Rochefort: Memoiren
Neununddreißig
Ich konnte nicht still sitzen bleiben. Ungeduldig marschierte ich in meiner Zelle auf und ab. Der letzte Ausdruck auf Darioles Gesicht war mir im Gedächtnis geblieben: ein Zucken des Mundes, das von großem Staunen sprach.
»Sobald es sicher ist, werde ich wieder zurückkommen«, hatte sie gesagt.
»Nur ›bald‹ scheint das nicht zu sein …« Ich blieb kurz stehen, als die Glocken in der Stadt die Stunde schlugen.
Mittag: Ein Wärter schob mir stumm Fleisch und Wasser herein. Ich aß, war in Gedanken aber ganz woanders.
Medici? Fludd? Wer?
Ist Sully tot?
Schließlich kroch ein Sonnenfleck über die Ostwand meiner Zelle. Drei Uhr nachmittags, sagten die Glocken. Ich war so tief in meine Gedanken versunken, dass ich unwillkürlich hochfuhr, als die Zellentür geöffnet wurde.
Eine kleine Gestalt stand in der Tür. Eine Sekunde lang glaubte ich, Dariole sei wieder zurückgekehrt.
Dann erkannte ich, dass die Gestalt viel zu klein und missgestaltet war.
»Messire Rochefort.« Robert Cecil winkte dem Wärter, die Tür zu schließen. Ich hörte, wie der Riegel vorgeschoben wurde. Wäre ich nur ein wenig ungeduldiger gewesen, ich glaube, ich wäre aus der Zelle gestürmt, selbst wenn das bedeutet hätte, dass ich den Obersten Minister Englands über den Haufen hätte rennen müssen.
»Was ist los, Messire?«, verlangte ich zu wissen.
Der kleine Mann blinzelte zu dem vergitterten Fenster hinauf und schaute dann wieder zu mir. Irgendetwas an seiner Art machte mich nervös.
»Ich habe selbst schon genügend schlechte Nachrichten überbracht«, sagte ich. »Was wollt Ihr mir sagen?«
Cecil verschränkte die Hände auf dem Knauf seines Gehstocks. Die Schatten in der Zelle verbargen seinen Gesichtsausdruck zum Teil; vermutlich war er deshalb auch hierher gekommen, anstatt mich zu sich bringen zu lassen. Deswegen und weil wir über Geheimnisse sprechen werden.
»Einer meiner Agenten hat krank im Bett gelegen«, sagte Cecil leise. »Durch Zufall – und Ihr wisst ja, wie wichtig der ›Zufall‹ inzwischen für uns ist – hat er dann Robert Fludd gesehen: frei und an St Katherine's Stair. Doktor Fludd ist an Bord eines Schiffes gegangen.«
»Frei?« Dass Fludd aus dem Haus in Southwark verschwunden war, erstaunte, ja entsetzte mich sogar. »Wie lange ist das jetzt her? Und wohin ist das Schiff gefahren?«
Cecil hob den Blick, und ein Hauch von Reue zeigte sich auf seinem langen Gesicht. »Es ist mit der Morgenflut gesegelt, Master Rochefort. Das Schicksal wollte es, dass ich nicht rechtzeitig Nachricht von meinem Mann bekommen habe. Das Schiff kennen wir jedoch: Es ist die Santa Juana, mit der die Jesuiten nach England gekommen sind. Ich nehme an, ihr Kapitän war nur allzu froh darüber, England endlich verlassen zu können.«
»Sie segeln nach Spanien oder Portugal«, sagte ich und hakte die Daumen in meinen Gürtel, um nicht weiter instinktiv nach meinem Rapier und meinem Dolch zu tasten, die man mir selbstverständlich abgenommen hatte. »Messire, wir …«
»Nach Portugal – Lissabon, um genau zu sein.« In Cecils dunklen Augen spiegelte sich das Licht, das durch das Westfenster hereinfiel. Gedankenverloren hob er die Hand und massierte sich die Nackenmuskeln.
Aber da ist noch mehr. Nur was?
»Woher wissen wir denn, dass sie nach Portugal fahren?«, erkundigte ich mich in ruhigem Ton. »Was wisst Ihr sonst noch, Mylord?«
»Es waren zwei Männer, die an Bord der Santa Juana gegangen sind.« Robert Cecil kratzte mit seinem Stock im Stroh und warf einen raschen Blick zu mir. »Wisst Ihr, wer der andere war, Monsieur?«
Ich schüttelte den Kopf. »Ein Mann der Königin? Mylord, ich weiß es nicht.«
Er glaubte mir, so viel war klar. Er fuhr weiter mit dem Stock durch das Stroh. Ich ballte die Fäuste hinter dem Rücken und tat mein Bestes, nicht die Geduld zu verlieren. Er überlegt, ob er es mir sagen soll oder nicht …
»Es war Master Tanaka Saburo«, sagte Cecil.
Ich starrte ihn an.
»Mit Fludd?« Ich glaubte wirklich, mich verhört zu haben. »Saburo an Bord eines Schiffes mit Robert Fludd?«
»Es ist wohl äußerst unwahrscheinlich, dass diese spezielle Beschreibung falsch sein könnte.«
»Aber …« Ich schüttelte den Kopf.
»Am Haus hat man eine tote Wache gefunden, als ich gerade in Greenwich beschäftigt war und Madame di Medici Ihre Majestät Königin Anne besucht hat. Niemand sonst im Haus hat irgendetwas bemerkt, bis sie den Toten gefunden haben. Doktor Fludd scheint einfach aus seinem Gefängnis herausspaziert zu sein.«
Eine Sekunde lang hätte ich fast an Fludds Nekromantie glauben können.
Der Samurai, dachte ich.
Shinobi-no-mono, hatte Saburo mich einmal genannt. ›Mörder-im-Geheimen‹. Und ich war töricht genug gewesen, stolz auf diesen üblen Titel zu sein. Deshalb hatte ich Saburo auch nicht gefragt, was für eine Art von Männern bei seinem Volk über solche Fähigkeiten verfügte.
»Ist bekannt, warum Saburo das getan hat?«
»Das weiß niemand. Nein.« Cecil hielt die eleganten, langen weißen Finger hoch. »Tanaka Saburo hat keine Nachricht hinterlassen. Er hat mit niemandem gesprochen. Ich neige dazu zu vermuten, dass Master Saburo bei seinem ersten Besuch bei Prinz Heinrich in Whitehall mit Doktor Fludd gesprochen hat. Später hat er diese Tatsache dann verheimlicht – wie auch Doktor Fludd.«
Ich durchbrach das darauffolgende Schweigen mit den Worten: »Deshalb also Lissabon. Von Portugal aus segeln Schiffe nach Japan. Fludd geht … Saburo nimmt ihn …«
»Er nimmt ihn mit, ja, Monsieur. Nach Hause. Ich hatte gehofft, Ihr hättet etwas darüber gewusst.« Cecils schwarze Augen funkelten. »Ich bin bereit, Euch einem Verhör zu unterziehen.«
Gedankenverloren nickte ich. Falls Cecil irgendetwas überzeugte, dann das. Ein solches Maß an Ignoranz ist zwar nicht unmöglich vorzutäuschen, aber doch unglaublich schwer. Ich starrte weiter auf den kleinen Engländer hinunter.
»Monsieur Saburo hat mit Fludd gesprochen …« Noch immer benommen versuchte ich, den Gedanken zu verarbeiten. »Während Saburo König James wieder auf den Thron gesetzt hat … Warum? Hätte Fludd beschlossen, Monsieur Saburo umzubringen, hätte ich das verstanden; aber mit ihm zu sprechen, mit ihm zu verhandeln … Weshalb, um Himmels willen?«
»Um das herauszufinden, würde ich Euch verhören wie auch jeden anderen, der mit Master Saburo bekannt war.«
Neben der offensichtlichen Drohung verbarg sich noch irgendetwas anderes in seiner Stimme. Ich trat einen Schritt auf ihn zu. Im trüben Licht des Spätnachmittags ragte ich über ihm auf. Der kleine Mann zuckte noch nicht einmal. Ich erkannte es an seinem Blick. Ein Mann wird rasch zu einer Schlussfolgerung getrieben, wenn er selbst in etwas verstrickt ist.
»Mademoiselle Dariole«, sagte ich. »Deshalb habt Ihr sie zu sehen verlangt: um sie zu verhören. Warum?«
Cecil hob das Kinn und schaute mir ins Gesicht. »Nein, Monsieur. Die junge Dame ist nicht verhört worden. Ich habe mit ihr gesprochen und sie für unschuldig befunden.«
Der Unterton in seiner Stimme warnte mich.
Darüber willst du also sprechen, dachte ich. »Sagt es mir.«
Cecil hielt kurz inne, als warte er darauf, dass ich ihm den Respekt erwies, der ihm als Minister zustand. Dann sagte er leise: »Sie konnte nicht helfen, sondern hat wie Ihr durch mich erfahren, dass Doktor Fludd auf der Santa Juana fortgesegelt ist. Das war heute Morgen. Vor Kurzem habe ich meine Männer noch einmal losgeschickt, um sie zu holen, und … Sie ist weg, Master Rochefort. Niemand vermag sie zu finden. Meine letzte Hoffnung war, dass sie vielleicht zu Euch gekommen ist.«
»Sie ist ihm gefolgt!«
Ich wirbelte herum und schlug mit der flachen Hand gegen die Wand. Der Schmerz sollte mich davon abhalten, laut auszusprechen, was ich dachte.
»Sie ist Fludd gefolgt. Auf welchem Schiff? Und sie wird auf einem Schiff sein, Mylord!«
»Falls ja, dann ist sie eine Flut hinter der Santa Juana. Trotz des eingeschränkten Handels wird inzwischen mehr als ein Schiff gesegelt sein. Der junge ›Mann‹ ist jedoch nicht so leicht zu erkennen wie Master Saburo. Keiner meiner Agenten hat sie gehen sehen. Es könnte noch einige Zeit dauern, bis wir den Namen des Schiffes haben.«
Cecil seufzte und schaute sehnsüchtig auf das Stroh, als hätte er sich am liebsten einfach fallen gelassen, wäre das mit der Würde eines englischen Lords vereinbar gewesen.
»Ich fürchte, Doktor Fludd ist geflohen, um mit seiner Mathematik noch einmal von vorn zu beginnen«, sagte Cecil. »Nicht zu vergessen die Staatsgeheimnisse, die er verraten könnte. Ich glaube, Doktor Fludd wird sich zehn, fünfzehn Jahre lang verstecken, und dann fängt alles wieder von vorn an … und bis dahin wäre Prinz Heinrich älter, stärker und gerissener, und auch seine Fraktion wäre beträchtlich angewachsen.«
Falls Fludd neue Berechnungen anstellt, wird England vielleicht gar nichts mehr damit zu tun haben, dachte ich, sprach es aber nicht aus. Ich werde nichts sagen, was den Mann davon abhalten könnte, mir zu helfen.
»Messire, ich werde sie finden und zurückholen«, sagte ich. »Ich bin lange genug mit Tanaka Saburo und Mademoiselle Dariole gereist, um zu wissen, welche Art von Aufmerksamkeit sie auf sich ziehen. Ich werde Fludd zurückbringen.«
Cecils langes Gesicht taute ein wenig auf. »Falls ich dem zustimmen sollte …«
»Gebt mir Geld, ein, zwei Mann mit guten Schwertern und Informationen.« Ich drehte mich herum und schaute ihn dann wieder an. »Wenn ich Mademoiselle Dariole in Dover erwischen sollte – oder auch in einem anderen Kanalhafen –, werde ich nicht lange fort sein. Falls sie, der Samurai und Doktor Fludd weiter fliehen … Nun, dann könnte es eine Angelegenheit von Wochen oder Monaten werden. Und da ist noch etwas, was ich brauche.«
Ich wusste nicht, wie ich meine Not hätte verbergen können. Cecil schaute mich aufmerksam an.
»Damit würdet Ihr uns einen großen Dienst erweisen, Master Rochefort. Ich glaube, ich weiß, was Ihr meint. Diese Verhandlungen mit Frankreich müssen nun zu einem Ergebnis kommen.«
Ich nickte. »Lasst sie eine Art Vorausabkommen unterzeichnen. Drängt sie dazu, Messire! Ich brauche Euch, um Maria di Medici dazu zu zwingen, eine Klausel zu unterzeichnen, die den Vertrag vom Wohlergehen des Duc de Sully abhängig macht. Und falls sie einwenden sollte, Fludd sei ja noch nicht wieder in Gewahrsam … Sagt ihr, wenn der Vertrag nicht bei der nächsten Flut unterzeichnet sei, würde ich Doktor Fludd mit Freuden ein Schwert durch den Leib rammen, kaum dass ich ihn sehe. Sie kann nur hoffen, dass ich das nicht tue, wenn Messire de Sully nicht gehängt wird, verstanden?«
Robert Cecil nahm den Stock in die linke Hand und streckte mir die rechte entgegen. »Was ich Euch schulde, Master Rochefort, werde ich versuchen, Euch so zurückzuzahlen.«
Ich nahm seine kleine Hand.
»Kommt.« Er drehte sich zur Tür. »Eines will ich Euch aber fragen: Ist es überhaupt möglich, einen Mann zu fangen, der womöglich alles weiß, was Ihr tun werdet? So wie wir es auch bei seiner Flucht gesehen haben?«
»Ich weiß es nicht, Messire«, antwortete ich grimmig, als wir die Zelle verließen, »aber ich beabsichtige, es zu versuchen. Außerdem wissen wir nicht, ob es Fludds Vorhersagen waren, die ihm die Flucht ermöglicht haben, oder nur eine improvisierte Verschwörung mit Tanaka Saburo.«
Fludd. Saburo.
Dariole.
Es bedeutet mir nichts, dass ich James wieder zu seinem Thron verholfen habe. Für mich zählt nur, dass ich dadurch Cecils Vertrauen gewonnen habe, das es mir nun ermöglicht zu handeln.
Und wenn ich keine Schuld begleichen kann bis auf eine … dann werde ich mit der beginnen.
In der Dunkelheit des Treppenhauses stellte ich noch zwei Bitten.
»Zwei Dinge brauche ich noch, Mylord: den Aufenthaltsort der Jesuiten des spanischen Gesandten und den Namen eines Schiffes, das mit der morgigen Flut in Richtung Lissabon segelt.«
In Greenwich waren die Tore wie üblich bei Dunkelheit verschlossen, doch es gelang mir, durch eines hereinzukommen. Drinnen stand eine Wache vor dem Zimmer, in dem die Jesuiten angeblich Gabriel Santon untergebracht hatten.
Ich kam den langen, kalten Gang hinunter und sah, dass diese Wache inzwischen Cecils Wappen trug.
Ich öffnete mein Wehrgehänge, nahm Rapier und Dolch in die Hand und reichte sie dem Soldaten.
»Haltet das.« Ich nickte der Wache zu. »Lasst mich herein und folgt mir nicht.«
Der Mann sah aus, als wolle er etwas sagen, doch der von Cecil unterzeichnete Passierschein sowie mein wohl etwas ungeduldiger Gesichtsausdruck überzeugten ihn zu schweigen. Stumm nahm er mir die Waffen ab und drehte den Schlüssel im Schloss.
Ich drängte mich an ihm vorbei in den Raum und warf die Tür zu.
Mit einem Knall fiel sie ins Schloss.
Irgendetwas traf mich hart hinter dem rechten Knie.
Mein Knie gab nach, und ich verlor das Gleichgewicht und fiel nach hinten. Was mich getroffen hatte, war ein Stiefel.
Ein Arm legte sich von hinten um meinen Hals, und eine Faust traf mich hart in den Rücken: genau in die Nieren und mit der Wucht eines Hammers. Gabriel Santon, noch immer mit der Kraft eines Sergeanten der Infanterie.
Ich konnte ein Stöhnen nicht unterdrücken; es platzte einfach aus mir heraus. Aber nicht laut genug, als dass die Wache es gehört hätte, und so blieb die Tür geschlossen.
Ich packte den Arm, riss ihn von meinem Hals und wirbelte herum. Dann nahm ich Gabriels andere Hand, bevor er mir ins Gesicht schlagen konnte. Ich schleuderte Gabriel herum, warf ihn mit dem Gesicht gegen die Wand und hielt ihn dort mit meinem Gewicht fest.
»Drei Dinge!« Ich drückte gegen seinen Rücken, während er sich mit jedem Muskel wehrte und versuchte, sich zu befreien. Ich verstärkte meinen Griff um seine Handgelenke und hielt meine Lippen an sein Ohr, während er keuchte und fluchte.
»Erstens«, sagte ich, »in sechs Stunden werde ich auf einem Schiff von hier nach Portugal segeln. Zweitens, die nächste Woche werde ich Blut pissen. Und drittens«, schloss ich, »das habe ich verdient.«
Sein Leib blieb noch ein paar Sekunden lang angespannt. Ich fragte mich, ob es Gabriel gehört hatte.
Schließlich lockerte er sich wieder, und ich ließ ihn los und trat zurück.
Gabriel drehte sich um und schaute mich misstrauisch, übellaunig und überrascht an.
Er besaß noch immer die Kraft eines weit jüngeren Mannes, wie ich anhand meiner schmerzenden Niere bemerkte. Er funkelte mich an. Schließlich wischte er sich mit dem Handgelenk über den Mund.
»Ein Herr entschuldigt sich nicht bei seinem Diener, Sieur.«
Ich hielt seinem Blick stand. »Aber bei Monsieur Santon. Und ich bitte Euch, wieder als mein Mann mit mir zu gehen.«
Er sträubte sich wie ein Eber, spie plötzlich auf den Boden und schnaubte mich an. »›Monsieur Santon!‹ Glaubt Ihr etwa, Ihr könntet mich kaufen, Junge? Fickt Euch doch selbst in Euren lügnerischen schwarzen Arsch!«
Er wirkte so brutal wie jeder, der in meiner Armee gedient hatte. Doch ich, der ich ihn schon fünfzehn Jahre lang kannte, sah noch etwas anderes darunter. Wie schwer kann es sein, diese Worte zu sagen?, dachte ich. Was macht es so schwer?
Es liegt an der Geburt, hätte Mademoiselle Dariole gesagt. Ich konnte ihre Stimme förmlich hören, und ihre Abwesenheit schmerzte mich.
Und sie hatte Recht. Vierzig Jahre und angesichts aller Beweise, noch immer halte ich mich für eine andere Art von Mensch als dieser Mann.
So unbeholfen, wie man es sich vorstellen kann, und sichtlich verlegen, sank ich auf die Knie. Nicht auf ein Knie, wie es bei Hofe üblich gewesen wäre, sondern auf beide wie ein reuiger Sünder.
»Ich bitte dich um Verzeihung, Gabriel. Ich hätte dir genug vertrauen müssen, um dir zu sagen, was los ist. Ich entschuldige mich.«
Sein Gesicht war vollkommen ausdruckslos. Er starrte auf mich hinunter. Eine plötzliche Überzeugung ließ meine Ohren rot anlaufen. Er wird mir das nicht abnehmen. Er wird mir ins Gesicht lachen.
Seine Gesichtszüge veränderten sich. Ich hätte nicht genau sagen können wie. Mir wurde heiß und kalt zugleich. Ich blieb knien und schaute zu ihm hinauf.
»Fünfzehn verdammte Jahre«, seufzte Gabriel Santon. »Fünfzehn gottverdammte Jahre, und Ihr konntet mir nicht vertrauen.«
»Es tut mir Leid.« Mir war noch nie etwas so schwer gefallen auszusprechen. Mein Verlangen, es zu tun, überwand geradeso meine Verlegenheit. Dennoch glaubte ich, ersticken zu müssen. »Wenn du mich nicht begleiten willst, dann akzeptiere ich das. Aber bitte, verzeih mir.«
Gabriel starrte auf mich hinunter: kräftig, grob und noch immer kreidebleich von seinem Aufenthalt im Chatelet.
Er stieß ein leises Grunzen aus, lächelte dann und wirkte nun ebenfalls verlegen. »Ihr seid noch immer der Grünschnabel von Leutnant, mit dem ich in Breda festgesessen habe.«
Ich fürchte, er hat meine Erleichterung nur allzu gut gesehen; ich habe sie nicht verbergen können.
»Steht auf!« Er grinste mich an. »Sieur.«
Es war peinlich, mich vor ihm wieder aufrappeln zu müssen, aber die Erleichterung, dass er da war – und ich will zugeben, auch die Erleichterung darüber, dass er mir vergeben hatte –, fegte alle Scham beiseite.
Ich beschloss, dass wir uns so rasch wie möglich betrinken würden, um dann nie wieder darüber zu sprechen.
»Ich habe versucht, dich in Sicherheit zu bringen.« Ich klopfte mir den Staub von der Hose. »Aber natürlich hätte ich dir die Entscheidung überlassen müssen.«
»Ihr habt stets geglaubt zu wissen, was das Beste ist.« Sein Grinsen ließ ihn kurz aussehen, als wäre er kaum älter als Dariole. »Nun … In sechs Stunden ist Flut, habt Ihr gesagt? Dann sollte ich Euch wohl erst einmal rasieren. Um ehrlich zu sein, Sieur, macht Ihr uns beiden keine Ehre mehr.«
Ich warf ihm einen spöttischen Blick zu, den er auf gleiche Art beantwortete.
»Ich wage zu behaupten, da könntest du Recht haben«, gab ich zu. »Nun denn. Rasier mich. Dann habe ich vielleicht ein wenig Zeit, dir zu erklären, warum du im Gefängnis gesessen hast. Und bis wir an Bord des Schiffes gehen, werde ich jedes Mal schreien müssen, wenn ich pissen muss … Dein Schlag war wirklich übel.«