19

»Was dachten Sie?«, fragte Tyler. »Hatten Sie genug Zeit, um mit ihr zu reden?«

»Stunden.« Dana nickte. Der Trip zur Franklin-Mine brachte sie dichter an den extrem variablen M-Klasse-Stern Wolf 359 heran. Deshalb musste sie sorgfältig auf Zonen mit größeren Mengen ausgestoßener Koronarmasse und hoher Strahlungsgürtel achten. Die Navigation in diesem System war nicht gerade einfach.

»Und?«

»Und ich wäre wirklich froh, wenn ich jetzt meinen Techniker neben mir sitzen hätte, Sir«, sagte Dana. »Aber, ja, es gibt Probleme.«

»Ich mache in einer Minute den Platz für ihn frei«, versprach Tyler. »Irgendwelche Ideen?«

»Geben Sie ihr eine neue Außenhaut.«

»Und das ist alles?«

»Nein.« Dana manövrierte den Shuttle an einer Zone mit etwas so Seltsamem vorbei, dass sie sich nicht einmal sicher war, worum es sich handelte. »Sie ist deprimiert. So weit sind wir gekommen. Und sie ist auch … beruflich unzufrieden. Nicht so sehr wegen der Defekte, die kann sie irgendwie verdrängen, aber … sie langweilt sich.«

»Sie stellt aber doch gern Schiffe her«, wunderte sich Tyler.

»Sie mag Massenproduktion überhaupt nicht. Ich würde sagen, man könnte es mit einem Burnout vergleichen.«

»Das ist ein Problem. Schließlich ist sie eine Fabrik.«

»Wahrscheinlich würde sie viel lieber diese Rangora-Schiffe reparieren, die wir erobert haben«, sagte Dana. »Da die nicht alle standardisiert sind, müsste sie immer wieder etwas anderes herstellen. Sich mit der Konstruktion befassen. Ihr fehlt die … Herausforderung.«

»Das ist nicht so einfach, wie es klingt«, meinte Tyler. »Zum einen hat BAE den Auftrag für diese Reparaturarbeiten. Fällt Ihnen irgendetwas ein, womit man ihr helfen kann, ohne sie für längere Zeit aus dem Verkehr zu ziehen? Für die neue Außenhülle hätte ich eine Idee.« Er zuckte zusammen. »Das ist zwar sehr teuer und beeinträchtigt auch die Produktion im System ziemlich, aber es ließe sich machen.«

»Ich glaube, das wäre es wert«, sagte Dana. »Sir, wie waren die Glatun?«

»Warum fragen Sie? Ich meine, ich hatte mit denen zu tun, aber nicht sehr häufig. Wie meinen Sie das?«

»Weil Granadica nicht terranisch ist«, sagte Dana. »Sie ist Glatun. Aber wenn man sie als terranisch betrachtet, dann würde ich doch sagen, dass sie mehr … eine Sie als ein Er ist.«

»Da komm ich jetzt nicht mit«, meinte Tyler.

»Nicht unbedingt eine richtige Sie«, sagte Dana. »Aber … aus der Sicht unserer Kultur eine Sie. Vielleicht sogar homosexuell. Und jedenfalls kultiviert. Äußerlichkeiten sind ihr wichtig. Ihre Deprimiertheit rührt teilweise daher, dass ihre Außenhülle so mitgenommen ist. Sie weiß einfach, dass sie alt aussieht. Für eine Frau ist Aussehen wichtig. Vielleicht sehe ich das jetzt alles zu persönlich, aber sie hat mir zugestimmt, dass sie sich ›mit einer neuen Außenhülle besser fühlen würde‹. Ich frage mich allerdings, ob den Glatun Aussehen je etwas bedeutet hat. Hatten die so etwas wie Face-Lifts?«

»Mhm …« Tyler nickte. »Wir versuchen jetzt, Aliens aus der Sicht der menschlichen Kultur zu begreifen, und das funktioniert nicht immer. Aber in hoch entwickelten und erfolgreichen menschlichen Kulturen baut sich immer ein ausgeprägtes Körperbild auf. Anders ausgedrückt, sobald Menschen einmal mit Erfolg das Thema Funktion bewältigt haben, stürzen sie sich auf das Thema Form. Ja, bei den Glatun gab es Körpermodifikationen, und das dürfte wohl dem entsprechen. Wir haben diese Orte nur benutzt, um uns Implants machen zu lassen, aber, ja, wenn ich jetzt darüber nachdenke, es gab dort ein ausgeprägtes Körper- und auch Kleidungsbewusstsein. Zum Glück waren die ersten Aliens, auf die wir gestoßen sind, … in jeder Hinsicht uns Menschen ziemlich ähnlich.«

»Also ist das für die Leute, die Granadica geschaffen haben, wichtig«, sagte Dana. »Und deswegen ist ihre Programmierung, ob es nun die ursprüngliche Programmierung ist oder nicht, ihrem kulturellen Kern entsprechend. Und in dieser Kultur hat Granadica fast ihr ganzes Leben verbracht.«

»Verdammter Mist«, murmelte Tyler. »Bloß zukleistern kommt also nicht infrage. Sie wird wirklich eine völlig neue Außenhaut brauchen. Und das bedeutet einen kompletten Umbau. Haben Sie die leiseste Ahnung, was das kosten wird?«

»Mehr als eine deprimierte KI?«, fragte Dana.

»Sagen wir, etwa so viel wie eine komplette Constitution. Ist das dann die Lösung?«

»Nein. Aber es ist genauso notwendig wie alles andere. Über den Rest muss ich noch nachdenken. Dabei auf meine Armaturen achten und auch noch fliegen.«

»Hab schon verstanden.« Tyler stand auf. »Ich schicke Ihnen Velasquez rein. Denken Sie weiter darüber nach. Sie machen das gut. Und … danke.«

»Gern geschehen, jetzt müssen Sie bloß noch dafür sorgen, dass ich die Suds loswerde.« Dana grinste.

»Oh, ich glaube, wir können ruhig sagen, dass das Problem für den Augenblick zumindest kleiner geworden ist«, sagte Tyler schmunzelnd.

»Meine Herren Minister.« Tyler klickte seinen Sitzgurt ein. »Auf diesen Booten gibt es natürlich keine besonders hochwertigen Sichtschirme. Wir werden also etwas tun, das Ihnen möglicherweise ein wenig verrückt vorkommen wird.«

»Nicht nur vorkommen«, sagte Admiral Duvall und zog sich den Sitzgurt straffer.

»Würden Sie bitte etwas deutlicher werden?«, bat General Barcena.

»Wir sind in die Atmosphäre von Wolf eingetreten«, erwiderte Tyler. »Auf dieser Höhe ist die Atmosphäre atembar. Sie ist hier der der Erde sehr ähnlich, was bei einem Gasriesen äußerst seltsam ist, aber das Universum ist nun einmal ein seltsamer Ort. Da man aus dem Inneren eines dieser Shuttle nicht besonders gut sieht, werden wir, falls es keinen massiven Widerspruch gibt, die Angriffsrampe herunterlassen.«

»Das heißt …«, sagte Palencia, und seine Stimme wurde dabei fast schrill.

»Der Innenraum des Shuttle wird für hundertprozentig atembare Atmosphäre geöffnet.« Tyler sah sich um und grinste. »Nur dass es vom Ende der Luke nach unten ein ziemlich langer Fall wäre. Sie werden feststellen, dass ich auf einem der vorderen Sitze Platz genommen habe. Falls Sie die Sitzverteilung ändern wollen, Dr. Werden, Dr. Barreiro, General Barcena? Vielleicht möchte jemand anderer den Ehrenplatz haben?«

Dem Protokoll nach waren die vorderen vier Mittelplätze an die ranghöchsten Angehörigen der Gruppe vergeben. Und das bedeutete, dass sie bloß die Beine auszustrecken brauchten, um die vordere Kabinenwand zu berühren. Wie sie festgestellt hatten, reichte der Platz nicht aus, die Beine ganz zu strecken. Admiral Duvall und Dr. Palencia flankierten sie.

»Falls Sie damit fragen wollen, ob wir Angst haben …«, sagte General Barcena mit drohendem Unterton.

»Ganz und gar nicht«, erwiderte Tyler. »Ich hatte ja gleich zu Anfang gesagt, dass Ihnen das ein wenig verrückt vorkommen wird. Aber … Sie müssen das wirklich sehen. Cool ist gar keine Beschreibung dafür. Oh, und auf diesen Sitzen wird es auch wirklich kalt werden.«

»Dr. Barreiro?« Dr. Werden zog die rechte Augenbraue hoch. »Ich bin in den Bergen aufgewachsen. Kälte macht mir nichts aus. Aber Sie kommen aus der Pampa. Ich könnte verstehen …«

»Geht schon in Ordnung«, wehrte Dr. Barreiro ab und verschränkte die Arme.

»Admiral Duvall?«

»Ich betrachte es nicht als großes Risiko«, sagte Duvall und vergewisserte sich, dass sie fest angeschnallt war. »Und ich freue mich auf die Aussicht. Ich sollte vielleicht erwähnen, dass die Außentemperatur fünf Komma fünf Grad beträgt.«

»Celsius«, fügte Tyler hinzu. »Zugegeben, ein wenig frisch.«

»Sie stammen aus New Hampshire«, sagte Duvall. »Ich komme aus Südkalifornien.«

»Ist das ein ernsthafter Einspruch?«, fragte Tyler.

»Coxswain, 1MC«, sagte Duvall.

»Coxswain«, antwortete Parker über Interkom.

»Hauptangriffstore absenken.«

»Hauptangriffstore absenken, aye, Ma’am.«

»Engineer Trainee«, sagte Parker. »Hauptangriffstore absenken.«

»Mein Vater ist da drinnen, wissen Sie«, entgegnete Velasquez nervös.

»Die korrekte Antwort lautet: ›Hauptangriffstore absenken, aye, EM‹«, sagte Parker. »Das war ein Befehl, kein Vorschlag.«

»Hauptangriffstore absenken, aye«, wiederholte Velasquez. »So …«

»Heilige Mutter Gottes«, staunte Dr. Werden, als ihn der Windstoß traf.

Die Franklin-Gasmine war ein fünftausend Kilometer langer Weltraumaufzug, von den tiefen Extraktionsrohren bis zum orbitalen »Oberdeck«. Von ihren Plätzen aus konnten die Delegierten nur das untere Separatordeck sehen. Das war groß genug. Das Deck befand sich auf einer zwei Kilometer durchmessenden Stahlplatte und enthielt sämtliches Gerät, das gebraucht wurde, um Helium-3 aus den Dutzenden anderer Gase in der Atmosphäre des Gasriesen zu separieren. In erster Linie sahen sie reihenweise Schlote von den Ausmaßen eines kleinen Wolkenkratzers. Von ihrem Standort aus wirkte das Ganze wie eine in den Wolken hängende Stadt.

Sehr windigen Wolken übrigens. Im Inneren des Shuttles fühlte es sich an, als wäre ein Hurrikan aufgezogen. Von ihrer Position aus war die Landeplattform deutlich zu sehen, und man konnte auch erkennen, dass sich dort eine große Zahl Menschen versammelt hatte, die die VIPs erwartete.

Im Augenblick half dieses Empfangskomitee in erster Linie, die gewaltigen Ausmaße der Anlage richtig einzuordnen. Die Menschen sahen wirklich wie Ameisen aus.

»Jedes Mal, wenn ich glaube, dass es in dieser Welt keine neuen Wunder mehr gibt …«, schrie Dr. Barreiro. »Sie hatten recht. So etwas muss man mit den eigenen Augen sehen.«

»Und was die Temperatur betrifft, hatten Sie ebenfalls recht«, fügte Dr. Palencia hinzu. Er hatte die Arme vor der Brust verschränkt und fröstelte.

»Auf der Station haben die dafür Schutzkleidung«, rief Tyler. »Admiral, wir sollten jetzt landen.«

»Coxswain, bringen Sie uns rein!«

»Nicht mit offener Rampe«, murmelte Parker. Sie hatte Probleme genug, das Boot in dem heftigen Wind und mit den aerodynamischen Auswirkungen der offenen Rampe gerade zu halten. »Ziehe Rampe zur Landung ein, Admiral!«

»Roger. Und das Gebläse einschalten!«

»Willkommen auf der Franklin-Gasmine!«, schrie Blair Fleming und warf Tyler einen schweren Mantel über die Schultern. Der Manager der Mine war nicht viel größer als sein Chef. Er hatte einen glatt rasierten Schädel und trug dieselbe Kombination aus Bart und Schnurrbart wie Tyler; ein wenig wirkten die beiden wie Vater und Sohn.

Das Empfangskomitee hatte Dutzende ähnlicher Mäntel bereit gehalten, und bald waren die Neuankömmlinge gegen die Kälte geschützt. Großteils musste man sie mit Gewalt in die Mäntel zwängen, weil sie vor Staunen fast erstarrt dastanden und die Augen weit aufrissen.

Die Mine war von hoch aufgetürmten, wallenden Wolken in allen Farben des Regenbogens umgeben. Dieser Effekt rührte von einer Kombination elektrischer Effekte her – der Planet hatte ein sehr aktives elektromagnetisches Feld, einen hohen Anteil von Edelgasen in der Atmosphäre und fotosynthetische und lithotropische Bakterien, die dafür sorgten, dass die Atmosphäre atembar war. In den Wolken selbst zuckten aufgestaute Blitze, die sich von Zeit zu Zeit an den Stützkabeln der Mine entluden.

Die Stützkabel türmten sich nach oben und verschwanden schnell in den Wolken. Die buchstäblich aus Millionen Fasern von Karbon-Nanorohren bestehenden vier primären Stützkabel spalteten sich in Sichtweite auf und führten zur Station hinunter, wo sie an vierundsechzig einzelnen Punkten verankert waren. Die »finalen Verbindungskabel« waren jeweils mehr als drei Meter dick und endeten nicht in der unteren Plattform, sondern reichten weiter in die Atmosphäre des Planeten hinab.

»Ich glaube nicht, dass die zuhören«, schrie Tyler grinsend nach hinten.

»Wo sind die Aufzüge?«, fragte Dr. Barreiro.

»Die sind augenblicklich nicht zu sehen, Sir«, erklärte Fleming. »Sie sind beide unterwegs. Zur oberen Plattform sind es viertausend Kilometer. Sie sind selten zu sehen. Bei allem Respekt, meine Herren, wir haben hier schon eine ganze Weile gewartet, und besonders angenehm ist das Klima ja nicht gerade …«

»Damit will er sagen, dass er gern hineingehen würde!«, brüllte Tyler. »Wir können uns das ja auf dem Rückweg noch einmal ansehen.«

»Mir ist bekannt, dass Sie hier Helium extrahieren«, sagte Dr. Werden und blickte zu einem der gewaltigen Raffinerietürme auf. »Und ich weiß, dass … das alles hier notwendig ist. Aber … warum?«

Die Führung dauerte jetzt schon zwei Stunden, und die Delegierten begannen mittlerweile unruhig zu werden. Allmählich begriffen sie, dass die Franklin-Mine nicht nur eine gewaltige mitten in der Luft hängende Raffinerie war, sondern dass jede Ölraffinerie der Erde dagegen wie Spielzeug wirkte.

»Konzentration«, sagte Tyler. »Es ist Ihnen ja aufgefallen, dass wir alle beim Reden ein wenig quieken.«

»Das Helium in der Atmosphäre«, sagte Dr. Palencia. »Logisch. Also ist davon ziemlich viel vorhanden.«

»Und auch eine Spur Wasserstoff«, ergänzte Fleming. »Zu wenig, um eine Feuergefahr darzustellen, aber etwa sechsmal so viel wie auf der Erde.«

»Helium-3 ist ein Isotop von Helium«, fuhr Tyler fort. »Und zwar ein sehr seltenes. Helium enthält nur null Komma null null null eins drei sieben Prozent Helium-3. Das ist weniger als ein Tausendstel. In dieser Atmosphäre und in der Höhe, auf der wir pumpen, haben wir sieben Prozent Helium. Hier gibt es weniger als einen Teil pro eine Million

»Ein Kraftwerk mit einer Leistung von einem Gigawatt pro Stunde braucht etwa zehn Kilo Helium-3 pro Tag«, sagte Dr. Velasquez. »Dazu müssen Sie … vierzigtausend Kubikmeter Atmosphäre pumpen?«

»Äh … vierhunderttausend Kubikmeter Atmosphäre, Sir«, korrigierte ihn Fleming. »Sie haben sich um eine Größenordnung verrechnet.«

»Und das produzieren wir …?«, fragte Tyler.

»Etwa alle dreißig Sekunden, Sir«, antwortete Fleming. »Seit die neuen Separatoren im Einsatz sind. In Kombination mit dem oberen Separatorsystem ist dies die effizienteste Gasmine, die je gebaut worden ist. Die Glatun-Berater, die noch hiergeblieben sind, sind ziemlich stolz.«

»Die Materie-Konversionssysteme sind auch nicht perfekt«, sagte Tyler. »Dieses Gigawatt-Kraftwerk sollte nur ein paar Gramm He3 pro Tag brauchen. Der Rest entweicht, wie Ihnen jeder Wissenschaftler erklären würde, Glatun, Mensch oder wer auch immer sonst, zur Seite, im Grund in ein anderes Universum.«

»In ein anderes Universum?«, fragte Dr. Palencia ungläubig.

»Ja, so könnte man es laienhaft ausdrücken«, erklärte Fleming. »Mathematisch wird es ein wenig komplizierter. Aber diesen Schwund müssen wir irgendwie noch beseitigen. Leider. Dann könnten wir mit der Produktion dieser Anlage den ganzen Spiralarm mit Energie versorgen.«

»Seit die Physiker von der Erde die galaktische Wissenschaft einigermaßen in den Griff bekommen haben, ist das eine von zwei Fragen, an denen die sich im Augenblick die Zähne ausbeißen«, erläuterte Tyler. »Nun, sagen wir eine von drei. Es sollte eine andere Möglichkeit geben, Pseudo-Gravitation zu erzeugen und zu steuern. Irgendjemand hat schließlich irgendwo einmal die erste Gravplatte hergestellt. Da man ohne Pseudo-Gravitation keine Gravplatten herstellen kann, hat jemand entweder diese Regel verletzt oder über eine andere Form von Pseudo-Gravitation verfügt. Bei der zweiten Frage geht es wie auch bei der ersten darum, wie man einen genügend hohen Gravitationsvortex erzeugt, um Neutronium herzustellen.«

»Und welchen Wert hat Neutronium?«, erkundigte sich Dr. Werden.

»Wenn man den Mathematikern glaubt«, sagte Fleming, »sollte man, um Neutronium zu erzeugen, weniger Energie brauchen, als man bei seiner völligen Annihilation bekommt.«

»Das widerspricht doch …«, sagte Dr. Palencia und hielt inne. »… irgendeinem Gesetz.«

»Dem Energieerhaltungssatz«, half ihm Tyler. »Wir stellen fest, dass das auf Quantenebene eher eine Art Empfehlung ist, aber kein Gesetz. Außerdem würde Neutronium eine klasse Panzerung abgeben. All das ist der Grund, weshalb ich immer noch eine Menge Geld für Grundlagenforschung ausgebe. Wir tun das, weil es notwendig ist, um genügend He3 für eine moderne Gesellschaft zu produzieren. Wenn wir diesen Gasriesen nicht gefunden hätten, der im Vergleich zum Normalzustand wirklich einen hohen Heliumanteil besitzt, wenn wir die Gasmine nicht in Betrieb gesetzt hätten, hätten wir im Grunde genommen kapitulieren müssen, als die Rangora anfingen, eine Blockade zu errichten. Nennen Sie mich ruhig einen Kriegsgewinnler, wie das viele getan haben. Aber ohne diese Mine wären wir erledigt gewesen. Ja, und ich verdiene hübsch Geld daran. Und das gebe ich …«

»In die Forschung«, fiel ihm Dr. Werden ins Wort. »Waffenforschung. Weltraumforschung, natürlich den SAPL

»Wenn ich meinen Beratern zu stürmisch werde, weisen die mich manchmal darauf hin, dass es schließlich nicht meine Aufgabe ist, das Sonnensystem zu retten.« Tyler strich über einen der Separatoren. »Weil Leute wie, nun ja, Sie, Dr. Werden, die Präsidentin, Admiral Hampson, es übel nehmen könnten, wenn ich so tue, als würde alles auf meinen Schultern lasten. Ich gebe denen immer dieselbe Antwort: ›Troy, Franklin, Granadica.‹ Ganz zu schweigen von der Apollo-Ausbildungsstätte in Melbourne, die immer noch die einzige private Ausbildungsstätte für den Weltraum ist und uns die Arbeiter liefert, um alle drei zu betreiben. Wer sonst, Gentlemen? Wer sonst?«

»Wer sonst kann mit Ihnen konkurrieren?«, fragte Dr. Palencia.

»Ja, das stimmt«, sagte Tyler. »Tatsächlich sind mir Monopole ziemlich unsympathisch. Die stehen im Widerspruch zu meiner Grundeinstellung. Aber in diesem Fall … SAPL kann sich nicht selbst unterhalten. Dazu braucht man Apollo. Und Apollo wiederum braucht die Fabber, den Metallabbau im Asteroidengürtel und die Mine. Wahrscheinlich könnte die Allianz die Firma zerschlagen. Sie müssten den SAPL übernehmen, weil der sich nicht selbst unterhalten kann. Und dann bei Bedarf vermutlich Zeit bei Apollo mieten. Apollo Mining wiederum erwirtschaftet nur etwa zwei Prozent Gewinn. Aber davon wird die Ausbildungsstätte finanziert. Wir sind der einzige Lieferant für Helium-3 im ganzen Sonnensystem, und doch halten wir, halte ich, den Geschäftsbereich Franklin bewusst auf einer Gewinnspanne von drei Prozent. Wenn der Krieg einmal vorbei ist, möchte ich mich hinsetzen und mir überlegen, wie man die Firma aufgliedert, so wie, na ja, AT&T zum Beispiel oder Standard Oil. Aber, wohl wissend, dass das sehr eigensüchtig klingen kann, schlage ich bis dahin mit allem Nachdruck vor, dass man nicht versuchen sollte, etwas zu reparieren, das nicht eindeutig kaputt ist.«

»Bei den vielen Lobbyisten und so, wie Sie Ihr Unternehmen strukturiert haben«, sagte Dr. Werden, »würde das auch jeder Regierung ziemlich schwerfallen. Und die Allianz hat diese Vollmacht nicht. Noch nicht.«

»Lobbyisten mag ich noch weniger als Rechtsanwälte«, sagte Tyler mit einem Grinsen, dem jeder Humor fehlte. »Und Rechtsanwälte mag ich noch weniger als Monopole. Und deshalb zerbreche ich mir nachts, wenn ich nicht schlafen kann, oft den Kopf darüber, wie ich eigentlich dazu gekommen bin, ganze Armeen von Lobbyisten und Rechtsanwälten im Dienste eben dieser Monopole einzustellen.«