Rochefort: Memoiren
Einunddreißig

Die Martha besaß eine Besatzung von achtzehn Mann. Sie war ein kleines Schiff von gerade fünfzig Tonnen mit nur einem Mast und einem altmodischen Bug mitsamt Kastell.

Königliche Bettler können nicht wählerisch sein, sinnierte ich und beobachtete, wie Dungeness im Norden an uns vorüberzog.

Einer der Seemänner war von wahrhaft gigantischer Größe. Ich hatte ihm sein bestes Wams abgekauft (zu einem unverschämten Preis), und das hing nun angenehm locker um meine Schultern. Ein weiterer Seemann erwies sich als ungewöhnlich geschickt mit der Nadel, und von diesem hatte ich mir dann die ausladenden Röcke der Muse zu einer echten Hose umnähen lassen, zumal teure Seide auch noch recht gut als Hose aussah.

»Jener französische Höfling ist ein wenig zu sehr um seine Kleidung besorgt«, bemerkte König James fröhlich zu Saburo, als ich unsere kleine Kabine im Heck betrat und mich unter der umherschwingenden Laterne ducken musste. James Stuart kicherte. »Master de Rochefort, Ihr seid doch gar nicht mehr so jung, als dass Ihr Euch um die Mode sorgen müsstet. Ordentlich geschrubbt würde Master Dariole wohl eine gute Figur abgeben, denke ich. Ein König sollte sich an seinem Hof mit tapferen, jungen Männern umgeben.«

Dariole, die aus dem Fenster aufs Meer hinausgeblickt hatte, verneigte sich vor dem König für sein joviales Kompliment und murmelte irgendetwas von frischer Luft an Deck. Ich trat zur Seite, damit sie an mir vorbei konnte. Sie hob nicht den Kopf, um mich anzuschauen.

Wäre es möglich gewesen, ich hätte sie ein wenig geneckt. Ich hätte sie gefragt, ob sie glaube, dass auch Mademoiselle de Montargis de la Roncière eine solche Zierde für den Hof sein würde (der Schotte schien sich in seiner Bewunderung ihrer Weiblichkeit nicht im Mindesten bewusst zu sein).

Doch das war wohl kaum möglich, zumal sie seit unserer Abfahrt aus Bridgwater kein Wort mit mir gewechselt hatte.

Neben Saburo und James Stuart befand sich auch noch der grauhaarige und ein wenig verunsicherte Kapitän in der engen Kabine. Der König deutete auf ihn. »Unser tapferer Untertan hier, Kapitän Arnott, hat Uns versichert, dass wir bereits nach einem Tag die Themsemündung erreichen werden.«

Ich nickte zustimmend. Arnott – der glücklicherweise nicht aus Bridgwater stammte – bemerkte: »In der Tat, Euer Majestät! Wind und Gezeiten haben sich verschworen, Euch sicher nach Hause zu bringen.«

James zuckte unwillkürlich zusammen. ›Verschworen‹ … eine schlechte Wortwahl. Er machte eine abschätzige Geste. »Ihr dürft Uns jetzt allein lassen, Hauptmann Arnott, und für Euch gilt das Gleiche, Monsieur Tanaka. De Rochefort, Ihr wolltet mit Uns sprechen?«

»Ja, Sire.« Die Zeit drängte.

Ich gestattete dem Kapitän und dem Samurai, sich in der schmalen Tür an mir vorbeizudrängen, und trat ein. Auf James' Geste hin setzte ich mich auf den Fenstersims. Das Sonnenlicht und der Rumpf bewegten sich sanft. Die letzten vier Tage hatte James sowohl Dariole als auch Saburo eng an seiner Seite behalten – Erstere, um ihm bei der Interpretation von Letzterem zu helfen, glaube ich, da der Samurai und der König viel über Nihon und die damit verbundenen Handelsmöglichkeiten sprachen.

Das war mir auch ganz recht, lenkte es James Stuart doch davon ab, dass er noch nicht wieder fest auf seinem Thron saß und Fludd und Prinz Heinrich keinesfalls müßig sein würden.

»Und, Mann?«, verlangte der Schotte zu wissen. »Was wollt Ihr Uns sagen?«

Nach dem hier gibt es kein Zurück mehr. Es mag mir gelingen, oder ich mag scheitern, aber die Angelegenheit ist zur Sprache gebracht.

So sanft wie möglich sagte ich: »Euer Majestät muss hoffen, in London einzutreffen, bevor der Usurpator gekrönt worden ist, und jedermann im Whitehall-Palast beweisen, dass Ihr keineswegs tot seid.«

»Dieser Mann, Fludd«, knurrte James, »ihn werden Wir vor unserem Fenster aufhängen lassen, damit Wir ihn mindestens einen Monat lang nach dem Aufwachen als erstes sehen.«

Und ich habe mir just diesen Augenblick ausgesucht, um ihm genau das Gegenteil vorzuschlagen …

James wischte sich mit dem Ärmel über den Mund. Sein muschelfarbenes Satinwams war vollkommen verdreckt und verschlissen nach all den Kämpfen und dem Marsch durch die Sümpfe, doch es wirkte nach wie vor teuer, und so trug der König es immer noch. Tatsächlich hatte es entscheidend dazu beigetragen, Kapitän Arnott davon zu überzeugen, dass James wirklich der war, der er behauptete zu sein.

»Prinz Heinrich«, tastete ich mich vorsichtig vor, »besitzt keinerlei Autorität. Ist das korrekt?«

Der fette Mann hob den Kopf. Aufgrund des schaukelnden Schiffes war er ein wenig weiß um die Augen herum. Er schob seinen Stolz beiseite und sagte: »Tadelt Uns nicht, Master de Rochefort. Wir haben das königliche Siegel in die Obhut des Obersten Ministers gegeben, während Wir Uns für das Maskenspiel angekleidet haben. Sollte Master Cecil tot sein, hat es der Usurpator. Gleiches gilt, falls Master Cecil noch leben sollte, sich aber als Verräter erwiesen und auf die Seite des Usurpators geschlagen hat.«

»Vielleicht werden viele aber auch misstrauisch ob der Ereignisse in der Höhle sein, Sire.« Ich zuckte mit den Schultern. »Einschließlich Lord Cecil, falls er noch lebt. Heinrich von Navarra hat wenigstens einen Leichnam hinterlassen, der für jeden zu sehen war.«

James lief grau an – angesichts der Vorstellung, dass Cecil tot sein könnte, nahm ich an, auch wenn er ihm gerade noch unterstellt hatte, ihn womöglich verraten zu haben.

»Sire, sollte er Beweise finden, wird Cecil den Prinzen des Königsmords anklagen. Und sollte Cecil tatsächlich noch leben, kann Doktor Fludd ihn nicht töten lassen, ohne Verdacht zu erregen.«

Ich lächelte spöttisch und stellte mir vor, wie wütend es den Herrn Minister wohl machen würde, sich plötzlich in der gleichen Situation wiederzufinden wie der Duc de Sully.

»Sollten wir heute oder morgen das Ziel dieser Reise erreichen, wird Euer Majestät vielleicht schon bald wieder auf den Thron zurückkehren.«

»Vielleicht.« James wirkte traurig. »Schon jetzt sind viele gute Männer in der Hoffnung darauf gestorben. Dieser Philip Spofforth … Gott schenke ihm den ewigen Frieden. Und die armen tapferen Seelen mit ihm …«

James blickte zu mir hinauf. Ein Mann kann sich nicht immer die Sache aussuchen, für die er fechten will. Lediglich mein Interesse an den Informationen Lord Cecils hatte mich dazu bewogen, diesen Mann zu unterstützen; im Gegensatz zu Monsieur Saburo brauchte ich James nicht auf dem Thron von England. Aber ich benötigte Hilfe für Messire de Sully, und zu diesem Zweck musste ich mich mit James Stuart verbünden. Von Zeit zu Zeit kam mir allerdings der Gedanke, dass ich das auch so getan hätte.

»Sire«, sagte ich, »bevor wir London erreichen, würde ich gerne etwas mit Euch besprechen.«

»Und das wäre?«

Drei Tage lang hatte ich nach dem richtigen Augenblick gesucht, nur genutzt hatte es mir nichts. So blieb mir nichts anderes übrig, als mich ins kalte Wasser zu stürzen.

»Es geht um Doktor Fludd, Sire. Er ist ein Verräter und Mörder …«

James grunzte. »Habt Ihr Beweise dafür? Für den Mörder, meine ich.«

»Wir befinden uns hier nicht vor einem Gericht«, erwiderte ich in sanftem Ton, zwängte mich in den Fensterrahmen, der allerdings ein wenig klein für einen Mann von meiner Statur war, und legte die Hände auf die Schenkel. »Ich spreche von dem, was wir beide wissen, Sire. Fludd ist ein Verschwörer, ein Mörder, und er befiehlt die schlimmsten Dinge, auch wenn er sie nicht mit eigenen Händen verübt. Ihr habt gesagt, ›Hängt ihn‹, und er hat in der Tat den Tod verdient, aber …«

»Könige mögen dieses Wort nicht, ›aber‹, Master de Rochefort«, bemerkte James in sanftem Tonfall, doch mit einem Funkeln in den Augen.

Trotz seiner Krittelei ist er bereit, mir zuzuhören, dachte ich. Da wir allein waren, hatte ich einen Augenblick Zeit zum Nachdenken. Aber ich bin entschlossen.

»Doktor Fludd«, begann ich, »mag ansonsten ja sein, was er will, aber er ist in jedem Fall auch der letzte lebende Schüler des neapolitanischen Ketzers Giordano Bruno. Er ist der Erbe dieses Wissens, und nach Caterinas Tod der einzige Anwender der vorausschauenden Mathematik.«

James blickte mir in die Augen. Ich fuhr fort: »Ihr sagt, er habe den Tod verdient. Da will ich Euch nicht widersprechen, Sire. Aber ich sage auch, dass er noch für etwas anderes taugen würde … Man könnte ihn benutzen. Wir könnten seine Fähigkeiten zu unserem Vorteil nutzen.«

Die Holzwände der Kabine knarrten, als das Schiff eine Wende fuhr und in den Kanal einbog. Dass wir uns auf einem recht kleinen Schiff befanden, wirkte nicht gerade beruhigend auf mich; zu gut erinnerte ich mich noch an Monsieur Saburos Schiffsunglück. Ich versuchte, die hin- und herschwingende Lampe aus meinem Geist zu verdrängen und all meine Aufmerksamkeit auf den zerzausten König von Schottland und England zu lenken.

James runzelte die Stirn. »Wir sollen diesen Fludd benutzen? Und Ihr wollt das für Uns tun? Ihr seid kein Engländer – und auch wenn Wir um die uralten Verbindungen zwischen Frankreich und Schottland wissen, so reicht das doch nicht aus, Uns davon zu überzeugen, Euch eine Stimme in dieser Angelegenheit zu geben.«

Ich blickte an meinen Händen vorbei auf den massiven Eichenboden und das Schattenspiel dort, als das Schiff den Kurs änderte. »Ihr müsst wissen – Lord Cecil wird es Eurer Majestät schon gesagt haben –, dass ich der Diener des Duc de Sully bin. Ihm gilt meine Hauptsorge in dieser Angelegenheit. Seit nunmehr fünfzehn Jahren ist er mein Förderer.«

Der fette Schotte nickte unerwartet. »Aye. Robbie hat gesagt, Ihr wärt sehr loyal. Das ist eine Eigenschaft, die man nicht hoch genug schätzen kann.«

Das Schiff neigte sich, und das Sonnenlicht wanderte über den Rumpf.

»Doktor Fludd …«, hakte James nach.

»Doktor Fludd ist … wertvoll.« Ich wählte meine Worte sorgfältig. »Seine Fähigkeit, mit Hilfe von Brunos Mathematik die Zukunft vorherzusagen, könnte für viele Männer von unschätzbarem Wert sein – sagen wir zum Beispiel für einen König und seinen Minister, wenn nur sie diese Informationen erhalten. Nehmen wir einmal an, Sire, dass Robert Fludd nach unserer Ankunft in London nicht getötet werden würde, aber auch nicht fliehen könnte; nehmen wir einmal an, man würde ihn gefangen nehmen.«

Die Miene des schottischen Königs verfinsterte sich zusehends.

»Ich will mein Schicksal in Eure Hände legen, Sire.« Ich beugte mich vor. »Ich will Euch gestehen, dass ich in den vergangenen zwei Monaten mit Freuden zum Königsmörder geworden wäre, hätte ich denn eine Möglichkeit gefunden, an dieses Weib heranzukommen, Maria di Medici.«

James zuckte unwillkürlich zusammen, als ich ein gekröntes Haupt als ›Weib‹ bezeichnete. »Mit der Krone kommt Gottes Gnade!«

Sie hat sich illegal zur königlichen Regentin ausgerufen. Sie hat ja noch nicht einmal genug Verstand zum Eierlegen; für Frankreich ist sie eine Katastrophe. Ich verzichtete jedoch darauf, das laut auszusprechen.

James Stuart blickte mich mit wässrigen Augen an. »Auch wenn sie eine Frau ist, sie ist ein regierender Fürst, und damit steht nur Gott über ihr, Monsieur!«

Nun wurde mir klar, woher Prinz Heinrich seine Vorstellungen vom ›ewigen Königtum‹ hatte: nicht nur von Doktor Fludd. Obwohl ich glaube, dass Heinrich praktisch gesehen an das glaubt, was für James nur Theorie ist … Mit angemessener Demut senkte ich den Blick.

»Fahrt fort, Master de Rochefort.« James nickte mir zu.

Vorsichtig redete ich weiter. »Mit der Königin hat das Folgendes auf sich: Robert Fludd ist ein Mann, den es zu benutzen gilt. Wie man das bewerkstelligen kann, darüber habe ich inzwischen eingehend nachgedacht. Nehmen wir einmal an, er würde mir in die Hände fallen. Ich kann ihn nicht ins Frankreich der Medici mitnehmen. Die Königin hat einen Jesuiten als Beichtvater, und in Frankreich geht es zu wie in jedem anderen katholischen Staat Europas auch: Die Jesuiten würden Fludd einfach nach Rom schleppen und ihn wie Bruno bei lebendigem Leibe verbrennen. Das wäre zwar die gerechte Strafe für ihn, würde die Welt aber auch seiner Fähigkeiten berauben.«

Das Schiff neigte sich ein wenig zur Seite, sodass ich mich mit dem Fuß abstützen musste, um nicht aus dem Fenster zu fallen. Aufmerksam beobachtete ich den König. Ich wünschte, Lord Cecil wäre hier, um mir zu sagen, wie ich James Stuart am besten von etwas überzeugen kann. Da dem jedoch nicht so wahr, blieb mir nur die Wahrheit.

»Während wir uns durch die Sümpfe gekämpft haben, ist mir ein Gedanke gekommen, Sire, und ich hatte Zeit, darüber nachzudenken. Ihr wisst vielleicht, dass ich beachtlichen Groll gegen die Königin hege, da sie schon immer eine Feindin meines Herrn, des Herzogs war. Nun, gehen wir einfach mal davon aus … dass ich meine Gefühle beiseite lasse.«

Es bereitete mir nahezu körperliche Schmerzen, mich so ausdrücken zu müssen. Ich wünschte, ich könnte James offen ins Gesicht sagen, dass sie eine Königsmörderin ist.

»Mir scheint«, fuhr ich fort, »dass ich dem Duc de Sully am Besten helfen kann, indem ich meine Rachlust vergesse und nicht länger versuche, der Herrschaft der Königin ein Ende zu bereiten. Stattdessen werde ich Maria di Medici akzeptieren und mir das zunutze machen.«

James hob die zotteligen Augenbrauen. »Sie ist Eure gesalbte Königin, Mann! Es ist nicht an Euch, auch nur an Rebellion zu denken!«

»Das ist wahr«, erwiderte ich gequält. »Die Menschen betrachten sie als legitime Königin von Frankreich. Maria di Medici ist die Witwe des toten Heinrich, seine Königin, und die Mutter des lebenden König Ludwig. Das kann niemand leugnen.«

Und mit dem Tod von Ravaillac bleibt nur das Wort eines Spions und Mörders, um sie des Meuchelmordes zu bezichtigen.

Kälte breitete sich bei dieser Erkenntnis in meinem Bauch aus.

Ich glaube, jetzt werde ich nie mehr jemanden, der mich nicht kennt, von der Rolle überzeugen können, die Maria di Medici bei Heinrichs Tod gespielt hat.

Ich sagte: »Was nun die Frage betrifft, ob sie geeignet ist, Heinrich von Navarra als Monarchin zu folgen … Sire, ich will nur so viel sagen: Sie ist eine Frau und Mutter wie auch eine Königin. Deshalb wünscht sie als Monarchin auch keinen Krieg. So wie ich es verstehe, werden die Truppen für Jülich–Kleve bereits von der Grenze zurückbeordert.«

Kurz dachte ich darüber nach, was die Frau mit dem Schwert, Mademoiselle de la Roncière, wohl über die Frau Maria di Medici sagen würde und auf die Frage, ob diese nun Krieg wollte oder nicht. Der Gedanke hätte mich lächeln lassen, wäre da nicht die Tatsache gewesen, dass ich Mademoiselle Dariole verriet, indem ich hier mit James Stuart saß.

»Euer Heinrich war ein Krieger.« James nickte bedächtig. »Aber wenn Frankreich nun erst einmal für Frieden stehen würde … Nun, Wir glauben nicht, dass das schlimm wäre.«

Ich verneigte mich erneut vor ihm. »Ihr, Sire, als der ›britische Salomon‹, werdet diese Seite der Königin sicherlich zu schätzen wissen.«

James nickte wieder. Ich hatte diesen Beinamen für ihn bei meinem letzten Besuch mit Sully auf der Insel gehört; nun schien mir der geeignete Augenblick gekommen zu sein, ihn zu benutzen.

Ich verschränkte die Hände, beugte mich vor und blickte James Stuart an. »Europa steht am Rande eines großen Krieges, Sire. Ihr wisst das. Warum sonst wollt Ihr Euren Sohn mit einer Katholikin und Eure Tochter mit einem Hugenotten verheiraten? Jenen, die den Frieden wünschen wie Ihr und die Königin, sollte man so gut wie möglich helfen. Und welche bessere Hilfe könnte es dafür geben als Robert Fludd, der den Weg einer Nation vorherzusagen vermag und Euch dadurch in die Lage versetzen würde, Konflikte zu vermeiden, zu entschärfen oder, sollte das nicht möglich sein, Euch zumindest auf sie vorzubereiten?«

James lehnte sich auf dem großen Stuhl des Kapitäns zurück, der fest auf dem Deck verankert war, und strich sich mit der Hand über den ungeschnittenen Bart. »Aber die Fähigkeiten dieses Fludd … seine Gleichungen … Sind sie nicht langsam und beschwerlich?«

»Im Detail, ja. Im Allgemeinen, nein. Außerdem kann er seine Fähigkeiten ja noch weiterentwickeln oder dazu bewogen werden, andere in ihnen zu unterweisen.« Ich kam zum Schluss. »Aber, Euer Majestät, solange Fludd lebt, der letzte derer, die Suor Caterina die ›Giordanista‹ genannt hat, ist es meine tief empfundene Überzeugung, dass England und Frankreich sich diese Ressource teilen sollten.«

James Stuart hob den Kopf und blinzelte mich in arrogantem Staunen an. »›Teilen‹?«

»Wäre das nicht das Urteil, das Ihr als ›zweiter Salomon‹ fällen würdet? Dass das Objekt unserer Begierde durch zwei geteilt werden möge?«

James lachte laut und voll. »Wie Wir sehen, habt Ihr Eure Zeit bei Hofe nicht verschwendet, Master de Rochefort. Salomons Urteil! Also gut, also gut … Es ist wahr, dass wir Doktor Fludd gefangen setzen könnten. Aber es ist auch wahr, dass Ihr dann von seiner Existenz wissen würdet. Worauf wollt Ihr eigentlich wirklich hinaus, Sir? Seid ehrlich zu Uns.«

Ich beschloss, das Risiko einzugehen, und antwortete rundheraus: »Ein Vertrag, Sire. Ein Geheimvertrag.«

Er starrte mich an. »Sprecht weiter.«

»Niemand weiß wirklich, ob alle von Brunos Studenten tot oder wahnsinnig sind. Nehmen wir einmal an, dass ein, zwei dieser Giordanista noch immer existieren, in Madrid oder im Vatikan, und dass sie dort die gleichen Dienste leisten, die Ihr und Maria di Medici von Robert Fludd bekommen könntet.«

Ich ließ ihn kurz darüber nachdenken.

»Und falls dem nicht so sein sollte …« Ich zuckte mit den Schultern. »Es könnte sich trotzdem als notwendig erweisen, so zu handeln.«

Schweigend legte James das Kinn auf die Brust. Meine Handflächen wurden feucht. Ich bewahrte jedoch einen ruhigen Gesichtsausdruck; es war in solchen Verhandlungen immer schlecht, das Gegenüber sehen zu lassen, wie viel für einen selbst auf dem Spiel stand.

Wind und Wellen ließen die Martha knarren. Von draußen hallte das Brüllen der Seeleute in der Takelage zu uns herein.

James hob den Kopf. Seine blau-grauen Augen wirkten nun weit weniger wässrig, blickten deutlich schärfer. »Wir haben Uns immer um Frieden bemüht. Mit den angestrebten Ehen für Unsere Söhne und Töchter wären alle königlichen Familien Europas durch Blutsbande miteinander verbunden gewesen. Das wiederum hätte die Bereitschaft zum Krieg drastisch reduziert … Und nun sagt Ihr Uns, dass Wir in die Zukunft blicken und den Erfolg oder das Scheitern solch einer Verbindung sehen könnten, was Uns wiederum in die Lage versetzen würde, solch ein Scheitern zu verhindern …«

Um den Köder noch verlockender zu machen, fügte ich hinzu: »Es wäre allerdings notwendig, dass Doktor Fludd in England bleibt. Ansonsten würde er brennen. Euer Majestät könnte befehlen, dass man ihn unauffällig unter Arrest behält. Die Gesandten der Königin könnten ihn dann nach Absprache besuchen. So könnte man Doktor Fludd Fragen stellen und die Antworten entsprechend weiterleiten. Ein derartiges Abkommen würde von Doktor Fludd verlangen, dass er seine Aufmerksamkeit zu gleichen Teilen zwischen den beiden Völkern aufteilt, doch das sind nur Details.«

James Stuart schaute zum Heckfenster hinaus aufs Meer und dann wieder zu mir. Für einen derart schlaffen Mann wirkte sein Gesichtsausdruck erstaunlich klug. »Und Ihr, Master de Rochefort? Ohne Euch würde niemand Frankreich in dieser Angelegenheit als Partner auch nur in Betracht ziehen. Welchen Nutzen wollt Ihr für Euch daraus ziehen?«

Die ganze Zeit über, da die Martha schwankend und knarrend Bridgwater verlassen und Cornwall umrundet hatte, war ich auf Deck gewesen und hatte über die Implikationen solch einer Vereinbarung nachgedacht. Nach zwei Tagen, die ich so verbracht hatte, hoffte ich, die meisten Fragen beantwortet zu haben. Ich lehnte mich im Fensterrahmen zurück und wischte mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Mein neugewachsener Bart bestand nach wie vor nur aus Stoppeln. Ich schaute James Stuart in die Augen.

»Zunächst einmal, Sire … Zunächst einmal teilen wir hier bereits das Fell des Bären, obwohl dieser noch nicht erlegt ist.«

James lachte grimmig und entspannte sich sichtlich. »Aye. In Regierungsangelegenheiten ist das des Öfteren der Fall. Aber nehmen wir einmal an, der Bär sei schon tot. Was springt für Euch dabei heraus? Weshalb habt Ihr Uns das vorgeschlagen?«

»Meine Prioritäten … unterscheiden sich von den Euren, Sire. Seit ich gezwungen war, Frankreich zu verlassen, galt all meine Sorge Messire de Sully, und ständig habe ich darüber nachgedacht, wie ich ihm von Nutzen sein kann.«

James schaute mich nachdenklich an. »Sprecht weiter.«

»Einen Vertrag zwischen Frankreich und England kann man nicht einfach auf die Schnelle aufsetzen und abschließen. Ich hoffe nur, dass Euer Majestät über meine Worte nachdenken wird, sobald Ihr wieder im Whitehall-Palast seid.«

Ich atmete tief durch.

»Das wäre das eine, Sire, das andere … Ich wünschte mir, dass in einem solchen Vertrag festgeschrieben wird, dass die Güter, Ämter, das Vermögen, die Familie und die Person des Duc de Sully für alle Beteiligten als unantastbar gelten, und dass kein Mann – sei er nun ein Favorit oder gar ein Prinz von königlichem Blut – sich in die politischen Angelegenheiten des Herzogs einmischen darf, zumindest nicht zu dessen Nachteil.«

Ich hielt kurz inne und fügte dann hinzu: »Und sollte diese Bedingung missachtet werden, verliert die betreffende Partei augenblicklich jedwedes Recht auf die Informationen von Doktor Fludd.«