27

»ALARMSTUFE EINS! ALARMSTUFE EINS IM GESAMTEN SCHIFF! DIES IST KEINE ÜBUNG! AUF INS GEFECHT!«

Leonidas war offensichtlich erregt.

»Herrgott«, murmelte Parker und löschte ihre Bildschirme. »Ich hab doch gleich gewusst, dass das zu schön ist, um wahr zu sein. Flugtechnik. Vierundzwanzig. Habe Testsequenzen nicht abgeschlossen.«

»Irgendwelche Probleme?«, erwiderte Thermo.

»Außer den Sachen, die repariert wurden, konnte meine Abteilung nichts feststellen«, sagte Dana. »Aus meiner Sicht alles in Ordnung.«

»Gefechtswarnung steht bevor. Sieht so aus, als wäre das ein Ablauf für die gesamte Besatzung. Vögel als flugbereit zertifizieren. Ihr Coxswain ist unterwegs.«

»Roger«, sagte Dana. Sie konnte das Klirren und Klappern der Boote spüren, die gefechtsbereit gemacht wurden. »Was ist los?«

»Die Horvath haben sich dazu entschieden, dass sie keine Lust zum Verhandeln haben.«

»Was bilden die sich eigentlich ein?«

Rear Admiral Jack Clemons hatte im Laufe der Jahre verschiedene Spitznamen gesammelt. »Tiny.« »Teddy« in Anspielung auf einen ausgestopften Bären. »Vanilla« aus seiner Collegezeit, wo er als einziger Hellhäutiger in einer Rap-Band aufgetreten war. Mit Strümpfen einen Meter fünfundneunzig groß, blond und stets nahe am Rande des zulässigen Gewichts war Clemons ein Mann mit einem für einen Offizier der Navy, geschweige denn den Kommandanten einer Kampfstation, bemerkenswert angenehmen, freundlichen Gesicht. Als er noch Junggeselle gewesen war, hatten sich viele Frauen nichts so sehr gewünscht, wie sich an diesen komischen großen, flauschigen Teddybären anzukuscheln.

Leute, die seinen Ruf kannten, wussten, dass das nur Äußerlichkeiten waren. Neben seiner Tätigkeit in der Rap-Band hatte er in seiner Collegezeit als Rausschmeißer in Clubs gearbeitet. Sein Spitzname dort war »Jack-Up« gewesen, was so etwas wie »Hochstemmen« bedeutete. Mehr als ein betrunkener Raufbold hatte erleben müssen, wie er über eine ganze Menschengruppe gegen eine Wand flog.

»Troy ist wegen Umbaus des Orionantriebs nicht einsatzbereit, Sir«, sagte Commodore Dexter Guptill mit einem Achselzucken. »Ich schätze, die haben sich gedacht, dass das der richtige Augenblick sein könnte, um das System zurückzuerobern.«

Der Einsatzoffizier der Thermopylae war groß und breitschultrig und hatte eine üppige, schwarze Haarmähne. Im Verhältnis zu den meisten anderen Leuten war er groß, doch neben seinem Chef wirkte er eher wie ein Mond, der den Jupiter umkreist.

»Admiral Kinyon, Sir.«

»Vice Admiral«, sagte Clemons und sah auf den Bildschirm.

»Rear Admiral«, entgegnete Kinyon schmunzelnd. Kinyon war gerade zum Kommandeur der Festungsstaffel Eins befördert worden. In der in Abkürzungen verliebten Sprache der Navy nannte sich das »CoFortRonOne«. »Anscheinend sind die Horvath in unzureichender Stärke in das System eingetreten, aber sie haben auch einen Lenkwaffenschwarm mitgebracht, der unseren hübschen Schiffen ziemlichen Ärger bereiten könnte. Unter diesen Umständen halte ich es für angemessen, unser Missvergnügen darüber dadurch auszudrücken, dass wir denen eine Festung schicken. SolDefCom – für den Nichteingeweihten also der Kommandeur der Verteidigungsstreitkräfte des Sol-Systems – hat zugestimmt.«

»Einsatzbefehle, Sir?«, fragte Clemons.

»In das E-Eridani-System eintreten, den Widerstand der Horvath niederkämpfen, die Diplomaten abholen, ins Sol-System zurückkehren. Wenn Sie es schaffen, die feindlichen Schiffe ohne zu große Beschädigungen zu erledigen, wäre man Ihnen dankbar. Aber nur, was Sie ohne Mühe zurückbringen können. Wir werden unsere Präsenz in Eridani nicht aufrechterhalten. Nicht, solange Kampfstation Vier nicht fertiggestellt und komplett zertifiziert ist.«

»Roger, Sir«, sagte Clemons. »Commodore, Sie haben den Mann gehört. Machen Sie das.«

»Schwarze Flagge aufziehen, aye Sir!«, bestätigte Guptill. »Manövrierkontrolle, Vektor für Tor anpassen. Auf in den Kampf, ihr Lieben. Steigt in die Wanten!«

»Ganz im Ernst, Jack«, sagte Admiral Kinyon. »Keine Verrücktheiten, bitte. Treten Sie denen heftig in den Hintern und kommen Sie ins Sol-System zurück. Wie es aussieht, hat der Krieg gerade wieder angefangen.«

»Wir werden abwarten, bis wir die Mehrzahl der Horvath-Schiffe erledigt haben, ehe wir Parasiten aussetzen«, entschied Clemons. Die Einsatzbesprechung fand statt, während die Thermopylae noch unter Fahrt war, also mussten sie sich mit der Beschleunigung auseinandersetzen. Kampfstationen beschleunigten mit einigermaßen niedrigen g-Werten, sodass keine Trägheitskompensatoren benötigt wurden. Malta würde Kompensatoren haben, aber die Mitglieder der Kommandogruppe der Thermopylae musste sich damit begnügen, dass sie die Füße einstemmten und sich am Konferenztisch festhielten, um zu verhindern, dass ihre Stühle nach Backbord rollten. »Die Horvath haben einen Lenkwaffenschwarm durchs Tor geschickt, der auf fünfzigtausend Stück geschätzt wird. Das wird wehtun. Ansonsten bloß zwei Aggressor-Nachbauten und vier Cofubof-Kreuzer.«

»Ich denke, das könnten wir allein mit unseren Schiffen schaffen, Sir«, meinte Commodore Bernardo de los Reyes. Der Kommandeur der Parasiten-Einheit war auf den Philippinen geboren, aber noch vor den Bränden in Los Angeles aufgewachsen. Er hatte sich daran gewöhnt, dass die meisten Leute ihn für einen Sud hielten. »Aber die Lenkwaffen könnten unangenehm werden.«

»Und genau deshalb bringen wir die Therm mit«, erklärte der Admiral. »Wenn wir mit den Lenkwaffen fertig sind, klappen wir das Tor auf und lassen Ihre Staffel und die Marines raus. Einsatzauftrag der Marines wird es sein, die Diplomaten zu bergen. Dabei ist wichtig, dass Sie die Ogut bitten müssen, sie zurückzugeben. Unter keinen Umständen das Ogut-Schiff entern

»Verstanden, Sir«, bestätigte Brigadier Richard »Dick« Denny. Er war hager und klein und zehn Jahre älter als die anderen Führungsoffiziere und hatte seinen ersten Kriegseinsatz als einfacher Infanterist in der 101st Airborne in Afghanistan erlebt. Später einmal ein Regiment paschtunischer Marines zu befehligen, hatte nicht gerade ganz oben auf seinem Wunschzettel gestanden. Wahrscheinlich war das der Grund, weshalb er so gute Arbeit leistete. Er gehörte zwar eigentlich zu den Typen, die ein gutes Vorbild abgaben und führten, indem sie ihre Untergebenen ermunterten, aber bei den Paschtunen war es eben einfach scheißegal, ob sie ihn mochten. Zum Glück war bei ihnen die Kombination aus Angst und Respekt größer als ihr Hass. »Wir wollen nicht auch noch mit den Ogut Krieg führen müssen.«

»Systemeintritt in zwanzig Minuten«, schloss Clemons. »Und dann werden wir diesen Horvath ernsthaft den Arsch aufreißen.«

»Dreihunderttausend Lenkwaffen«, sagte Raumgeneral Sho’Duphuder selbstgefällig. Der Kommandant der Kampfgruppe Eridani hatte allen Grund, gut gelaunt zu sein. »Drei Sturmvektoren, neun Aggressor-Staffeln und zwei Brigaden Marines.«

»Und die Horvath«, erinnerte Oberst To’Jopeviq.

»Ja, die auch, auch wenn sie nicht viel nützen«, meinte General Sho’Duphuder. »Und wir sind ganz sicher, dass die Daten über die Thermopylae stimmen?«

»Zu achtundneunzig Prozent«, erklärte To’Jopeviq. »Aber ich darf Herrn General erinnern, dass das wiederum unter den von uns vorgeschlagenen minimalen Erfordernissen ist. Wir haben mindestens eine halbe Million Lenkwaffen und die Unterstützung durch sechs Sturmvektoren empfohlen. Die Troy-Klasse ist unglaublich schwer zu zerstören, und Menschen sind höllisch geschickte Kämpfer. Man sollte einfach den Planungsmodellen glauben. Aber leider hat sich das Hohe Kommando wieder auf seinen Instinkt verlassen.«

»Wir werden gewinnen«, sagte General Sho’Duphuder.

»Toröffnung«, meldete der Sensoroffizier. »Große Signatur.«

»Und wir fangen an. Lenkwaffen in Richtung Tor beschleunigen.«

»Man sieht Ihnen an, dass Sie sich unbehaglich fühlen«, sagte Beor, als To’Jopeviq in den Beobachtungsbereich auf der Brücke des Sturmvektors Ilhodib trat. »Liegt das daran, dass Sie lieber das Kommando auf einem SV hätten, als geheimdienstliche Daten zu liefern?«

»Nein, ich erinnere mich bloß an etwas, das Raummarschall Lhi’Kasishaj einmal zu mir gesagt hat«, erwiderte To’Jopeviq.

»Und das wäre?«, fragte Beor. Falls die Kazi-Agentin nervös war, war ihr das jedenfalls nicht anzusehen.

»Recht zu haben ist manchmal die schlimmste aller möglichen Alternativen.«

»Sie glauben nicht, dass wir gewinnen werden?«

»Ich frage mich, was ich anstellen muss, um uns beide einigermaßen heil aus diesem System herauszubringen.«

»Uns beide?«, sagte Beor und zischte. »Egilldu, ich wusste gar nicht, dass ich Ihnen etwas bedeute.«

»Weil ich hoffe, dass Sie Ihre Vorgesetzten davon überzeugen können, mir nicht bei lebendigem Leib die Haut abzuziehen, weil ich wieder einmal recht gehabt habe.«

»Äh … oh.«

Captain Keith »Razor« Blades war der leitende taktische Offizier der Thermopylae. Als solcher hatte er das Kommando über die Spacemen und Spacewomen, die die gewaltigen Offensiv- und Defensiv-Systeme der Therm bedienten.

Doch ob gewaltig oder nicht, ein Blick auf seinen Lagebildschirm sagte ihm, dass sie möglicherweise nicht ausreichen würden.

»Admiral, Signaturen für … drei Sturmvektoren, acht Aggressor-Staffeln, zwei Rangora-Marine-Sturmschiffe und … dreihunderttausend Lenkwaffen. Der ganze Schwarm auf Einwärtskurs.«

»Maximale Energie auf Schilde«, befahl Admiral Clemons. »Höchste Startfrequenz für Lenkwaffen. Auf Anti-Lenkwaffen-Verteidigung schalten. Signalisieren Sie: ›Tor wieder öffnen.‹ Schalten Sie null Komma fünf Prozent der Lenkwaffen auf Toreintritt. Bordsignal an Terra Defense Command …« Er hielt inne, und sein Mund ging auf und zu.

»Ich weiß, das ist nicht einfach«, sagte Commodore Guptill. »Aber machen Sie sich nichts vor, Sir, Sie müssen es aussprechen.«

»Signalisieren Sie: ›Das ist eine Falle‹«, sagte Admiral Clemons, und seine Züge verzerrten sich dabei. »Gefechtsfeldansicht beifügen.«

»Das ist mehr als bloß ›Das ist eine Falle!‹, Sir«, sagte Guptill, dem die Stimme zu versagen drohte. »Ein Horvath würde formulieren: Stellen Sie sich einen ganz großen Tintenfisch vor …«

»Ich weiß«, fiel Clemons ihm ins Wort. »Diese VERDAMMTEN Filme. Hatten Sie sich nicht vor, die Schadensbekämpfung einzuleiten?«

»Oh, stimmt. Hab doch gleich gewusst, dass ich da etwas vergessen habe.«

»SÄMTLICHES PERSONAL AUF SCHADENSBEKÄMPFUNGSSTATIONEN! LENKWAFFENSCHWARM IM ANFLUG!«

»Gut, dass wir hier drinnen sind«, sagte Angelito und zuckte die Achseln.

»Wie groß ist der Schwarm …?«, fragte Dana und wurde blass. »Oh … zur Hölle, nein!«

»Was?«, fragte Angelito.

»Sie können sich hier auf die Taktikbildschirme schalten«, sagte Dana, als die Thermopylae infolge des Starts der eigenen Lenkwaffen ins Zittern geriet und ein schwaches, durch die Bodenplatten verteiltes Summen anzeigte, dass die Energieversorgung der Hauptlaserarrays auf volle Energie hochfuhr.

»Die … sind verdeckt?«, sagte Angelito mit stockender Stimme.

»So groß«, sagte Dana. Dann lachte sie.

»Was ist denn so komisch?«, wollte Angelito wissen. »Die bepflastern uns.«

»Die feuern von der Sonnenseite«, sagte Dana.

»Und?«

»Sie haben im Geschichtsunterricht nicht aufgepasst, was?«, sagte Dana. »›Die Pfeile der Perser sind so zahlreich, dass sie die Sonne verdunkeln.‹«

»Und?«

»›Dann werden wir im Schatten kämpfen.‹«

Die Rangora-Flotte und der Lenkwaffenschwarm, der vor ihr her raste, befanden sich einwärts vom Tor zwischen der Thermopylae und der Sonne E Eridanis. Hinter der Wolke von Lenkwaffen konnte man die ferne Sonne tatsächlich nicht mehr sehen. Die Schiffe selbst waren nur durch ihre Emissionen wahrnehmbar.

Wie das immer der Fall ist, raste die Masse der Lenkwaffen durch einen Hagel von Abwehrfeuer. Die Verteidigungsbatterien und die Bordlaser der Thermopylae zerstörten sie zu Tausenden. Im Übrigen waren auch die eigenen Lenkwaffen der Thermopylae auf Gegenkurs unterwegs.

Aber jede zerstörte Lenkwaffe erzeugte mit ihren Wrackteilen für die folgenden so etwas wie einen Schild gegen Laserfeuer, eine Wand, die Laser nicht durchdringen konnten und die selbst die Hochleistungssensoren der Thunderbolt-Lenkwaffen der Menschen nur mit Mühe überwinden konnten. Obwohl Energie und Gase sich im Weltraum schnell verteilten, konnte man die Wand aus Lenkwaffen infolge der dichten Wolke aus gasförmigem Metall, die sie hinter sich zurückließen, und der Tatsache, dass eben diese Wolke ein Viertel des Himmels verdunkelte, nur mit Mühe wahrnehmen.

Die Welle aus flammendem Gas und glitzernder Vernichtung rückte der Thermopylae näher und näher, bis schließlich Hunderttausende Rangora-Geschosse auf die umkämpfte Festung trafen.

Die Freisetzung kinetischer Energie ergibt sich aus der Geschwindigkeit beim Aufprall und der Masse des Objektes. Jede einzelne Rangora-Lenkwaffe verfügte über eine kinetische Wucht zwischen sieben und fünfzehn Megatonnen, je nachdem, wo sie sich zu dem Zeitpunkt befunden hatte, als sie begonnen hatte, in Richtung auf die Thermopylae zu beschleunigen.

Der Orionantrieb der Thermopylae benutzte als Antriebsenergie fünfundzwanzig Megatonnen Fusionsbomben und zündete bei maximaler Beschleunigung jede Zehntelsekunde eine solche Bombe. Als die Lenkwaffen anfingen, die unvollständigen Verteidigungssysteme der Kampfstation zu durchschlagen und auf ihre immer noch weitgehend ungepanzerte und nicht von Schilden geschützte Oberfläche zu treffen, trieb die Kombination aus Tausenden Megatonnen Energie die Kampfstation von ihrem Vektor ab, weg vom Tor, nach draußen in Richtung Tiefraum. Nicht, dass das jemanden gestört hätte.

»Trifft den Nagel ziemlich auf den Kopf, Sir«, sagte Commodore Guptill. »Die Oberflächentemperatur ist leicht abgefallen, bevor die Treffer begonnen haben. Es waren tatsächlich genügend Lenkwaffen, dass wir buchstäblich in den Schatten gerieten. Treffer an den Lenkwaffen- und Laserrohren. Mehrfache Treffer. Die machen uns dicht. Letztes Rohr geschlossen. Weiterer Lenkwaffenabschuss und weiteres Laserfeuer nicht mehr möglich.«

»Die haben sich auf unsere Systeme eingestellt«, sagte Admiral Clemons. »Die wissen, was sie zu fürchten haben. Einen intelligenten Feind muss man mögen. Wie viele Lenkwaffen konnten wir absetzen, ehe die Rohre dicht waren?«

»Sechzigtausend, Sir«, antwortete Captain Blades. »Dreihundert haben versucht, zum Tor zu gelangen. Die Rangora waren gut darauf vorbereitet. Als wir durch waren, haben sie das Tor umgepolt. Keine davon hat es nach Sol geschafft.«

»Dann sind wir auf uns allein gestellt!«, sagte Clemons. »Na gut. In Sol waren ohnehin bloß leichte Einheiten verfügbar. Damals, bei den Thermopylen, war das genauso.«

»Die Griechen haben aber verloren«, gab Blades zu bedenken.

»Dann sollten wir zusehen, dass es uns nicht auch so ergeht. In ständige Rotation versetzen. Diese Lenkwaffen manövrieren bei Endgeschwindigkeit nicht besonders gut. Wir wollen es denen schwerer machen, die Pforten zu treffen. Und sobald wir Drehung aufgenommen haben, schicken Sie Schadensbekämpfungsteams nach oben. Sehen Sie zu, dass Sie diese Pforten wieder aufbekommen. Wir werden nicht einfach hier unter unseren Schilden sitzen bleiben und uns von denen eindecken lassen.«

»Geschickt«, sagte General Sho’Duphuder und sah in den Beobachtungsbereich hinauf. Major To’Jopeviq ließ bloß seine Schuppen flattern. Wenn er ein Mensch gewesen wäre, hätte er mit den Achseln gezuckt. »Vorschläge?«, commte er.

»Die Lenkwaffen- und Laserpforten sind zu, Sir«, sagte To’Jopeviq. »Wenn Sie unsere Marines schnell ranbringen, dann sind die auf der Oberfläche, ehe die die Pforten wieder aufbekommen. Und wenn sie sie dann offen haben, werden sie es mit den Marines zu tun haben. Marines ins Innere der Kampfstation zu bringen wäre optimal. Halten Sie alle noch verbliebenen Lenkwaffen zurück, um das Entermanöver zu unterstützen.«

»Die Oberfläche der Thermopylae befindet sich jetzt in einem negativen Schwerezustand«, gab Admiral Cirazhesh zu bedenken. »Die Marines werden sich auf einer solchen Oberfläche ziemlich schwer tun. Allein schon zu landen wird schwierig genug sein.«

»Lenkwaffenbeschuss fortsetzen«, entschied General Sho’Duphuder. »Lassen Sie die Aggressor-Staffeln und die beiden anderen Sturmvektoren aufschließen. Die sollen die noch ein bisschen weich klopfen. Feuer auf den Orionantrieb konzentrieren.«

»Wir sind blind«, erklärte Captain Blades und lehnte sich in seinem Kommandosessel zurück. »Wir können überhaupt nichts sehen. Keine Lenkwaffen mehr vorhanden, die uns Daten liefern. Sämtliche Oberflächensensoren sind hin. Das Letzte, was wir gesehen haben, war, dass die auf Abstand bleiben und auf uns einprügeln.«

»Das werden die nicht ewig tun«, sagte Admiral Clemons. »Für diese Schiffe mit Marineinfanterie gibt es Gründe. General Denny.«

»Sir?«

»Bereithalten, Entertruppen abzuwehren.«

»Entertruppen abwehren, aye.«

»Captain Blades«, fuhr Clemons fort. »In der Ersten Schlacht von Troy haben die Horvath-Streitkräfte die SAPL-Rohre der Troy geschlossen. Die Laser haben sich dann einfach durch die beschädigten Klappen gebrannt. Haben wir dafür genug Energie?«

»Ja, Sir.« Der Captain nickte. »Aber wir würden dann blind feuern.«

»Machen Sie einfach die Rohre frei«, entschied Clemons. »Commodore Guptill, stellen Sie sicher, dass die Schadensbekämpfungsleute Bescheid wissen, und stimmen Sie sich mit der Taktik ab. Ich hätte gern sobald wie möglich wieder echte Feuerkontrolle.« Er hielt inne und schüttelte den Kopf. »Leute, ich brauche Vorschläge. Wir müssen wieder aktiv werden.«

»Wir müssen die Lenkwaffenrohre aufkriegen«, sagte Captain Blades. »Sobald wir Lenkwaffen draußen haben, sehen wir auch wieder, was dort vor sich geht.«

»Ja, konzentrieren Sie sich darauf«, sagte Clemons. In dem Augenblick machte die Thermopylae einen Ruck zur Seite. »Was in drei Teufels Namen war das denn?«

»Konzentriertes Feuer auf den Orion«, meldete die Manövrierkontrolle. »Das Feuer war im Gegensinn unserer Drehung, deshalb der Ruck. Orion ist ausgefallen. Unseren Sensoren nach haben die den Orion einfach weggeblasen.«

»Rotation ist hoch genug«, sagte Clemons. »Beschleunigung einstellen. Dexter, sorgen Sie dafür, dass die Lenkwaffenrohre schleunigst wieder offen sind. Wie Sie das anstellen, ist mir egal.«

»Sind dabei, Sir.«

»Geh schon auf, du blödes …!«

In Anbetracht der Gefährlichkeit seines Jobs hatte James F. »Butch« Allen schon mehrmals überlegt, ob er nicht vielleicht von vornherein in die Navy hätte eintreten sollen. Und inzwischen bezweifelte er auch stark, dass es eine kluge Entscheidung gewesen war, sich in die Thermopylae versetzen zu lassen. Das hatte ihm zwar nicht unbeträchtlich mehr Lohn und die Beförderung zum Teamleiter eingebracht, aber wenn er noch auf der Troy arbeiten würde, wäre er jetzt im Sol-System und würde einfach einen neuen Orionantrieb einbauen. Und nicht Schäden beseitigen, die eine Rangora-Lenkwaffe angerichtet hatte, während die Thermopylae immer noch wie eine Glocke von weiteren Treffern dröhnte. Genau in einer solchen Situation hatte übrigens in der letzten Schlacht einer seiner Kollegen dran glauben müssen.

Das derzeitige »Problem« war ein Lenkwaffenrohr. »Zu« war es genau genommen nicht mehr. Wenn man sich die Schlacht ansehen wollte, konnte man in dem Rohr bis an die Oberfläche kriechen. Die Hauptpforte, die ein Problem darstellte, hatten sie ja bereits weggeschnitten. Aber auf der anderen Seite der zugeschweißten Pforte hatten sie einen unförmigen Klumpen halb geschmolzenes Nickeleisen vorgefunden, der das Rohr praktisch dicht machte. Und das war der Punkt, an dem sie ihre Grosson-Mark-Seven-Laserschweißer einsetzten. Wieder einmal.

Auf der Apollo-Schweißerschule in Melbourne hatte sich sein erster Ausbilder, Mister Methvin, ziemlich sarkastisch über einen Schweißer geäußert, der einen zwei Meter langen Strahl erzeugen konnte.

Butch bildete sich einiges darauf ein, dass er jetzt mehr als sein Lehrer wusste. Der Grosson erzeugte einen zwei Meter langen Schneidestrahl, damit man durch zwei Meter halb geschmolzenes Nickeleisen schneiden konnte, die ein Lenkwaffenrohr blockierten.

Aber wenn man so tief und so lange schnitt, führte das leider auch dazu, dass ein ziemlich großer Teil des Materials schmolz und sich verflüssigte. Und das bedeutete, dass man Punktschweißungen bekam. Und das wiederum führte dazu, dass man sich gegen eine ausgezackte Nickeleisenwand stemmen musste und dabei mit beiden Füßen gegen einen halb geschmolzenen Nickeleisenbrocken treten musste, der wie eine modernde Skulptur aussah. Und dabei handelte man sich eine Sicherheitsuntersuchung ein. Es sei denn, man war nicht mehr da, um Fragen zu beantworten, weil man nämlich tot war.

»Jinji!«, brüllte er seinen koptisch-ägyptischen Vorarbeiter an.

»Ja, Mister Allen!«

»Einen weiteren Schuss auf dieses verdammte Stück Scheiße, wenn ich bitten darf.«

»Allen?«

»Ja, Mister Purcell«, sagte Allen und ächzte, während er gegen das Stück Metall drückte. Sie hatten das Ding losgeschnitten, aber wenn er nicht dagegen drückte, würde es einfach wieder »festkleben« – Punktschweißung!

»Wie lange dauert das noch an der Zwei-Vier-Sechs?«

»Wenn das Scheißding aufhören würde, immer wieder anzukleben, wären wir längst fertig«, erklärte Allen, als der Metallbrocken von der Größe eines LKW schließlich nachgab. Infolge seiner nach außen gerichteten Drehbewegung begann Butch, hinter ihm her durch das Rohr zu rutschen, korrigierte das aber mit seinem Navpak. Der Metallbrocken polterte langsam durch das Rohr und plumpste schließlich hinaus in den Weltraum. Butch gehörte zu einer von über zweihundert Crews, die an den Rohren arbeiteten und alle ziemlich das Gleiche taten. Rings um die Thermopylae hatte sich eine gewaltige Schrottmenge angesammelt. »Fertig. Nicht perfekt, aber wenn die ihre Geschosse vorsichtig durch das Rohr befördern, kriegen sie die vermutlich auch nach draußen. Diese Thunderbolts halten schließlich einiges aus. Sollen wir bis zu den Wänden sauber machen?«

»Negativ«, commte Purcell. »Das reicht so schon. Gehen Sie mit Ihren Männern zur Zwei-Zwei-Drei hinüber. Die ist auch stark beschädigt.«

»Und die hier sind das nicht?«, wunderte sich Butch und setzte die Füße aufs Deck. Plötzlich wurde es um ihn herum hell, als ob er im Haupthangar wäre. Und seine Anzugkühlung kam auf Touren. »Was zum Teufel ist denn jetzt los?«

»Hinter Ihnen, Mister Allen«, sagte Jinji.

Butch drehte sich vorsichtig um und fing dann heftig zu fluchen an.

»Allen an Mister Purcell.« Butch stemmte die Hände in die Hüften. »Vergessen Sie, was ich von wegen ›Rohr ist offen‹ gesagt habe.«

»Was ist passiert?«

»Sieht so aus, als hätten die Rangora die Öffnung mit einem schweren Laser oder so etwas getroffen«, sagte Butch und sah sich das Chaos an. Die ganze Öffnung war noch mit Gas von dem ionisierten Nickeleisen gefüllt. Da derartiges Gas verdammt toxisch war, war es gut, dass sie alle in Raumanzügen steckten. »Wir müssen das Ding noch einmal aufmachen. Und diesmal dicht an der Oberfläche, und das heißt, dass wir hier sein werden, falls ein weiteres Geschoss oder ein Laser trifft.«

»Sie kriegen schon den dreifachen Stundensatz«, erinnerte ihn Purcell.

»Dann sollten Sie bei Apollo eine Prämie für ›während Kampfhandlungen auf der Oberfläche schweißen‹ herausholen.«, sagte Butch. »Das ist keine sichere Umgebung. Und jetzt gehen wir es an.«