33

»Schadenskontrolle.«

»Segment sechzehn ausgefallen, Kapitän. Vermute, dass sechs Lenkwaffen sämtliche Verteidigungssysteme durchschlagen haben. Das Segment ist einfach … weg.«

»Jetzt treiben wir im Weltraum«, stellte Oberst Ishives fest.

»Das weiß ich, Oberst.« Manchmal wünschte sich der Kapitän sehnlichst die guten, alten Zeiten zurück, als man lästige Untergebene einfach erschießen durfte und sich nicht um den Papierkram sorgen brauchte.

»Und wir liegen unter Laserbeschuss der Thermopylae

»Was?«

Dass die Kampfstationen der Troy-Klasse über eigene Laserenergie verfügten, war eine der vielen unangenehmen Überraschungen, mit denen die Menschen die Rangora verblüfft hatten. Auch wenn die Energie nicht ausreichte, um sofort die Schilde eines Sturmvektors zu durchschlagen …

»Bis jetzt ungenau«, sagte Ishives. »Aber …«

Da der Antrieb der Brecher ausgefallen war und der SV damit manövrierunfähig war, würde die jetzt noch weit entfernte Kampfstation schließlich ihr Ziel finden.

»Und … Neutrinospur von der Thermopylae deutet darauf, dass sie ihren Orionantrieb wieder einsatzfähig haben.«

»Unmöglich!«

»Neutrinos lügen nicht, Kapitän.«

»Und SCHIEBEN!«

Als junger Bursche hatte Butch Allen sich viele Berufe ausgemalt, die er einmal ergreifen würde, wenn er groß war. Als Fünfjähriger hatte er vorgehabt, Cowboy zu werden. Dann war ihm klar geworden, dass die für diesen Beruf erforderlichen Fähigkeiten aus der Mode gekommen waren und dass es nicht mehr politisch korrekt oder genau genommen sogar nicht mehr erlaubt war, Rothäute abzuknallen. Eine Weile hatte ihn dann der Beruf des Feuerwehrmanns gereizt, auch Polizist hatte auf seiner Liste gestanden. Aber auf der High School hatte er sich dann damit abgefunden, dass er wahrscheinlich einmal am Fließband bei GE arbeiten würde, vielleicht nebenbei schwarz als Automechaniker.

Dass er sich verzweifelt bemühen würde, eine zugeschmolzene Luke an der Außenseite einer Kilometer großen Tür aufzuschneiden, während in weniger als einem Kilometer Entfernung eine Atombombe losging, war ihm nie in den Sinn gekommen. Nie. Nicht einmal annähernd. Nicht im gleichen Universum.

»Detonation in drei … zwei …«

»Festhalten!«

»Sollen wir jetzt schieben oder festhalten, Mister Allen?«

»Ihr sollt einfach …«

Was auch immer Butch hatte sagen wollen – selbst er konnte sich nachher nicht mehr daran erinnern –, er hatte jedenfalls seinen eigenen Rat nicht befolgt. Die zehn Megatonnen-Schiebebombe, die Team sechs an der anderen Seite des Tors angebracht hatte, verlieh der Therm nicht viel Energie, aber immerhin genug, um sie ein Stückchen zu bewegen. Und sie bewegte die mehrere Millionen schwere und kilometerdicke Nickeleisentür so weit, dass Butchs Schlitten ins Innere der fast ganz aufgeschnittenen Luke glitt.

Anschließend taumelte besagte Luke den Gesetzen der Physik gehorchend nach außen. In den Plasmaschwall der Atombombe. Und Butchs Schlitten dicht dahinter.

Was Butch das Leben rettete, war eine Kombination aus Distanz, Winkel und der Tür. Die Atombombe war in einem Krater angebracht worden, den eine der Lenkwaffen der Rangora erzeugt hatte, die das Tor der Therm so wirksam verschlossen hatten. Demzufolge war der Großteil der Explosionswirkung nach oben und weg von Butchs Standort gerichtet. Der Großteil. Buchstäblich der gesamte Rest traf die Luke. Da ein Kilometer im Weltraum nicht wenig ist, hatte sich der Plasmaschwall ausgebreitet und ein wenig abgekühlt. Aber er hatte genügend Geschwindigkeit behalten und stieß daher die Luke zurück gegen Butchs Schlitten, zerschmetterte diesen und jagte ihn in den Wartungstunnel zurück, wo er ein paarmal hin und her prallte, bis er schließlich gegen etwas Massives stieß. Nämlich Jinjis Anzug.

Jinjis Anzug war ziemlich robust, und seit er und seine Kollegen sich dem Apollo-Team angeschlossen hatten, hatten sie auch dafür gesorgt, dass die Anzüge immer im besten Zustand waren. Deshalb hielt er dem mit relativ geringer Geschwindigkeit stattfindenden Aufprall stand. Butch trug seinen eigenen Anzug, deshalb hatten die Sprünge, die der Schlitten bekommen hatte, nicht sofort fatale Auswirkungen.

Butch hatte die Detonation einer Atombombe überlebt. Das konnten nur wenige von sich behaupten.

Die Frage war, ob er je Gelegenheit bekommen würde, damit zu prahlen. Er hatte nämlich zwar keine tödlichen Verletzungen erlitten, und da es sich bei der Atombombe um eine von der »super cleanen« Art handelte, bestand auch keine Strahlungsgefahr. Aber da war noch ein winzig kleines Problem.

Elektromagnetischer Puls.

EMP war im Weltraum selten ein Problem. EMP von Atombomben wurde dadurch hervorgerufen, dass die Atome in der Atmosphäre ihrer Elektronen beraubt wurden und auf die Weise eine elektrifizierte »Wellenfront« erzeugten, die ihrerseits allen möglichen Schaden an komplizierten elektronischen Geräten anrichteten. Die saubere Fusionsreaktion allein führte nicht zu diesem Problem.

Wenn aber eine saubere Fusionsbombe in Kontakt mit Nickeleisen zur Detonation kommt, werden die Elektronen der Nickeleisenatome abgestreift. Das führt dazu, dass sämtliche hochwertigen elektronischen Systeme, so wie beispielsweise die Navigations- oder Atmosphärekontrollsysteme eines Raumanzugs, abschalten.

Butch nahm einen Zug Luft … aber da war keine. Nicht Vakuum, nur … keine Zirkulation. In seinen Helm kam keine Luft mehr. Wahrscheinlich nie mehr. Er konnte saugen und saugen und saugen und bekam einfach keine Luft.

Apollo plante, mit Ausnahme der Positionierung von Schiffsfabbers, gut. Für so etwas gab es daher einen Plan. Man wurde sogar für diese Eventualität ausgebildet. Butch brauchte sich bloß daran zu erinnern, dass er ruhig bleiben musste, und, ja, an diese weit zurückliegende Ausbildung zu denken.

Genau genommen hatte er zwei Alternativen. In beiden Fällen musste er den Schlitten verlassen.

Einige Systeme von Apollo waren unter Mithilfe erfahrener Berufstaucher entwickelt worden. Eines wussten Berufstaucher sehr genau, nämlich dass Luft eine feine Sache war, wenn es um einen herum keine gab. Deshalb bestand die Möglichkeit, einen Schlauch von einem Anzug an einen anderen anzukoppeln und dessen Luft »auszuborgen«.

Butch dachte, dass es dabei ein paar Probleme geben könnte. Er wusste zwar, wo sich an Jinjis Anzug der Notanschluss für Luft befand und dass die beiden Anzüge kompatibel waren, war sich aber nicht sicher, ob dazu auf seiner Seite ein funktionsfähiger Anzug erforderlich war. Und er hatte keine Lust, das auszuprobieren und dann festzustellen, dass es nicht klappte. Er hatte nämlich sozusagen null Zeit. Blieb also Plan B.

An der Außenseite des Schlittens gab es für Notfälle einen sogenannten Körpersack, der über ein Luftumwälzsystem verfügte. Butch wusste nicht, weshalb seine gesamte Elektronik ausgefallen war – EMP war dem Schweißer kein Begriff –, aber er wusste, dass da irgendetwas die gesamte Elektronik gestört hatte. Und das Luftsystem in dem Körpersack war manuell. Bloß ein kleines Sauerstoffventil an einem unglücklicherweise winzigen Luftpack. Nichts Elektronisches. Butch wusste nicht, dass ein junger Ingenieur bei der Konstruktion des Körpersacks darauf hingewiesen hatte, dass es im Falle eines EMP oder eines ähnlichen Weltraumvorfalls wie etwa einem Ausstoß von Koronarmasse, sinnvoll sei, etwas Manuelles zu haben. Und, Wunder über Wunder, die älteren Ingenieure und selbst der zuständige Abteilungsleiter hatten genickt, sich den Bart gestrichen und sich gefragt, ob dieser junge Schnösel es vielleicht auf ihren Job abgesehen hatte, hatten seinen Vorschlag aber abgesegnet.

Einiges davon ging ihm jetzt durch den Kopf, als er nach Luft schnappte und keine bekam. Keine Luft, keine Luft. Der zweite Gedanke, den er aber gleich unterdrückte, war, sich den Helm herunterzureißen und das Vakuum um ihn herum zu atmen. Aber gleich darauf stellte sich das Wort »MOMMY« ein. Klar und deutlich.

Später wusste Butch nie genau, wie viel Zeit diese Gedanken gekostet hatten. Er wusste nur, dass er einen weiteren Atemzug tat, einfach um auf der sicheren Seite zu sein, und dann beschloss, es nicht noch einmal zu versuchen. Die Luft kam einfach nicht zurück.

Er drückte ruhig auf das Gurtschloss seines Geschirrs und dann auf den Lukenschalter des Schlittens, der nur im Notfall benutzt werden durfte. Er sprengte nämlich die Luke mit einem Schwall Stickstoff weg, und anschließend musste praktisch das ganze Lukensystem neu eingesetzt werden. Ein recht aufwendiger Vorgang. Aber ein Notfall lag schließlich eindeutig vor.

Keine Luft.

Butch hielt sich an beiden Seiten der Luke fest und zog sich in den Korridor hinaus. Jinji fing an, nach ihm zu greifen, setzte einen seiner Greifarme ein, und Butch winkte den Arm weg, sorgfältig darauf achtend, nicht ins Taumeln zu geraten. Ein wenig unruhig war die Bewegung aber, weil er nicht ganz frei von Panik war. Und das führte dazu, dass er wieder einen Atemzug tat, und dabei trat er mit einem Bein ein wenig zu fest zu, was ihn in den Korridor hinaustaumeln ließ. Fast. Aber das wäre … schlecht gewesen. Also riss er sich zusammen.

Keine Luft.

Er bewegte die Hand zur Haltestange und zog sich am Schlitten nach hinten. In diesem Augenblick kam ihm in den Sinn, dass bei all dem, was passiert war, der Behälter des Sackes möglicherweise beschädigt oder ganz abgerissen worden war. Aber da war er schon, ein eiförmiges Ding, das aussah wie eine große orangefarbene Pille.

Butch löste das Ding sorgfältig aus seiner Halterung – ein einziger Fehler, und er würde nie wieder atmen – und drückte mit beiden Daumen den roten Knopf auf dem Ei. Der Beutel öffnete sich einwandfrei, Komponenten aus Flexmetall öffneten ihn zu einem orangefarbenen Tunnel, der unten geschlossen und an Butchs Seite offen war.

Keine Luft, keine Luft …

Butch war bewusst, dass er kaum mehr etwas sehen konnte, aber er ignorierte es. Entweder würde er es in den Sack schaffen, Luft bekommen und seinen Helm öffnen können oder … eben nicht.

Er schob vorsichtig die Stiefel in die ziemlich enge Öffnung, griff dann nach unten, eine vorsichtige Hand nach der anderen, und zog an den beiden roten Laschen an den Seiten des Tunnels. Sie würden sich erst bewegen lassen, wenn seine Stiefel unten auftrafen, und dann würde der Sack oben zuklappen. Und wenn dann alles stimmte, was man ihm gesagt hatte, würde das Sauerstoffsystem den Sack mit O2 fluten.

Butch griff vorsichtig nach oben und öffnete seinen Helmverschluss. Der Schwall von Gasen, die aus seinem Anzug kamen, ganz zu schweigen von den Eispickeln in seinen Ohren und dem Saugen an seinen Augäpfeln, hätte ihn beinahe erneut in Panik geraten lassen. Aber er atmete aus, um eine Lungenembolie zu vermeiden, ganz wie er es in der Ausbildung gelernt hatte. Wahrscheinlich dauerte es eine Sekunde, bis sich der Sack mit Luft gefüllt hatte. Mehr nicht. Höchstens zwei Sekunden. Oder das Ding hatte ein Loch, das er nicht bemerkt hatte, als er den Schritt »Außenseite nach Sprüngen, Beulen oder Verletzungen untersuchen« übersprungen hatte. Zum Teufel damit, er konnte schließlich ganz laaaange Vakuum atmen.

Eine Ewigkeit.

»Statusmeldung Nukes?«, verlangte Admiral Clemons.

»Ein Team ist ausgefallen«, erwiderte Guptill. »Ist beim Öffnen ihrer Luke von der Detonation erfasst worden. Die anderen arbeiten noch an dem Problem. Fünf Teams. Die brauchen jeweils zehn Minuten, um sie an Ort und Stelle zu bringen. Zwei Minuten pro Einheit.«

»Geht in Ordnung.« Clemons nickte. »Wir wollen auch nicht ganz nahe ran. Bloß den Eindruck vermitteln, dass wir das können

»Sind gleich bereit, den Laser abzufeuern«, sagte Dexter.

»Mir ist diese ganze Schlacht zuwider«, sagte Clemons. »Das Gefühl, dass wir nicht gewinnen. Diese Verluste. Mir ist es einfach zuwider, dass wir praktisch erledigt sind. Ich wüsste gern, warum mir dieser Teil gefällt?«

»Weil es das erste Mal ist, dass sich etwas wie echtes Science-Fiction-Laserfeuer anfühlt?«, überlegte Guptill.

»Ja, wie im Film. Okay … Feuer.«

»Alle Mann! Alle Mann! Auf kurzzeitigen Energieausfall vorbereiten!«

In der ohnehin schwach beleuchteten Zentrale schaltete jedes Licht mit Ausnahme der Bildschirme ab, ebenso die Ventilatoren. Ein ziemlich unangenehmes Summen ertönte, als ein paar überlastete und provisorisch hergerichtete Transformatoren versuchten, mit der zum Glück reduzierten Energie fertigzuwerden. Dann setzten die Ventilatoren wieder ein, und es wurde wieder hell.

»Laserschuss abgeschlossen«, sagte Guptill. »Daneben.«

»Jetzt wissen die Bescheid«, sagte Clemons. »Und jetzt möchte ich mehr Energie.«

»Admiral Marchant.«

»Field Marshal«, sagte Marchant und nickte dem Systemkommandeur zu.

»Sehen Sie zu, dass Sie aus dem System rauskommen«, sagte Marshal Hampson. »Sie haben weiterhin die Erlaubnis zu kämpfen, aber erste Priorität hat jetzt Verlassen des Schlachtfelds und überleben.«

»Ja, Sir«, bestätigte Marchant bitter. »Sir, der SV ist kampfunfähig, wir sind also numerisch überlegen. Können immer noch gewinnen.«

»Wir kommen zurück, Russ. Früher, als Sie das erwarten. Sehen Sie zu, dass Sie vom Tor wegkommen.«

»Ja, Sir.«

»Die Menschen haben ihre Taktik geändert«, sagte Oberst Ishives.

»Anscheinend nehmen sie Kurs auf das Tor mit Priorität Verteidigung vor Angriff.«

»Gut«, sagte Kapitän Be’Sojahiph. »Sie haben die Realität erkannt. Sie können trotz unserer Verluste das System nicht halten.«

»Aber sie sind tief in unserem Schussbereich, ich weiß nicht, ob das etwas zu bedeuten hat.«

Die Aggressor-Gruppen hatten sich bis zum Verlust des ersten Sturmvektors hinter den SVs zurückgehalten. Jetzt begannen sie vorzurücken und kombinierten ihr Feuer mit dem der Sturmvektoren.

Zum Glück befanden sie sich noch in hoher Austrittsformation. Marchants Schiffe mussten also nur unter dem Schutz ihrer Schilde an ihnen vorbeiziehen.

Nur.

Die Aggressors hatten ihre Achse auf die sich zurückziehenden terranischen Schiffe ausgerichtet, und ihre Dorsallaser schlossen sich dem Feuer der Sturmvektoren an und hämmerten auf die Schilde von Marchants Schiffen ein.

»Wir wollen Vierzehn X versuchen«, sagte Marchant. »Die Indies aus diesem Beschuss rausholen. Deren Schilde sind dem nicht gewachsen.«

»Vierzehn X, aye«, bestätigte Captain Whisler. »Die Kansas ist ausgefallen. Zwar noch vorhanden, aber nicht länger unter Kontrolle. Die Bush ist …«

»Erledigt«, führte Marchant den Satz für ihn zu Ende. »Formation schließen.«

»Wenigstens sind wir jetzt außer Schussweite der SV!«

»Man muss Gott für alles danken.«

»Sie verlangen von uns also, barmherzig zu sein.«

Ve’Disuc spürte, dass er im Begriff war, einen Durchbruch zu erzielen. Direkt mit der amerikanischen Präsidentin zu sprechen, der obersten Befehlshaberin der Allianz, war ein Durchbruch.

»Barmherzigkeit gilt für beide Seiten, Gesandter«, erklärte President Robards. »Wir haben es mit Zehntausenden von Astronauten in Raumnot zu tun, auf beiden Seiten. Temporäre Feuerpausen zur Bergung von Verwundeten vom Schlachtfeld hat es auch in der Geschichte Rangoras gegeben. Nicht mehr als das. Genug Zeit, um nicht kämpfende Schiffe ins System zu bringen und die Verwundeten zu bergen. Ihre Marines auf der Thermopylae beispielsweise befinden sich in einer recht schwierigen Lage. Sie sind von der Versorgung abgeschnitten, in der Minderzahl und in den meisten Fällen offen gestanden chancenlos. Wir werden sie mit Proviant versorgen und zulassen, dass sie evakuiert werden. Sie können sie zurückhaben. Keine Gefangenen auf beiden Seiten. Die verbleibenden Rangora-Schiffe können von Rangora abgeschleppt werden, das Gleiche gilt für unsere Schiffe. Bis dahin soll im E-Eridani-System Feuerpause sein.«

»Und die Thermopylae?«

»Wird einige Zeit brauchen, um das System zu verlassen«, erklärte die Präsidentin.

»Inakzeptabel, Madame President, wir halten das System.«

»Wie lange? Sie wissen, wie lange wir für die Aufrüstung, nicht für Reparaturen, für die Aufrüstung der Troy brauchen. Sie würden gut daran tun, in zwölf Tagen eine doppelt so große Flotte zu haben, als die, die Sie bereits vergeudet haben. Oder Sie müssen aus E Eridani verschwinden. Und, Gesandter, wir haben im Terranischen System immer noch Schiffe. Wie groß sind Ihre Reserven?«

»Ich kann Ihnen versichern, dass sie beträchtlich sind«, erwiderte Ve’Disuc. »Und wir kennen Ihre Flottenstärke bis hin zur letzten Korvette. Wir wissen also, dass Sie nicht mehr über nennenswerte Streitkräfte verfügen. Ich bin befugt, über eine Feuerpause zur Bergung der Verwundeten und der im System Gestrandeten zu verhandeln. Den Versuch, die Thermopylae oder andere antriebslose Wracks zu bergen, werden wir nicht zulassen. Sie dürfen sie dem Rangora-Imperium überlassen, aber sie nicht bergen. Ferner muss sich die Besatzung an Bord der Thermopylae und anderer terranischer Kriegsschiffe im System unseren Befreiungsstreitkräften ergeben und sich bis zu weiteren Verhandlungen in Gefangenschaft begeben.«

»Inakzeptabel.«

»Dann denke ich, haben wir einen Punkt erreicht, wo weitere Verhandlungen sinnlos sind, Madame President.«

»Einverstanden.«

»Mit unseren Bedingungen, Madame President?«, fragte Ve’Disuc.

»Dass wir die Verhandlungen abbrechen. Was offen gestanden für Ihre überlebenden Rangora sehr bedauerlich ist, da wir nur noch über wenige Schiffe für Bergungsoperationen verfügen. Und wir werden logischerweise der Bergung menschlicher Überlebender den Vorrang geben.«

»Ich wiederhole, Madame President. Wir halten das System.«

»Nicht lange. Adieu, Gesandter. Admiral?«

»Ma’am?«

»Können wir das System einnehmen?«

»Nein, Ma’am. Nicht, solange die Troy nicht wieder mobil ist. Aber ich denke, wir können die Rangora dazu bewegen, dass sie unsere Bedingungen akzeptieren.«

»Noch ein letztes Mal würfeln, Admiral?«

»Wer zu viel Angst um sein Schicksal hat, wird untergehen …«

»Admiral, bitte, in einer Zeit wie dieser keine Vernon-Tyler-Zitate.«

»Oh, dem Himmel sei Dank«, sagte Captain Whisler. »Jetzt weiß ich, wie Villeneuve zumute war.«

»Nicht … ganz«, sagte Admiral Marchant nach einem Blick auf das Taktikdisplay, das sich gerade neu aufgebaut hatte. »Der hat schließlich bei Trafalgar die Schlacht gegen Nelson verloren …«

»Wo kommen die denn her?«, fragte Whisler. »Und was ist das denn für ein … Ding?«

»Die Troy schlägt wieder zu?«

»Kippmanöver und Angriff auf die Thermopylae«, befahl Kapitän Be’Sojahiph. »Nachdem die leichten Einheiten weg sind, hat das die höchste Priorität.«

»Und die Überlebenden, Sir?«

»Die in den Booten werden ein paar Tage überleben«, erwiderte Kapitän Be’Sojahiph. »Die in Anzügen … werden überleben oder nicht. Rotation beginnen.«

»Kippmanöver, aye«, bestätigte Oberst Ishives.

»Aggressor-Staffeln neu formieren und Kampfstern umringen. Wir wollen sehen, ob wir die Marines unterstützen können.«

»Das ist nicht Ihre erste Schlacht, nicht wahr, Sir?«, erkundigte sich Sergeant Ghezhosil.

»Nein, Sergeant«, sagte Leutnant Lanniph.

Gleich und Gleich gesellt sich gern. Aber in diesem Fall hatte Lanniph schlicht den Befehl befolgt, sich »dem Verstärkungspersonal anzuschließen«. Ihm war immer noch nicht ganz klar, wen er mit Sergeant Ghezhosil vor sich hatte.

»Erste Schlacht im Vakuum?«

»Nicht einmal annähernd.«

»Ist Ihnen jemals aufgefallen, dass drei Tage Vorrat anscheinend nie drei Tage reichen, Sir?«

»Ja. Und ich kenne auch die erste Regel für Vakuumoperationen, Sergeant.«

»Im Ernst?«

»Im Ernst, Sergeant. Und ich habe das größere Messer.«

»Cracker?«

»Das heißt ›Cracker, Sir?‹ Haben Sie damit ein Problem, Sergeant?«

»Bloß dass das nicht fair ist. Sie haben den Rang, Sie kriegen das Geld und Sie kennen den ganzen Schwindel. Dagegen sollte es Vorschriften geben, Sir.«

»Im Großen und Ganzen gibt es die ja auch, Sergeant.«

»Lanniph, Sektor vierzehn Kontrolle.«

»Vierzehn Kontrolle, Lanniph.«

»Gehen Sie mit Ihrem Zug an der nächsten Kreuzung nach links. Dort ist ein vorgeschobenes menschliches Kommando gemeldet. Angreifen, säubern und berichten.«

»Roger. Vierzehn höher. Einiges Personal mit beschädigten Anzugsystemen. Erbitte Versorgung mit Ersatzteilen. Munition knapp. Erbitte Munitionsversorgung.«

»Die Menschen sollten beides haben, Lanniph. Vierzehn Kontrolle, Ende.«

»Mhm. Ich finde, das sollte ein Anreiz sein. Wie lange, Sergeant?«

»Etwa zwölf Stunden, Sir. Ich denke, wir haben immer noch die Perrechoa-Option.«

Während einer der häufigen kleineren Bürgerkriege der Rangora hatte die regierungstreue Garnison der Kampfstation Perrechoa festgestellt, dass ihre Vorräte knapp waren, insbesondere die Luft, sodass das verwundete Personal freiwillig seine »Verbrauchsstoffe« einsatzfähigeren Kombattanten überlassen hatte. Ihre Ma’Lholhafeqist-Gegner waren nicht viel besser dran. Die Kämpfe hingen im Wesentlichen davon ab, wer länger aushalten konnte. Da die Verwundeten und das Verwaltungspersonal der Ma’Lholhafeqist nicht bereit waren, den unversehrten Kämpfern ihre wertvollen Luftvorräte zu überlassen, siegten schließlich die Loyalisten.

Genauer gesagt die sieben Überlebenden des Regiments.

Ein berühmter Sieg.

»Hoffentlich nicht«, sagte Lanniph. »Das will ich nicht noch einmal erleben. Rücken Sie vor, Sergeant.«

»Ja, Sir.« Ghezhosil erhob sich. Nach einem Blick auf die Namensicons kam er zu dem Entschluss, dass es ihm eigentlich egal war. »Du. Nach vorn. Die anderen aufstehen.«

»Warum i…?« Als der Schütze sah, dass zwei Lasergewehre auf ihn gerichtet waren, rappelte er sich hoch.

»Weil der Sergeant Ihnen etwas befohlen hat«, sagte Lanniph. »Das war ein Befehl, keine Bitte.«

»Rücken vor, Sergeant.«

»Sie sind schnell, Sir«, sagte Ghezhosil.

»Und noch am Leben«, erwiderte Lanniph. Er zog einen Sensorball heraus und betrachtete ihn einen Augenblick lang. »Wie viele von den Dingern haben Sie noch?«

»Bälle? Solche habe ich gewöhnlich nicht dabei.«

»Mhm. Passen Sie auf.« Der Leutnant aktivierte den Sensorball und ließ ihn in den Korridor rollen.

»Sir?«, fragte Ghezhosil. Da der Leutnant ihm nicht befohlen hatte, die Führung zu übernehmen, war es ihm ganz recht, hinten zu bleiben.

»Haben Sie je in dieser Ixi-Scheiße erlebt, dass ein Vorgesetzter Ihnen ein klares Ziel genannt hat? Also nicht nur ›Kontrollzentrum finden‹ befohlen hat.«

»Nein, Sir«, sagte Ghezhosil.

»Ich auch nicht. Deshalb würde ich gern wissen, was hinter uns ist, während wir nach vorne zu diesem angeblichen Ziel unterwegs sind.«

»Gut überlegt, Sir«, sagte Ghezhosil.

»Das ist meine Aufgabe, Sergeant Ghezhosil.«

»Ja, Sir.« Ghezhosil hielt kurz inne. »Was haben Sie gemeint, als Sie ›Noch einmal‹ gesagt haben?«