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Rowan dachte über Verbrechen und Verbrecher wie alle Polizisten: Für jedes solide Gemeinwesen waren Gesetze notwendig, und Gesetzesbrecher mußten erwischt und bestraft werden, um dieses Gemeinwesen zu schützen. Für die seltsamen Linken, die lärmenden Radikalen, die Weltverbesserer und naiven Wohltäter, die Ursache und Wirkung verwechselten, hatte er nur Verständnislosigkeit und Verachtung übrig. Wenn jemand etwas verbrochen hatte, mußte er dafür eingesperrt werden. Die Besserung kam erst in zweiter Linie, Nachgiebigkeit war Unsinn, denn der Kriminelle legte sie als Schwäche aus. Drei Arten von Verbrechen waren ihm ebenso verhaßt wie Fusil: Gewalttätigkeit Unschuldigen gegenüber, Notzucht an Kindern und Drogenschmuggel. Am meisten haßte er die Drogenhändler, die kleinen Händler und die großen Lieferanten, weil sie am Ruin so vieler Leute schuld waren. Harte Drogen machten den Menschen zum Tier. Er hatte sechzehnjährige Mädchen gesehen, die sich an Matrosen verkauften, nur weil sie eine neue Spritze brauchten. Alles andere war ihnen egal. Er hatte die Leichen von jungen Männern gesehen, die Achtzigjährigen glichen.

»Also, Liz, ich bin nicht blöd«, sagte er grob. »Du weißt genau, was los ist.«

Liz war neununddreißig und sah viel älter aus. Sie saß auf dem Bett und spielte mit einem Knopf an ihrem engen Kleid. »Für eine anständige Information sind ein paar Zehner drin«, erklärte er.

»Sie halten so ein Angebot wohl für das große Los?« fragte sie spöttisch.

»Gleich geht’s dir so dreckig, daß du mit Sehnsucht dran zurückdenken wirst.«

Sie beschimpfte ihn, mehr aus Gewohnheit. Nach einer Weile meinte sie: »Mit durchschnittener Kehle nützen einem zwanzig Pfund auch nichts mehr.«

»Ist es so schlimm?«

Sie sah zur Seite. »Hauen Sie ab«, sagte sie plötzlich heftig.

»Warum hast du solche Angst, Liz? Du bist doch hart im Nehmen! Du bist kein Kind vom Lande mehr, das noch nicht trocken hinter den Ohren ist.«

Sie lachte höhnisch. »Als ich zum letztenmal auf dem Land war, wußte ich noch gar nicht, was Sex eigentlich bedeutet.«

»Warum haben die Leute solche Macht über dich?«

»Hören Sie mal!« rief sie. »Wenn sie in der Überzahl sind und auch noch stärker, hat man entweder Angst oder man ist tot.«

»Wieviel sind es denn?«

Sie zuckte die Achseln.

»Und jetzt sind sie auch ins Drogengeschäft eingestiegen?«

»Tatsächlich?«

»Wenn wir dich mit Rauschgift erwischen, Liz, wirst du eingelocht, bis du ein altes Weib bist.«

Sie biß sich auf die Lippen.

»Erzähl mir die Geschichte, bevor du bis zum Hals drinsteckst und nicht mehr rauskannst!«

»Damit man mir Maß für meinen Sarg nehmen kann? Hauen Sie ab!«

»Du kommst nicht sehr weit, wenn wir ein wachsames Auge auf dich haben. Bullen sollen schlecht fürs Geschäft sein!«

Sie schimpfte herzhaft.

»Ich brauche Informationen, Liz!«

»Ich weiß überhaupt nichts!«

Er sah die Schweißtropfen auf ihrer Stirn. »Wer macht da mit? Wer hat dich so fest im Griff? Einheimische?«

Plötzlich wurde sie rebellisch. »Glauben Sie, daß ich mich vor einem Hiesigen so fürchten würde?«

»Dann sind sie also von außerhalb?«

Sie erkannte, daß sie etwas sehr Wichtiges verraten hatte. Trotzig kniff sie die Lippen zusammen.

»Woher stammt das Heroin?«

»Welches Heroin?«

»Das ihr alle verhökert!«

»Ich nicht. Ich kenne niemand, der so was tut. Verstehen Sie mich! Niemand!«

Langsam stand er auf. Es war bei allen Mädchen das gleiche. Genau wie Liz hatten sie Angst. Die Organisation war offenbar sehr schnell und sehr wirksam vorgegangen. Ihre Gewalttätigkeit, Drohungen und Bestechungen hatten gewirkt.

Sie sah auf, und für einen kurzen Augenblick lag ein flehender Ausdruck auf ihrem Gesicht. »Ich wünschte …« Sie brach ab.

»Was?«

»Ich wünschte, ihr Bullen ließet uns in Ruhe, damit wir uns in Frieden unseren Lebensunterhalt verdienen können«, erklärte sie heftig.

Er verließ das schäbige Haus und trat auf die Straße hinaus. Vom Gehsteig aus konnte er durch eine Seitengasse bis zum alten Hafen sehen. Ein alter Frachter mit rostigen Deckaufbauten wurde gerade beladen. Auf welcher Schiffsroute wurde das Rauschgift ins Land geschmuggelt, überlegte Rowan. Wer war der Kopf der Organisation? Gab es nicht wenigstens einen Spitzel in Fortrow, der soviel Mut besaß oder so geldgierig war, daß er der Polizei einen Tip verriet?

 

Murphy parkte beim Markt, wo gerade die Stände für den Wochenendverkauf aufgeschlagen wurden. Er würdigte den Trubel keines Blicks. Er war zwar ein sehr intelligenter Mann, aber was außerhalb seiner unmittelbaren Interessen lag, kümmerte ihn nicht.

Er betrat das Hauptpostamt und meldete ein Gespräch nach Hongkong an. Er erledigte alle Anrufe nach Hongkong und New York von öffentlichen Telefonen aus, damit sich niemand wundern konnte, warum er so viele Ferngespräche führte. Dabei hatte er immer eine plausible Erklärung parat, die ihn völlig deckte. Die Telefonistin erklärte, es würde eine halbe Stunde dauern. Er verließ das Gebäude und spazierte mit energischen Schritten die High Street entlang. Es machte ihm manchmal Spaß, sich unter den Strom der Fußgänger zu mischen und für kurze Augenblicke so anonym und unwichtig zu werden wie sie. Danach fühlte er sich allen andern noch mehr überlegen als gewöhnlich.

Pünktlich eine halbe Stunde später betrat er wieder die Hauptpost, und ein paar Minuten danach kam der Anruf durch. Er entschuldigte sich bei Mr. Chu Fahsien über die verzögerte Abnahme des Plastikspielzeugs, er würde gerade prüfen, wer daran schuld habe, und es könne nur noch wenige Tage dauern, bis die Ware eintreffe. Mr. Chu antwortete, daß es ihn freue, diese gute Nachricht zu hören. Während Murphy seiner leicht zischenden Stimme lauschte, sah er im Geist den Chinesen vor sich. Er war ziemlich groß für seine Rasse, mit einem breiten Gesicht und fröhlichem Lächeln und schwach mandelförmigen schwarzen Augen. Mr. Chu würde New York darüber informieren, daß die Schwierigkeiten in Fortrow fast behoben waren, überlegte Murphy, und alles in allem würde kein schlimmer Schaden entstehen. Immer vorausgesetzt allerdings, daß Longmans Verhaftung auf Mallorca ein unglücklicher Zufall gewesen war, woran er mittlerweile immer mehr glaubte. Obwohl die Amerikaner sicherlich eine Zeitlang sehr zurückhaltend bleiben würden. Murphy wechselte noch ein paar Höflichkeiten mit dem Chinesen und hängte ein. Er zahlte bei der Telefonistin und ging.

 

Niedergeschlagen betrat Rowan das Causeway Building. Je mehr Blasen ein Detektiv hatte, um so besser war er, behauptete ein altes Sprichwort. Danach war er geradezu hervorragend.

Der Portier erkannte ihn wieder und starrte ihn feindselig an, sagte aber nichts. Rowan fuhr mit dem Lift in den dritten Stock und klingelte an der Tür von 3B.Violet Carter öffnete sofort.

»Darf ich hineinkommen?« fragte er. »Oder störe ich?«

»Im Augenblick nicht.« Ihre Stimme klang müde und gleichgültig. Als er im Wohnzimmer stand, betrachtete er sie prüfend. Um ihren Mund lag ein bitterer Zug, der sie älter erscheinen ließ und härter, und ein geübter Beobachter hätte sofort ihren Beruf erraten.

»Ich bin noch einmal gekommen«, erklärte er, »weil ich Sie fragen wollte, ob Sie inzwischen etwas erfahren haben? Irgend etwas, das uns weiterhilft?«

»Demnach sind Sie der Lösung um keinen Schritt näher gekommen. Sie wissen immer noch nicht, wer Vince ermordet hat?«

»Noch nicht.«

Abrupt drehte sie sich um und ging zum Fenster. Rowan ließ den Blick durchs Zimmer wandern. Es war unordentlich und schmutzig, die Aschenbecher waren übervoll, Kissen lagen am Boden, schmutzige Teller, Messer und Gabeln häuften sich auf dem Couchtisch, und leere Flaschen lagen im Kamin. Violet kam zurück und ließ sich in einen Sessel fallen. »Ich sagte Ihnen ja«, meinte sie, »daß Sie nichts erreichen!«

»Es dauert eben seine Zeit.«

»Wen wollen Sie das glauben machen? Und wenn die Polizei ein ganzes Jahrhundert Zeit hätte, würde sie nichts rauskriegen! Die Vince getötet haben … das sind Professionelle, die ganze Organisation wird von Profis geleitet, und deshalb werden Sie’s nicht mal bis zur Startlinie schaffen, geschweige denn bis zum Ziel!«

»Wir haben unsere lichten Augenblicke«, antwortete er gelassen. »Hat sich einer vom Mob bei Ihnen wieder gemeldet?«

»Nein!«

Das verwunderte ihn nicht. Sie waren erfahren genug, das Mädchen im Augenblick in Ruhe zu lassen, obwohl sie mittlerweile einen Haufen Geld verdient haben mußte. Sie hatten einkalkuliert, daß sie Vincent Wraight geliebt hatte. »Haben Sie sich überhaupt umgehört?«

»Ich habe rumgefragt, aber keiner will reden. Wenn ich was erfahren hätte, glauben Sie ich säße noch hier und würde Vince nicht …«

»Überlassen Sie das uns«, unterbrach er sie. »Diese Verbrecher sind für Sie zu gefährlich, um sich mit ihnen anzulegen!«

Sie sah ihn nur verächtlich an.

Er hatte so gehofft, daß sie etwas in Erfahrung gebracht hatte. Er hatte sich getäuscht. So mußte er weiter Pflaster treten und sich noch mehr Blasen holen.

 

Als das Telefon klingelte, bekam Heather plötzlich Herzklopfen. Sie ließ es mehrmals läuten, ehe sie aufstand und um die Couch zum Telefon ging. »Fünf-sieben-drei-zwei-zwei«, sagte sie mit hoher Stimme.

»Spreche ich mit Mrs. Rowan?«

Die Stimme klang kühl und unpersönlich, und erleichtert dachte sie, daß es nicht der Anruf sein konnte, vor dem sie sich so fürchtete.

»Sie werden sich freuen zu hören, daß die Bilder sehr gut geworden sind!«

Sie umklammerte den Hörer fester, um nicht zu zittern. »Was wollen Sie?« rief sie. »Was wollen Sie denn?«

»Eine kleine Gefälligkeit von Ihnen. Wir brauchen jemand, der etwas von einem Schiff abholt. Wenn Sie das ordentlich machen, geben wir Ihnen die Negative zurück und alle Abzüge.«

»Was soll ich denn abholen?«

»Sie gehen zum Zigarrenladen in der Whitelaw Road und sagen Ihren Namen. Dann wird man Ihnen ein Päckchen übergeben. Darin befindet sich ein Büstenhalter und ein Strumpfgürtel, der Ihnen paßt. Außerdem ein Hafenausweis. Ziehen Sie das Zeug an und gehen Sie zum Hafen. Dort liegt die Southern Planet. Seien Sie um Punkt halb zwölf in der Frauentoilette vom C-Deck auf der Steuerbordseite, und zwar im ersten Klo rechts. Eine Frau wird in das Nachbarabteil kommen und ein paar Takte ›Tipperary‹ pfeifen. Sie pfeifen ›God Save the Queen‹. Sie wird Ihnen Büstenhalter und Strumpfgürtel rüberwerfen, Sie geben ihr die Ihrigen. Sie ziehen die Sachen der Frau an und gehen von Bord. Wenn irgend jemand Fragen stellt, behaupten Sie, daß Sie im Auftrag Ihres Chefs dort seien, der Kreuzfahrten organisiert. Zu Hause wickeln Sie das Unterzeug in braunes Packpapier, versiegeln es mit Wachs und geben es, an einen Mr. Smith adressiert, im Zigarrenladen ab.«

»Und was ist mit den Fotos?«

»Wir schicken sie Ihnen per Post. In einem blauen Umschlag. Passen Sie auf, daß Ihr Mann ihn nicht erwischt!« Am andern Ende der Leitung wurde aufgelegt.

Heather ließ den Hörer sinken. Sie überlegte überhaupt nicht, warum sie diesen seltsamen Auftrag ausführen sollte. Sie dachte nur an die Fotos, die sie zurückerhalten würde, wenn sie ihre Sache gut machte. Sie würde die Bilder zerreißen und Fred die Wahrheit nie erfahren.

 

Brigadekommandeur Row saß sehr aufrecht und räusperte sich. Er spielte mit einem Mantelknopf und musterte den Polizeichef und Chefinspektor Kywood kurz. Dann ließ er den Blick zum entfernteren Fenster wandern. »Gewöhnlich«, begann er, »mische ich mich nicht in Dinge, die in Ihren Aufgabenbereich fallen.« Seine Stimme klang nicht so energisch wie sonst.

Der Polizeichef, ein pensionierter Oberst, der vor ein paar Jahren seinen Posten erhalten hatte, als noch viele Polizeidirektoren kleinerer Städte ehemalige Armeeoffiziere waren, nickte. Sein Gesicht, das meistens sehr ausdrucksvoll war, wirkte kühl und reserviert.

Brigadekommandeur Row spürte die gespannte Atmosphäre im Raum. Deshalb redete er etwas lauter weiter und legte mehr Schwung in seine Stimme. »Aber ich bin bestürzt über die steigende Zahl von Verbrechen. Ich habe mit dem Vorsitzenden des Grafschaftsrates darüber gesprochen, und er war auch der Meinung, daß ich mich über dieses Thema einmal mit Ihnen unterhalten sollte.«

Der Polizeichef, der viel mehr wie ein pensionierter Armeeoffizier aussah als Row, war ein tüchtiger Mann. »Ja, Sir?« meinte er nur.

»Die Zahl der Raubüberfälle hat in den letzten sechs Monaten um über zehn Prozent zugenommen!«

Der Polizeichef sah Kywood an. Kywood nickte. »Das ist leider wahr, Sir«, sagte er. »Aber auf Landesebene sind sie sogar noch mehr gestiegen. Es wird zuviel über Verbrechen geschrieben. Das bringt die Leute erst auf den Gedanken, wenn …«

»Dies ist mir durchaus klar, Kywood.« Rows Antwort klang zu gezwungen munter. »Doch das entschuldigt unser Versagen nicht.«

Kywood lehnte sich in seinem Stuhl zurück. Er saß am einen schmalen Ende des ovalen Tisches und musterte Row mit seinen leicht knopfartigen braunen Augen.

»Die Einbrüche haben im letzten Monat sogar um sieben Prozent zugenommen.«

»Statistiken über einen so kurzen Zeitraum stimmen nie ganz genau«, meinte der Polizeichef.

»Wollen Sie abstreiten, daß es mehr geworden sind?« fragte Row.

»Nein, Sir. Ich wollte damit nur andeuten …«

»Bei den Diebstählen ist es das gleiche. Es ist einfach eine Tatsache, daß die Kriminalität ansteigt.«

Kywood rieb sich das eckige Kinn, das einen dazu verleiten konnte, völlig falsche Schlüsse über seinen Charakter zu ziehen.

»Wie man mir erzählt hat, kümmert sich die Fortrower Polizei aber trotzdem vor allem um die Prostituierten.«

»Wer hat Ihnen das berichtet, Sir?« fragte Kywood.

Row sah Kywood voller Abneigung an. »Spielt es eine Rolle? Trotz der zunehmenden Zahl von Verbrechen kümmert sich die Polizei hauptsächlich um die Prostituierten! Verdammt, wir sind doch alle nur Menschen. Prostitution ist nun mal nicht aus der Welt zu schaffen und …«

»Es handelt sich dabei um Nachforschungen über den Tod eines Mannes namens Wraight, Sir«, warf Kywood ein.

»Er lebte von einer Prostituierten«, erklärte der Polizeichef.

»Er wurde getötet«, fuhr Kywood fort, »weil eine neue Verbrecherorganisation die Stadt zu erobern versucht. Sie muß zerschlagen werden, ehe sie so fest im Sattel sitzt, daß es unmöglich wird.«

»Verbrecherorganisation? Zum Teufel, wovon reden Sie?«

»Ein neuer Mob, Sir, scharf durchorganisiert, hat die Prostitution und den Rauschgifthandel übernommen, weil damit das meiste zu verdienen ist. Sie haben sich mit allen nur erdenklichen Mitteln die Leute gefügig gemacht: zum Beispiel durch Mord. Oder Erpressung …« Kywood betonte das letzte Wort besonders.

Row errötete leicht. Er spielte noch etwas hastiger mit seinem Mantelknopf. »Trotzdem finde ich, daß Sie nicht richtig abschätzen, was wichtig ist«, meinte er. »Sie sollten sich mehr auf das allgemeine Verbrechen konzentrieren, auf Verbrechen, deren Auswirkungen der gesetzestreue Durchschnittsbürger zu spüren bekommt, nicht irgendein Gangster ohne jede Moral.« Row erhob sich. »Ich glaube, daß ich hier im Namen vieler spreche.« Er drehte sich um und marschierte mit großen Schritten aus dem Zimmer.

Der Polizeichef holte ein Päckchen Zigaretten aus der Tasche und bot es Kywood an. Kywood ließ sein Feuerzeug aufschnappen und gab ihm Feuer.

»Na?« sagte der Polizeichef.

Gewöhnlich äußerte Kywood nie eine Meinung, mit der er sich exponieren konnte, doch jetzt sagte er erbittert: »Sie haben ihn am Wickel! Sie haben ihn erpreßt, uns dazu zu überreden, daß wir ein bißchen Dampf ablassen, weil wir das Geschäft der Damen beeinträchtigen.«

Wütend zog der Polizeichef an seiner Zigarette. »Ja … es ist verdammt unangenehm, mitansehen zu müssen, wie tief jemand sinken kann – vor allem ein Mann wie Row. Was glauben Sie, haben sie gegen ihn in der Hand? Um Geld geht es bestimmt nicht. Er ist wohlhabend. Um Rauschgift etwa?«

»Das bezweifle ich sehr. Sicher um Frauen. Vermutlich hat er sich mit einer der Damen eingelassen, irgend jemand hat dafür Beweise und übt nun solchen Druck aus, daß er sogar bereit war, zu uns zu kommen.«

»Ich habe Mrs. Row mal kennengelernt …« Nachdenklich rauchte der Polizeichef seine Zigarette weiter. »Versuchen Sie, stichhaltige Beweise dafür zu finden. Dann erheben wir Anklage gegen ihn!«

»Ja, Sir!«

»Ich weiß, ich weiß … es ist beinahe unmöglich, in einem Fall von Erpressung Beweise zu kriegen, und kein Gericht würde seinen Besuch bei uns als Beeinflussung der Justiz auslegen. Trotzdem, versuchen Sie’s!« Der Polizeichef drückte seinen Zigarettenstummel aus. »Natürlich werden wir auf sein Geschwätz nicht hören … es ist wie ein Krebsgeschwür, das die Stadt von innen auffrißt.«

»Nein, Sir!« protestierte Kywood. »Soweit wird es nicht kommen! Wir werden die Bande erwischen, bevor sie zuviel Schaden anrichtet.« In seiner Stimme klang ein gewisser Stolz mit, den ihm niemand zugetraut hätte.

»Hoffen wir zu Gott, daß Sie recht behalten! Sicherlich wird man versuchen, einen oder mehr Polizisten zu bestechen.«

»Das wird ihnen nicht gelingen.«

Der Polizeichef dachte an Brigadekommandeur Row. Er verachtete ihn und hatte doch Mitleid.

 

Fusil saß pfeiferauchend in Kywoods Büro, und zum erstenmal dachte er von Kywood nicht so schlecht wie gewöhnlich., Vielmehr herrschte sogar eine gewisse Eintracht zwischen ihnen, was beide deutlich spürten, ohne weiter darüber zu reden. Denn was für unterschiedliche Männer sie auch waren – wenn es um eine Bedrohung ihrer Stadt und ihrer Polizei ging, reagierten sie beide gleich heftig und zornig.

»Der Chef glaubt, daß es mit der Stadt bergab geht«, sagte Kywood.

Fusil nickte. »Wir werden das schon verhindern!«

»Er meint, sie werden versuchen, einen Polizisten zu bestechen.«

»Kein Polizist in der ganzen Stadt wird sich zu so was Dreckigem hergeben, wie dieser verdammte Zivilist Row«, erklärte Fusil wütend.

»Natürlich!« Kywood zündete sich eine Zigarette an. »Trotzdem, Bob, wir brauchen unbedingt eine Spur, einen Hinweis, und zwar schnell.«

»Wenn der Chef recht behält und die Kerle tatsächlich einen von uns zu bestechen versuchen, sitzen sie in der Tinte. Der Kollege wird’s uns erzählen, wir nehmen den Ganoven, der ihn schmieren wollte, hop, ehe er überhaupt begreift, was los ist. Er wird singen wie eine Nachtigall.«

Kywood zog an seiner Zigarette und runzelte die Stirn. »Jeder Polizist, dem man eine anständige Summe bietet … fünftausend Pfund zum Beispiel … er wird in Versuchung kommen …«

»Er wird nicht anders reagieren, als wären es nur fünf Pfund. Das ist doch egal!« unterbrach ihn Fusil zornig. In diesem Punkt war er vollkommen engstirnig.