Rochefort: Memoiren
Vierundzwanzig
Ich hatte sie nie so stehen sehen wie jetzt: die Schultern hochgezogen, den Kopf gesenkt. Dreißig Herzschläge lang starrte sie auf das zerbrochene Schwert.
Langsam bückte sie sich und hob die Klingensplitter vom Boden auf.
»Er hätte es wissen müssen«, sagte sie erschöpft. »Er hätte wissen müssen, dass es dir egal ist, wenn er mich entführt. Hätte er das gewusst, hätte er es nicht getan. Warum hast du es ihm nicht gesagt?«
Das war keine echte Frage, die sie da vor sich hin murmelte; ich beantwortete sie dennoch. Blutend und auf dem Boden kauernd sagte ich schlicht: »Ich denke, er hätte es mir nicht geglaubt, Mademoiselle.«
Das einzige Geräusch um uns herum war das leise, unaufhaltsame Knarren des Mühlrades.
Dariole hob den Kopf und blickte mir in die Augen. Sie straffte die Schultern, das Schwertheft in der rechten, die Klinge in der linken Hand.
»Du lügst aus Angst um dein Leben. Du hättest ihn dazu bringen können, dir zu glauben.«
Sie warf die beiden Schwerthälften nach mir. Sie trafen mich am Bein, und ich verzog vor Schmerz das Gesicht.
»Ich bin vergewaltigt worden«, sagte Dariole. »Nicht ›gefangen genommen‹. Vergewaltigt.«
Sie drehte sich um und verließ den Hof.
Der Mühlenmeister nähte meine Wunde.
Benommen dachte ich, dass ein Mann wie der alte Field bei all den Maschinen und den damit verbundenen Unfällen hier vermutlich ein genauso guter Arzt war wie ein durchschnittlicher Barbier; deshalb ließ ich ihn machen. Er schnitt meine Hose auf und wusch die Wunde mit Wein aus. Anschließend nähte er das zerschnittene Fleisch zusammen. Zum Glück hatte Dariole den Knochen und die Schlagader verfehlt.
Trotz des Branntweins, den der Mann mir gab, übergab ich mich vor Schmerz.
Ich lehnte mich auf dem alten Lehnstuhl zurück, der in einer der oberen Kammern stand, und griff nach dem Glas neben meinem Ellbogen. Blut sickerte durch den Leinenverband an meinem rechten Bein. Benommen dachte ich: Der gute Herr Schneider wird meine neuen Kleider in der Tat heute fertig bekommen müssen.
Einer von Fields Dienern putzte den Boden und öffnete die Fenster. Field selbst packte seine uralten Instrumente zusammen und ging.
Ich blickte zu Saburo hinauf. »Zuerst habe ich geglaubt, sie sei schlicht in ihrer Eitelkeit verletzt gewesen. Dass es sie in ihrem Stolz getroffen hatte, entführt worden zu sein: der ›große Duellant‹ Mademoiselle Dariole …«
Saburo verzog Furcht erregend das Gesicht. »Ein Samurai zerbricht seine Klinge nicht aus verletztem Stolz, nur in Schande, Roshfu-san, noch nicht einmal in der Niederlage, nur in Schande … Schande, wie sie sie an ihrem Leib erfahren hat.«
An ihrem Leib.
Ich fühlte mich taub wie jemand, der sich Ellbogen oder Knie gestoßen hat und nun auf den Schmerz wartet.
»Es ist … nicht ungewöhnlich«, brachte ich mühsam hervor, »dass ein Mann seinem Feind genau das Laster zum Vorwurf macht, das er bei sich selbst nicht erkennt. So war ich schlicht zu eitel. Ich habe tatsächlich geglaubt, dass niemand sie angreifen könne, solange sie bei mir ist.«
Ich griff wieder nach dem grünen Glas und nippte an dem Branntwein. Angesichts der Entschuldigung, die ich noch machen muss, wäre es sicherlich nicht ratsam, mich jetzt zu betrinken …
»Das ist einfach nicht zu entschuldigen, nicht wahr?«, fragte ich leise. »Sie gibt mir die Schuld dafür, und möglicherweise hat sie sogar Recht damit.«
»Als ich sie in der Burg gesehen habe, hat sie Furada die Schuld gegeben.« Saburo drehte sich zu mir um. »Im Tower.«
Ich starrte ihn an. »Dann hatte Northumberland sie also doch im Tower? Dort hat sie also gesteckt. Wie habt Ihr sie gefunden? Und wie habt Ihr sie befreit?«
Saburo schaute mich triumphierend an. »Ich bin an den Hof des König-Kaisers gegangen, zu der Lady-daimyo, die wir im Familienhaus von Dari-oru-sama gesehen haben. Ich habe mir gedacht, dass sie Dari-oru-sama vielleicht kennt, weil sie doch bei deren Clan gewesen ist. Ich habe gehört, dass die Lady-daimyo bereits sechs Sprachen spricht. Also habe ich sie gefragt, ob sie noch eine lernen will. Tatsächlich wollte sie auch die Sprache Nihons lernen, und so habe ich angefangen, sie sie zu lehren. Ihr Name«, fügte Saburo knapp hinzu, »ist A-be-ra.«
Ich rief mir das rote, drahtige Haar ins Gedächtnis zurück und den freudigen Gesichtsausdruck, der kurzzeitig Hässlichkeit in Schönheit verwandelt hatte. »A-be-ra … Arbella?« Ich schluckte vernehmlich. »Lady Arbella Stuart?«
»Hai. Die Cousine des Königs, daimyo Abera.« Saburo zog die Mundwinkel nach unten. »Ich musste jedoch herausfinden, dass sie Dari-oru-sama gar nicht kennt. Aber die Hochzeit, die wir dort gesehen haben … Sie hat einen Mann geheiratet, den König-Kaiser James nicht mag. Einen jungen Mann aus einem falschen Clan mit Anspruch auf den Thron des König-Kaisers.«
Ich versuchte, so gut es ging, den Schmerz in meinen Gliedern zu verdrängen. »Und was hat das alles mit Dariole zu tun, Monsieur?«
Saburo verschränkte die Arme vor der Brust. »Sie sind gekommen und haben Abera-sama verhaftet; aber sie haben sie nicht hingerichtet. Ich verstehe noch immer nicht, warum die gaijin so was tun. Und dann haben sie sie in den Tower gebracht!«
Das Lächeln des Samurai machte mich nervös.
»Einige Tage später hat Lady Abera-sama mich dann gebeten, zu ihr zu kommen und sie weiter in der Sprache Nihons zu unterrichten. Ich hielt das für sicher, ne? Wenn Furadas Männer mich beobachtet haben, haben sie auch gesehen, dass ich keine Wahl hatte.«
Vielleicht war ich von dem Schmerz ja ein wenig verwirrt, in jedem Fall verstand ich nicht so recht. »Und weshalb war es dann sicher, im Quartier des Earls nach Dariole zu suchen?«
»Das war gar nicht nötig. Als ich sie beschrieben habe, hat Lady Abera-sama sie dieses Mal gekannt. Sie hat gesagt: ›Es gibt da eine junge Dienerin; sie ist krank. Diese junge Frau ist Dari-oru-sama. Ich habe sie hier bei mir.‹«
Ich starrte ihn an.
»Sie …? Wie?«
Der Samurai schüttelte den Kopf wie ein Europäer. Offensichtlich hatte er genügend Zeit bei Hofe verbracht, dass das ein oder andere auf ihn hatte abfärben können.
»Dari-oru-sama hat mir später erzählt, dass sie gesehen hat, wie Markham-san Abera-sama im Tower besucht hat. Sie traut ihm nicht, aber als Dari-oru auf dem Wehrgang spazieren gegangen ist, hat sie mit Abera-sama geredet. Sie hat ihr gesagt, dass sie die Dienerin eines grausamen Mannes sei. Lady Abera-sama hat daraufhin zu Northumberland gesagt …«
Saburo sprach den Namen tatsächlich so aus, dass ich ihn verstehen konnte.
»… Sie hat zu ihm gesagt: ›Eure Dienerin ist sehr krank. Sie ist misshandelt worden, und nun werde ich mich um sie kümmern.‹«
»Ich …« Ich runzelte die Stirn. »Als sie auf den Wehrgängen spazieren gegangen ist?«
»Mit einer Wache des Earls. Furada hat gehofft, dass Dari-oru von der Mauer springen und sich so selbst töten würde.« Der Samurai zuckte pragmatisch mit den Schultern. »Abera-sama hat mir erzählt, dass der Earl-daimyo ohnehin glaubt, Edelfrauen seien viel zu mildtätig – wie die Priester der Schwarzen Krähe. Deshalb hat er auch geglaubt, sie würde sich nur aus Mitgefühl um die Dienerin kümmern. Doktor Furada hat vermutlich nichts davon gehört«, fügte Saburo hinzu, »da Earl-sama ihm nicht hat sagen wollen, dass er Dari-oru-sama verloren hat. Tatsächlich glaubt Earl-sama wohl nach wie vor, dass sie noch immer im Tower ist, zumal Abera-sama gesagt hat: ›Dari-oru könnte durchaus an den Folgen der Vergewaltigung sterben. Sie ist krank. In jedem Fall wird sie lange im Bett bleiben müssen.‹«
Trotz der durch den Schmerz hervorgerufenen Benommenheit drang das ein oder andere zu mir durch. »Aber sie ist doch nicht wirklich krank, oder?«
Saburo schüttelte den Kopf.
»Kaum hat Dari-oru mich gesehen, da hat sie mich um die Kleider einer Dienerin gebeten. Als Frau verkleidet ist sie dann mit mir hinausgegangen.«
»Als Frau ›verkleidet‹?«
Ich schnaufte. Ich stand kurz davor, in lautes Lachen auszubrechen, doch etwas schnürte mir die Kehle zu. Ein Mädchen als Junge verkleidet, verkleidet als Mädchen …
»Aber … Sie ist doch vergewaltigt worden, oder?«
Einen kurzen Augenblick lang gestattete ich mir die Hoffnung, dass sie das alles nur gespielt hatte. Wäre dem wirklich so gewesen, ich hätte vor Freude jubiliert.
Der Schmerz in meinem Bein riss mich wieder in die Wirklichkeit zurück.
Saburo grunzte: »Ich glaube, dass sie vergewaltigt worden ist. Sie hat Angst, ein Baby zu bekommen. Vielleicht hat sie auf dem Weg hierher aber auch schon geblutet – ich bin nicht sicher.«
Unwillkürlich zuckte ich zusammen. Das alles klang mir viel zu sehr nach den typischen Hofgerüchten in St Germaine. Ich schluckte. Mein Mund war wie ausgetrocknet, und ich sagte etwas, das ich ohne die Schmerzen und die Wirkung des Branntweins niemals laut ausgesprochen hätte:
»Wenn Ihr – teilweise zumindest – für so etwas verantwortlich wärt … Was würdet Ihr tun?«
»Ich würde mich selbst töten.«
Die Antwort kam so schnell und direkt, dass ich laut aufgelacht hätte, wären da nicht diese Schuldgefühle gewesen, die mir den Atem raubten. »Verzeiht, Messire, aber in Eurem Land scheint das die Antwort auf viele Dinge zu sein.«
»Wie sonst sollte man sich für so etwas entschuldigen?«
In Saburos Land werfen sich Männer mit Gleichmut in den Staub – es ist einfach so üblich –, und einen Augenblick lang wünschte ich, wir wären in Nihon gewesen. Dann hätte ich mich vor Dariole zu Boden werfen und sie um Verzeihung bitten können, und es wäre keinerlei perverse Lust im Spiel gewesen, nur echte Reue.
»Ich … Ich will mich nicht einfach nur entschuldigen«, sagte ich. »Das würde nur mein Gewissen beruhigen, während sie …«
Der Branntwein brannte in meinem Mund, als ich daran nippte, doch mein Kopf wurde klarer, als hätte der Alkohol keine Wirkung auf mich.
Ich begann von Neuem: »Sie will, dass wir beide von hier verschwinden.«
»Hai. Sie hat es mir auf dem Weg hierher gesagt. Ich werde aber nicht gehen. Giri.«
Den Branntwein mochte ich ja nicht spüren, aber den Schmerz. »Aber wenn sie hier bleibt, inmitten der Verschwörung dieses Wahnsinnigen, und auf Fludd wartet …«
Saburo hob den Kopf. Eine Hand lag auf dem Heft seiner gekrümmten Klinge.
Schritte ertönten vor der Tür, und kurz darauf erschien Edward Alleyne. Sein Bart und sein Haar leuchteten rot.
»Habt Ihr Euch schon wieder duelliert, Master Rochefort?« Alleyne warf mir ein wildes Grinsen zu, in dem auch Erleichterung darüber zu erkennen war, dass sein ›Theaterdirektor‹ noch unter den Lebenden weilte. »Master Field hat mir erzählt, dass Ihr verletzt seid. Catso! Darf ich fragen, wie der andere Mann aussieht?«
»Nein.«
Alleyne hob die struppigen Augenbrauen ob meiner scheinbaren Verärgerung. Höflich nickte er in Richtung Saburo und sagte ein wenig nervös: »Ja, dann … Wenn es Euch wieder besser geht, Master Rochefort … Dann ist ja alles in Ordnung, nehme ich an. Wenn Ihr bereit seid, könnte ich wohl Eure Hilfe in Anspruch nehmen? Es gibt da einen Streit zwischen den Zimmerleuten, was die Maschinerie für das Maskenspiel betrifft. Sie haben aufgehört zu arbeiten. Das ist genau die Art von Problem, die für gewöhnlich Master Henslowe gelöst hätte …«
Wie Alleyne so bedauerte auch ich das Fehlen von Philip Henslowe, Alleynes Partner und Direktor von The Rose, der genug Verstand besessen hatte, Fludds Schmeicheleien zu widerstehen und in Southwark zu bleiben, wo er sich sein Geld mit der Bärenhatz verdiente. Auch ich, so überlegte ich, wäre mit der Bärenhatz wohl besser dran als mit dem, was mir bevorstand.
Ich seufzte. »Ich werde dort sein, Monsieur. Nur einen Moment noch, bitte.«
Er schloss die Tür hinter sich, und seine Schritte verhallten auf der Treppe.
Der Schmerz in meinem Bein nahm zu. Ich widerstand dem Drang, über den Verband zu reiben, und griff nach dem Gehstock, den der alte Field mir gebracht hatte. Er habe seinem Großvater gehört, hatte er mir gesagt, ein kräftiges Ding aus Ebenholz und mit silbernem Knauf – nicht unähnlich dem von Minister Cecil.
Ich stützte mich auf den Stuhllehnen ab und wuchtete mich langsam in die Höhe. Der heiße Juniwind wehte durch das offene Fenster herein und ließ mich schwitzen. Die Bauern von Wookey und Wells waren sicherlich auf den Feldern, um das letzte Heu des Jahres einzubringen.
Ich blickte zu Saburo. »Lasst uns ehrlich sein: Eure Angelegenheit ist König James. Ihr habt Mademoiselle Dariole aus Pflichtgefühl hierher begleitet, und auch ich habe anderswo Verpflichtungen: Mit jedem Tag, der vorübergeht, festigt die Königin ihre Macht. Aber Ihr sprecht von ›giri‹ … und Schuld. Mademoiselle Dariole ist fest entschlossen, hier zu bleiben und auf Fludd zu warten. Das Mindeste, was ich tun kann, ist, sie davon zu überzeugen, dass Warten sinnlos ist: Er wird nicht kommen. Und ich … ich kann mich bei ihr entschuldigen, so gut es geht.«
Saburo legte die Hand – welche für einen Mann recht klein war – auf das Heft seiner Kattanklinge. »Roshfu-san, ich denke nicht, dass sie auf Euch hören wird.«
»Nein? Nein, da habt Ihr vermutlich Recht. Aber … ich muss einfach mit ihr sprechen.«
Ich bin ein Mann, kein ungeduldiger Junge. Ich weiß besser als viele, wie unklug es ist, einer Frau nachzustellen, die die Gesellschaft eines Mannes gar nicht will.
Außerdem wäre es demütigend gewesen, dachte ich. Sie kann schneller rennen, als ich humpele.
Und ich musste nachdenken.
Die nächsten Stunden verbrachte ich allerdings erst einmal sitzend auf einem Hocker, das Bein auf einen weiteren gelegt, und schlichtete die Streitereien, die über die Konstruktion der Bühnenmaschinerie in der großen Höhle ausgebrochen waren. Anschließend überwachte ich die Proben. Da ein Großteil der Kompanie in London geblieben war, um Die Viper und ihre Brut zu lernen, mussten die verbliebenen Schauspieler zwei, manche auch drei Rollen in dem Maskenspiel übernehmen. Tatsächlich erinnerte mich die Erfahrung, die ich hier sammelte, an das, was ich bei Belagerungsarbeiten in den Niederlanden erlebt hatte – viel Zimmerei, große Verwirrung und nie genug Männer, die für eine bestimmte Aufgabe geeignet sind. Als einer der jungen Schauspieler auf den Saum seines Kostüms trat und es damit zum dritten Mal zerriss, sinnierte ich: Wenigstens schießt hier niemand auf uns …
»Aber vielleicht«, murmelte ich, »freue ich mich da auch ein wenig zu früh.«
Lindsey, Alleynes junger Stellvertreter, sagte: »Bitte?«
»Ich habe nur laut gedacht, Monsieur.« Meine Entscheidung war getroffen, und ich winkte ihn zu mir. »Übernehmt hier bitte für mich. Ich habe noch andere Dinge zu erledigen.«
Trotz des Gehstocks ermüdete es mich, durch die schmalen Gänge zu humpeln, über die von den Zimmerleuten gebauten Holzbrücken und raus in die Hitze des Tages. Erst schleppte ich mich in mein Zimmer und dann ins Zeltlager. Ich wusste, wo ich Dariole finden würde: im Zelt der ›Kabukispieler‹, wie Monsieur Saburo sie nennt.
Der trockene Boden war steinhart, und mit jedem Schritt fuhr neuer Schmerz durch mein Bein. Aus Erfahrung wusste ich, dass die Wunde noch zu frisch war, als dass ich den Schmerz einfach so hätte verdrängen können.
Erst muss ich ihn ertragen, bevor ich ihn verdrängen kann.
Ich hatte meine Hose am Knie nicht zugebunden, sodass ich darunter ein dickes Polster tragen konnte, und auch am Bund hatte ich entsprechend Luft gelassen. Das Ergebnis war, dass bei meiner Ankunft im Lager alles verrutscht, und mein neues Seidenwams vollkommen durchschwitzt war.
Ich nahm mir einen Augenblick Zeit, um mich zu sammeln. Dann stellte ich das Päckchen, das ich mitgebracht hatte, an der Wand des Schauspielerpavillons ab. Schließlich öffnete ich die Zeltklappe und trat ein. Zwei der jüngsten Schauspieler würfelten miteinander und kicherten fröhlich vor sich hin.
»Und ab zu Monsieur Alleyne, wenn es Euch beliebt.« Mein Blick reichte aus, damit sie fluchtartig das Zelt verließen.
Mademoiselle Darioles Stimme durchbrach die darauffolgende Stille. »Falls Ihr das seid, Rochefort, so könnt Ihr Euch gleich wieder verpissen.«
»Du …« Ich beherrschte mich. »Ihr wisst, dass ich es bin, Mademoiselle.« Das Sonnenlicht, welches durch die gebleichte Zeltwand fiel, ließ das gesamte Innere schimmern wie Perlmutt. Dariole hockte zusammengerollt zwischen Kissen, Decken und Stapeln aufgeschlagener Pamphlete in einer Ecke des Zeltes und schaute mich über die Schulter hinweg an. In dem gefilterten Licht wirkten ihre Augen kalt.
»Ich habe gesagt: Verpisst Euch!«
»Ich habe Euch schon verstanden. Nur habe ich beschlossen, Euch zu ignorieren.«
Dariole schnaufte verächtlich. Ein Mann, der sie weniger gut kannte als ich, hätte die Unsicherheit in ihrer Stimme vermutlich überhört … eine Erkenntnis, die mich nun doch überraschte.
Für ein Objekt perverser Begierde, das ich ansonsten eigentlich gar nicht mochte, kannte ich sie viel zu gut.
Im Zelt schien es wärmer zu sein als draußen. Die junge Frau hatte die Strümpfe ausgezogen und saß nun mit nackten Füßen da. Ihr bleiches Leinenwams stand offen und enthüllte das Batisthemd darunter, welches sie bis zum Dekolleté aufgeknöpft hatte. Sie stützte sich auf ihren Ellbogen, wandte sich von mir ab und tat so, als würde sie lesen.
Zu versuchen, mich zu setzen, und mich anschließend aufgrund der Schmerzen wieder unbeholfen zu erheben, wäre ein wenig zu peinlich gewesen. Also stützte ich mich stattdessen nur auf meinen Stock und nahm den Hut ab. Monsieur Rochefort steht barhäuptig vor Mademoiselle Dariole, dachte ich. Zu jeder anderen Zeit hätte ich zynisch gelächelt.
»Robert Fludd hat mich erst einmal verprügelt«, sagte ich, »als ich ihn zum ersten Mal begegnet bin. Ihr wisst das. Das scheint so eine Art Prinzip für ihn zu sein.«
Meine Stimme hallte hohl durch die heiße Luft. Ich blieb beharrlich.
»Und falls es wirklich so sein sollte, war das vermutlich auch bei Eurer ersten Begegnung mit ihm sein Ziel: Er wollte Euch körperlich einschüchtern …«
»Ich habe ihn noch gar nicht getroffen«, unterbrach Dariole mich in kaltem Ton. »Nur seine Männer. Luke und John. Aber die sind mir egal. Er trägt die Verantwortung.«
Sie sah mich nicht an. Sie rollte sich noch mehr zusammen, und Dank der Unordnung, die im Zelt der Schauspieler herrschte, konnte ich sie nun noch schlechter sehen. All mein Gewicht auf den Stock gestützt setzte ich mich in Bewegung und suchte mir einen Weg zwischen Kissen, Truhen, Pritschen, auf dem Boden liegendem Geschirr und Kleidung hindurch auf sie zu.
»Mademoiselle …« Ich musste kurz innehalten und erst einmal tief durchatmen. Das rechte Knie zu beugen, bescherte mir neue Schmerzen in der Wunde, die nun schon seit einigen Stunden heiß und geschwollen war. Dann stieß ich auch noch gegen einen achtlos beiseite geworfenen Stiefel, was mich leise, aber vehement fluchen ließ.
»Wie Ihr seht, kann ich nicht vor Euch niederknien«, sagte ich, als ich die Fassung wiedererlangt hatte und nur noch gut einen Schritt von ihr entfernt war. »Also muss ich Euch stehend um Verzeihung bitten.«
Dariole blickte noch immer nicht zu mir hinauf. »Ich habe Euch nicht um eine Entschuldigung gebeten. Glaubt Ihr denn, dass Ihr das könnt?«
Ich zuckte mit den Schultern und versuchte, die Atmosphäre ein wenig zu entspannen. »Sonderlich viel Übung habe ich jedenfalls nicht darin, wie ich gestehen muss. In meinem Beruf ist das nicht üblich.«
»Euer ›Beruf‹ ist der des Spions und Mörders … Lasst uns das nicht vergessen.«
Sie drehte mir den Rücken zu, und ich blickte auf ihr Haar, das ihr inzwischen bis zum Nacken reichte und im diffusen Licht schimmerte.
Wie ich so über ihr stand, konnte ich sehen, dass sie sich nicht nur in den Kissen vergraben hatte, sondern eines mit der freien Hand an die Brust gedrückt hielt. Meine Augen brannten in dem Wunsch zu weinen, und ich hätte niemandem sagen können warum.
»Ich gebe mir selbst die Schuld dafür«, sagte ich.
Dariole versteifte sich und hob den Kopf.
Unvermittelt richtete sie sich auf, warf dabei die Pamphlete beiseite und klammerte sich an das Kissen. »Ich gebe Euch auch die Schuld daran! Oder ist Euch das noch nicht aufgefallen?«
Ich schluckte eine bissige Erwiderung hinunter. Mit ihrer Feindseligkeit zurechtzukommen … ja, das war einfach … einfacher jedenfalls, als sich mit ihrem Schmerz und Leid auseinander setzen zu müssen.
Um die Wahrheit zu sagen, ich hätte mich wohler gefühlt, wenn ich vor ihr hätte knien können. So über ihr aufzuragen, hatte so ganz und gar nichts Unterwürfiges an sich. Aber vielleicht war das auch ganz gut so.
Ich hakte nach: »Ihr habt das Ganze nicht wirklich durchdacht, Mademoiselle. Ja, ich hätte Robert Fludd anlügen können. Ich hätte behaupten können, Ihr wärt als Geisel ohne jeden Wert und dass ich mein Verhalten nicht davon beeinflussen lassen würde. Und hätte ich …«
Erneut zuckte ich mit den Schultern und stellte erstaunt fest, dass mich selbst diese Bewegung in meinem verletzten Bein schmerzte.
»Hätte ich Fludd davon überzeugt, dann … dann wärt Ihr jetzt tot, Mademoiselle.«
Sie funkelte mich von unten her an.
»Er hätte Euch trotzdem geholt«, beendete ich meine Rede, »und dann hätte er Euch einfach umgebracht.«
Sie zuckte mit den Schultern. »Und? Es ist trotzdem Eure Schuld, dass Ihr überhaupt so besessen wart.«
»Oh, das räume ich sogar ein.« Ich schob meinen Stock zwischen die Teppiche, die den Boden des Pavillons bedeckten, und stocherte in dem trockenen Gras darunter herum. »Die einzige Möglichkeit, wie Eure Vergewaltigung – oder Eure Ermordung – hätte verhindert werden können, wäre gewesen, wenn ich nicht diese Gelüste verspürt hätte.«
Sie schaute mir in die Augen, und nur mit Mühe vermochte ich, ihrem Blick standzuhalten.
»Und … Mademoiselle, wenn ich dieses Verlangen nicht empfunden hätte … dann hätte ich Euch getötet. In der Normandie.«
»Ach ja?« Ihre Stimme war voller Wut und Verachtung. Sie schaute nach unten, starrte das Kissen an, als würde sie es erst jetzt bemerken, und warf es angewidert beiseite. Dann trat sie die Pamphlete weg, um sich Platz zu verschaffen, und stand steif auf. Sie musste das Kinn heben, um mich anzufunkeln.
»Ihr hättet mich getötet, Rochefort? Ihr und welche Armee?«
In ihrem gebleichten Leinenwams und der braunen venezianischen Hose sah sie wie ein hochrangiger Diener aus. Sie trug keinerlei Klinge, die sie als Gentleman ausgewiesen hätte. Ich ertappte mich dabei, wie ich die Rundungen ihrer Hüfte bestaunte und die Brust unter dem halb geöffneten Hemd.
Gütiger Gott, nein! Kalte Furcht ersetzte die Erregung in meinem Geist. Das ist das Letzte, was sie jetzt sehen will. Verlangen, Lust … wie man es auch nennen mag. Perversion!
Ich strich mir eine Haarsträhne aus der Stirn. Ich schwitzte und das nicht nur von der Hitze, sondern auch wegen eines leichten Wundfiebers.
Dariole hob die Schultern. Ihre Bewegungen waren steifer als üblich. »Wie auch immer, ob in der Normandie oder in London … Es ist Eure Schuld, Rochefort.«
»Begeht keinen Fehler.« Ich blickte auf sie hinunter. »Ich bin hier, um mich zu entschuldigen und alle Schuld auf mich zu nehmen. Aber eines will ich noch sagen … Ihr seid mit mir aus Paris gekommen. Auch Ihr wart Teil all dessen, was wir getan haben … und Ihr habt es genossen, Mademoiselle.«
»Geht zum Teufel!«
Ich schüttelte den Kopf. Wenn das Paris wäre; wenn die Dinge noch so wären, wie sie gewesen waren … Von Schuld wie von Ärger erfüllt sagte ich: »Ich warne Euch, Mademoiselle … Wenn die Dinge anders stünden, würde ich tun, was ich stark versucht bin zu tun, nämlich Euch in einen Sack zu stecken und wegzutragen!«
Sie sah mir voll in die Augen.
»Ja. Aber eines Tages würdet Ihr diesen Sack wieder öffnen müssen.«
Zu jeder anderen Zeit hätte sie mich damit provoziert. Nun jedoch sprach sie mit einer Mischung aus Hass und Sorge, die mir Schmerzen bereitete. Mit der freien Hand rieb ich mir über die Augen.
»Hört mir zu, Mademoiselle. Ich habe nicht die geringste Absicht, Robert Fludds König zu töten.«
Ich nahm die Hand vom Gesicht, sodass ich sie wieder klar sehen konnte. Ich wünschte mir nichts mehr, erkannte ich, als tröstend den Arm um ihre Schulter zu legen. Instinktiv bewegte ich mich mit Hilfe des Stocks nach vorn.
Darioles Körper verspannte sich wie der eines Fechters, wenn ein Schwert gezogen wird. Ihre ganze Haltung sprach von Wachsamkeit, Misstrauen und Hass.
Sie sagte: »Fludd wird hierher kommen – entweder das, oder jemand hier weiß, wo er steckt. Ich werde ihn umbringen, irgendwie. Habt Ihr mich verstanden? Ich werde Robert Fludd töten.«
Ich wich ein Stück zurück und stützte mich auf meinen Stock. Sofort entspannte sie sich wieder ein wenig.
Ihr ist gar nicht bewusst, wie sie reagiert.
Ah, aber das kommt nicht unerwartet.
Kurz blickte ich auf meine Hände und dann wieder zu Dariole. »Und wie?«
Sie zog die Augenbrauen zusammen. »Wie?«
»Verzeiht mir, Mademoiselle, aber wie wollt Ihr Robert Fludd töten? Ihr habt keine Waffe. Die habt Ihr zerbrochen.«
Dariole öffnete den Mund ein Stück und presste dann die Lippen aufeinander.
»Wenn ich ein Schwert haben wollte, so gibt es einen Waffenschmied in Wells«, antwortete sie schließlich. »Zum Teufel noch mal, es gibt sogar hier Waffenschmiede, unter Alleynes Männern. Ich habe sie gesehen. Ein Rapier kann man überall kaufen. Wenn ich eines haben wollte, hätte ich es nicht zerbrochen.«
In diesem Augenblick wusste ich mit Sicherheit: Ja, ich habe das Richtige getan.
Ich drehte mich um und humpelte zum Zelteingang zurück. Dariole gab ein Geräusch von sich – vermutlich aus unterdrückter Wut, vielleicht war sie aber auch überrascht, dass ich einfach so zu gehen schien. An der Zeltklappe angelangt, stützte ich mich auf meinen Stock und beugte mich hinunter.
Dann zog ich das in ein Tuch gewickelte Bündel hinein, das ich an die Zeltwand gelehnt hatte, und richtete mich wieder auf.
Das war nicht, was Dariole erwartet hatte; das war ihr deutlich anzusehen. So unwahrscheinlich es aufgrund meiner Verletzung auch sein mochte, sie hatte wohl damit gerechnet, dass ich wimmernd vor ihr auf die Knie fallen würde. Aber hätte ich das getan, hätte ich es nur für mich gemacht.
»Ich denke, die gehören Euch, Mademoiselle.« Ich beugte mich vor und schüttete den Inhalt des Bündels auf dem Boden zu ihren Füßen aus.
Leder und Stahl. Ein Gürtel mitsamt Wehrgehänge. Scheiden, glänzende Hefte und Knäufe …
Dariole zögerte keine Sekunde. Sie hockte sich hin, griff sofort nach dem Rapier und zog es mit einer fließenden Bewegung aus der Scheide.
Das blankpolierte, mit Draht umwickelte Heft sah seltsam in ihren bloßen Händen aus. Sie hob die Klinge und blickte prüfend die Schneide entlang. Dann beäugte sie jeden Kratzer und jede Scharte, die von früheren Gefechten herrührten.
»Das ist mein Schwert.« Sie griff nach dem Dolch und zückte auch ihn. »Mein Dolch …«
Sie hob den Kopf und starrte mich an.
»Ich habe sie aus London mitgebracht.« Plötzlich fühlte ich mich so schüchtern wie ein Junge. »Am Dead Man's Place gab es keine Möglichkeit, die Waffen sicher unterzubringen.«
Elegant stand sie auf.
Dariole hob den Kopf und ging in Position. Das Sonnenlicht, das durch die offene Zeltklappe fiel, spiegelte sich auf der Klinge und ließ dunkle Flecken vor meinen Augen tanzen. Dariole hob den Dolch vor ihre Augen. »Habt Ihr die geputzt?«
»Eine gute Klinge ist es wert, in gutem Zustand gehalten zu werden.«
»Ihr wollt doch nur meine Schwertspitze an Eurer Kehle, um …«
Ich unterbrach sie: »Ich gebe Euch Euer Eigentum als Waffe zurück, nicht als Instrument meiner … meiner Perversion oder Kasteiung.«
Dariole blickte mir noch einmal in die Augen und bückte sich dann nach den Scheiden, um die Waffen wieder zurückzustecken. Zwei Monate zuvor hätte sie mich in einem Augenblick wie diesem beleidigt. Seltsamerweise vermisste ich ihren Spott. Mag sie mich ruhig nennen, wie sie will … solange das die Kälte bricht, in die sie sich gehüllt hat …
Mit äußerster Konzentration schnallte sie zunächst den Gürtel um und befestigte dann das Schwertgehänge daran. Mit ein paar Schritten über den mit allem möglichen Plunder bedeckten Boden überprüfte sie, ob die Scheiden richtig hingen; dann stellte sie sich fehlerlos hin.
Darioles Hand wanderte über ihren Körper zum Heft des Schwertes, und sie schob den Zeigefinger durch den Fingerring. Die Klinge fuhr heraus, die Spitze auf den Zelteingang gerichtet.
Ohne mich anzusehen, sagte Dariole: »Und Ihr erwartet von mir, dass ich sie wieder benutze? Obwohl ich weiß, wie nutzlos sie sind?«
Sie sprach in beißendem Tonfall, doch ich sah den verlorenen Ausdruck in ihrem Gesicht.
Vielleicht war es unklug, doch eine Bemerkung konnte ich mir nicht verkneifen: »Sicherlich kann niemand behaupten, dass Ihr ein übertriebenes Maß an Dankbarkeit zeigt, Mademoiselle …«
Dariole wirbelte zu mir herum. »Für was sollte ich denn bitte dankbar sein? Ihr seid schuld, dass ich vergewaltigt worden bin. Das hier sind meine Waffen. Ihr gebt sie mir nicht, Rochefort. Ihr gebt sie mir nur zurück. Und danke für die Entschuldigung – aber das waren nur Worte. Gottverdammt noch mal, Ihr seid ja noch schlimmer als Fludd!«
Sie sprach den Namen fast ›Furada‹ aus, was mich daran erinnerte, wie viel Zeit sie in Gesellschaft des Samurai verbracht hatte. Wäre ich jemand gewesen, der zu törichten Wünschen neigte, so hätte ich mir gewünscht, genauso nützlich für sie zu sein, wie Saburo es gewesen war.
Aber ich werde meine Entscheidung nicht bereuen, dachte ich. So ignorierte ich ihren Zorn und sagte: »Mademoiselle, ich könnte mir vorstellen, dass man Heinrich Stuart, den jungen Prinzen, nach seiner Ankunft davon überzeugen könnte, Robert Fludd zu sich hierher zu rufen – sei es als Ratgeber, wenn alles gut läuft, oder als Sündenbock, sollte es schief gehen. Und Heinrich muss bald kommen …«
»Rochefort!« Dariole legte die Hände auf ihre beiden Waffen. »Das ist nicht Eure Angelegenheit.«
Schweigen senkte sich herab.
»Es ist durchaus meine Angelegenheit«, erwiderte ich schließlich, »wenn ich hier bleibe und versuche, König James das Leben zu retten – und somit Robert Fludd ins Freie locke, damit Ihr ihn töten könnt.«
Sie starrte mich an.
»Wenn Ihr sie annehmt«, fuhr ich fort, »lasst Zeit und Gelegenheit meine Entschuldigung sein. Tötet Robert Fludd. Wenn Ihr damit fertig seid … dann werden wir gehen.«
Dariole verzog das Gesicht, als wolle sie weinen, könne es aber nicht. Hass, Verwirrung und Schmerz – all das zeigte sich deutlich in ihren Zügen. »Ihr … Ihr seid besessen, Rochefort, wirklich besessen. Eine Frau tritt Euch ein paar Mal in den Arsch – nun, mehr als nur ein paar Mal –, und Ihr findet es geil, Ihr die Stiefel zu küssen.«
Sie wartete nicht auf eine Erwiderung. Tatsächlich hätte ich ihr auch keine geben können. Es hatte mir den Atem verschlagen.
»Wegen diesem … diesem perversen Ding, das Ihr in Bezug auf Frauen habt, hat Robert Fludd Euch erpressen können. Stimmt's? Ansonsten hätte es wohl geheißen: ›Oh, Mademoiselle Dariole … wieder einmal jemand, der bei meinem Geschäft unter die Räder gekommen ist.‹ Normalerweise tut Ihr so etwas doch mit einem Schulterzucken ab, nicht wahr? Und jetzt fühlt Ihr Euch mit einem Mal schuldig. Das ist schlicht Scheiße.«
Sie errötete und das nicht nur wegen der Hitze im Zelt.
»Ich habe Euch nichts mehr zu sagen, Rochefort. Ihr wisst, wo die Tür ist.«
Aus einer Woche wurden zwei.
Mein Bein verheilte gut genug, dass ich auch ohne Stock wieder gehen konnte. James Stuart hielt sich weiter entschlossen vom Südwesten seines Königreichs fern, und Dariole ging mir aus dem Weg.
Neuigkeiten erhielt ich durch Robert Fludds Boten. So hieß es, dass Seine Majestät vielleicht nach Süden, nach Cranbourne Chase gehen würde – und deshalb würde Robert Fludd den jungen Prinzen bald zu mir schicken, damit dieser die Einladung aussprechen und James Stuart zu dem Maskenspiel locken konnte.
Ende Juni konnte ich wieder meine Waffenübungen aufnehmen, und eines Tages sah ich bei einer dieser Übungen Dariole in der Nähe sitzen und mir zuschauen. Sie saß auch noch da, nachdem ich die Übung beendet hatte.
Ich hatte mir mein grün-goldenes Seidenwams über den Rücken geworfen. Ich blieb stehen, rollte mit den Schultern, um die Muskeln zu entspannen, zog mein Wams an und schnallte mir den Schwertgürtel wieder um. Darioles Blick, mit dem sie mich anschaute, hatte nichts Pathetisches an sich. Das hier musste korrekt gehandhabt werden, das wusste ich. Nur wie?, fragte ich mich.
Von meinen Informanten im Schauspielerlager wusste ich, dass Mademoiselle Dariole ihre Zeit damit verbracht hatte, jeden Mann auszufragen, von dem sie glaubte, er könne etwas über den Aufenthaltsort von Doktor Fludd wissen (und dabei war sie nicht gerade subtil vorgegangen). Aber selbst jene Männer, die zwischen hier und Aemilia Lanier im ›The Rose‹ hin und her reisten, hatten ihr nicht helfen können.
Da es schon über zwölf Tage her war, seit ich zum letzten Mal ein Wort mit ihr gewechselt hatte, war mein Mund wie ausgetrocknet, auch wenn mir mein Verstand sagte, dass dem nicht so sein sollte.
Dariole stand auf.
Ihre letzten Worte schmerzten mich noch immer: Wegen diesem … diesem perversen Ding, das Ihr in Bezug auf Frauen habt, hat Robert Fludd Euch erpressen können. Und alles, was ich hätte sagen können, war: Nicht in Bezug auf jede Frau, Mademoiselle. Doch das hätte wohl kaum geholfen.
Selbst im Stehen musste sie noch immer zu mir hinaufblicken. Ich sah in ihr Gesicht. Mir fiel nichts ein: kein Wort des Trostes, keines der Rechtfertigung.
Dariole deutete auf die Straße, die von Wookey Hole fort nach Norden führte.
»Ich habe Euch nichts zu sagen. Aber wisst Ihr was? Ich will diese Frau sehen, von der Saburo immer erzählt. Diese ›Schwester Caterina‹. Saburo sagt, Ihr wüsstet, wo sie ist. Also werdet Ihr mich zu ihr führen. Jetzt!«