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Für Silvester war Heinrichs zum Dienst eingeteilt worden. Er hatte reichlich zu tun, da die Bereitschaft auch die anderen Kommissariate mit abdecken mußte. Jetzt am frühen Nachmittag saß er gerade über dem Protokoll eines Handtaschenraubes, als die Tür so vehement aufgestoßen wurde, daß sie gegen die Wand knallte.
Herein stürmte Look, der neulich so gern mal,Einsatz in Manhattan’ gespielt hätte. »Hier! Mann, gut, daß gerade du Dienst hast. Von wegen Heiopei und Oscar und so!«
Nachdem Heinrichs sich vom ersten Schreck erholt hatte, setzte er sein blasiertestes Gesicht auf.
»Ach, du bist also wieder im Dienst? Laß mich bloß in Ruhe, ich hab’ eine Stinklaune.«
»Hier, Mensch!« fuchtelte ihm Look wie wild mit einem Foto unter der Nase herum.
» Herrgott noch mal! Hör auf, hier rumzuwedeln, und sag, was du von mir willst.«
»Das Motorrad, Mann! Guck doch hin. Das ist es!«
»Komm, spinn hier bloß nicht rum.« Aber er starrte wie elektrisiert auf das Foto. »Du meinst, das Motorrad, das du damals verfolgt hast?« »Ja, genau. Nu’ guck doch hin. Der Aufkleber. Von einer Schnapsfirma, hab’ ich doch immer gesagt. Hier siehst du’s: Schwarze Frühstückskorn. Das ist die Mühle; ich bin hundertprozentig sicher.«
Es war ein Unfallfoto, das die Polizei am 2. Oktober vor dem Klever Mac Donald’s aufgenommen hatte. Das Motorrad selbst hatte gar nichts damit zu tun gehabt; es hatte nur zufällig in der Parkbox neben einem der Unfallfahrzeuge gestanden.
Look hatte eine Ausschnittvergrößerung machen lassen: Eine 450er Honda, der Aufkleber war gut zu erkennen, und mitten auf dem Foto prangte dick und deutlich das Nummernschild.
»Los, komm mit!«
Heinrichs bewegte seine 109 Kilo so schnell zur Zentrale hinunter, daß Look ihm kaum folgen konnte.
Unten knallte Heinrichs dem Diensthabenden das Foto auf den Tisch. »Da, ich brauch’ den Halter.«
Der Polizist, aus seinem Jerry Cotton-Heft gerissen, wo gerade mal wieder irgendeine Faust in Phil Deckers Magengrube explodierte, sah ihn mit leerem Blick an.
»Jetzt sofort?«
»Nein«, brüllte Heinrichs, dunkelrot im Gesicht, »nächste Woche Mittwoch! Beweg deinen Arsch, aber ’n bißchen plötzlich, sonst tret’ ich dir in denselben.«
»Sag mal, du hast doch wohl ’n Bälleken«, wehrte sich der Diensthabende, aber er begab sich, Verwünschungen ausstoßend, zum Computer.
Heinrichs schickte ein stummes Gebet zum Himmel: »Bitte, laß es bloß einmal das richtige Kennzeichen sein. Bloß dieses eine Mal.«
»Kurt Korten«, rief der Diensthabende rüber. »Ein gewisser Kurt Korten aus Goch.«
»Aus Goch«, flüsterte Heinrichs verklärt und grinste von einem Ohr zum anderen.
Dann packte er Look bei den Schultern und schüttelte ihn kräftig durch. »Du kriegst den Oscar, mein Junge«, dröhnte er. »Von mir persönlich«, drückte dem völlig versteinerten Look einen Schmatz auf die Stirn und tänzelte hinaus,
Keine zehn Sekunden später stand er schon wieder in der Tür. »Ähem, ich brauchte dann wohl noch die genaue Adresse..«
Der Diensthabende sah ihn lange an. »Da müßte ich ja noch mal an den Computer.«
»Bitte«, flötete Heinrichs mit Dackelblick.
Toppe war gerade dabei, das,Riesen-Sonnenrad’ aus seiner diesjährigen Feuerwerkskollektion an den Gartenzaun zu nageln, als ein Auto heranbrauste, das mit quietschenden Reifen den Verkehrsberuhigungsinseln auswich. Es war Ackermann.
»Tach, Herr Toppe«, kam er nach einer schlingernden Vollbremsung gemütlich angeschlendert, »wie isset? Is dat für’t Feuerwerk heut’ nacht? Klasse! Jo, jo häv wej et joor ok al wer öm. Aber lassen Se dat bloß nich’ die Steendijk sehen. Die hat uns vorhin im Präsidium en langen Vortrag gehalten, von wegen die
Silvesterknallerei un’ wat man mit dem Geld alles machen könnt’. Mannomann, hab’ ich fast en schlechtes Gewissen von gekriegt.«
Toppe wand sich ein bißchen. »Na ja, stimmt ja auch eigentlich. Aber den Kindern macht das immer so viel Spaß.«
»Klar, Chef, uns selber aber auch en bisken, wa?« hauchte Ackermann und kniff Toppe verschwörerisch ein Auge.
Toppe nahm eine von den Selbstgedrehten, die Ackermann ihm anbot und lehnte sich an den Zaun. Ackermanns Schwager in Nijmegen hatte bereitwillig erzählt, was er wußte.
»Nach sechs, acht Bierkes krisse jeden am reden«, griente Ackermann zufrieden.
Geldek war mit einem dicken Auftrag an der Altbausanierung der Waalkade beteiligt gewesen, aber schon ein paar Wochen nach der Fertigstellung der ersten Gebäude hatten sich schwere Baumängel gezeigt.
»Nich’ nur, dat der aus dem Projekt rausgeflogen is’, dat ihm locker 1,8 Millionen gebracht hätte, nee, die Stadt Nijmegen stellt auch noch Regreßansprüche in Höhe von ’ner guten Million.«
»Ganz hübsche Summen«, nickte Toppe. »Das dürfte selbst Geldek nicht so leicht wegstecken.«
»Ach wat, der Typ is’ doch total abgezockt. Der plündert sein Schweizer Nummernkonto, un’ dann nix wie ab inne Sonne. Südamerika, ich komme!«
Toppe warf die Kippe in den Rinnstein und rieb sich die Stirn. »Vielleicht haben Sie gar nicht so unrecht, Ackermann. Ich muß mich wohl ein bißchen ranhalten. Aber erst mal schönen Dank für die schnelle Arbeit.«
»Gott«, winkte Ackermann ab, »dat macht man doch immer wieder gern. Haben Sie übrigens schon mitgekriegt, wat bei uns los is’? Nee? Wie’t aussieht, haben die diesen Motorradfreak gefunden. Breitenegger fuhr grad mit en paar Jungs nach Goch, um den zu kassieren.«
»Wirklich nach Goch?« lachte Toppe. »Das wird ja Balsam auf Walters Seele sein.« Er verabschiedete sich schnell von Ackermann, packte sein Werkzeug zusammen und ging hinein, um Heinrichs anzurufen und zu gratulieren. Wenn die ihren Fall jetzt wirklich abschließen konnten, würde er selbst wohl in aller Ruhe am Verhoevenmord weitermachen können.
» Danke, danke, Helmut, aber bloß keine Vorschußlorbeeren. Noch habe ich mit dem nicht gesprochen. Weißt du, was das Schönste ist? Der Typ wohnt gleich bei mir um die Ecke. Den muß ich schon zigmal auf seiner Maschine gesehen haben.. Jetzt bin ich bloß gespannt, ob die den auch zu Hause erwischen, diesen Korten.«
»Wie heißt der?«
»Kurt Korten, wieso?«
»Mensch, das gibt’s doch nicht!« Soviel Zufall konnte selbst Toppe nicht verpacken.
»Ich habe die Unterlagen hier vor mir liegen. Ein mittelschwerer Junge, würde ich sagen. Da kommt einiges zusammen.« »Hast du auch was über eine Schießerei in Duisburg dabei?« Toppe wollte es immer noch nicht glauben.
»Ja, genau, am Bahnhof. Aber woher weißt du das?«
Toppe antwortete nicht.
»Hee, bist du noch dran?«
»Doch, doch, ich versuche nur gerade, das auf die Reihe zu kriegen. Kurt Korten.. bei dem war ich auch gerade gelandet.«
»Bei deinem Mord in Keeken?«
»Ich bin in zehn Minuten da!« Damit knallte Toppe den Hörer auf die Gabel und fischte mit der anderen Hand seine Jacke von der Garderobe.
»Gabi!« brüllte er.
»Ja?« kam es leise von oben.
»Ich muß weg. Bin zeitig zurück.«
Als Gabi an die Treppe kam, war er schon aus dem Haus.