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Draußen wurde es schon langsam hell, als Astrid sich schließlich entspannt in Klaus van Gemmerns Arme kuschelte.

»Schön war’s.«

»Mmh.«

» Auch wenn ich morgen wahrscheinlich vor lauter Müdigkeit nicht aus den Augen gucken kann.«

»Wie kommt ihr denn voran mit eurem Mord?«

Sie erzählte ihm von ihren spärlichen Ergebnissen und den Leuten, die sie kennengelernt hatte.

»Heute hatte ich ein ganz spannendes Gespräch mit diesem Frank Verhoeven, diesem Enkel da vom Hof.«

Er drehte sich auf den Rücken und verschränkte die Arme hinter dem Kopf.

»Und was war so spannend daran?«

»Der ist Agronom und arbeitet neben seinem Job noch bei einem Freund auf einem kleinen Hof. Da geht alles ganz ökologisch zu. Ohne Kunstdünger, nur Gründüngung, Naturdünger und so was; Methoden von ganz früher. Also, was ich in Keeken für Mengen von Chemie hab’ rumstehen sehen in den Scheunen! Kunstdünger ist doch völlig überflüssig, macht nur das Grundwasser kaputt.«

»Hm.«

»Was: hm?«

»Du redest von Dingen, von denen du nicht viel verstehst.«

»Was!« Sie stützte sich auf den Ellbogen. »Erzähl mir nur nicht, daß du diese ganze Bodenverseuchung auch noch unterstützt!«

»Quatsch! Aber weißt du eigentlich, daß die Menschen da in der Niederung kaum eine andere Einnahmequelle haben als die Landwirtschaft? Und die ganze Gegend ist Hochwassergebiet. Vor den Deichbauten, bis 1964, und bevor sie ihre Weteringe, das sind diese Abflußgräben auf den Feldern, gebaut hatten, stand das Wasser manchmal mehr als sechs Monate auf den Feldern.«

»Und was hat das mit Kunstdünger zu tun?« »Was meinst du, wie übersäuert der Boden ist, wenn das Wasser zurückgeht. Also nicht nur, daß man die Felder ein halbes Jahr nicht bewirtschaften konnte, den Rest der Zeit brachte der schlechte Boden auch noch kaum Erträge. Und das war so, bis es den ersten Kunstdünger gab. Und was heißt eigentlich Kunstdünger? Die düngen doch heute alle meist mit Guano.«

»Aha. Und was ist das?«

»Das sind Exkremente von Seevögeln, sehr phosphatund stickstoffreich. Durch Umsatz mit Kalk kommt es zur Bildung von Calciumphosphat. Das Ganze ist ein organischer Dünger.«

»Also organischer Dünger ist Kunstdünger und schadet trotzdem nicht, oder wie?«

»Das kann man so generell nicht sagen. Es ist nur nicht so einfach, wie du es eben dargestellt hast.«

»Und was ist mit den ganzen Nitraten im Boden?«

»Die, mein Schatz, kommen durch die Gülle. Naturdünger, wie du gesagt hast.«

»Danke für die Belehrung, mein Herr.«

»So war das nicht gemeint, und das weißt du auch.«

»Okay.« Sie küßte ihn auf die Nase und fing an, sich eine Zigarette zu drehen. » Können wir jetzt über wichtigere Dinge reden? Über uns zum Beispiel?«

Er setzte sich auf den Bettrand und zog sich sein T-Shirt über.

»Was ist los?« »Nichts. Ich mag’s einfach nicht, wenn du im Bett rauchst.«

»Du magst so vieles nicht mehr an mir, nicht wahr?«

Er schwieg.

»Soll ich gehen?«

»Ist wohl besser.«

Er zog sich seine Jeans an und ging hinüber zum Plattenregal.

Sie suchte hastig ihre Sachen zusammen und wollte ins Bad. In der Tür blieb sie stehen. »Für immer?«

Er drehte sich um und sah sie ausdruckslos an. »Das mußt du selbst entscheiden.«

Als sie schon im Parka war, öffnete sie noch einmal die Zimmertür und rief: »Meine Zahnbürste kannst du behalten.«

Aber gegen Jimmy Hendrix’,Voodoo Chile’ über Kopfhörer hatte sie keine Chance.

Für Freitagmorgen hatte der Chef eine Pressekonferenz angesetzt. Toppe mied, wenn es irgend möglich war, diese Großveranstaltungen, bei denen er sich immer unwohl fühlte und auch selten den richtigen Ton fand. Sein früherer Chef hatte das sehr gut zu kaschieren gewußt, denn er war ein Meister der leeren aber effektvollen Floskeln gewesen. Stanislaus Siegelkötter aber ließ Toppe allein im Regen stehen; er hielt sich mit steinernem Gesicht, in dem höchstens mal ein Mundwinkel zuckte, im Hintergrund und beobachtete, wie Toppe linkisch seine einsilbigen Antworten gab.

Zwar sorgte Astrid für ein paar optische Kilometer, und einige Reporter richteten ihre Fragen bevorzugt an sie, aber der Gesamteindruck, den die Presse gewinnen mußte, war doch der, daß die Kripo ungeschickt und halbherzig im Trüben fischte.

Im Anschluß an diesen Spießrutenlauf zitierte Siegelkötter Toppe zu sich.

Kalt und geschäftsmäßig saß er in seinem schwarzledernen Drehsessel und ließ Toppe wie einen dummen Jungen vor dem Schreibtisch stehen.

»Ich bin mit Ihrer Arbeitsweise absolut unzufrieden, Herr Toppe.«

»Das tut mir leid, Herr Siegelkötter, aber wenn Sie die Berichte gelesen haben, dürften Sie wissen, wie schwierig dieser Fall ist.«

»Berichte nennen Sie das?« Er schlug eine der Akten auf seinem Schreibtisch auf. »Ich habe mir Ihre Papiere kommen lassen und festgestellt, daß Sie bisher durchaus erfolgreich gearbeitet haben. Ihre Beurteilungen sind ausnahmslos gut. Um so mehr erstaunt mich Ihre momentane Arbeitsweise.«

Mit einem Knall schloß er den Aktendeckel.

»Machen wir’s kurz: Ich erwarte von Ihnen effizientere Untersuchungen und korrekte, detaillierte Berichte, die pünktlich auf meinem Schreibtisch liegen.«

Toppe verzog keine Miene.

»Und noch etwas: Frau von Steendijk wird Ihnen ab heute nur noch begrenzt zur Verfügung stehen. Ich benötige sie dringend hier im Präsidium für die anfallenden Arbeiten. Ein Hauptkommissar mit Ihren Erfahrungen dürfte mit diesem, meiner Ansicht nach übrigens wenig komplizierten Fall, auch allein keine Schwierigkeiten haben.«

Toppe starrte auf den Feininger-Druck, der hinter Siegelkötters Schreibtisch an der Wand hing.

»Ich denke, wir haben uns verstanden, Herr Toppe.«

»Ich Sie durchaus, Herr Siegelkötter.«

»Nun, dann wäre das zunächst alles. Schicken Sie mir bitte Frau von Steendijk.«