9. KAPITEL
Es ist eine Schande, was die MacLeans für ein Temperament haben. Sie sind übermäßig im Zorn und in der Liebe. Und sie halten zusammen. Was einem von ihnen das Blut in Wallung bringt, versetzt sie alle in Aufregung. Sie werden gemeinsam im Himmel singen oder gemeinsam in der Hölle schmoren.
So sprach die alte Heilerin Nora von Loch Lomond in einer kalten Nacht zu ihren drei jungen Enkelinnen.
„Da sind Sie ja, Mylord!Devonsgate eilte herbei, während ein Lakai Jacks Mantel entgegennahm und ein anderer auf seinen Hut wartete. „Ich begann mich zu fragen, ob die Nachricht Sie erreicht hat.“
„In allen Einzelheiten“, erklärte Jack, während er die beiden Lakaien abschüttelte und feststellte, dass neben den Türen zur Bibliothek noch zwei weitere warteten. Guter Gott, wie viele von ihnen gab es eigentlich in seinem Haus?
Als er sich umwandte, protestierte sein Magen gegen die plötzliche Bewegung. Er zog eine Grimasse. Dank Fiona und ihren Brüdern würde er bald keinen Muskel im Leib haben, der ihn nicht schmerzte.
Draußen grollte der Donner, und mit einem lauten Krachen ging das Rauschen des Regens in ein wesentlich lauteres Geräusch über.
„Ist das womöglich Hagel? Im April?“, fragte Devons-gate überrascht.
Jack sah zum Fenster hinüber, wo vor dem Hintergrund des schwarzen Himmels kleine Eisbälle gegen die Scheiben trommelten und auf dem Fenstersims herumsprangen. „Die verdammten MacLeans“, murmelte er.
„Wie bitte, Mylord?“ Der Butler sah ihn erstaunt an. „Nichts.“ Jack zuckte betont gleichgültig die Achseln. „Wo ist Ihre Ladyschaft?“
„In ihrem Schlafzimmer.“ Mit gefalteten Händen sah der Butler starr geradeaus. „Sie sollten darüber informiert sein, Mylord, dass heute Morgen eine höchst missverständliche und schwierige Situation entstand. “
Der Unheil verkündende Ton in Devonsgates Stimme ließ Jack innehalten, obwohl er sich bereits der Treppe zugewandt hatte. „Was ist passiert?“
Der Butler rümpfte kaum merklich die Nase. „Sie haben verabsäumt, uns darüber zu informieren, dass Sie die Dame geheiratet hatten, die Sie so informell - und wenn ich so sagen darf, auf so skandalöse Weise - am vergangenen Abend ins Haus getragen haben. “
Es dauerte eine Weile, bis Jack die volle Bedeutung von Devonsgates Worten klar wurde. Nachdem Fiona erwacht war, hatte die Dienerschaft also angenommen, es handele sich um einen der sonst üblichen Damenbesuche ... Kein Wunder, dass Fiona den Lakaien nach ihm geschickt hatte. „Ich stecke offenbar in Schwierigkeiten“, stellte er seufzend fest.
„So ist es“, stimmte ihm der Butler in strengem Ton zu. „Ich kann nur hoffen, Ihre Ladyschaft wird der Dienerschaft verzeihen, dass wir uns nicht verhalten haben, wie wir es hätten tun sollen, als sie aufstand und Frühstück verlangte.“ Devonsgate ließ kein Auge von Jack. „Mrs. Tarlington war zunächst der Meinung, dass die Betrügerin an den Ohren aus dem Haus geschleift werden sollte.“
Er war ein solcher Dummkopf gewesen! Keine Sekunde hatte er daran gedacht, dass die Diener Fiona nicht kannten. Hatte nicht bedacht, dass sie allein und hungrig erwachen und auf der Suche nach Frühstück mit Feindseligkeit und Zweifeln konfrontiert werden würde. „Ich hätte sie vorstellen müssen. “
„Ja, Mylord.“
Jack rieb seinen Nacken. „Ist sie wütend?“
Devonsgate sah hinauf zur Decke.
„Na wunderbar“, murmelte Jack. Er war am frühen Morgen ausgegangen, um zu beweisen, dass sich sein Leben nicht geändert hatte, nur weil er jetzt verheiratet war, und hatte damit nichts anderes erreicht als eine Menge Aufregung und Ärger. „Ich nehme an, ich sollte hinaufgehen und mit ihr reden“, sagte er seufzend zu seinem Butler.
„Sie wartet, Mylord“, murmelte Devonsgate. „Und sie hat Frühstück für zwei bestellt. Vielleicht würde eine von Herzen kommende Entschuldigung die Wogen glätten.“
Das waren erstaunlich ermutigende Neuigkeiten. „Danke, Devonsgate. Das werde ich tatsächlich versuchen.“ Als Jack sich in der Halle umsah, fiel sein Blick auf eine Vase mit frischen Blumen. Er ging hin, fasste mitten in das Gebinde und zog eine Handvoll Blüten heraus. Über dem Teppich schüttelte er das Wasser von den Stielen.
„Mylord!“, empörte sich der Butler.
„Machen Sie sich keine Sorgen, Devonsgate. Das ist nur Wasser.“ Jack streckte den Arm aus und betrachtete den Strauß. Die Blumen sahen ein bisschen feucht und zerfleddert aus, nachdem er sie aus der Vase gezerrt hatte, doch sie mussten reichen. Er hätte in seinem Garten Blumen für Fiona gepflückt, aber angesichts des Hagels bezweifelte er, dass mehr als ein paar Grashalme überlebt hatten.
Unruhig sah Devonsgate durchs Fenster nach draußen, bevor er seine Aufmerksamkeit wieder Jack zuwandte. „Ich hoffe, Ihre Ladyschaft war nicht zu verärgert angesichts meiner oder Mrs. Tarlingtons Zweifel heute Morgen.“
„Ich trage die Schuld an dem Missverständnis, nicht Sie.“ Jack ging auf die Treppe zu. Er fing an zu glauben, dass er sich am vergangenen Abend wie ein Schuft verhalten hatte. Verdammt noch mal; dabei hatte er nur versucht, Herr seines eigenen Lebens zu bleiben.
Und das würde er auch weiterhin tun, dachte Jack und hob entschlossen das Kinn. Auch wenn es falsch gewesen war, Fiona allein zu lassen, ohne Vorkehrungen für ihre Bequemlichkeit zu treffen, hatte er doch immer noch das Recht, jederzeit zu gehen, wohin er wollte und zurückzukehren, wann es ihm beliebte.
Als er vor der Schlafzimmertür stand, schaute er an sich herunter und betrachtete seine zerknitterte Jacke. Das Wenigste, was er tun konnte, war, sich ein bisschen präsentabler für sie herzurichten. Er legte die Blumen auf den Boden vor der Tür, dann strich er sein Halstuch und seine Jacke glatt. Mit dem Jackenärmel polierte er die Spitzen seiner Stiefel und griff dann wieder nach seinem Blumenstrauß. Gerade wollte er die Finger um die Stiele schließen, da wurde die Tür aufgerissen.
Aus nächster Nahe sah Jack auf Fionas Stiefeletten hinab. Jene Stiefeletten, deren Absätze sich in der vergangenen Nacht so wunderbar quälend in seinen Hintern gebohrt hatten.
Die Reaktion seines Körpers kam rasch und war eindeutig. Eilig richtete er sich wieder auf. „Ufff!“ Seine Stirn knallte gegen etwas Hartes, die Blumen flogen durch die Luft.
„Au!“ Fiona taumelte zurück, eine Hand knapp über den Augen gegen den Kopf gepresst.
In dem Moment, in dem ihre Knie nachgaben, umschlang und hielt Jack sie fest. „Fiona! Es tut mir leid! Ich wollte nur ... oh, wie furchtbar ... “
Er hob sie auf, trug sie ins Zimmer und warf mit dem Fuß die Tür hinter sich ins Schloss. Während er mit Fiona auf den Armen durchs Zimmer ging, bemerkte er aus den Augenwinkeln die große Messingwanne und das Frühstückstablett, das auf einem kleinen Tisch vor dem frisch entfachten Feuer stand.
Vorsichtig ließ er sie auf das Kanapee gleiten. Nachdem er sie bequem gebettet hatte, hob er ihr Kinn und betrachtete prüfend ihre Stirn. Auf ihrer glatten Haut leuchtete ein flammend roter Fleck. Ohne nachzudenken, presste er seine Lippen auf die Stelle.
Unter dieser Berührung seines Mundes schloss Fiona die Augen. Es war eine schlichte, fast keusche Geste, aber sie erzeugte in ihr ein warmes, tröstendes Gefühl. Sie schmiegte sich in seine Umarmung und weigerte sich, an irgendetwas anderes zu denken.
Den ganzen Morgen hatte sie damit verbracht, sich über Jacks Abwesenheit zu ärgern. Ihr Zorn war in wilde Entschlossenheit umgeschlagen, ihn wissen zu lassen, was sie von seinem Versäumnis hielt, die Dienstboten über ihre Stellung im Haus zu informieren. Anschließend hatte sie eine Menge Zeit damit verbracht, eine markige, wohldurchdachte Rede einzuüben, mit der sie Lord Jack Kincaid in aller Deutlichkeit mitzuteilen gedachte, wie die Dinge lagen. Sie hatte sogar ganz genau geplant, in welchem Stuhl er sitzen würde, während sie ihn mit ihrer unwiderlegbaren Logik in Erstaunen versetzte: Der rote Stuhl stand im direkten Licht, sodass sie jede Regung seines Gesichts sehen konnte.
Sie hatte vorgehabt, sich als Inbegriff von Würde und Anmut, als Meisterin der vernünftigen Rede und Hüterin weiblichen Stolzes zu präsentieren. Und nun das! Er hatte noch nicht einmal die Türschwelle überschritten, und schon waren sie mit den Köpfen gegeneinandergeknallt wie in einer Komödienvorführung in den Vauxhall Gardens.
Das Leben war einfach ungerecht!
Als ihr Blick seinem begegnete, seufzte Jack auf. Er sah müde aus, tiefe Linien zogen sich von seinen Mundwinkeln bis hinunter zum Kinn. Es kribbelte ihr in den Fingern, diese Linien zu liebkosen, sein stoppeliges Kinn zu berühren, einen Kuss auf den Rand seiner Lippen zu drücken und vielleicht auch auf andere Stellen ...
Verdammt noch mal! Sie war wütend auf ihn, und das zu Recht. Sie konnte sein Verhalten nicht einfach vergessen, weder die Unannehmlichkeiten, denen er sie in seinem Haus ausgesetzt hatte, noch die Tatsache, dass er die ganze Nacht über weggeblieben war. Fiona grub ihre Fingernägel in die Handflächen und wandte die Augen ab. Was hatte er bloß an sich, dass sie sich nach seiner Berührung sehnte, obwohl sie vor Wut schäumte?
„Es tut mir leid, dass es zu diesem Missgeschick kommen konnte“, sagte sie rasch und bemühte sich, ruhig zu bleiben. „Ich dachte, du hättest etwas verloren und beugte mich hinunter, um zu sehen, was es war.“
„Ich war gerade dabei, meine Schuhe mit dem Ärmel zu polieren.“ Er sah an seiner zerknitterten Kleidung herunter. „Es war ein leider wohl wirkungsloser Versuch, ein bisschen präsentabler auszusehen.“ Er schaute sich um und betrachtete eine zerdrückte Blüte, die unter der geschlossenen Tür hervorschaute. „Ich habe dir sogar ein paar Blumen mitgebracht.“
Sie biss sich auf die Lippe und betrachtete die kümmerliche Blüte, während ein Lachen sie in der Kehle kitzelte. Was für ein schreckliches Durcheinander sie gemeinsam angerichtet hatten. „Warum wolltest du mir Blumen schenken?“, erkundigte sie sich in strengem Ton.
„Weil ich ein Schuft bin. Es tut mir außerordentlich leid, dass ich dich der Dienerschaft nicht vorgestellt habe. Ich hätte es tun sollen, aber ...“ Er stockte, und seine Miene verschloss sich. „Ich war damit beschäftigt zu beweisen, dass mein Leben sich nicht geändert hat. “
„Unser beider Leben hat sich verändert. Das passiert nun mal, wenn man heiratet“, erklärte ihm Fiona mit sanfter Stimme.
„Unser Leben hat sich sehr verändert“, stimmte er ihr auf eine Weise zu, die ihr zeigen sollte, dass er nicht im Geringsten daran dachte, diese Änderungen zu akzeptieren.
Sie zuckte die Achseln und wandte den Kopf ab, weil die Herausforderung in seinem Blick nur zu deutlich war. „Ich verstehe.“
Mit den Fingern strich er ihr vorsichtig über die Stirn. „Ein wenig tiefer, und du hättest jetzt ein blaues Auge. Das wird auf jeden Fall eine dicke Beule geben.“ „Vielleicht würde ein wenig Eis helfen, damit es nicht blau und grün wird.“ Fiona betastete ebenfalls die geschwollene Stelle und verzog das Gesicht.
Sofort stand Jack auf, ging zum Kamin und zog zweimal an einer langen, goldenen Kordel, die neben einem Gemälde über dem Kaminsims ging.
„Da ist also die Glocke!“, rief Fiona.
Jack sah überrascht aus. „Hast du sie nicht benutzt, um die Diener zu rufen?“
„Nein“, erwiderte sie knapp. „Als ich einen Wunsch an die Dienerschaft hatte, bin ich die Treppe hinuntergegangen und habe Devonsgate und Mrs.Tarlington gesagt, was ich wollte.“
Er betrachtete das Frühstückstablett, die Badewanne und das Kleid, das auf dem Bett bereitlag, und ein Hauch von Bedauern huschte über sein Gesicht. „Es tut mir leid, Fiona.“
„Wenn es so ist, kommt es ein wenig spät.“ Hastig biss sie sich auf die Lippe. Selbstbeherrschung. Anmut. Gelassenheit. Sie atmete tief durch. „Ich denke, wir ...“
Es klopfte leise an die Tür, dann trat Devonsgate ein. „Mylord?“
„Wir brauchen Eis“, befahl Jack. „Der Kopf Ihrer Ladyschaft kam in Kontakt mit meinem, und Sie wissen, wie hart mein Schädel ist.“
„Ja, Mylord.“ Der Butler wandte sich zum Gehen, zögerte dann aber „Mylady?“
Fiona riss den Blick von Jack los. „Ja?“
„Ich entschuldige mich, falls mein früheres Benehmen nicht so respektvoll war, wie es der Dame des Hauses zusteht. Ich wusste nicht, wer Mylady ...“
„Bitte.“ Fiona hob die Hand. „Die Umstände waren für uns alle unangenehm. Am besten fangen wir noch einmal von vorne an. “
Devonsgate sah erleichtert aus. „Ja, bitte, Mylady. Ich werde Eis für Ihre Stirn bringen.“ Mit einer weiteren respektvollen Verbeugung verschwand er und schloss die Tür sanft hinter sich.
Fiona erhob sich und ging zum Fenster. Die Hände hatte sie krampfhaft vor ihrem Körper verschränkt. Wie fing man eine Unterhaltung wie die an, die sie nun mit ihrem Gemahl führen musste? Konnte sie verlangen, dass er sein Verhalten änderte? Sie hatte ihn entführt und in diese Ehe gezwungen. Durfte sie unter diesen Umständen von ihm fordern, dass er ... hingebungsvoller war?
Doch das war es nicht, was sie wirklich wollte. Sie hatte Respekt verdient, wenn schon nichts anderes, und ...
Vom Fenster her kam ein seltsames Klopfen. Mit gerunzelter Stirn zog sie die dicken Samtvorhänge zurück. Hagel prasselte gegen die Scheiben und bildete draußen auf dem Fenstersims kleine Eisberge. Erstaunt wandte sie sich zu Jack um. „Sind meine Brüder angekommen?“ Er nickte wortlos.
„Wo sind sie? Im Salon? Warum hast du mir nichts gesagt?“ , sprudelte sie aufgeregt hervor.
„Sie sind bereits wieder gegangen. Aber sie kommen zurück.“ Er lächelte freudlos. „Das haben sie mir fest versprochen. “
„Wohin sind sie gegangen?“, erkundigte sich Fiona. „Ich weiß nicht. Allerdings glaube ich, zwei von ihnen planen einen längeren Aufenthalt in der Stadt. “
„Oh je.“ Mit sorgenvoller Miene spitzte Fiona die Lippen. „Welche beiden wollen denn bleiben?“
„Dougal und Hugh“, antwortete Jack und legte die Stirn in Falten. „Oder vielleicht waren es Hugh und Gregor. Ich erinnere mich nicht genau. Du wirst es bald herausfinden, denn sie haben versprochen, sehr sichtbar zu sein.“
Sie zog die Brauen in die Höhe. „Was soll das heißen?“ „Du kannst sie fragen, wenn sie zu Besuch kommen. Ich fühle mich nicht berufen, für sie zu sprechen.“ Er rieb sich über das Kinn. „Ich nehme an, du weißt nicht, welcher von ihnen Hagel machen kann?“
„Gregor. Er verfügt über eisige Selbstbeherrschung“, erklärte sie. „Der Rest von uns macht einfach nur Regen.“
„Indem ihr solche Wolken zur Hilfe nehmt wie die, die seit gestern Abend über meiner Kutsche hängt“, stellte Jack mit unbewegter Miene fest.
Wieder einmal hatte ihr verdammtes Temperament sie in Schwierigkeiten gebracht. Fionas Blick fiel auf den Frühstückstisch, und sie bewegte sich mit offensichtlicher Erleichterung darauf zu. „Wir sollten essen.“
Er verschränkte die Arme vor der Brust und lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. „Auf jeden Fall sollten wir das tun. “
Sie strich Konfitüre auf zwei Scheiben Toast und legte sie zusammen mit dünnen Schinkenscheiben und jeweils einem pochierten Ei auf die beiden Teller, die auf dem Tisch bereitstanden.
Erneut klopfte es an die Tür, und Devonsgate erschien mit einem kleinen Eisklumpen, den er in ein Leinentuch gewickelt hatte. Er reichte Fiona das Tuch, füllte ihre Teetasse und goss für Jack Ale in einen Becher. Dann ging er wieder.
Fiona beobachtete Jack, während sie das Eis gegen ihre Stirn presste. Als er einen großen Schluck von seinem Ale trank, spannte sich der Ärmel seiner Jacke über seinem muskulösen Arm. Bei diesem Anblick Spürte Fiona ein Kribbeln in der Magengegend. Er sah so gut aus, war ein so attraktiver Mann. Sicher war sie nicht die einzige Frau, die das bemerkte. Aber er war ihr Gatte, war mit ihr verheiratet.
„Wo warst du heute Morgen?“, verlangte sie zu wissen und presste gleich darauf erschrocken die Lippen zusammen.
Verdammt! Ich wollte ihn das nicht fragen! Was ist aus meiner wohldurchdachten Rede geworden?
Mit verschlossenem Gesicht stellte er seinen Becher zurück auf den Tisch. „Wenn du es unbedingt wissen willst, ich war in einer Spielhölle.“
Wer A sagt, muss auch B sagen. Fiona war in allem, was sie tat, immer konsequent gewesen, also räusperte sie sich und fuhr fort: „Es hat mir nicht gefallen, dass du mich letzte Nacht allein gelassen hast, Jack. Wenn du das nächste Mal ausgehst, möchte ich mitkommen. “
Das klang nicht unvernünftig, sondern ruhig, gut durchdacht, und als Ehefrau war es schließlich ihr Recht ...
„Nein.“
„Was?“
„Du hast mich genau verstanden. Eine Spielhölle ist kein Aufenthaltsort für eine wohlerzogene Dame.“ Er betrachtete sie mit ruhigem Blick.
„Ebenso wenig wie für einen wohlerzogenen Gentleman“, erwiderte sie steif.
Jacks Mund wurde schmal. „Willst du mir meine Vergnügungen verbieten?“
„Nein. Ich meine, ja. Ich meine ... verdammt, ich weiß nicht, was ich meine ... außer dass du nicht an Saufgelagen teilnehmen sollst.“ Die Worte kamen ohne ihr Zutun aus ihrem Mund, und sie konnte sich beim besten Willen nicht mehr an die wohldurchdachte Rede erinnern, die sie für Jack vorbereitet hatte.
„Ich habe nicht,gesoffen. Und selbst wenn ich es getan hätte, wüsste ich nicht, was es dich anginge.“ Er klang viel ruhiger und gelassener als sie, was sie höchst ärgerlich fand.
Fiona ballte ihre Hände zu Fäusten. „Alles, was du tust, geht mich etwas an. Wir sind verheiratet.“
„Nur auf dem Papier.“ Mit vor der Brust verschränkten Armen lehnte er sich zurück. „Ich habe mich damit einverstanden erklärt, dafür zu sorgen, dass du ein Kind bekommst, aber ich werde während dieser Zeit meine Freiheit nicht aufgeben. Wenn ich den Wunsch habe, eine Spielhölle zu besuchen, werde ich es tun. Du kannst mich nicht daran hindern.“
Eine leichte Unruhe stieg in ihr auf. Nun gut. Wenn er glaubte, sie würde brav zu Hause sitzen, während er sich in der Stadt herumtrieb, Frauen schöne Augen machte und Gott weiß was tat, hatte er sich gründlich getäuscht. „Schön. Aber was für dich gilt, gilt selbstverständlich auch für mich. “
„Wir veranstalten kein Wettrennen, Fiona“, erklärte er ihr in einem Ton, als würde er mit einem unvernünftigen kleinen Mädchen sprechen.
Sie zuckte die Achseln und beschloss, ihm zu zeigen, wie sich eine erwachsene, selbstständige Frau benahm. „Wenn du deine Freiheit haben willst, bitte, dann tu, was du nicht lassen kannst. Ebenso werde ich mir meine Freiheit nehmen. “
„Verflucht, Fiona, du kannst nicht...“
Ein leises Klopfen ertönte von der Tür, und Devonsgate trat ein, gefolgt von einer Reihe von Dienern, die Eimer mit dampfendem Wasser trugen. Einer nach dem anderen goss sein Wasser in die große Wanne und ging wieder.
Devonsgate legte sorgfältig ein Handtuch über den Wannenrand und schüttete Badesalz in das warme Wasser. Gleich darauf erfüllte der schwere Duft von Sandelholz das Zimmer.
Nachdem Devonsgate das benutzte Frühstücksgeschirr zusammengestellt hatte, wandte er sich mit- einer höflichen Verbeugung an Fiona: „Haben Sie noch irgendwelche Wünsche, Mylady?“
Sie sah hinunter auf ihr zerknittertes Kleid. „Das muss sobald als möglich gereinigt und gebügelt werden.“
„Die Kleidung meiner Frau ging während eines Unwetters verloren“, erklärte Jack dem Butler. „Wir werden heute Nachmittag neue Kleider für sie kaufen.“
„Ja, Mylord. Ich werde dafür sorgen, dass die Kutsche bereitsteht.“ Der Butler verbeugte sich erneut und verließ das Zimmer.
Stille trat ein. Fiona bewegte sich unruhig auf ihrem Stuhl, während ihr Blick zur Wanne und zurück zu Jack wanderte.
„Möchtest du nicht dein Bad nehmen?“, erkundigte sich Jack.
Mit geröteten Wangen betrachtete sie erneut die Wanne. „Ich hatte auf ein wenig Privatsphäre gehofft.“
Sein unerwartetes Lachen wärmte das Zimmer. „Ich bitte dich, Fiona, ich habe gesehen, wie du dich nackt unter mir windest. Was sollte es dir jetzt also ausmachen, dich vor mir zu entkleiden?“
Aus irgendeinem Grund schienen ihr die Ereignisse der vergangenen Nacht sehr lange zurückzuliegen. „Ich wollte nur ... “ Was genau wollte sie? Wollte sie es ablehnen, ihm nahe zu sein, nachdem er auf all ihre Forderungen eingegangen war? Sie mussten weiterhin den ehelichen Umgang miteinander pflegen, wenn sie ein Kind haben wollten.
Außerdem hatte niemals irgendetwas so mächtige Gefühle in ihr ausgelöst wie die Stunden, die sie mit Jack im Bett verbracht hatte, und sie war nicht bereit, diese wunderbare Erfahrung aufzugeben.
Als sie ihm einen kurzen Blick zuwarf, hätte sie beinahe gelächelt. Er rekelte sich auf seinem Stuhl und wirkte nahezu entspannt, wäre da nicht seine Hand gewesen, die die Armlehne so fest umspannte, dass seine Fingerknöchel weiß hervortraten.
Schlagartig dämmerte ihr die Wahrheit. Was in der vergangenen Nacht zwischen ihnen gewesen war, hatte ihn ebenso berührt wie sie! Diese Erkenntnis ließ ihr Herz schneller schlagen, während ein Gefühl des Triumphs durch ihren Körper ging.
Sie stand auf, ging zur Wanne, beugte sich vor und bewegte ihre Finger durch das Wasser. Heiße Dampfschwaden stiegen auf und kitzelten ihre Nase mit dem Duft von Sandelholz.
Jacks Körper war plötzlich starr vor Anspannung. Fiona lächelte. Es gab mehr als einen Weg, ein Ziel zu erreichen. Sie wandte sich ihm zu und öffnete langsam den Nackenverschluss ihres Kleides.
Jetzt krallte er sich mit beiden Händen an die Armlehnen seines Stuhls.
Oh ja! Es gab in der Tat mehr als eine Möglichkeit, die Aufmerksamkeit eines verdorbenen schottischen Lords zu erregen. Und oh, wie gut ihr diese Aufmerksamkeit tat!
Sie schob ihr Kleid von einer Schulter, dann hielt sie inne. „Am besten ziehe ich zuerst meine Stiefeletten aus.“
Seine Augen wurden dunkel vor Vergnügen. „Möchtest du, dass ich sie für dich öffne?“
„Ich bin sicher, das würde viel schneller gehen“, stimmte sie ihm mit sanfter Stimme zu.
Er erhob sich und kam mit stolzem, ungebeugtem Gang quer durch das Zimmer auf sie zu. Vermutlich hatte es einen Vorteil, wenn die Streitigkeiten zwischen ihnen unentschieden ausgingen; auf diese Weise konnten sie einander immer noch mit hocherhobenen Köpfen gegenübertreten.
In mehr als einer Hinsicht waren sie einander ebenbürtig. Sie hasste es ebenso zu verlieren wie er. Und sie genossen beide die Hitze der Leidenschaft.
Ein Schauer überlief sie, als er sich vor sie kniete und die Hände um ihre Wade legte. Langsam löste er den Schnürsenkel und sah herauf zu ihr. „Leg die Hand auf meine Schultern.“
Sie tat wie geheißen und wunderte sich über die Wärme, die sie durch seine Jacke spürte.
Mit einer Hand hielt er ihr Bein und zog ihr mit der anderen die Stiefelette aus. „Das war’s“, sagte er und ließ den Schuh auf den Boden fallen.
Als seine Hand ein wenig höher an ihrem Bein heraufglitt, hielt Fiona die Luft an.
Mit einem schelmischen Lächeln hob er ihren anderen Fuß, und nach wenigen Sekunden ließ er die zweite Stiefelette neben die erste fallen.
Mit schief gelegtem Kopf betrachtete Fiona die Badewanne. „Glaubst du, wir passen beide in die Wanne? Sie erscheint mir ziemlich groß.“
Während er sich erhob, lachte er in sich hinein. „Sie ist ziemlich groß, wenn du auf meinem Schoß sitzt.“
Bei dieser Vorstellung bebte ihr Körper. „Sollen wir?“ Jack beugte sich vor, um ihren Nacken zu liebkosen. Mit seinen Küssen zog er eine Linie von ihrem Kragen bis zu ihrem Ohr.
Eine rasche Handbewegung reichte, um das Band zu lösen, das noch ihr Kleid hielt; raschelnd glitt die Seide an ihrem Körper hinab auf den Boden. Während sie so tat, als würde sie nicht bemerken, wie gespannt Jack ihr zusah, hob sie das Kleid auf und warf es über einen Stuhl. Dann öffnete sie die Schleifen ihres Unterkleides und schlängelte sich auch aus diesem Kleidungsstück. Vollkommen nackt hob sie anschließend die Beine über den Rand der Wanne und ließ sich ins Wasser gleiten.
„Ah!“ Sie schloss die Augen, als die Wärme und der Dampf sie liebkosten.
„Rutsch nach vorn, Süße.“
Als sie die Lider öffnete, stand Jack nackt vor ihr, und in seinen Augen tanzte ein Lächeln. Sie konnte nicht anders, als ihn anstarren, denn er bot einen herrlichen Anblick. Unter der straffen Haut seines Körpers wölbten sich die Muskeln, deren deutlich hervortretende Stränge sie an seinen breiten Schultern, auf seinem flachen Bauch und an seinen durchtrainierten Schenkeln erkennen konnte.
Als Jack hinter ihr ins Wasser stieg, zog sie die Knie an und glitt in der Wanne nach vom. Er streckte an ihren Seiten die Beine aus, hob sie hoch und setzte sie auf seinen Schoß. Es war himmlisch, in der Wanne zu sitzen und von nichts als Jack umgeben zu sein. Seine Schenkel waren ein perfekter Sitz für sie. Seine muskulösen Arme streckten sich an ihren Seiten aus und stützten sie, und seine Schulter lockte dicht bei ihrem Kopf, sodass sie sich nur ein wenig nach hinten fallen lassen musste, um eine wunderbare Lehne zu haben.
Eine kleine Ewigkeit lang saßen sie so da, genossen einfach nur einander und das Gefühl des warmen Wassers auf der Haut. Fiona schmiegte sich an ihn und legte ihren Kopf in den Nacken, sodass sie sein Gesicht sehen konnte.
Er küsste ihre Stirn. „Ich entschuldige mich dafür, dass ich dich den Dienstboten nicht vorgestellt habe. Ich habe schlichtweg nicht an die Konsequenzen gedacht. Das ist mit nichts zu entschuldigen.“
Als sie die Schultern zuckte, rieb sich ihre Haut an seiner, und das Wasser schien jede ihrer Berührungen noch intensiver zu machen. „Es ist mir wichtiger, deine Vorliebe für Spielhöllen zu klären“, erklärte sie ruhig. „Ich weiß, wie es dort zugeht. Schließlich habe ich mehrere Brüder.“
„Das ist mir nur zu klar.“ Er legte die Arme um sie und umschloss ihre Brüste mit beiden Händen. Als er die rosigen Knospen liebkoste, verteilte sich das warme Wasser sanft auf ihrer empfindlichen Haut.
Unter sich fühlte sie deutlich, wie sein Begehren zum Leben erwachte, und ihr Körper schmerzte vor Verlangen, als die Sehnsucht in ihren Adern Funken schlug. Fiona hob ihm die Lippen entgegen und schlang die Arme um seinen Nacken, während er die Hand zwischen ihre Schenkel schob.
Und dann war sie verloren, verloren in der Hitze seiner Berührung, und sie verging in Jacks Umarmung.