keinen Weg, dem Donner Einhalt zu gebieten. Er rollte durch ihren Körper, wann immer Jack sie nur ansah.
Aber wenn sie erst einmal das Kind hatte, würde Jack nicht mehr bei ihr sein.
Sie schob sich von seinem Schoß.
„Noch nicht“, murmelte er und versuchte sie festzuhalten.
„Ich würde noch bleiben, aber ich muss mich waschen und meine Reitsachen anziehen. Du weißt, dass meine Brüder nicht geduldig auf mich warten werden. Wenn ich mich jetzt nicht beeile, werden sie nachsehen kommen, wo ich bleibe. Ich dachte, du willst sie hier nicht haben.“
„Nein, Hamish ist schon in meinem Haus, das deckt meinen Bedarf an zornigen Schotten.“
Fiona lächelte. „Nach dem Ausritt mit meinen Brüdern wollte ich in die Bond Street gehen und dort nach einem Band Ausschau halten. Für die Haube, die ich gerade nähe.“
„Du bist frei wie ein Vogel, Liebste“, verkündete er und breitete die Arme aus.
Das war sie. Nichts band sie aneinander. Ein kleines Teufelchen flüsterte ihr die nächsten Worte ein: „Allerdings bin ich frei. Ich habe mich noch nicht entschieden, wo und wie ich mich heute Abend vergnügen will. Ich dachte an eine Spielhölle. Warte also nicht auf mich, sondern leg dich ruhig schlafen.“
Jack sprang auf. „Du wirst auf keinen Fall in irgendeine Spielhölle gehen.“
Sie zog die Brauen hoch, sagte aber nichts.
„Du weißt nicht, wie gefährlich es in einer Spielhölle werden kann. Dort treiben sich Halunken herum und Diebe und ... “
„Und Männer wie du“, beendete sie seinen Satz. „Wenn es gut genug für dich ist, wird es auch gut genug für mich sein, Jack. Ich weiß, dass dir deine Freiheit mehr als alles andere bedeutet. Als wir hier in London ankamen, hast du mir deutlich gesagt, dass du tun würdest, was immer du tun willst und dass ich das ohne jede Beschwerde zu akzeptieren habe.“
Jack schob die Hände tief in die Taschen, damit Fiona nicht sehen konnte, wie er vor innerem Aufruhr die Fäuste ballte. Sie hatte recht; so dumm es jetzt auch klang - er hatte genau das gesagt.
„Fiona, ich wollte nur ...“
„Da gibt es nichts mehr zu besprechen, Jack. Du kannst tun, was du willst, und ich werde mich nie mehr darüber beschweren.“
Das war gut - oder etwa nicht? Sie ließ ihm seine Freiheit, sein eigenes Leben; das war es, was er die ganze Zeit gewollt hatte. Aber es schien einen Haken an der Sache zu geben. Er runzelte die Stirn. „Und was ist mit dir?“ „Natürlich werde auch ich hingehen, wo auch immer
ich hingehen will. Diese moderne Einstellung zur Ehe übt einen erstaunlich großen Reiz auf mich aus.“ Ihre Hand lag bereits auf der Türklinke. „Wenn du mich jetzt entschuldigst. Ich komme sonst zu spät.“
Noch lange, nachdem sich die Tür hinter Fiona geschlossen hatte, stand Jack bewegungslos da, und in ihm kämpften widersprüchliche Gefühle. Scheinbar hatte er soeben einen Streit für sich entschieden, seltsamerweise fühlte er sich aber nicht, als hätte er gewonnen.
Er fuhr sich mit der Hand durchs Haar und starrte mit blicklosen Augen durchs Fenster nach draußen. Fiona verwirrte ihn ohne Unterlass. Jedes Mal, wenn er gerade dachte, er würde sie kennen, überraschte sie ihn aufs Neue. Wie zum Beispiel durch ihren Zusammenstoß mit Lucinda - die nicht gerade eine sanfte Frau war. Lucinda gab sich den Anschein kultiviert lieblicher Hilflosigkeit, aber in Wirklichkeit war sie launisch und abgebrüht. Zu Beginn hatte er ihre Herzlosigkeit amüsant gefunden, doch dieser Reiz war längst verflogen.
Durch Fionas Auftauchen war alles anders geworden, auch wenn er versucht hatte, es zu verhindern. Heute hatte sie ihm seine Freiheit geschenkt, aber er war sich nicht sicher, ob er nicht im Gegenzug etwas verloren hatte. Er wusste lediglich, dass er von dem Moment an, als sie begonnen hatte, mehr von ihm zu erwarten, begriffen hatte, dass sein perfektes Leben vielleicht gar nicht so perfekt war. Es gab Dinge, die er hätte tun sollen, die er tun sollte, um die er sich aber niemals gekümmert hatte. In vielerlei Hinsicht hatte er das Leben an sich vorüberziehen lassen, bevor er Fiona geheiratet hatte. So ein Leben genügte ihm nicht mehr.
„Mylord?“
Als Jack sich umwandte, stand Devonsgate mit einer Brandyflasche in der Hand in der Tür. „Ich wollte die Brandykaraffe auffüllen. Oder störe ich?“
„Nein, nein. Machen Sie nur.“ Jack winkte den Butler ins Zimmer.
Devonsgate verbeugte sich und ging zu dem kleinen Tisch vor dem Fenster.
Jack sah zu, wie er die Karaffe füllte und anschließend sorgfältig die Gläser und das Tablett ab wischte. „Halten Sie mich für einen guten Dienstherrn, Devonsgate?“
Das Gesicht des Butlers wirkte fast komisch, als er die Brauen so hoch zog, dass sie mitten auf seiner Glatze zu sitzen schienen. „Mylord?“
„Sie haben mich sehr gut verstanden. Glauben Sie, dass ich ein guter Dienstherr bin?“, wiederholte Jack. „Und keine bloßen Lippenbekenntnisse bitte, ich will die Wahrheit hören. “
Devonsgate öffnete den Mund und schloss ihn sofort wieder. Dann ging er zur Tür drückte sie energisch ins Schloss und kam zurück zu Jack. „Das ist eine schwierige Frage, Mylord. Sie sind ein guter Dienstherr ... und Sie sind es nicht.“
„Was meinen Sie damit?“ Erstaunt starrte Jack seinen Butler an.
Devonsgate sah ihn zurückhaltend an. „Nun, Sie sind sehr großzügig mit der Entlohnung. Ich habe Sie noch nie darüber klagen hören, dass Sie jemandem mehr zahlen, als er wert ist.“
Das kam daher, dass Jack keine Ahnung hatte, wie viel Geld seine Dienstboten für ihre Arbeit bekamen.
„Außerdem“, fuhr Devonsgate nachdenklich fort, „mischen Sie sich selten in die Erledigung der Hausarbeit ein. “ Als der Butler Jacks finsteren Blick auffing, fügte er eilig hinzu: „Ich versichere Ihnen, dass Diener diese Eigenschaft an einem Arbeitgeber sehr zu schätzen wissen. “ „Ich mische mich nicht in die Arbeit meiner Dienstboten ein, weil ich gar nicht genau weiß, was sie eigentlich tun“, stellte Jacke fest. „Das kann man nicht gerade als gute Eigenschaft bezeichnen, Devonsgate. Wie viele Lakaien haben wir?“
„Zwölf.“
„So viele?“, vergewisserte Jack sich erstaunt.
„Ja, Mylord.“
„Ich hatte keine Ahnung. Sie tragen alle dieselbe Livree und sehen sich so ähnlich, dass ich dachte ...“ Er schüttelte irritiert den Kopf. „Und was die Entlohnung betrifft, beklage ich mich nicht, weil ich nicht weiß, wie hoch sie sind. Wer kümmert sich übrigens darum?“
„Das fiel stets in Mr. Troutmans Aufgabenbereich, Mylord.“
„Mein Vermögens Verwalter? Er kam immer zwei Mal in der Woche und ging mir mit diesem und jenem auf die Nerven. Ich habe ihn lange nicht gesehen“, fiel Jack ein.
„Das kommt, weil Sie ihn hinausgeworfen haben, Mylord“, erklärte ihm der Butler.
Jack runzelte die Stirn. „Wann habe ich das getan?“
„Vor zwei Monaten, Mylord. Sie sagten, Sie hätten es satt, ständig etwas für ihn unterschreiben zu müssen. Sie haben einem der Lakaien aufgetragen, den Mann hinauszuwerfen.“
Wieder fuhr sich Jack mit der Hand durch die Haare. Fiona hatte ganz recht, ihn seinen eigenen Weg gehen zu lassen, sie würde ohnehin niemals bei einem so verantwortungslosen Mann bleiben.
Er ging zum Fenster und sah hinaus, während die Gedanken in seinem Kopf herumwirbelten. Er hatte sich nie Gedanken um sein Vermögen machen müssen, weil das meiste Geld fest angelegt war. Alles, was er tun musste, war, die Gewinne auszugeben. Bis jetzt war er völlig glücklich mit seiner vorsätzlichen Ahnungslosigkeit gewesen. „Ich fange an, mich selbst mit anderen Augen zu sehen, Devonsgate, und das ist nicht angenehm“, sagte er schließlich nachdenklich.
„Sie sind viel zu hart zu sich selber“, versuchte der Butler ihn zu beruhigen. „Die meisten Haushaltsangelegenheiten sind Sache der Dame des Hauses. Bis jetzt gab es keine Dame in diesem Haus.“
Gedankenverloren richtete Jack sich auf. „Das ist wahr. Vermutlich habe ich mein Haus auf eine Art geführt, die für einen Junggesellen recht akzeptabel ist. “
Als Devonsgate nicht antwortete, wandte Jack sich um und sah ihn an.
„Ah, ja. Durchaus“, sagte der Butler schließlich mit einem entschuldigenden Lächeln.
Jacks Augen wurden schmal. „Sie haben für den Earl of Berkshire gearbeitet, bevor er heiratete. Wusste er, wie viele Lakaien in seinen Diensten standen?“
Devonsgate zögerte.
Jacks Herz wurde ein wenig schwerer. „Er wusste es, nicht wahr?“
„Ja, Mylord.“
„Und wusste Berkshire, wie hoch ihr Gehalt war?“, fuhr Jack mit seiner Befragung fort.
Der Butler nickte. „Ja, Mylord. Er und sein Verwalter überwachten das sehr genau. “
„Ich habe Berkshire noch nie gemocht“, stellte Jack in energischem Ton fest. „Vermutlich kannte der Bastard auch die Namen all seiner Bediensteten.“
„Er hatte den gesamten Haushalt im Auge“, berichtete Devonsgate. „Da er ein sehr großzügiger Mann war, machte er Geschenke zu Geburtstagen und weiteren Gelegenheiten. Er sorgte sogar dafür, dass die höhergestellten Dienstboten Weihnachten einen zusätzlichen freien Tag erhielten. “
„Was für ein verdammter Tugendbold.“ Jack seufzte. „Es ist Zeit, dass ich Ordnung in mein Haus bringe, Devonsgate. Bitte informieren Sie Mr. Troutman, dass ich ihn morgen Nachmittag zu sehen wünsche. Und teilen Sie ihm mit, dass ich verspreche, ihn nicht aus dem Haus werfen zu lassen.“
„Ja, Mylord.“ Devonsgates Miene hatte sich aufgehellt. „Gut. Und wenn Sie das erledigt haben, bringen Sie mir sämtliche Rechnungen, die den Haushalt betreffen und eine Liste sämtlicher Dienstboten mit einer Beschreibung jedes einzelnen“, befahl Jack.
„Einer Beschreibung?“
„Ja. Größe, Haarfarbe, Augen ... solche Dinge. Wenn ich versuche, ihre verdammten Namen zu lernen, kann ich jede Hilfe gebrauchen, die ich kriegen kann.“
„Ja, Mylord. Ich werde mich selbst darum kümmern.“ Der Butler räusperte sich. „Ich kann nicht anders, als festzustellen, dass das ein weiser Entschluss ist, Mylord. Ihre Ladyschaft wird höchst erfreut sein.“
Jack zog die Brauen hoch. „Ich tue das nicht für sie.“ Er tat es, weil es getan werden musste und aus keinem anderen Grund, verdammt noch mal.
Devonsgate verbeugte sich. „Natürlich. Ich wollte nicht behaupten, dass ... “
„Wenn Sie jetzt hinausgehen, lassen Sie bitte Lady Kincaids Pferd an die Tür bringen“, unterbrach Jack die Entschuldigung des Butlers.
„Will sie heute ausreiten?“
„Ja, mit ihren Brüdern. Sie werden bald kommen.“
„Ich werde mich sofort darum kümmern.“ Devonsgate wandte sich der Tür zu und hielt plötzlich inne. „Ach ja. Der Koch lässt fragen, ob Sie und Ihre Ladyschaft hier speisen möchten, bevor Sie heute Abend ausgehen, oder ob Sie woanders essen werden.“
Hm. Fiona hatte ihm seine Freiheit auf einem Silbertablett serviert. Alles, was er tun musste, war, die Kutsche Vorfahren zu lassen, und fort war er - unterwegs zu einer beliebigen Zahl von vergnüglichen Orten, wo er bis zum Umfallen trinken, sein Geld zum Fenster hinauswerfen und mit losen Frauenzimmern die Zeit vertun konnte.
Dennoch fühlte sich sein Sieg seltsam schal an, fast enttäuschend. Und nach dem, was in der vergangenen Nacht zwischen Fiona und Lucinda passiert war, war es keine schlechte Idee, sich von Klatsch und Tratsch fernzuhalten. Wenn er zu Hause blieb, hatte er außerdem mehr Zeit, eine erfolgversprechendere Methode zu finden, Fiona davon abzuhalten, sich abends ohne seine Begleitung herumzutreiben.
Er nickte dem Butler zu. „Sagen Sie dem Koch, Lady Kincaid und ich werden heute Abend hier speisen.“
„Ja, Sir. Kann ich sonst noch etwas für Sie tun?“
„Nein. Das war es für den Moment.“
Vielleicht sollte er etwas Besonderes aus dem Abend machen. Er könnte Blumen aus dem Garten kommen lassen. Oder vielleicht irgendeine Art von Geschenk. Er mochte Fiona nicht aus freiem Willen geheiratet haben, aber sie würde die Mutter seines Kindes sein. Aus diesem Grund hatte sie einige Anerkennung verdient.
Sein Blick fiel auf den Stuhl, von dem sie beide erst vor Kurzem aufgestanden waren, und er lächelte. Vielleicht würde er ihr ein neues Unterkleid kaufen - eines aus so feinem Stoff, dass er hindurchsehen konnte.
Natürlich war ein solches Unterkleid empfindlich und konnte reißen. Die Vorstellung, Fionas Unterkleid zu zerreißen und sich dann in ihr zu vergraben, ließ ihn erschauern. Vielleicht, wenn er seine Karten geschickt ausspielte, konnte er sie überreden, eines ihrer neuen Unterkleider und ein Paar Stiefeletten zu tragen.
Jack sah auf die Uhr. Wenn er einkaufen und vor Fiona zurück sein wollte, musste er sich sofort auf den Weg machen.
Grinsend griff er nach dem Klingelzug. Es würde eine erinnerungswürdige Nacht werden.