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»Geldek, die Drecksau!« Korten hatte seine ganze Schläfrigkeit im Vernehmungszimmer verloren.

» Zehn Mille waren abgemacht, fünf im Voraus un’ fünf, wenn et geklappt hat. Un’ die zweiten fünf hat der einfach nich’ mehr abgedrückt, dieses linke Schwein. Behauptet einfach, ich hätt’ den Falschen erledigt.«

»Hast du doch auch«, antwortete Toppe.

»Wat? Komm, spinn doch nich’ rum, Mann.«

Es dauerte ziemlich lange, bis er Toppes Erklärungen begriff, und dann war er völlig erschüttert, saß da wie Graf Zeppelin in Lakehurst.

Über den Hintergrund der ganzen Geschichte hatte ihn Geldek gar nicht informiert. Er war irgendwann mal mit Korten im Keekener Schützenhaus gewesen, als Verhoevens Stammtisch tagte und hatte ihm Wilhelm gezeigt, hatte auch noch darauf verwiesen, daß das Schützenfest ein guter Zeitpunkt wäre; den Rest hatte er Korten selbst überlassen.

»Eins verstehe ich nicht, Korten«, porkelte Breitenegger in den offenen Wunden, »wenn ich einen umgebracht hätte, so als Profi gewissermaßen, dann würde ich mich ganz fein ruhig verhalten. Aber ich würde doch nicht weiter diese riskanten Überfälle machen.«

»Gott, von irgendwat muß der Mensch doch leben.«

»Doch«, lachte Toppe, »doch, das ist vollkommen einleuchtend.«

Sie waren auf dem Weg nach Brienen. Breitenegger fuhr, und Toppe freute sich leise vor sich hin.

Heute stand nur ein Wagen vor der Garage. Der Z l fehlte.

Frau Geldek lächelte ihr gemeißeltes Lächeln sogar noch, als Toppe ihr den Haftbefehl unter die Nase hielt. Bedauernd hob sie ihre schön manikürten Hände. »Mein Mann ist in Übersee. Sie dürfen gern hereinkommen und sich selbst davon überzeugen.« »Worauf Sie sich verlassen können«, knurrte Toppe und stand schon in der Diele. Aber er drehte sich noch einmal um. »Wissen Sie was? Diesmal glaube ich Ihnen sogar.«

Geldek war seit Silvester weg. Natürlich hatte sie keine Ahnung, wo er steckte. Übersee, mehr wußte sie angeblich nicht. Sie bot ihnen gnädig einen Platz auf der Wohnlandschaft an, die wie eine Insel mitten im dunkelblauen, mindestens 120 qm großen Wohnzimmer schwamm.

»Und er läßt Sie hier ganz alleine mit dem Konkurs?«

»Konkurs?« fragte sie mit hochgezogenen Brauen. »Aber keineswegs. Meine Unternehmen florieren. Wollen Sie einen Blick auf die Bilanzen werfen?«

Toppe schlug sich gegen die Stirn. »Aber selbstverständlich! Wie konnte ich nur eine so dumme Frage stellen? Zwei der Geldekschen Unternehmen laufen ja auf Ihren Namen.«

»Eben«, säuselte sie, »wie konnten Sie nur eine so dumme Frage stellen?« Damit erhob sie sich. »Etwas sollten Sie vielleicht noch wissen. Mein Mann und ich haben uns getrennt. In aller Freundschaft, versteht sich.«

»Versteht sich«, echote Toppe.

Sie zauberte ein Du-kleiner-Pinscher-Lächeln in ihr Gesicht.

»Und deshalb möchte ich die Herren bitten, mich von jetzt an nicht weiter zu behelligen. Mit den Angelegenheiten von Eugen Geldek habe ich nichts mehr zu tun.«

»Hat Ihr Gatte den Z l mitgenommen?«

»Das sieht ganz so aus, Herr.. äh.. Oberkommissar.«

»Hauptkommissar«, strahlte Toppe.

Im Auto wollte er sich lange nicht beruhigen. »Das mußt du dir mal wegtun! Setzt sich mit seinem ganzen dreckigen Schotter ab, und seine Alte macht hier weiter dicke Knete. Von wegen getrennt! Das haben die fein ausgekungelt. Und ich kann nichts dran machen. Gar nichts. Drei Tage zu spät!«

»Das ist doch nicht dein Fehler«, versuchte Breitenegger zu beschwichtigen.

»Natürlich ist das mein Fehler. Wessen denn sonst? Ich hätte viel eher drauf kommen müssen.«

»Quatsch. Ist einfach dämlich gelaufen, die ganze Geschichte. Und außerdem: Deinen Täter hast du doch, sogar mit Geständnis.«

Aber Toppe sah nur mit zusammengekniffenem Mund aus dem Fenster. Auf dem Spoykanal dümpelten ein paar Stockenten, und zwei kleine Jungs ließen ein Schlauchboot zu Wasser. Im Januar; warm genug dazu war’s; verdrehte Welt.

»Ist natürlich völlig für den Eimer«, fing Breitenegger wieder an, »aber wir sollten trotzdem nach dem Z l fahnden. Welchen Flughafen würdest du ansteuern?«

»Schipol«, antwortete Toppe ohne echtes Interesse. »In knapp zwei Stunden zu erreichen und täglich x Flüge nach Übersee. Okay, schalten wir Interpol ein, auch wenn’s für den Arsch ist.«

Im Büro warteten Siegelkötter, Staatsanwalt Stein – und Ackermann.

»Fehlanzeige, wa?« rief er ihnen entgegen. »Genau, wie ich et gesacht hab’. Südamerika, wa? Der Hecht jetz’ mit dem Arsch inne Sonne anne Copacabana un’ läßt die Mäuskes Samba tanzen.«

»Wie kann so etwas passieren?« polterte Stein los. Toppe hob nur resigniert die Schultern, hängte seinen Mantel auf und ließ sich auf seinen Stuhl fallen. Die Atmosphäre hier war ordentlich geladen. Über was die wohl vorher gesprochen hatten?

»Ihr Achselzucken reicht mir nicht, Herr Toppe, Ich habe mir vorhin Ihre ganzen Berichte durchgelesen. – Saubere Arbeit übrigens. – Wieso haben Sie sich den Kerl nicht längst geschnappt?«

»Tja«, Toppe ließ sich viel Zeit. »Herr Siegelkötter meinte, es reiche nicht für einen Haftbefehl.«

Siegelkötter machte ein gekonnt leeres Gesicht.

»Ja, was Herr Siegelkötter meint, habe ich mir eben schon schildern lassen.« Toppe hatte Stein eigentlich nie aufgebracht erlebt, und er konnte sich des Gefühls nicht erwehren, daß er absichtlich überzog.

» Dennoch, der Mann hätte vernommen werden müssen!«

»Ich habe mich an Herrn Siegelkötters Anweisungen zu halten.«

»Seit wann wird denn hier in diesem Stil gearbeitet? Bisher habe ich das Wort,Anweisung’ im Zusammenhang mit Ihnen noch nicht gehört, Toppe.«

»Mein lieber Herr Dr. Stein..« begann Siegelkötter sehr bestimmt, aber er kam nicht weit.

»Mein lieber Herr Siegelkötter. Ich weiß, daß Sie in Ihrer Position bisher noch nicht allzu viele Erfahrungen sammeln konnten. Deshalb möchte ich Ihnen einen Rat geben, einen gut gemeinten Rat. Ich arbeite seit über zwölf Jahren mit Herrn Toppe zusammen, und zwar erfolgreich.«

Toppe hatte alle Mühe, sich ein Grinsen zu verkneifen, besonders wenn er Breiteneggers Mimik sah, der sich stumm mit Ackermann austauschte.

»Sogar überaus erfolgreich. Herr Toppe ist es gewohnt, freie Hand zu haben. Ihnen mögen manche Dinge vielleicht ein wenig unorthodox erscheinen, aber ich kann Ihnen versichern, daß wir damit immer ausgezeichnet gefahren sind. Und so eine Schlappe wie bei diesem Fall ist uns in den ganzen zwölf Jahren nicht passiert. Auch das möchte ich in aller Deutlichkeit zum Ausdruck bringen.«

Toppe zündete sich eine Zigarette an, Breitenegger feixte, Ackermann versuchte, gar nicht anwesend zu sein, und Siegelkötter verlor langsam die Fassung.

»Sie wissen genauso gut wie ich, daß die Gesetzeslage es nicht zuläßt..« begann er mit kaum verhaltener Wut.

»Mein lieber Herr Siegelkötter«, zitierte ihn Stein wieder, »ich habe Ihnen bereits sehr deutlich gesagt, daß Sie mir wahrhaftig nichts über die Gesetzeslage erzählen müssen.« Damit stand er entschieden auf. »Im Übrigen möchte ich mich im Augenblick nicht weiter darüber unterhalten. Auf Wiedersehen.«

Aber an der Tür hielt er inne. »Ach, Herr Toppe, ich möchte Sie und Ihre Frau gern zum Essen bei uns zu Hause einladen.« »Mit dem allergrößten Vergnügen.«

»Wäre Ihnen der kommende Sonnabend recht?«

»Selbstverständlich.«

»Na wunderbar. Sagen wir 20.30 Uhr. Einen schönen Tag noch.«

Siegelkötter wartete gar nicht erst, bis sich die Tür hinter Stein geschlossen hatte. »Wir sprechen uns noch«, zischte er und verschwand.

Toppe und Breitenegger prusteten gleichzeitig los, konnten sich kaum beruhigen und merkten erst im allerletzten Moment, daß auch Ackermann sich verdrücken wollte.

»Mein lieber Herr Ackermann«, rief Toppe streng. »Mit Ihnen habe ich noch ein Hühnchen zu rupfen.«