KAPITEL16

D

as kleine, mit weißen Schindeln verkleidete Haus am Stadtrand von Dalton, das Harley für sie vorgesehen hatte, war umgeben von Hügeln und durch ein Pinienwäldchen von der Straße abgeschirmt. Eine Veranda führte rund um das mindestens siebzig Jahre alte Haus, und die Stufen waren ziemlich ausgetreten.

»Nicht gerade eindrucksvoll«, stellte Harley fest. »Ein altes Farmhaus, aber die Familie hat das Land verkauft und ist von hier weggezogen. Offenbar war es eine große Familie. Es gibt vier Schlafzimmer, zwei Bäder und eine große Küche. Der Makler sagte, dass der Schlüssel in der Ampel mit dem Efeu liegt.«

»Es ist prima.« Grady streckte die Hand nach dem Hausschlüssel aus. »Was ist mit Lebensmitteln?«

»Ich fahre gleich zu einem Supermarkt.« Harley sah Renata an. »Würde es Ihnen etwas ausmachen, mit mir zu kommen?«

Sie zuckte mit den Schultern. »Wenn Sie wollen.« Sie stieg wieder in den Wagen. »Ich muss auch ein paar Dinge besorgen.«

»Eine Raketenabschussrampe?«

»Wie haben Sie das erraten?«

Megan sah dem Wagen kopfschüttelnd nach. »Könnte sein, dass sie das nicht als Scherz gemeint hat.«

»Na ja, es wird wohl keine Abschussrampe sein.« Grady schloss die Tür auf. »Die bekommt man nicht so leicht in einer kleinen Stadt. Und Harley wird ein Auge auf ihre Einkäufe haben.«

Von der Haustür aus gelangte man sofort ins Wohnzimmer; die Möbel waren schäbig und nicht allzu sauber.

Megan rümpfte die Nase. »Ich hoffe, die Schlafzimmer sind besser.«

»Wir werden schon zurechtkommen.« Er ging in die Küche. »Wir bleiben ja nicht lange.«

Megan folgte ihm. »Das ist gut. Ich bin es nämlich leid, dir und Renata beim Streiten zuzuhören.« Im Schrank standen Gläser, Megan nahm sich eins und spülte es aus. »Und ich verstehe es nicht.«

»Vielleicht nehme ich es ihr übel, dass sie versucht hat, dich zu benutzen.« Und lächelnd fügte er hinzu: »Ich betrachte das als mein Privileg.« Er wehrte ihren Protest mit einer Geste ab. »War nur ein Witz.« Sein Lächeln schwand. »Teilweise. Ich weiß, dass du selbst entscheidest, wer dich benutzen darf und wer nicht. Aber seit der Nacht, die du in Edmunds Wohnwagen verbracht hast, ist mir eine Veränderung aufgefallen. Renata stand Edmund sehr nahe, und das berührt dich.«

Das konnte sie nicht abstreiten. »Das beeinträchtigt aber nicht mein Urteilsvermögen.« Sie drehte den Wasserhahn wieder auf und ließ das Wasser laufen, bis es klar war. »Quellwasser.« Sie trank einen Schluck. »Es ist gut. Erinnerst du dich an das Quellwasser, das wir in dem Sommer am Strand hatten? Es enthielt zu viel Eisen und hat deshalb meine Haare schlaff gemacht. Du hast mich deswegen immer geneckt.«

»Ja, ich erinnere mich«, antwortete er mit belegter Stimme.

Sie erschrak und sah ihn an. O Scheiße. Sie wandte rasch den Blick ab, doch es war zu spät. Sie hatte seinen sinnlichen Ausdruck, das Verlangen und die inzwischen vertraute Bereitschaft noch vor Augen. Und ihr eigener Körper spiegelte all das wider. Sie drehte sich weg, trank ihr Glas aus und stellte es auf die Arbeitsfläche. »Ich sehe mir besser mal die Schlafzimmer an. Die Laken müssen vielleicht erst gewaschen werden und …«

»Schsch.« Er stand hinter ihr und legte die Hände auf ihre Brüste. »Die Laken können warten.« Er rieb sich langsam an ihr. »Wir nicht.«

Mein Gott. Ihr ganzer Körper prickelte. Ein Schauer lief ihr über den Rücken. Hitze. Überwältigendes Verlangen. Sie schmiegte sich an ihn. »Das sollten wir nicht tun.«

»O doch. Ich hab gesagt, dass ich dir Zeit lasse, aber du willst es auch, oder?«

O ja. Sie brauchte es wie Wasser in der Wüste, mehr als ein wärmendes Feuer im Winter. Seine Hände umfassten ihre Schultern. »Harley wird …«

»Er wird sich ankündigen, bevor er ins Haus kommt.« Er knöpfte ihr die Bluse auf. »Verdammt, du hast mir so gefehlt.«

»Lächerlich«, erwiderte sie unsicher. »So lange ist es gar nicht her.« Dennoch war es wie eine Ewigkeit, dachte sie benommen. Sie wusste, was er meinte. Der Hunger war immer da gewesen, zwar unbeachtet, aber lauernd. »Das macht keinen Unterschied. Ich lasse es nicht zu.«

»Ich nehme, was ich kriegen kann. Wenn du denkst, du kannst danach einfach von mir weggehen, dann bitte.« Er zog sein Hemd aus und warf es beiseite. »Nur rede ich weder mir noch dir ein, dass es keinen Unterschied macht.« Seine Hände liebkosten sie. »Jede Berührung …«

 

Raserei.

Ihr Atem kam stoßweise, als sie sich zwang, die Finger, die sich in seine Schultern krallten, zu lösen. »Ich muss weg. Ich muss …« Sie schloss die Augen. Sie wollte ihn nicht allein lassen. Sie wollte bei ihm bleiben, ihn halten und es wieder tun. Sie schob ihn von sich und setzte sich auf. »Harley und Renata kommen bald zurück.« Sie packte ihre Kleider und sprang auf. »Ich gehe hinauf und suche das Bad.«

Er rührte sich nicht und sah ihr nach. »Hab ich dir schon mal gesagt, dass du ein spektakuläres Hinterteil hast?«

»Nein.«

»Scheinbar war ich zu sehr mit Wichtigerem beschäftigt«, meinte er. »Zum Beispiel damit, wie du mich umschlingst, bis ich ganz wild werde, wenn ich …«

»Sei still.« Sie warf ihm einen Blick über die Schulter zu. »Für den Fall, dass es dir nicht aufgefallen ist – ich gehe weg von dir.«

»Das habe ich bemerkt.« Er lächelte. »Und jetzt weißt du, dass du es kannst. Offensichtlich habe ich keine Svengali-Macht über dich. Warum sollten wir uns also nicht bei jeder sich bietenden Gelegenheit vergnügen? Das Leben ist so kurz, und man weiß nie, was einen als Nächstes erwartet.«

Er hat Macht über mich, dachte sie. Allein bei seinem Anblick, wie er ganz nackt dalag, regte sich etwas in ihr. Noch nie hatte sie einen schöneren Mann gesehen, und er konnte Dinge mit ihr tun, die noch kein anderer gemacht hatte. Sie war keine Galatea, aber die erotische Anziehungskraft zwischen ihnen war zu stark, als dass man sie ignorieren könnte, und sie musste auf der Hut sein. Seit heute war das sonnenklar.

»Nicht?« Sein Blick war auf ihr Gesicht geheftet. »Ich hatte höllische Mühe, dir über die Kontrollangst hinwegzuhelfen. Denk darüber nach. Es gab Momente, in denen ich keine Kontrolle hatte – Momente, in denen du mich schwach gemacht hast, bis ich mir vorkam wie ein Schuljunge. Vielleicht sollte ich mich vor dir in Acht nehmen.«

»Ja, vielleicht solltest du das.«

Er lächelte. »Ich lasse es darauf ankommen. Jedes Mal, wenn ich diese Schwäche verspüre, werde ich ihr nachgeben.« Er scheuchte sie mit einer Handbewegung weiter. »Geh und zieh dich an. Ich bringe dein Gepäck hinauf und stelle es in eins der Schlafzimmer. Wir sehen uns zum Essen.«

»Okay.« Sie rannte die Treppe hinauf und riss im Flur alle Türen auf, bis sie in ein Bad kam. Ein paar Minuten später trat sie in die Dusche und zog den Plastikvorhang vor. Das kalte Wasser war ein Schock auf ihrem erhitzten, entspannten Fleisch und machte es straff und fest. Sie wünschte, es könnte auch ihre mentalen Fähigkeiten schocken, die sie nicht vor der sexuellen Begegnung hatten bewahren können.

Vergiss es. Sie hatte Grady gewollt und ihn sich genommen. Er hatte recht, auch wenn er Macht über sie hatte, war sie sich dennoch bewusst gewesen, dass ihn ihre Berührung schwach machte und ihn erschauern ließ. Wieso sollten sie das nicht genießen?

Das hatte Grady gesagt. Überredung oder Kontrolle?

Es war zu gefährlich, bei einem Mann, der ihre Erinnerungen jahrelang kontrolliert hatte, von Überredungskunst auszugehen.

Aber Sex war Sex. Es war nicht so, dass es tiefer ging, dass sie …

Nein! Daran wollte sie gar nicht denken. Sie würde mit Molino abrechnen und in ihr Leben zurückkehren, das sie sich ausgesucht hatte, bevor dieser Irrsinn begonnen hatte. Dieses Leben erschien ihr jetzt so fern und fremd.

Fremd? Ihre gegenwärtige Existenz war eigenartig und fremd. Erschreckend, dass sie das nicht sofort realisiert hatte. Grady hatte behauptet, sie hätte sich verändert, aber noch konnte sie zurückgehen, wenn all das vorbei war.

Sie hoffte, dass sie zurückkonnte.

 

Als Megan aus dem Badezimmer kam, begegnete ihr im Flur Renata mit Bettwäsche auf dem Arm.

»Ich stecke das hier in die Waschmaschine, dann gehe ich auch unter die Dusche«, sagte sie. »Dieses Haus muss seit Jahren unbewohnt sein. Ein trauriger Gedanke. Wie eine kleine alte Lady, die vernachlässigt und vergessen wurde.«

»Das ist wirklich traurig.« Und sie fand den Vergleich, den Renata gezogen hatte, merkwürdig. »Gefällt Ihnen dieses Haus?«

»Ja, besonders die Veranda. Sie erinnert mich an ein Haus in Boston, in dem ich mit meiner Mutter gelebt habe. Damals war ich erst fünf oder sechs, aber mir kam es vor, als würde uns die Veranda … umarmen.« Sie hob die Schultern. »Möglicherweise dachte ich das auch nur, weil meine Mutter mich selten in die Arme genommen hat. Ich wurde zu der Zeit zwischen meiner Mutter und meinem Vater in Deutschland hin- und hergeschickt, und dieses war ein gutes Jahr für mich.« Sie ging zur Treppe. »Ich habe mir das zweite Schlafzimmer auf der linken Seite ausgesucht, als ich sah, dass Ihre Koffer im ersten stehen. Nur Ihr Gepäck. Schläft Grady nicht auch dort?«

»Nein. Auch wenn Sie das nichts angeht.«

»Ich habe mich lediglich gefragt, ob ich um die ›Situation‹ herumschleichen muss.« Sie schnitt ein Gesicht. »Dann hätte ich vermutlich nicht taktvoll sein und mit Harley einkaufen gehen müssen, oder?«

»Taktvoll? Sie?«

»Ich kann taktvoll sein. Ich halte es für einen Fehler, dass Sie mit Grady schlafen. Er ist ein Kontrolleur, und ich weiß nicht, wie weit Sie ihm trauen können. Aber wenn es Ihnen Spaß macht, soll’s mir recht sein.«

»Vielen Dank«, entgegnete Megan.

»Ich habe das wahrscheinlich falsch ausgedrückt. Man sollte nicht meinen, dass ich in meiner Firma als besonders redegewandt und höflich gelte.«

»Nein, das wäre mir nie in den Sinn gekommen.«

»Aber im Büro komme ich mir vor wie eine Schauspielerin auf der Bühne. Da ist es einfacher.« Sie ging die ersten Stufen hinunter. »Ich stecke die Laken in die Waschmaschine, dann schiebe ich einen Hackbraten in den Ofen, ehe ich eine Dusche nehme. Harley sagt, dass er uns sein Lieblingsdessert zubereitet.«

»Baumkuchen.«

»Genau. Es hat Ewigkeiten gedauert, bis er alle Zutaten beisammenhatte.«

»Dann hatten Sie ja gar keine Zeit, Ihre Abschussrampe zu kaufen«, neckte Megan sie. »Grady sagte, Sie hätten ohnehin Probleme, so was in Dalton zu finden.«

»Hätte ich eine gewollt, dann hätte ich sie auch bekommen. Mark hätte eine Quelle aufgetan.«

»Ihr Cousin muss ein erstaunlicher Mann sein.«

»Erstaunlich? Das können Sie laut sagen.« Sie drehte sich auf der Treppe noch einmal um und rief: »Sie machen den Salat. Okay?«

»Okay.« Megan trocknete sich das Haar, während sie zu ihrem Schlafzimmer ging. Das Gespräch mit Renata hatte ihr gutgetan. Es hatte sie in eine Normalität zurückgebracht, die sich nicht um Grady und ihre Gefühle für ihn drehte. Es gab noch andere Menschen auf der Welt, andere Ansichten, andere Ziele, Erinnerungen an eine Kindheit, Veranden und Cousin Mark, der ein Geheimnis war, das noch gelüftet werden musste.

Mit etwas Glück konnte sie sich auf all das konzentrieren und Grady vergessen.

 

Es funktionierte nicht.

Während des Essens hätte sie sich Gradys Nähe nicht bewusster sein können. Sie registrierte jede seiner Bewegungen und jede Nuance seiner Stimme. Verdammt, sie hoffte nur, dass Harley und Renata nichts mitbekamen. Lachhaft, so zu fühlen.

Gleich nach Harleys Baumkuchen ergriff sie die Flucht. Sie murmelte eine Entschuldigung und zog sich auf die Veranda zurück, die Renata so in Entzücken versetzt hatte.

Der Mond beschien den Wald in der Ferne. Megan atmete ein paarmal tief durch. Das war schon besser.

»Megan.«

Sie straffte die Schultern, drehte sich jedoch nicht um. »Ich möchte jetzt nicht mit dir reden, Grady.«

»Das habe ich auch nicht gedacht.« Er stellte sich neben sie. »Und das ist okay.« Er holte sein Handy aus der Tasche. »Wie wär’s, wenn du stattdessen mit Molino sprichst?«

Sie starrte ihn an. »Jetzt?«

»Du hast gesagt, dass du ihn anrufen willst. Jetzt ist ein so guter Zeitpunkt dafür wie jeder andere.«

»Ich hätte nur nicht so früh damit gerechnet.« Sie streckte die Hand aus und nahm ihm das Telefon ab. »Nicht heute Abend.«

»Ich glaube kaum, dass dich Molino hinters Licht führen kann, so wachsam, wie du bist.« Er verzog die Lippen. »Glaub mir, mir ist es lieber, wenn ich der Grund für jeden Gefühlstumult bin, aber ich möchte das gern hinter mich bringen. Er wird versuchen, dich auf jede nur erdenkliche Weise zu verletzen. Und vielleicht gelingt es ihm sogar.«

Sie schüttelte den Kopf. »Ich komme schon klar. Hast du seine Nummer?«

»Ja.« Er nahm ihr das Handy wieder ab. »Aber ich muss die Verbindung herstellen. Sicherlich nimmt Molino sofort an, dass wir versuchen, ihn ausfindig zu machen. Ich übernehme das und mache dich mit dem Bastard bekannt. Du kannst nur ein paar Minuten ungefährdet mit ihm reden.« Er tippte die Nummer ein und wartete auf den ersten Klingelton. »Molino? Nein? Sienna, hier spricht Neal Grady. Megan Blair ist bei mir. Sie möchte mit Molino sprechen. Nein, legen Sie nicht auf. Ich wusste, dass Sie befürchten würden, dass die CIA eine Satellitenüberwachung arrangiert haben könnte, deshalb lege ich auf. Falls sich Molino mit Megan unterhalten will, kann er uns von jedem Apparat, den er für sicher hält, zurückrufen. Sie wartet drei Minuten am Telefon. Ist die Zeit vorbei, dann ist sie nicht mehr erreichbar.« Grady unterbrach die Verbindung. »Jetzt warten wir.«

»Glaubst du, er macht es?«

»O ja. Ich geb’s nicht gern zu, aber Renata hat den Drecksack richtig eingeschätzt …«

Das Handy klingelte, und Grady drückte es Megan in die Hand. »Sprich mit ihm.«

»Welch unerwartete Freude, Miststück«, sagte Molino. »Aber wenn Sie mich anflehen wollen, Sie am Leben zu lassen, muss ich Sie enttäuschen.«

»Ich werde Sie nicht anflehen. Warum sollte ich? Ihre Männer sind Stümper. Sie waren nicht imstande, mich auch nur zu berühren.« Blutgier, dachte sie. Renata hatte gesagt, sie müsse seine Rachegelüste entfachen. Deshalb fügte sie hinzu: »Sind Sie genauso unfähig wie Ihre Handlanger?«

Er schwieg eine Weile, aber Megan spürte seine Wut. »Ihre Mutter war anderer Ansicht«, sagte er gefährlich leise. »Wissen Sie, wie viele Männer sie vergewaltigt haben, als wir sie gefangen hielten?«

Megan zuckte zusammen – Ekel erfasste sie. »Ihr Sohn Steven.«

»Er war ein großzügiger Junge. Gelegentlich hat er gern geteilt.«

Sie verspürte einen brennenden Schmerz. Grady hatte ihr angekündigt, dass Molino versuchen würde, sie zu verletzen. Lass das nicht zu. Greif ihn an. Finde einen Schwachpunkt. Wovor fürchtet sich Molino?

»Aber er wurde für seine Taten bestraft, oder? Meine Mutter hat ihn in den Irrsinn getrieben. Sie hielt seine Hand, und die Verdorbenheit und Fäulnis in seinem Kopf ist explodiert. Es war so leicht für sie. Sie hätte das schon früher machen sollen. Ich hab gehört, Ihr Sohn hat geheult wie ein Baby. Er war ein Schwächling, der niemals …«

»Halten Sie Ihr Maul«, unterbrach er sie aufgebracht.

Sie hatte ihn tief getroffen. »In einer Minute. Ich hab keine Lust, weiter über einen Loser wie Ihren Steven zu reden. Ich wollte Sie nur wissen lassen, dass Sie keine Chance haben, mich zu ermorden wie meine Mutter.«

»Deshalb haben Sie angerufen?«

»Ja, und ich wollte Ihre Stimme hören. Das hilft mir, mich zu konzentrieren.«

»Konzentrieren?«, wiederholte er.

»Ich hab’s satt, dass Sie Jagd auf mich machen. Ich will Ihren Tod, Molino. Aber erst möchte ich Sie zu so einem geistlosen, stammelnden Idioten machen, wie es Ihr Sohn war.« Und mit giftigem Hohn setzte sie hinzu: »Wollen Sie meine Hand halten, Molino? Der Wahnsinn muss schrecklich sein, wenn sich Ihr Steven umbringen musste, um sich davon zu befreien. Möchten Sie Ihrem Sohn folgen?«

»Freak«, krächzte er.

»Ja. Und ich bin die Tochter meiner Mutter – in jeder Hinsicht –, und das wissen Sie, sonst hätten Sie nicht versucht, mich zu töten. Sie haben Ihre Chance verpasst und treiben mich dazu, Sie aufzusuchen.«

»Leg auf«, sagte Grady.

Sie nickte, fuhr jedoch fort: »Meine Mutter hat Sie gefunden, war’s nicht so, Molino? Sie saßen mitten im Dschungel, trotzdem hat sie Ihr Camp gefunden. Ich kann das auch. Sie sind so hilflos, wie es Ihr Sohn war.«

»Ich bring dich um«, kreischte Molino. »Freak ist Freak. Steven und ich, wir schneiden dich in Stücke. Du kannst uns nicht entkommen.«

Er tobte immer noch, als sie das Gespräch beendete. Sie zitterte. »Ich glaube, es besteht kein Zweifel mehr, dass Molino persönlich auf mich losgehen will. Er wird sich nicht in Madagaskar verstecken und einen anderen schicken, damit er mir die Kehle durchschneidet.« Sie gab Grady das Telefon zurück. »Und um eins klarzustellen: Molino ist übergeschnappt; er redet von seinem Sohn, als wäre er noch am Leben.«

»Ich hab dir ja gesagt, dass er besessen ist.«

Sie schauderte. »Und gemein. Ich glaube, ich hatte noch nie etwas mit einem so widerwärtigen Kerl zu tun.«

»Und du hast dich entschieden, dich auf sein Niveau zu begeben?«

»Wir wollten, dass er wütend wird. Ich musste ihn dort treffen, wo es weh tut. Er glaubt, dass meine Mutter schuld am Tod seines Sohnes ist, und ich habe mich entschlossen, ihm nicht zu widersprechen.«

»Du hast sehr überzeugend geklungen.«

»Ich bin immer noch nicht überzeugt, dass meine Mutter eine Pandora war. Und selbst wenn sich herausstellen sollte, dass sie doch eine war, glaube ich nicht, dass ich eine bin. Aber er soll es glauben. Er hasst ›Freaks‹, und er hat Angst vor ihnen. Ich musste mir diese Angst zunutze machen. Habe ich aufgelegt, bevor der Anruf zurückverfolgt werden kann?«

Grady nickte. »Ich hab dir ein bisschen Spielraum gelassen.«

»Das dachte ich mir.« Sie drehte sich weg. »Und jetzt gehe ich schlafen.«

»Komm her«, sagte er sanft und ging einen Schritt auf sie zu. »Keine Angst – ich will dich nur halten. Du zitterst.«

»Ich brauche niemanden, der …« Ihr Gesicht drückte sich an seine Brust, als er sie in die Arme nahm. Lieber Himmel, er fühlte sich so gut an, und es gelang ihm, all die Schrecken, die Molino geweckt hatte, zu lindern. »Nachdem ich den Horror durchgemacht habe, fütterst du mich mit einem Hühnersüppchen?«, murmelte sie. »Das ist nicht nötig, Grady.«

»Für mich schon.« Er strich ihr übers Haar. »Ich musste dein Gesicht beobachten, während du dich mit Molino im Dreck gewälzt hast. Ich brauche ein bisschen Trost.«

»Wie egoistisch«, gab sie unsicher zurück.

»Ist das was Neues? Ich war nie etwas anderes als ein Egoist.«

»Damals in der Höhle am Todestag meiner Mutter warst du nicht selbstsüchtig. Du hast mir geholfen, obwohl du wusstest, dass es nicht leicht werden würde. Du hättest mich auch mit den Stimmen allein lassen können.«

»Nein, das hätte ich nicht. Ich hab’s versucht, aber es war bereits zu spät für mich.« Seine Fingerspitzen streichelten sanft ihre Schläfe. »Also war auch das selbstsüchtig.«

»Das überzeugt mich nicht.«

»Erstaunlich. Und du bist immer so argwöhnisch, was meine Absichten betrifft. Wirst du allmählich weich, Megan?«

»Nein.« Sie schubste ihn weg. »Ich glaube nur, dass Menschen nicht nur schwarz oder weiß sind.« Sie ging ein paar Schritte. »Bis auf Molino – der ist durch und durch bis in die Tiefe seiner Seele schwarz. Kannst du mir ein Foto von Molino besorgen? Schließlich muss ich wissen, wie er aussieht, falls er auftaucht. Er könnte mir auf der Straße begegnen, und ich würde ihn nicht erkennen.«

»Ich rufe Venable an und bitte ihn, mir ein Foto aufs Handy zu schicken, das drucke ich dann aus.«

»Und eins von Sienna. Er hatte richtig Spaß, als er Edmund Gillem gefoltert hat. Er hat nicht nur Befehle ausgeführt.«

»Das überrascht mich nicht. Er war Profikiller, bevor er sich Molinos Bande angeschlossen hat. In einigen Dingen sind er und Molino sich einig, in anderen weichen ihre Ansichten voneinander ab.«

»Wann kann ich die Fotos haben?«

»Noch heute Abend. Ich rufe sofort an.«

Sie öffnete die Fliegengittertür. »Gut.«

»Du hast deine Sache sehr gut gemacht, Megan«, sagte er ruhig.

»Verdammt richtig.« Sie ging ins Haus und gleich die Treppe hinauf zu ihrem Zimmer. Sie zitterte nicht mehr, war aber noch aufgewühlt. Die Abscheulichkeit des Telefongesprächs schien immer noch um sie herumzuwirbeln und sie zu beschmutzen.

»Sind Sie okay?« Renata stand oben auf dem Treppenabsatz. »Sie haben mit Molino telefoniert?«

»Ja, woher wissen Sie das?«

»Ich bin Grady auf die Veranda gefolgt. Ich dachte, er würde Sie stören; Sie waren ohnehin schon ziemlich durcheinander.«

»Sie wollten mich vor ihm beschützen?«

Renata ließ sich Zeit mit der Antwort. »Kann sein.«

»Ich kann gut auf mich selbst aufpassen, Renata.«

»Aber Sie sind zu gut. Sie lassen zu, dass die Menschen Sie verletzen.«

»Das ist meine Entscheidung.«

»Ansichtssache. Das Leben ist aus verschiedenen Szenarien zusammengesetzt, die sich durch ein Wort oder eine Tat entfalten. Solange ich da bin, um das Wort auszusprechen oder zu handeln, kann ich Schaden abwenden.«

Megan starrte sie erstaunt an, dann fing sie an zu lachen. »Mein Gott, Sie stecken Ihre Nase gern in fremde Angelegenheiten – ich habe nie eine kompliziertere Erklärung dafür gehört.«

»Wirklich? Ich kann noch viel komplizierter sein, ohne mich anzustrengen.«

»Da bin ich ganz sicher.« Und lächelnd fragte sie: »Warum ich? Wieso haben Sie gerade mich ausgesucht, um mich zu beschützen?«

»Ich weiß nicht.« Plötzlich fing sie an zu stammeln: »Ich … ich denke … ich mag dich.« Hastig fügte sie hinzu: »Natürlich kann es auch daran liegen, dass wir zur Familie gehören, und ich darauf trainiert bin, die Familie zu schützen.«

»Ja, das könnte sein«, bestätigte Megan sanft. »Aber ich hoffe, dass es nicht so ist. Ich habe nicht viele Freunde, Renata. Es wäre schön, wenn du eine Freundin für mich werden könntest.«

Renata wandte den Blick ab. »Wir werden sehen, stimmt’s?« Sie wechselte das Thema. »Wie war das Gespräch mit Molino?«

»Er hatte Schaum vorm Mund, als ich auflegte. Ich habe ihm weisgemacht, ich sei eine Pandora und eine Finderin wie meine Mutter. Er hat es mir abgekauft.«

»Für den sind Freaks eben Freaks, und er weiß nicht genug über uns.« Renata hielt kurz inne. »Du hättest ihm sagen können, dass ich die Finderin bin. Das hätte dich ein wenig aus der Schusslinie gerückt.«

»Es ist besser, wenn sich seine Paranoia nur auf mich richtet, dann kannst du dich im Hintergrund bereithalten. Konnte die CIA einen Gegenstand von ihm auftreiben, der dich dann zu ihm führen kann?«

»Noch nicht. Sie versuchen, in sein Haus in Madagaskar zu gelangen, aber das ist ziemlich gut gesichert.«

»Nun, wir können davon ausgehen, dass er nicht dorthin zurückkehrt, bis er weiß, dass ich tot bin«, erklärte Megan ungerührt.

»Schaum vor dem Mund?«, wiederholte Renata grinsend.

»Wie ein tollwütiger Hund.« Sie ging zu ihrem Zimmer. »Mit Betonung auf tollwütig. Ich glaube, er hat ein paar Schrauben locker.« An der Tür blieb sie stehen. »Ich möchte mehr über Finder erfahren, Renata – ich muss wissen, was mich erwartet. Kommst du mit in mein Zimmer und erzählst mir mehr davon?«

Renata nickte. »Aber da gibt’s nicht viel zu wissen.« Sie durchquerte das Zimmer und ließ sich auf die Bank in der Fensternische fallen. »Du hast gesagt, dass deine Mutter eine Finderin war.«

»Das weiß ich nur, weil Grady es mir gesagt hat. Ich wusste gar nichts von ihren Talenten.«

»Das muss … komisch gewesen sein. Ich wusste immer von der Familie und dass die meisten von uns eine Begabung haben. Schon als ich sieben war, wurde offenbar, dass ich eine Finderin bin. Andere Talente hab ich erst später entwickelt.«

»Und du hattest keine Angst?«

»Das hat Mark nicht zugelassen. Meine Mutter war ziemlich beschäftigt und hatte keine Zeit, mich auszubilden, deshalb hat sie Mark darum gebeten.« Sie lächelte. »Ich glaube, er hat sich gar nicht gern mit mir abgegeben, bis Edmund ihm sagte, dass er mich als Bewahrerin der Chronik ausgesucht hatte. Danach hat sich Mark nicht mehr anmerken lassen, ob ich ihm lästig war. Er wusste, dass er mich vorbereiten musste.«

Und die Bewahrerin der Chronik zu unterrichten war wichtiger als die Bedürfnisse eines kleinen Mädchens.

Renata schüttelte lächelnd den Kopf. »Ich tue dir leid. Aber Mark war sehr gut zu mir. Du verstehst das nicht.«

»Nein«, bestätigte Megan. »Aber ich versuche es. Erzähl mir, wie es ist, eine Finderin zu sein.«

»Ich bin ziemlich gut. Mark hat mein Talent für bemerkenswert gehalten und mit mir gearbeitet.«

»Wie machst du es?«

»Zuerst brauche ich einen Gegenstand, dem der Person, die ich suchen soll, gehört. Das weißt du ja schon. Der Gegenstand wird allgemein Anker genannt, weil er das Einzige ist, was einen fest auf der Spur hält. Dann konzentriert man sich und sieht, ob man eine Verbindung herstellen kann.«

»Verbindung?«

Renata runzelte die Stirn und versuchte, das näher zu erläutern: »Es ist eine Art … Berührung. Aber meistens muss man nahe genug herankommen, damit das funktioniert. Dann streckt man sozusagen die Hand aus und stellt die Verbindung her – es ist, als würde man an einem Seil gezogen oder geführt.«

»Und das ist alles?«

Sie nickte. »Es sei denn, die Verbindung ist so stark, dass man ein Bild erhält. Manchmal hat man eine Vision von dem Gesuchten vor Augen. Wenn man Glück hat, liefert sie einem Hinweise, und man ist bei der Suche nicht mehr nur auf das Seil angewiesen.«

»Aber du brauchst unbedingt etwas, was Molino gehört?«

Renata nickte. »Gib mir einen kraftvollen Gegenstand, den ich als Anker nutzen kann, und ich finde jeden.«

»Na, hoffentlich kann dir Venable bald etwas liefern.« Sie schwieg einen Moment. »Und das funktioniert wirklich, Renata?«

»Ja, wirklich.« Renata lächelte wieder. »Ich gebe dir mein Wort. Wenn ich die Jagd sofort beginnen kann, besteht die Chance, dass wir Molino finden, bevor er dich über dem Feuer röstet.« Sie stand auf. »Konnte ich dich beruhigen?«

Megan nickte. »Wissen hilft immer. Ich komme mir vor, als würde ich im Dunkeln tappen.«

»Wenigstens hast du Gesellschaft.« Sie ging zur Tür. »Du hast eine Persönlichkeit, die in anderen den Wunsch weckt, dir in deinen dunklen Tagen beizustehen. Irgendjemand wird immer für dich da sein, Megan. Grady, Harley, sogar ich.«

Renata machte die Tür hinter sich zu.

Megan ging zum Fenster und betrachtete die mondbeschienenen Felder.

Molino war irgendwo da draußen, zerfressen von Hass, und plante seine nächsten Schritte.

Wie nah war er ihr?

 

Grady hatte das Faxpapier mit dem Foto von Sienna und Molino unter ihrer Tür durchgeschoben; dort fand sie es, als sie am Morgen aufwachte. Sie erlebte einen Schock, als sie es sich ansah. Unbewusst hatte sie ein Foto aus der Verbrecherkartei oder ein Passbild erwartet, aber dies war ein Schnappschuss von zwei Männern, die an einem Tisch in einem Straßencafé saßen. Sie waren leger gekleidet und lächelten – zwei ganz normale Männer in den Fünfzigern, entspannt, vielleicht im Urlaub. Grady hatte die Namen auf das Papier geschrieben und Pfeile zu den entsprechenden Köpfen gemalt. Molino war ein wenig behäbiger, hatte eine Hakennase und dichtes braunes Haar mit grauen Strähnen. Er trug ein orange-braun gestreiftes Hemd und eine Khakihose. Siennas leicht schräge haselnussbraune Augen wirkten katzenhaft in dem dreieckigen Gesicht, sein Haar war hell und schütter. Hemd und Hose saßen wie maßgeschneidert, und er vermittelte den Eindruck, ungeheuer anspruchsvoll zu sein.

Megan starrte noch immer auf das Foto, als Grady ein paar Minuten später an ihre Tür klopfte.

»Ich wollte sichergehen, dass du das so früh wie möglich siehst«, sagte er. »Ist spät in der Nacht angekommen. Überrascht?«

»Ja. Wahrscheinlich sollte ich es nicht sein. Ich glaube nicht, dass mich die Tatsache, dass sie so normal aussehen, erstaunt – es ist der Schnappschuss an sich. Sie sitzen in der Sonne, trinken Wein und genießen ihr Leben, als hätten sie es verdient.«

»Ja.«

»Aber sie verdienen es nicht.« Sie schluckte, um den Kloß im Hals loszuwerden. »Sie töten, sie foltern, sie verhökern kleine Kinder an Unmenschen, die sie missbrauchen und ihre Leben zerstören. Gäbe es Gerechtigkeit auf dieser Welt, dann müssten sie in der Hölle schmoren.«

»Gottes Mühlen mahlen langsam.«

»Dann sollten wir schneller für Gerechtigkeit sorgen, verdammt. Können wir nicht mehr tun?«

»Venable zieht alle Strippen beim FBI und den örtlichen Polizeibehörden in Tennessee, damit sie Molino aufspüren. Es dauert seine Zeit.«

»Und so lange sitzen Molino und Sienna in der Sonne und haben ein gutes Leben«, sagte sie verbittert.

»Nicht zurzeit.« Er schmunzelte. »Ich glaube, du hast Molino gestern Abend dermaßen wütend gemacht, dass er bestimmt nicht gemütlich auf seinem Hintern sitzt.«

»Gut.«

»Und ich habe Neuigkeiten von der Polizei in Atlanta, den Truck betreffend, der Phillips Angreifer gehört. Die Reifen wurden mit Kreditkarte beim National Car Service gekauft.«

»Du hast einen Namen?«, fragte sie eifrig.

»Tim Darnell. Er ist Student an der Georgia State University, zweiundzwanzig, intelligent, gutaussehend und ohne Vorstrafen.«

»Dann ist er vielleicht nicht der Schütze«, sagte sie enttäuscht.

»Oder eben doch. Er ist auf einer Farm in South Georgia aufgewachsen und seit frühester Jugend ein Waffennarr, der die Jagd liebt. Seine Eltern sind bettelarm, aber Darnell scheint ziemlich viel Geld zu haben. Die Polizei hat eine seiner Exfreundinnen befragt – anscheinend hat er etwas für Machtspielchen übrig. Das Mädchen hat sich von ihm getrennt, weil es Angst vor ihm hatte.«

»Können sie ihn nicht zum Verhör ins Präsidium bringen?«

»Das würden sie tun, wenn sie ihn finden könnten. Er war seit Tagen nicht mehr in seiner Wohnung. Sie observieren das Haus, hatten bis jetzt aber kein Glück.«

»Denkst du, er ist bei Molino?«

Grady zuckte mit den Schultern. »Molino duldet nur altbewährte, vertrauenswürdige Helfershelfer in seiner Nähe und ganz bestimmt keinen grünen Jungen, der seinen Job nicht anständig erledigt hat. Aber falls wir Darnell in die Finger kriegen, können wir ihn vielleicht überreden, Molino eine Falle zu stellen.«

»Wie wollt ihr ihn überreden?«, wollte Megan wissen.

Er hob eine Braue. »Nicht durch Folter. Obwohl ich sie anwenden würde, wenn es sein müsste. Zu diesem Zeitpunkt würde ich alles tun, was nötig ist. Aber möglicherweise ist es effizienter, auf Tricks zurückzugreifen, die dir nicht ganz geheuer sind. Ich bin ein Kontrolleur, und es gibt nicht viele Menschen, die ich nicht beeinflussen kann. Dir würde es nichts ausmachen, wenn ich Darnell dazu bringen könnte zu tun, was wir wollen – sehe ich das richtig?«

»Ja.«

»Ich schätze, ich sollte auch für kleine Zugeständnisse dankbar sein.« Er drehte sich weg. »Manchmal glaube ich, du hast genau solche Vorurteile wie Molino, was die sogenannten Freaks angeht.«

»Das wäre irrational, wenn man bedenkt, dass ich selbst einer bin.«

»Aber im tiefsten Inneren hast du noch Probleme, das zu akzeptieren.« Er betrat den Flur. »Übrigens, Harley macht gerade Frühstück – es dürfte in einer halben Stunde fertig sein. Komm nicht zu spät runter. Harley ist immer sauer, wenn seine Rühreier kalt werden.«

»Gott behüte.« Sie warf das Foto auf den Nachttisch und machte sich auf den Weg ins Bad. Sie war froh, dass Gradys Neuigkeit über Tim Darnell die Entmutigung, die sie beim Betrachten des Fotos empfunden hatte, ausgleichen konnte. Dass sie nicht mehr komplett im Nebel stocherten, hatte ihre Laune beträchtlich gebessert. Es mochte frustrierend und nervenaufreibend sein, warten zu müssen, bis sich etwas Neues ergab und sie endlich Molino an den Kragen gehen konnten. Aber zumindest machten sie winzige Fortschritte.