13. KAPITEL

Man sagt, der Fluch der MacLeans wird gebrochen, wenn in einer Generation jedes Familienmitglied eine gute Tat vollbringt. Könnt ihr euch das vorstellen? Dass ihr alle sieben, ihr Mädchen und eure Brüder, euch auf die Suche nach Drachen zum Besiegen und Jungfrauen in Not macht? Was für ein hübsches Abenteuer das Leben dann wäre.

So sprach die alte Heilerin Nora von Loch Lomond in einer kalten Nacht zu ihren drei jungen Enkelinnen.

Fiona fühlte augenblicklich das starke Bedürfnis, die Finger um Lucindas Hals zu legen und zuzudrücken.

Sie streckte ihr Kinn vor und sagte so ruhig, wie sie nur konnte: „Lady Featherington, nehme ich an. Wie geht es Ihnen?“

„Ah, Fiona MacLean.“ Die Frau schnurrte den Namen mehr, als sie ihn aussprach.

Fiona biss die Zähne aufeinander. „Neuerdings muss es Lady Kincaid heißen.“

Sie wünschte inbrünstig, die Frau, die ihr da gegenüberstand, wäre nicht so atemberaubend schön, mit ihren dicht bewimperten Augen und ihrer unglaublichen Figur. Sie war genau die Art von Frau, die man sich bestens an Jacks Seite vorstellen konnte. Alle Köpfe mussten sich nach ihnen umgedreht haben, wenn sie zusammen ausgegangen waren, die Frau so blond und daneben Jack mit seinem kastanienbraunen Haar und den dunkelblauen Augen.

„Nun ...“ Lucinda ging langsam um Fiona herum und betrachtete sie dabei von oben bis unten. „Sie sind also die glückliche Frau, der es gelungen ist, Black Jack Kincaid in die Falle zu locken. Ich kann kaum glauben, dass er verheiratet ist.“ Die Augen der Frau wurden schmal. „Und in diesem Fall hätte ich gedacht, er würde um sich schlagen und schreien, so laut er kann, wenn er zum Altar geschleift würde. Es sei denn, er war ... besinnungslos.“

Verdammt, warum hatte Jack dieser Hexe erzählt, wie es zu ihrer Hochzeit gekommen war? Sie stellte sich Lucindas schockiertes Gesicht vor, als sie die Geschichte gehört hatte. Oder schlimmer noch, vielleicht hatte sie gelacht. Über Fionas Verzweiflung. Darüber, dass Jack mit Gewalt geschnappt worden war.

„Wirklich, Lady Kincaid ...“ Die Worte der Frau trieften vor Hohn, und ihr Lächeln war ebenso falsch wie sie selber. „Aus irgendeinem Grund sehen Sie nicht aus wie eine Lady Kincaid.“ Als ihr Blick an Fionas Körper entlangglitt, fühlte diese sich plötzlich ... fett. Fett, plump und einfach nur hässlich.

Was offensichtlich falsch war. Sie mochte ein wenig fülliger sein, als es gerade der Mode entsprach, aber deshalb war sie nicht fett. Außerdem schien Jack sie trotzdem ziemlich reizvoll zu finden.

Sein Verhalten ihr gegenüber im Garten vor nur zehn Minuten war Beweis genug. Obwohl sie nicht so dumm war, sich einzubilden, er hätte nicht genauso auf eine andere Frau reagiert., half es ihr, sich an die Wärme seiner Hände zu erinnern und daran, wie rasch sein Atem dahingeflogen war, als er sie gestreichelt hatte.

„Armer Jack. Er wurde durch die ganze Tortur ziemlich gedemütigt.“ Lucinda lehnte sich gegen die Marmorplatte eines Tisches, auf dem eine Blumenvase stand. „Jack leidet sehr darunter, dass er so viel Zeit mit Ihnen verbringen muss.“

„Tatsächlich?“, säuselte Fiona. „Mir erscheint er ziemlich enthusiastisch ... wenn wir allein sind. “

„Sie wissen ja nicht, wie nah Jack und ich einander sind“, zischte Lucinda. „Wenn Sie nicht diesen Trick angewandt hätten, hätte er inzwischen mich geheiratet.“ Höflich zog Fiona eine Braue hoch. „Das wäre ein ziemlicher Schock für Lord Featherington gewesen, nehme ich an.“

Lucinda kräuselte ihre Lippen. „Ich kann nicht glauben, dass eine unscheinbare Maus wie Sie es gewagt hat, einen Mann wie Jack Kincaid einzufangen. Er braucht viel mehr, als Sie ihm zu bieten haben. Er braucht eine richtige Frau, eine, die seine Wünsche und Bedürfnisse kennt. Eine Frau wie mich.“

Fiona grub ihre Fingernägel in die Handflächen, während von draußen fernes Donnergrollen zu hören war. Die breiten Türen klapperten, als ein plötzlicher Windstoß gegen sie drückte.

„Es muss für Sie schwer zu ertragen sein zu wissen, dass Sie Ihren Ehemann nur durch Lug und Betrug gewonnen haben“, bemerkte Lucinda mit übertriebener Besorgnis in der Stimme. „Dass Sie den armen Mann wahr und wahrhaftig zum Altar geschleift haben. Ich weiß nicht, ob ich an Ihrer Stelle noch mit hocherhobenem Kopf herumlaufen könnte.“

Fiona verzog die Lippen zu einem unechten Lächeln. „Wie amüsant, ausgerechnet Sie von Betrug reden zu hören. Wenigstens hat Jack eine Ehefrau, der er vertrauen kann. Das ist mehr, als Ihr Gatte von sich behaupten kann.“ Ihr Körper war starr vor Zorn, als sie sich abwandte, um zu gehen.

Lucinda trat ihr in den Weg.

„Gehen Sie weg da“, fauchte Fiona.

„Ich bin noch nicht fertig mit Ihnen“, erklärte Lucinda mit zornig funkelnden Augen.

„Sie gehen mir sofort aus dem Weg“, wiederholte Fiona.

„Mir sagt keiner, was ich zu tun habe.“ Verachtung klirrte in Lucindas Stimme. „Schon gar nicht ein Trampel vom Lande wie Sie.“

Draußen gingen Blitze nieder, während die Wut durch Fionas Adern rauschte. Sie griff nach der Vase und nahm die Blumen heraus. Als ihr das Wasser ins Gesicht klatschte, kreischte Lucinda.

Sie keuchte, das Haar klebte ihr in nassen Strähnen am Kopf, schwarze Kajalstreifen liefen über ihr Gesicht. „Sie ... Sie ... Ich kann nicht glauben, dass Sie ...“

Fiona beugte sich vor und brachte ihre Lippen dicht an Lucindas Ohr. „Versuchen Sie gar nicht erst, Ihr Gift über mich oder die meinen zu versprühen. Ich bin eine MacLean, und die MacLeans stehen für sich ein - und für das, was ihnen gehört. Ich schlage vor, wenn ich Sie das nächste Mal auffordere, den Weg freizumachen, tun Sie es einfach.“

Die Tür zur Halle öffnete sich, und zwei Gentlemen erschienen. Sie waren in ein angeregtes Gespräch über die Vorteile von Schnupftabak gegenüber Zigarren vertieft.

Sobald sie Lucindas ansichtig wurden, die klatschnass in einer Pfütze mitten in der Halle stand, erstarrten sie mitten in der Bewegung. Ihre erstaunten Blicke fielen auf Fiona. Mit einem angespannten Lächeln stellte sie soeben die Vase zurück auf den Marmortisch und begann in aller Ruhe die Blumen neu zu arrangieren.

„Großer Gott! Lady Featherington! Was ist passiert?“ Der größere der beiden Männer eilte auf die durchnässte Lucinda zu.

Die beiden Herren hatten die Tür hinter sich offengelassen, und nun schauten auch verschiedene andere Leute in die Halle hinaus.

Fiona versank vor Lucinda in einem Knicks. „Guten Abend, Lady Featherington. Wenn Sie auf der Suche nach den Räumen sind, wo die Damen sich herrichten können - Sie finden sie am Ende der Halle, ganz links.“

„Oh! Sie ... Sie ...“ Lucindas Stimme brach.

Immer mehr Menschen kamen in die Halle. Einige der Männer sahen aufgebracht oder sogar zornig aus, doch jede Frau in Sichtweite trug ein Lächeln auf den Lippen.

Fiona raffte ihre Röcke und stieg über die Pfütze am Boden hinweg „Entschuldigen Sie mich. Mein Gemahl wartet auf mich.“

Lucinda bedachte Fiona mit einem so giftigen Blick, dass die Gentlemen, die in der Nähe standen, hastig einen Schritt zurücktraten. „Das werden Sie bereuen.“

„Geben Sie Ihr Bestes“, erwiderte Fiona kalt. „Ich werde bereit sein und warten. “

Sie fand Jack beim Tisch mit den Erfrischungen. Er entschuldigte sich bei dem Gentleman, mit dem er gesprochen hatte, und führte sie dann in die große Halle. Die Menschenmenge am anderen Ende der Halle versperrte die Sicht auf Lady Featherington.

„Ich frage mich, was da los ist?“, wunderte sich Jack, während sie auf ihre Mäntel warteten.

„Ich glaube, eine Katze hatte ein kleines Missgeschick mit einer Blumenvase. “

Sie traten aus dem Haus, wo ein böiger Wind, über den Himmel zuckende Blitze und der verräterische Duft nach Lilien sie empfingen.

Mit argwöhnischem Gesicht sah Jack hinauf zum Himmel. „Fiona?“, fragte er seine Frau misstrauisch.

„Gregor muss in der Nähe sein“, behauptete sie mit sanfter Stimme.

„Während seiner Stürme habe ich noch nie Lilien gerochen.“

„Tatsächlich nicht? Wie seltsam.“ Sie war erleichtert, als die Kutsche auf sie zukam.

Jack wirkte nicht sehr überzeugt, aber schon bald waren sie auf dem Heimweg. Der Regen begann herunterzuprasseln, bevor sie das Ende der Straße erreicht hatten.

Besorgt sah Jack hinauf zum Dach der Kutsche. „Bist du sicher, dass alles in Ordnung ist?“, erkundigte er sich bei Fiona.

Sie nickte heftig. „Auf jeden Fall. Noch nie zuvor in meinem Leben habe ich mich so stark gefühlt. “

Er runzelte die Stirn. „Stark? Das ist eine seltsame Wortwahl. “

„Ich bin froh, dass wir nach Hause fahren“, sagte sie lächelnd und rutschte über den Sitz, bis sich ihr Schenkel gegen seinen presste.

Obwohl seine Miene im zuckenden Licht der Blitze nur schwer zu erkennen war, fühlte Fiona, wie seine Stimmung umschlug. Ermutigt legte sie die Hand auf sein Knie, ließ ihre Finger auf seinem Schenkel nach oben gleiten, dann wieder nach unten.

Plötzlich fing Jack ihre Hand ein, zog sie zu sich und presste sie zwischen seine Beine. Ihre Augen weiteten sich, als sie unter ihren Fingern die harte Erhebung spürte. „Oh! Ich muss feststellen, dass du ebenso froh bist wie ich, dass wir nach Hause fahren.“

Jacks Augen wurden dunkel, und er zog sie in eine leidenschaftliche Umarmung, die andauerte, bis der Wagen Kincaid House erreichte. Fiona hatte alle Hände voll zu tun, ihr Kleid in Ordnung zu bringen, bevor der Diener die Tür der Kutsche öffnete.

Nachdem sie nun endlich angekommen waren, eilte Jack mit ihr ins Haus und die Treppen hinauf, während seine Hände sich unter ihrem Mantel auf eine Weise bewegten, die ihr den Atem nahm und sie zum Keuchen brachte.

Stunden später lag Fiona an ihn geschmiegt da, während er schon fest schlief. Seine breite Brust hob und senkte sich, seine Haut war immer noch heiß von ihrer geteilten Leidenschaft und Zärtlichkeit.

Sie seufzte zufrieden. Sollte Lucinda Featherington doch grinsen! Sollte Alan Campbell doch so viele Anspielungen machen, wie er wollte! Sie würde nicht zulassen, dass sich jemand zwischen sie und Jack drängte. Es mochte sein, dass sie sich nicht liebten, aber es gab Vertrauen zwischen ihnen und zweifellos auch Leidenschaft, die ihre Stunden im Bett höchst erstaunlich und denkwürdig machte.

Fiona schloss die Augen. Jacks Wärme und Nähe wiegten sie in den Schlaf. Für den Augenblick musste das genügen.