Kapitel 10

~ James & Cassandra~

~Zehn Jahre später ~


Die letzten Jahre verliefen glücklich und friedlich für die Adelsfamilie. Aydan wuchs, gedieh und war der ganze Stolz von Cassandra und James. Er war ein aufgeweckter Junge. Doch zu jedem Vollmond legte sich ein Schatten über diese Idylle. Aydan wurde aggressiv, griff seine Eltern an und wurde gewalttätig. Heute war es so weit. Der Mond nahm zu und James hatte die Fesseln bereitgelegt, mit denen er seinen Sohn an sein Bett fesselte.

Cassandra sah es und musterte ihn.

»Willst du ihn wieder fixieren?«, fragte sie.

»Ja, das will ich. Ich weiß, dass du es nicht möchtest, dennoch werde ich niemanden in Gefahr bringen«, antwortete er.

Sie schnaubte. »Ich lasse es nicht zu James«, meinte sie.

»Meine Schöne ich lasse mich nicht aufhalten«, gab er zurück und nahm die Taue an sich.

Sie kam auf ihn zu und griff danach, doch er zog sie schnell aus ihrer Reichweite.

»James tu es bitte nicht. Er ist ein Junge, wen soll er denn verletzen?«, wollte sie wissen.

»Er ist bereits auf dich losgegangen und ich will nicht, dass er dich angreift.«

Sie verdrehte die Augen.

»Er ist noch ein Kind und ich lasse nicht zu, dass du ihn an sein Bett fesselst«, herrschte sie ihn an.

»Das werden wir sehen«, entgegnete er. Dann verließ er das Arbeitszimmer. Cassandra wollte ihm folgen, aber er schloss die Tür und sie hörte, wie der Schlüssel gedreht wurde.

Sie hämmerte mit den Fäusten gegen das Holz. »James du wirst mich augenblicklich rauslassen. Du kannst mich hier nicht einsperren.«

»Doch das kann ich«, feixte er und ging davon.


Er suchte das Gemach seines Sprösslings auf und musterte den Jungen. Er war ihm wie aus dem Gesicht geschnitten, bloß die blauen Augen hatte er von seiner Mutter.

»Hallo mein Sohn«, grüßte James ihn.

»Vater«, erwiderte Aydan, der am Fenster saß.

»Der Mond nimmt zu, du weißt, was das bedeutet.«

Aydan erhob sich und funkelte James zornig an.

»Das heißt, du willst mich fesseln?«, fragte der Spross.

»Ja, wie zu jeder Mondphase«, antwortete James.

»Ich will aber nicht«, widersprach der Junge.

James raunte genervt und ging auf seinen Sohn zu. Er versuchte ihn zu packen, aber Aydan war schneller. Das Kind rannte an seinem Vater vorbei und hinaus aus dem Schlafgemach. »Haltet Aydan auf«, rief James, um die Bediensteten aufmerksam zu machen.

Schon kurz darauf hörte er, wie Aydan schrie, man möge ihn loslassen. Bastien, ein Butler, der erst seit wenigen Monaten in dem Herrenhaus beschäftigt war, kam mit Aydan in das Zimmer. James hatte die Seile auf das Laken gelegt.

»Danke Bastien, legt ihn bitte auf das Bett und haltet ihn fest«, sagte James.

Der Bedienstete tat, wie ihm geheißen, und legte Aydan hin. Dann fixierte er ihn. Er fesselte seinen Sohn an das Möbelstück. Es gefiel ihm nicht, dass er so weit gehen musste, doch es gab keine andere Möglichkeit. Aus dem Holzkeller war er bereits geflohen, aus höherliegenden Gemächern ebenfalls. James blieb nur dieser Weg. Er sah Aydan an, der mit den Seilen an das Bett gebunden war. Damals hatte er seine Gliedmaßen einzeln angebunden, heute spannte er die Taue bloß über den Körper seines Kindes.

»Es tut mir leid mein Sohn, das weißt du, aber ich will deine Mutter nicht noch einmal in Gefahr wissen«, bedauerte James es.

Anschließend verließ er das Gemach gemeinsam mit Bastien. Er verriegelte die Tür und ging zu seinem Arbeitszimmer zurück. Auf dem Korridor kam ihm Cassandra entgegen.

»James, Graf von Avabruck, solltest du mich erneut einsperren, dann wirst du es bereuen«, zischte sie und sah ihn aus verengten Augen an.

Er schluckte, weil er wusste, dass sie ihre Drohung wahrmachen konnte und vermutlich sogar würde, wenn er sie zu sehr reizte.

»Ich bedaure es zutiefst meine Schöne, aber es war der einzige Weg«, erwiderte er. Noch heute spielte er ihr diese Reue vor und in all den Jahren, ihrer Ehe und Verbundenheit, hatte sie ihn nicht durchschaut.

»Wir sollten zu Bett gehen«, sagte sie dann wesentlich ruhiger. »Es ist bereits dunkel und der Mond steht hoch am Himmel.«

James nickte und ergriff ihre Hand. Gemeinsam schlenderten sie ins Schlafgemach und kamen sich näher.

»Ich liebe dich Cassandra«, flüsterte er und küsste sanft ihre Lippen.

Er gab ihr nicht die Gelegenheit etwas zu erwidern. Er hielt den Kuss, solange es ihm möglich war, auch noch, als er ihr Kleid öffnete. Sie seufzte wohlig und machte sich ihrerseits an seinem Oberhemd zu schaffen. Sie entledigten sich ihrer Kleidung und ließen sich auf das Bett fallen. James zögerte keinen Moment und drang in Cassandra ein. Dabei stöhnte sie laut auf. Langsam bewegte er sich vor und zurück, genoss die warme Enge, die ihn umschloss. Dann beugte er sich zu ihr herunter und küsste sie leidenschaftlich.

Der Mond machte auch ihn aggressiv, aber in den letzten Jahrzehnten hatte er gelernt, sich zu zügeln. Doch nun brach diese Zurückhaltung von ihm ab. Immer fester stieß er zu, drängte sein Becken dabei jedes Mal kraftvoll gegen ihres und stöhnte. Cassandra verzog das Gesicht, jedoch bremste sie ihn nicht. Sie keuchte dennoch erregt und spürte, wie sie ihren Höhepunkt rasch erreichen würde. Auf einmal erbebte James über ihr und stieß ein Heulen aus. Er ergoss sich in sie. Anschließend sackte er auf ihr zusammen und sah sie an.

»Verzeih mir, ich war zu schnell«, raunte er.

»Das macht nichts James«, wisperte sie und küsste seine Lippen.

Dann fing er an sich mit kreisendem Becken gegen sie zu drängen, um sie auch Erlösung finden zu lassen. Es dauerte nicht lang, bis Cassandra ebenfalls laut aufstöhnte und die Wogen ihrer Lust sie überrollten.

Ineinander verschlungen schliefen sie ein.


~ Aydan ~


Aydan war es gelungen die Seile zu lösen und sich durch ein Fenster, dass er mithilfte eines Kerzenleuchter zerbrochen hatte, nach draußen zu schleichen. Er wollte rennen, um seine Energie abzubauen und so rannte er über die Wiesen des Anwesens und schließlich auf die Straße davor. Aydan lief überquerte den Pfad, um in den Wald zu verschwinden. Hier gab es kaum wilde Tiere, aber selbst wenn doch, er fürchtete sich nicht. Er kämpfte sich durch das Dickicht, in dem seine Eltern sich vor einigen Jahren zum ersten Mal begegnet waren.


~ Merphan & Emilia~


Merphan und Emilia waren seit Jahren zurück in Avabruck und hatten im Verborgenen gelebt.

Er wollte James und seine Sippe im Auge behalten, seinen Schachzug ausführlich planen, und dann zuschlagen. Am Morgen machte er sich auf, um einen Hasen zu jagen. Offen zeigen wollte er sich nicht, damit er diesem Grafen nicht in die Arme lief. Er plante seinen Angriff aus dem Hinterhalt, wie jeder gute Nimrod. Die anderen Häscher der Bruderschaft lebten ebenfalls verborgen in Avabruck. Er hielt seinen Bogen fest und stapfte durch den weichen Waldboden. Dann hörte er etwas rascheln und legte ihn an. Sein Gehör trügte ihn nicht und so fand er schnell den Urheber des Geräuschs. Allerdings war es kein Hase, es war ein Junge, der erschrak, als er Merphan sah, wie dieser auf ihn zielte.

»Ich will nur nachhause«, sagte das Kind mit zitternder Stimme.

»Wo lebst du?«, fragte Merphan.

»Mein Vater ist der Graf dieser Ländereien«, erwiderte der Bube.

»So? Dann sollte ich dich nachhause bringen, damit dir nichts geschieht«, meinte Merphan und senkte den Bogen.

»Komm her, ich tue dir nichts.« Er lächelte das Kind ermutigend an.

Aydan war eingeschüchtert von diesem Mann, aber entschloss sich, ihm zu vertrauen. Mit großen Schritten näherte er sich dem Herrn und kam an seine Seite.

»Wie bist du in den Wald gekommen mein Sohn?«, fragte Merphan.

»Ich bin fortgelaufen«, gestand der Junge. Merphan nickte und legte seine Hand auf die Schulter des Kindes.

Anschließend drückte er zu, blockierte so einen Nerv des Buben und dieser sackte zusammen. Er hatte, was er brauchte, um James zu schaden.

Der Hase war vergessen. Merphan hob ihn hoch und trug ihn zur Felsengrotte, in der er und Emilia hausten.

»Emilia ich habe Besuch mitgebracht«, verkündete Merphan zufrieden.

Sie kam aus dem hinteren Teil der Höhle nach vorn und sah Merphan an, der den Jungen im Arm hielt.

»Wer ist das?«, fragte sie überrascht.

»Das … ist der Sohn des Grafen«, antwortete er.

»Aydan«, stellte sie fest und musterte das Kind.

Sie fand ihn wunderschön, wie seinen Vater, und streichelte seine Wange.

»Werde nicht sentimental, er wird uns ein paar gute Dienste erweisen und am Ende, wie seine Eltern, sterben«, meinte Merphan genervt, als er die Emotionen seiner Schwester sah.

»Bereite die Fesseln vor«, befahl er danach und ging tiefer in den Stollen. Emilia folgte ihm mit einem mulmigen Gefühl. Den Grafen sollte man nicht unterschätzen und nun, wo sein Sohn entführt war, würde er sicher fuchsteufelswild werden.

»Glaubst du, dass er ein Gestaltwandler ist?«, fragte sie ihren Bruder.

»Ja, aber ich glaube, dass es noch niemand weiß. Wir finden es noch heraus«, lachte er finster.

Emilia bereitete die Seile und Ketten vor, seit dem Tag im Holzkeller trug sie dabei stets Lederhandschuhe.

Merphan brachte, den noch immer bewusstlosen, Aydan und sie banden ihn fest.

»Wirst du ihm wehtun?«, flüsterte sie.

»Wahrscheinlich«, gab er emotionslos zurück.


~ James & Cassandra ~


»Aydan ist weg«, schallte es durch das Herrenhaus. Cassandra hatte das leere Bett vorgefunden und sofort geschrien. James kam herbeigestürzt und sah sich überfordert um.

»Du hast ihn nicht richtig festgemacht«, warf sie ihm vor.

»Doch, die Seile saßen so fest wie immer«, verteidigte er sich. Er schaute sich abermals um. Das Fenster war zerbrochen.

»Wir müssen ihn suchen«, stellte Cassandra fest. »Ich werde Bastien zu Caleb und Barbara schicken, damit sie uns helfen«, meinte James.

»Ja, bitte tu das.«

Caleb und Barbara waren fünf zuvor nach Avabruck gekommen und hatten sich dort niedergelassen. Die Bedrohung durch Tariya und Mira war gebannt, die durch die Bruderschaft ebenfalls und nun lebten sie in Frieden. Bis heute.

James wusste nicht, ob Aydan bloß fortgelaufen, oder entführt worden war.

Cassandra verließ das Gemach und rannte in ihres. Dort holte sie ihre alte Robe hervor. Lederhose, Hemd und Corsage. Sie hatte diese Stücke seit Jahren nicht getragen, hatte darauf gehofft, es nie mehr zu tun. Nun war es an der Zeit wieder die Jägerin zu werden, Spuren zu lesen und ihren Sohn zu finden. Eilig verschwand sie hinter dem Paravent und begann sich des schweren Kleides zu entledigen. Anschließend zog sie Oberhemd und Hose an, zuletzt folgte das lederne Korsett.

Zwei Stunden später erreichten Barbara und Caleb das Herrenhaus und wurden von Esra in den Salon geführt. James saß bereits in Lederhose und Wams auf dem Sofa. Cassandra in ihrer Jägerkutte. »Was ist geschehen?«, fragte Caleb.

»Aydan ist verschwunden«, antwortete James besorgt.

»Er kommt doch sicher von allein nachhause«, meinte Barbara. »James band ihn am Bett fest, wie zu jedem zunehmenden Mond und heute Morgen fanden wir sein verwaistes Gemach«, erwiderte Cassandra.

»Dann sollten wir uns schleunigst auf die Suche nach ihm begeben«, schlug Caleb vor.

»Ich habe Bastien von euch aus weiter zu Julamine und den anderen Werwölfen geschickt. Ich hoffe, dass sie uns bei der Suche helfen werden«, sagte James.

»Das werden sie bestimmt, dennoch sollten wir aufbrechen«, gab Barbara zurück.

Die vier Freunde erhoben sich und verließen den Salon. Danach gingen sie hinaus. Die drei Lykanthropen rannten los. Cassandra schwang sich auf ihr Pferd und ritt vom Anwesen.


~ Aydan ~


Aydan lehnte an der Felswand. Langsam kam er zu sich und seine Lider flatterten dabei. Auf einmal schlug er die Augen auf und sah direkt diesen Jäger vor sich.

»Du bist wach, das ist gut«, sagte der Herr und zog sein Messer.

Aydan spürte das warme Blut auf seiner Wange. Stechender Schmerz breitete sich von dort aus.

»Warum … tut Ihr das?«, fragte er ängstlich.

»Weil du ein Avabruck bist«, antwortete der Mann und hob das Messer.

Der Schrei des Kindes ging Emilia durch Mark und Bein.

Merphan quälte den Jungen, der nie etwas verbrochen hatte, außer geboren zu werden. Aydan hatte nie jemandem geschadet.

»Merphan hör auf damit«, bat sie leise.

»Nein, du hast selbst gesehen, dass die Wunden, die ich ihm zufügte, zu schnell heilen. Jetzt muss ich wissen, ob die Verwundungen die ich ihm mit der Silberklinge zufüge, auch so zügig verheilen«, gab er zurück.

Aydan roch, wie seine Haut verbrannte und aufgeschnitten wurde. Die Pein war unerträglich und er drohte wieder die Besinnung zu verlieren.

»Emilia, bring das Wasser her«, befahl Merphan.

Sie nahm den Holzeimer hoch und brachte ihn ihrem Bruder. Dieser nahm einen Becher und entleerte ihn in Aydans Gesicht. Augenblicklich war der Junge bei Bewusstsein. Über Stunden quälte Merphan das Kind, bis er ihn losband und sich mit ihm auf einen breiten Stein setzte. Dann zog er den Knaben auf seinen Schoß und schloss seine Hand um die Aydans. Auf einmal drückte Merphan fest zu und Aydan hörte, spürte, wie seine Knochen brachen. Der Schrei hallte von den Felswänden wieder und Emilia hielt sich die Ohren zu.

Im nächsten Augenblick stürzte eine Dame in die Höhle, gefolgt von drei Wölfen.

»Ihr verletzt mein Kind nicht«, schrie sie und zog ihr Schwert.

Merphan erhob sich und warf Aydan gegen eine Wand. Cassandra vernahm ebenfalls, wie weitere Fingerknochen ihres Nachfahren barsten. Sie ging mit gezogener Waffe auf Merphan los. Der Jäger parierte die ersten Schläge der wütenden Mutter gekonnt und setzte dann selbst zum Angriff an. Auch sie wehrte ihn ab und ihr war klar, dass es kein leichter Kampf werden würde.


~ Werwölfe & Nimrode ~


Mehr Menschen stürzten in den Stollen und griffen James und Caleb an. Barbara hatte sich vor Emilia aufgebaut und knurrte sie an. Als Caleb jaulte, ruckte der Kopf der Werwölfin herum und sie richtete ihr Augenmerk auf den anderen Werwolf. Diesen Moment nutzte die ehemalige Amme. Sie ergriff ein Schwert ihres Bruders, rannte auf Barbara zu und trieb es ihr ins Genick. Heulend sackte die Lykanthropin zusammen. Ihr Blut besudelte den unebenen Boden der Felsengrotte. Rufe schallten durch den Schacht. Kampfgeräusche übertönten alles und Wölfe heulten.

Ein ganzes Rudel hetzte in die Höhle. James kämpfte mit einem Jäger, versuchte ihm die Gliedmaßen herauszureißen, doch ein Nimrod jagte ihm die Klinge in den Bauch. Der Werwolf schrie, doch trotzte er, so gut er konnte, seinen Angreifern. Sie hatten nicht geahnt, dass es zu einem Gefecht auf Leben und Tod ausarten würde, als sie am Mittag aufgebrochen waren. Ein anderer Bruder der weißen Eiche trat in den Kampf ein und ging auf James los. Caleb wehrte sich mit aller Macht gegen die Männer. Julamine und weitere Lykanthropen erwehrten sich ihrer Gegner. Sie stürzten sich auf die Jäger, die kämpften und sich nicht konzentrierten. Cassandra und Merphan setzten einander zu, wie sie nur konnten. Mal war er, mal sie in defensiver Stellung. Selten wagten sie sich beide in die Offensive. Auf einmal gelang es ihr, ihm ihre Klinge in den Brustkorb zu rammen. Caleb sah zu seiner Gemahlin, nachdem die hinzugekommenen Wölfe seine Angreifer ausgelöscht hatten. Emilia versuchte vergeblich, das Langschwert aus dem Genick Barbaras zu ziehen. Er rannte los, direkt auf Emilia zu und sprang sie an. Merphan prallte, mit Cassandras Waffe in der Brust, auf den Boden und schrie, als er sah, dass Caleb seine Schwester umgeworfen hatte. Die Gräfin ging hinter ihn, trat ihm in den Rücken und er fiel nach vorn. Das Schwert bohrte sich durch seinen Rücken. Er röchelte bereits, jedoch war er bei vollem Bewusstsein, als er den Tod seiner Schwester mit ansah. Caleb zerfetzte Emilias Brustkorb und Merphan entrang sich ein Schrei, er wollte auf den Höhlenboden schauen, doch Cassandra riss seinen Kopf hoch und zwang ihn, es anzusehen. Dann zog sie ihre Atame und setzte sie an Merphans Hals. Binnen eines Atemzugs schlitzte sie ihm die Kehle auf. Der Nimrod der Bruderschaft sackte zusammen und … verschwand ins Nichts. Schweratmend blickte Cassandra sich um. Eine Menge Werwölfe waren in dem Stollen. Einige tot, andere kämpften noch. Den Menschen erging es genauso. Sie stürzte sich abermals ins Getümmel.


~ Cassandra ~


Am Ende des Kampfes waren die Verluste unausgeglichen. Alle Jäger waren vernichtet und viele ihrer Freunde ebenfalls umgekommen.

Die Lykanthropen nahmen wieder ihre menschlichen Gestalten an, außer James und Caleb. Cassandra sah ihren Gemahl am Boden liegen, dann suchte sie selbigen nach ihrem Sohn ab. Caleb stieß ein Heulen aus, dass ihr durch Mark und Bein ging. Julamine kam an seine Seite und streichelte seinen Kopf.

»Sie ist als Heldin gestorben«, flüsterte sie dem Werwolf zu.

Ein weiteres Jaulen hallte von den Felswänden wider. Anschließend zog sie ihn von dem toten Körper seiner Frau weg. Barbara hatte mit der entfernten Silberklinge und ihrem Tod, der Fluch verlassen und sie lag in ihrer menschlichen Gestalt dort. James verwandelte sich langsam zurück. Er war bei Bewusstsein, doch war er zu schwach, um sich bemerkbar zu machen. Julamine gab ihren Gefährten einen Wink, dass sie Barbara tragen sollten. Caleb lief zu James und sah ihn aus seinen Wolfsaugen an. Schließlich kam Jonathan an Calebs Flanke und hob James auf dessen Rücken. Cassandra hob Aydan hoch und die Gruppe verließ den Stollen. Sie trugen ihre Verletzten nachhause und brachten sie in verschiedene Gemächer. James und Aydan wurden in das Schlafgemach des Grafen und der Gräfin gebracht.


Die ganze Nacht weilte Cassandra an der Seite ihres Sohnes und ihres Mannes. Sie versorgte ihre Wunden, weinte und hatte Angst um sie. Aydan bewegte sich wenig. James hingegen überhaupt nicht. Jedoch stöhnten sie gelegentlich beide.

Früh am Morgen war sie im Sessel eingeschlafen, den sie ans Bett gerückt hatte. Caleb betrat das Gemach und sah sie, dann nahm er eine Wolldecke und legte sie über Cassandra. In diesem Moment schlug sie die Augen auf und sah ihn an.

»Es tut mir so leid Caleb«, flüsterte sie.

Er nickte traurig und atmete tief durch. »Sie wird in meinem Herzen immer weiter leben«, raunte er und sah zum Bett.

»Wie geht es ihnen?«, fragte er.

»Sie sind beide nicht aufgewacht und ich habe Angst um sie«, gestand Cassandra.

Anschließend lief Caleb zum Bett und musterte Aydan, nachdem er die Decke weggezogen hatte. Alle blauen Flecken, die sie in der letzten Nacht am Leib des Kindes entdeckt hatten, waren verschwunden, die Schnitte ebenso.

»Cassandra, komm her«, verlangte er.

Behäbig erhob sie sich und kam an seine Seite.

»Seine Verletzungen sind verschwunden«, erkannte sie.

»Ich denke, du weißt, was das heißt. Er ist ...«

»Ein Werwolf«, stieß sie erschrocken aus.