Der Jagdhund Ful

Beschreibung: I:\calibre\Guareschi\Herde\Herde_files\Herde-27.png

Zwei Tage vor Jagdbeginn ging Lampo ein. Er war schon sehr alt und hatte volles Recht, das Dasein eines Jagdhundes satt zu haben, ein Beruf, der für ihn außerordentliche Mühe bedeutete, war er doch nicht der seine.

Don Camillo konnte also nur im Garten bei der Akazienhecke ein tiefes Loch schaufeln, die Leiche Lampos hineinlegen, zuschaufeln und seufzen. Etwa zwei Wochen fühlte sich Don Camillo nicht wohl, das ging aber vorüber, und eines Morgens befand er sich plötzlich - nur der liebe Gott weiß wie - mitten auf den Feldern mit einer Doppelflinte in den Händen.

Eine Wachtel erhob sich aus einem Gemüscacker, und Don Camillo feuerte beide Läufe ab. Die Wachtel flog ruhig weiter, und Don Camillo wollte gerade brüllen: «Du Sauhund!», erinnerte sich aber, daß Lampo nicht mehr da war, und es wurde ihm wieder übel. Er irrte wie ein Verrückter auf den Feldern, längs der Dämme und in den Weingärten umher, schoß wie mit einem Maschinengewehr, erreichte aber gar nichts. Wie sollte man ohne Hund etwas erreichen?

Er hatte nur mehr eine Patrone; eine Wachtel stieg empor, und Don Camillo schoß, als der Vogel gerade hinter einer Hecke verschwinden wollte. Er hatte bestimmt nicht gefehlt, wie sollte er das aber wissen? Vielleicht war er mitten in die Hecke gefallen, vielleicht in das hohe Gras hinter der Hecke? Wie soll man eine Nadel in einer Heuladung finden? Besser, man verzichtet.

Don Camillo blies in die Gewehrläufe und blickte herum, um sich zurechtzufinden und den Weg nach Hause zu finden, als ihn ein Geräusch den Kopf wenden ließ. Aus der Hecke sprang ein Hund hervor, lief zu Don Camillo und warf einen fetten Hasen, den er in den Zähnen hielt, vor seine Füße.

«Donnerwetter!» wunderte sich Don Camillo. «Das ist eine schöne Geschichte. Ich schieße auf eine Wachtel, und der da bringt mir einen Hasen.»

Don Camillo hob den Hasen auf und sah, daß er von Wasser troff. Auch der Hund war ganz naß. Offensichtlich war er vom anderen Ufer gekommen und schwimmend über den Fluß gelangt. Er steckte den Hasen in die Jagdtasche und machte sich auf den Heimweg. Und der Hund hinter ihm. Der Hund folgte ihm, und als Don Camillo im Pfarrhof verschwand, legte er sich vor die Tür und wartete.

Don Camillo hatte noch nie einen Hund von dieser Rasse gesehen. Er war ein wunderschönes Tier und mußte ein ausgezeichneter Jagdhund sein. Vielleicht war er einer jener Hunde mit Stammbaum, wie Graten und Barone; jedenfalls hatte er keinerlei Erkennungszeichen bei sich. Er trug ein schönes Halsband, jedoch ohne sichtbare Nummer, Name oder Adresse.

«Wenn er nicht aus einer andern Welt ist, sondern wenn ihn jemand verloren hat, dann wird dieser Jemand schon zum Vorschein kommen!» dachte Don Camillo. Und er ließ den Hund herein.

Am Abend dachte er vor dem Schlafengehen viel an den Hund, beruhigte aber dann sein Gewissen, indem er beschloß: «Am Sonntag werde ich es in der Kirche verlautbaren!»

Als er am nächsten Morgen zeitig aufstand, um die Messe zu lesen, hatte Don Camillo den Hund vergessen; er kam ihm zwischen die Beine, als er gerade die Kirche betrat.

«Bleib hier und warte!» rief ihm Don Camillo zu. Der Hund legte sich vor der Tür der Sakristei nieder, und als Don Camillo herauskam, war er immer noch da und empfing ihn freudig.

Sie frühstückten zusammen, und als schließlich der Hund Don Camillo die Doppelflinte, die in einer Ecke lehnte, nehmen sah, um sie an den Nagel zu hängen, an den sie gehörte, begann er zu bellen, lief zur Tür und rannte wieder zurück, um zu sehen, ob ihm Don Camillo folge. Er führte diese Komödie so lange auf, bis Don Camillo gezwungen war, die Doppelflinte umzuhängen und sich mit ihm auf die Felder zu begeben.

Er war ein außerordentlicher Hund, eines jener Tiere, die den Jäger moralisch verpflichten und ihn dazu bringen, zu denken: «Wenn ich jetzt nicht treffe, wie schau ich vor dem Hund aus!»

Don Camillo jagte sehr gewissenhaft, denn er kam sich wie bei einer Prüfung vor, und er war, offen gesagt, ein des Hundes würdiger Jäger.

Don Camillo kehrte mit voller Jagdtasche heim und faßte den Entschluß: «Ich werde ihn Fulmine nennen.»

Gleich darauf fiel ihm ein, daß Fulmine, was, wie auch Lampo, Blitz bedeutet, ein zu langer Name sei, und er besann sich eines Besseren: «Fulmine, gerufen Ful.»

Mit seiner Arbeit fertig, gönnte sich der Hund etwas Freizeit und haschte nach Schmetterlingen, eine halbe Meile weg, am Rain einer weiten Kleewiese.

«Ful!» brüllte Don Camillo.

Das war so, als ob von der anderen Seite der Wiese jemand einen Torpedo gegen Don Camillo losgelassen hätte: Der Hund lief wie ein Pfeil, ganz flach über den Boden ausgestreckt, und man sah nur die Furche, die das Tier, das sich durch das Grasmeer einen Weg bahnte, hinter sich ließ.

Und da stand schon Ful vor Don Camillo. Handbreit hing ihm die Zunge heraus, und er wartete auf Don Camillos Befehle.

«Brav, Ful!» sagte Don Camillo. Und der Hund sprang, winselte und bellte wie toll um Don Camillo, als wollte er ihn auf den Gedanken bringen:

«Wenn er nicht bald aufhört, fange auch ich zu bellen an!»

Es vergingen zwei Tage, und ein verfluchter kleiner Teufel hatte sich Don Camillo an die Fersen gehängt und hielt ihm große Reden der Versuchung, so daß Don Camillo fast schon entschlossen war zu vergessen, am Sonntag in der Kirche von dem gefundenen Hund zu sprechen, als er dann am Nachmittag des dritten Tages bei der Heimkehr von der Jagd, mit voller Jagdtasche und mit Ful, der als Führer vorauslief, Peppone begegnete.

Peppone war mißgelaunt. Auch er kam von der Jagd, seine Jagdtasche aber war leer. Peppone erblickte Ful, holte dann eine Zeitung aus der Tasche und faltete sie auseinander.

«Merkwürdig», murmelte er, «das scheint der Hund zu sein, den man sucht.»

Don Camillo ergriff die Zeitung und fand sofort, was er nie hätte finden wollen. Ein Stadtfrack setzte eine reiche Belohnung aus, die jeder bekommen sollte, der ihm helfen könnte, einen Jagdhund (es folgte die Beschreibung) wiederzufinden, der an einem bestimmten Tag und an einer bestimmten Stelle am Fluß verschwunden war.

«Gut», murmelte Don Camillo. «So kann ich mir die Verlautbarung in der Kirche am Sonntag ersparen. Laß mir bitte die Zeitung. Ich geb sie dir später zurück.»

«Ich verstehe schon, es ist aber schade», erwiderte Peppone, «es hat sich im Dorf herumgesprochen, daß er ein ganz besonderer Hund ist. Das scheint auch wirklich wahr zu sein, weil Sie Ihre Jagdtasche zu den Zeiten des seligen Lampo nie so voll heimgebracht haben. Wirklich schade. Wenn ich an Ihrer Stelle wäre...»

«Auch ich, wenn ich an deiner Stelle wäre», unterbrach ihn barsch Don Camillo. «Da ich aber ich bin, muß ich meine Pflicht als Ehrenmann tun und den Hund seinem gesetzmäßigen Herrn zurückgeben.»

Don Camillo betrat eilig das Postamt und gab ein Telegramm an den Stadtfrack auf. Und der kleine, ganz verfluchte Teufel, der sich gerade eine wunderbare Rede an Don Camillo ausdachte, verlor das Spiel. Das ärgerte ihn sehr, weil er damit gerechnet hatte, daß Don Camillo dem Herrn in der Stadt einen Brief schreiben werde; an ein Telegramm hatte er nicht gedacht.

Um einen Brief zu schreiben, braucht man Zeit, fünfzehn, zwanzig Minuten. Und in fünfzehn oder zwanzig Minuten kann ein kleiner Teufel eine Lage von Grund auf ändern. Um ein Telegramm aus ein paar Worten auf einem Postamt hinzuwerfen, braucht man nur einige Sekunden; da kann auch ein großer Teufel wenig ausrichten.

Don Camillo kehrte mit einem ruhigen Gewissen heim, es wurde ihm aber wieder übel. Er seufzte noch stärker als nach dem Tod Lampos.

Der Herr aus der Stadt kam tags darauf mit seinem Aprilia. Er war aufgeblasen und unsympathisch.

«Ist mein Hund hier?» fragte er.

«Hier ist ein Hund, den jemand verloren hat und den ich gefunden habe», stellte Don Camillo richtig. «Sie müssen beweisen, daß er Ihnen gehört.»

Der Kerl aus der Stadt beschrieb den Hund des langen und breiten.

«Genügt das, oder soll ich Ihnen auch seine Eingeweide beschreiben?» fragte er zum Schluß.

«Das genügt», antwortete finster Don Camillo und machte die Tür zum Verschlag hinter der Treppe auf.

Der Hund lag auf dem Boden und rührte sich nicht.

«Ful!» rief ihn der Stadtfrack.

«Heißt er so?» fragte Don Camillo.

«Ja.»

«Merkwürdig», bemerkte Don Camillo.

Der Hund rührte sich nicht, und der Stadtfrack rief nochmals: «Ful!»

Der Hund knurrte, und seine Augen waren böse.

«Er scheint nicht Ihr Hund zu sein», sagte Don Camillo.

Der Stadtfrack bückte sich, faßte den Hund am Halsband und zerrte ihn mit Gewalt aus dem Verschlag heraus. Dann drehte er das Halsband um. Dort befand sich ein Messingtäfelchen, auf dem einige Worte eingraviert waren.

«Lesen Sie, Hochwürden. Hier steht mein Name, meine Adresse und Telefonnummer. Wenn auch der Hund nicht mein zu sein scheint, ist er es doch.»

Der Stadtfrack zeigte Ful den Wagen.

«Auf, steig ein!» befahl er.

Langsam, mit gesenktem Haupt und eingezogenem Schwanz, stieg Ful ins Auto und kauerte sich am Boden zusammen.

Der Herr aus der Stadt nahm aus der Tasche eine Note zu fünftausend Lire und streckte sie Don Camillo entgegen.

«Für Ihre Mühe», sagte er.

«Es war für mich keine Mühe, das Gefundene dem gesetzmäßigen Eigentümer zurückzuerstatten», antwortete Don Camillo und lehnte das Geld ab.

Der Stadtfrack bedankte sich bei Don Camillo.

«Ich bin Ihnen sehr dankbar, Hochwürden. Dieser Hund hat mich einen Haufen Geld gekostet. Reinste Rasse. Er kommt aus einem der besten englischen Zwinger. Er hat schon drei internationale Preise gewonnen. Ich bin ein wenig unbeherrscht, und damals war der Hund schuld daran, daß ich einen Hasen verfehlte, und ich habe ihm hierauf einen Fußtritt gegeben. Er ist ein nachträgerischer Hund.»

«Er ist ein Hund mit Standesbewußtsein», antwortete Don Camillo. «Sie hatten den Hasen nicht verfehlt, richtig ist vielmehr, daß er ihn gefunden und mir gebracht hat.»

«Es wird ihm schon vergehen», grinste der Stadtfrack und bestieg den Wagen.

Don Camillo verbrachte eine verflucht schlechte Nacht, und als er am nächsten Morgen nach der Messe aus der Kirche trat, war er übel gelaunt. Es regnete in Strömen, und ein verfluchter Wind wehte; aber Ful war da.

Er war bis zu den Augen mit Schlamm bedeckt und naß wie ein Scheuerlappen, er lag vor der Tür der Sakristei, und als er Don Camillo erblickte, führte er einen Tanz auf wie im Finale des letzten Aktes einer Oper.

Don Camillo ging mit Ful in den Pfarrhof, wo er sogleich in Schwermut verfiel.

«Nur keine Illusionen», sagte er seufzend. «Er kennt jetzt den Weg und wird wiederkommen.» Der Hund heulte, als ob er verstanden hätte. Er ließ sich von Don Camillo waschen und putzen und legte sich dann vor den Kamin, in dem Don Camillo ein Reisigbündel angezündet hatte, damit Ful trocken werde.

Der Stadtfrack kam schon am selben Nachmittag. Er war außer sich vor Wut, weil er seinen schönen Aprilia dreckig machen mußte.

Erklärungen waren überflüssig; als er den Pfarrhof betrat, fand er Ful zusammengekauert vor dem erkalteten Kamin.

«Es tut mir leid, Sie wieder zu stören», sagte der Stadtfrack. «Sie können aber sicher sein, daß es das letzte Mal ist. Ich werde ihn auf eine meiner Besitzungen in Varesotto geben. Von dort wird er nicht durchbrennen, auch wenn er eine Brieftaube wäre.»

Als ihn der Stadtfrack rief, knurrte Ful böse und bestieg diesmal nicht allein den Wagen, sondern sein Herr mußte ihn mit Gewalt hineinziehen. Und als er drinnen war, versuchte er noch einmal durchzubrennen. Als die Wagentür zu war, sprang er auf den Sitz und bellte wütend.

Am nächsten Morgen verließ Don Camillo unruhig und mit heftig pochendem Herzen den Pfarrhof. Ful aber war nicht da. Ful kam auch am nächsten Tag nicht. Don Camillo fügte sich allmählich in sein Schicksal. So vergingen fünfzehn Tage, in der Nacht des sechzehnten aber, gegen eins, hörte Don Camillo, wie ihn jemand von unten weckte, und es war Ful.

Er eilte die Stiege hinab, und da unten am Kirchplatz spielte sich unter den Sternen die rührendste Wiedersehensszene ab, von der jemals berichtet wurde. So rührend war sie, daß Don Camillo völlig vergessen hatte, im Hemd zu sein.

Ful war in einem fürchterlichen Zustand, schmutzig, ausgehungert und so müde, daß er nicht einmal den Schwanz geradehalten konnte.

Man benötigte drei Tage, um ihn wiederherzustellen, als aber am Morgen des vierten Tages Don Camillo nach der Messe in den Pfarrhof zurückkehrte, packte ihn Ful mit den Zähnen an der Soutane und zog ihn zur Ecke, in der das Gewehr hing, und führte eine solche Szene auf, daß Don Camillo gezwungen war, die Flinte, den Patronengürtel und die Jagdtasche zu nehmen und sich auf die Felder zu begeben.

Es verging eine außergewöhnliche Woche. Ful wurde immer phänomenaler, und Don Camillos Jagdtasche ließ alle andern Jäger der Gegend vor Neid grün werden.

Von Zeit zu Zeit kam der eine oder andere, um den Hund anzuschauen, und Don Camillo erklärte jedesmal:

«Er gehört nicht mir; ein Herr aus der Stadt hat ihn bei mir gelassen, damit ich ihn an Hasen gewöhne.»

Eines Morgens kam auch Peppone und betrachtete Ful schweigend eine Weile.

«Heute gehe ich nicht aus», sagte Don Camillo. «Willst du ihn versuchen?»

Peppone schaute ihn fassungslos an.

«Sie meinen, er käme mit?»

«Ich glaube schon, er weiß nicht, daß du Kommunist bist. Er sieht dich mit mir und glaubt, du wärest ein rechtschaffener Mann.»

Peppone antwortete nicht, weil ihn der Gedanke, diesen außerordentlichen Hund versuchen zu dürfen, alles übrige vergessen ließ. Don Camillo nahm das Jagdgewehr, den Patronengürtel und die Jagdtasche vom Nagel und gab das Zeug Peppone.

Ful, der schon unruhig geworden war, als Don Camillo um das Jagdgewehr ging, staunte über die weiteren Vorgänge.

«Ful, du gehst mit dem Herrn Bürgermeister», sagte Don Camillo. «Ich habe heute zu tun.» Peppone nahm den Patronengürtel und hängte sich das Gewehr und die Jagdtasche um; dann machte er sich auf den Weg. Ful schaute ihn an, dann schaute er Don Camillo an.

«Geh nur», trieb ihn Don Camillo. «Er ist schlimm, aber er beißt nicht.»

Dann folgte Ful Peppone. Er war noch immer fassungslos und drehte sich nach einigen Schritten um.

«Geh nur», wiederholte Don Camillo. «Paß aber auf, denn er wird versuchen, dich in seine Partei einzuschreiben.»

Diesmal ging Ful endlich. Wenn Don Camillo die Flinte, den Gürtel und die Jagdtasche diesem Mann gegeben hatte, dann bedeutete das, daß dieser Mann sein Freund war.

Ful kam nach zwei Stunden zurück, lief eilig in den Pfarrhof mit einem herrlichen Hasen im Maul und legte ihn Don Camillo vor die Füße.

Ein wenig später kam Peppone, keuchend wie eine Lokomotive, wie von allen guten Geistern verlassen.

«Zum Teufel, Sie und Ihr außergewöhnlicher Hund!» brüllte er. «Er ist toll, ganz toll, ein wahres Phänomen, aber er frißt das Wild, einen solchen Hasen hat er mir stibitzt! Die Wachteln und die Rebhühner hat er mir alle gebracht, den schönen Hasen hat er mir aber stibitzt.»

Don Camillo zog den Hasen hervor und gab ihn Peppone.

«Er ist ein Hund, der denkt», erklärte er. «Er hat gedacht, wenn die Flinte und die Patronen von mir waren, dann wäre es auch gerecht, daß ich den Hasen bekomme, der mit diesem Gewehr und mit diesen Patronen erlegt worden ist.»

Ful muß tatsächlich im wahren guten Glauben gehandelt haben. Das war leicht zu begreifen, denn er suchte nicht das Weite, als er Peppone erblickte, sondern machte ihm vielmehr einen Haufen Komplimente. «Ein außergewöhnliches Tier», sagte Peppone. «Ich würde ihn diesem Kerl nicht zurückgeben, auch wenn er mit den Carabinieri käme.»

Don Camillo seufzte.

Der Stadtfrack tauchte eine Woche später auf. Er war zur Jagd gerüstet, mit einem wunderschönen belgischen Doppelgewehr, leicht wie eine Feder.

«Er ist auch von dort durchgebrannt», erklärte er. «Ich bin gekommen, um nachzusehen, ob er vielleicht wieder hier ist.»

«Er ist erst gestern gekommen», antwortete finster Don Camillo. «Nehmen Sie ihn nur wieder.»

Ful erblickte seinen Herrn und fletschte die Zähne.

«Diesmal werde ich es dir zeigen!» rief der Herr aus der Stadt und ging auf den Hund zu.

Ful aber knurrte böse und mit verhaltener Wut. Der Herr aus der Stadt verlor seine Ruhe und versetzte ihm einen Fußtritt.

«Verdammtes Schwein! Ich werde dir Benehmen beibringen!» schrie er. «Leg dich!» Der Hund streckte sich auf dem Boden aus und knurrte, bis Don Camillo eingriff.

«Er ist ein Rassehund. Mit Gewalt kann man bei ihm nichts erreichen. Lassen Sie ihn einen Augenblick in Frieden, und er wird sich beruhigen. Kommen Sie und trinken Sie ein Glas Wein.»

Der Mann betrat das Speisezimmer. Don Camillo ging hinab, um eine Flasche zu holen. Bevor er aber in den Keller ging, schrieb er schnell einen Zettel und gab ihn dem kleinen Sohn des Küsters.

«Lauf damit sofort zu Peppone in die Werkstatt.»

Auf dem Zettel standen nur ein paar Worte: «Der Kerl ist zurückgekehrt. Leihe mir sofort zwanzigtausend Lire, ich will versuchen, den Hund zu kaufen. Ganz dringend.»

Der Stadtfrack leerte einige Gläser, schwatzte über dies und das mit Don Camillo, dann schaute er auf die Uhr und erhob sich.

«Es tut mir leid, aber ich muß gehen. Meine Freunde warten auf mich um elf bei Grocilone. Wir machen eine Treibjagd, und ich muß mich beeilen, wenn ich pünktlich sein will.»

Ful lag noch immer zusammengekauert in seiner Ecke, und als er den Stadtfrack sah, knurrte er feindselig.

Sein Knurren wurde noch drohender, als sich der Kerl ihm näherte.

In diesem Augenblick hörte man das Rattern eines Motorrades, und Don Camillo sah durch die Tür, daß Peppone gekommen war.

Don Camillo machte mit dem Kopf eine fragende Bewegung, und Peppone deutete zustimmend mit dem Kopf. Dann zeigte er seine beiden offenen Hände, dann noch eine ganze Hand und einen Finger der andern. Hierauf fuhr er mit der nach unten gekehrten Handfläche der rechten Hand waagrecht durch die Luft.

Das bedeutete, daß er sechzehntausendfünfhundert Lire hatte.

Don Camillo atmete erleichtert auf.

«Mein Herr», sagte er zum Stadtfrack, «wie Sie sehen, kann Sie der Hund nicht mehr leiden. Solche Rassehunde vergessen nicht, und es wird Ihnen nie gelingen, ihn auf gleich zu bringen. Warum verkaufen Sie ihn mir nicht?»

Don Camillo rechnete im Geiste sein ganzes Vermögen nach und fuhr fort:

«Ich kann Ihnen achtzehntausendachthundert Lire geben; das ist alles, worüber ich verfüge.»

Der Stadtfrack lachte aus vollem Halse.

«Hochwürden, machen Sie keine Witze. Dieses Vieh hat mich achtzigtausend Lire gekostet und ist heute hunderttausend wert. Wenn ich ihm unsympathisch bin, werde ich ihm das schon aus dem Kopf treiben.»

Ohne sich darum zu kümmern, daß Ful die Zähne fletschte, faßte der Stadtfrack den Hund am Halsband und schleppte ihn zum Wagen. Dann versuchte er, ihn mit Gewalt in das Auto zu treiben, der Hund bemühte sich aber heulend loszukommen und zerkratzte mit seinen Krallen den Lack am Kotflügel.

Der Stadtfrack verlor die Ruhe und begann, mit der freien Hand auf den Rücken des Hundes loszuschlagen. Das Tier tobte. Es gelang ihm, die Hand zu fassen, die ihn am Halsband hielt, und versetzte ihr einen Biß.

Der Mann schrie auf und ließ den Hund los, der sich an der Mauer des Pfarrhofes niederließ und von dort knurrend seinen Feind beobachtete.

Don Camillo und Peppone hatten diese Szene offenbar mit offenem Mund verfolgt, und als sie begriffen hatten, was geschah, kamen sie nicht einmal dazu, den Mund zuzumachen. Der Stadtfrack, blaß wie eine Leiche, hatte die Doppelflinte aus dem Auto geholt und sie auf den Hund gerichtet.

«Dieses Schwein!» sagte er mit zusammengebissenen Zähnen und löste einen Schuß.

Die Wand des Pfarrhofes war mit Blut befleckt. Nach einem herzzerreißenden Geheule lag Ful regungslos am Boden.

Der Stadtfrack hatte inzwischen seinen Aprilia bestiegen und sich davongemacht. Don Camillo merkte es nicht einmal, er merkte auch nicht, daß Peppone auf sein Motorrad gesprungen und ebenfalls davongefahren war.

Vor Ful kniend, dachte Don Camillo nur an Ful. Der Hund schaute ihn winselnd an, als ihm Don Camillo den Kopf streichelte. Dann leckte er ihm die Hand. Dann stand er auf und bellte fröhlich.

Nach etwa zwanzig Minuten kam Peppone zurück. Er war unter Hochdruck und ballte die Fäuste.

«Ich habe ihn beim Bahnwärterhaus von Fiumaccio eingeholt. Dort mußte er stehenbleiben, weil die Bahnschranken unten waren. Ich habe ihn aus seinem Aprilia geholt und ihm so viele Ohrfeigen gegeben, daß er zum Schluß ein Gesicht hatte, ein Gesicht, groß wie eine Wassermelone. Er versuchte, nach seinem Gewehr zu greifen. Ich habe es ihm aber auf seinem Rücken zerbrochen.»

Sie waren im Hausflur. Ein Freudengebell unterbrach sie.

«Ist er vielleicht nicht tot?» fragte Peppone.

«Er hat eine Streifwunde am Hinterteil erwischt», erklärte Don Camillo. «Ganz oberflächlich; in ein paar Tagen ist er wieder beisammen.»

Peppone strich sich mit seiner riesigen Hand über das Kinn und war etwas fassungslos.

«Mach dir nichts daraus», erklärte Don Camillo, «moralisch ist er doch ein Mörder. Als er auf den Hund schoß, hatte er die Absicht, ihn zu töten. Wenn auch der heilige Antonius den Schuß fehlgehen ließ, so mindert das um keinen Millimeter die Schurkerei seiner Absicht. Du hast sehr schlecht gehandelt, diesen Unglückseligen so geohrfeigt zu haben, daß er jetzt einen Kopf wie eine Wassermelone hat, weil Gewalt immer verdammenswert ist. Es sei denn...»

«Das ist es: Es sei denn...» sagte Peppone. «Dieser Kerl wird sich bestimmt nicht mehr in unserer Gegend sehen lassen, und Sie haben dabei den Hund gewonnen!»

«Den halben Hund», stellte Don Camillo ruhig fest, «moralisch nämlich schulde ich dir sechzehntausendfünfhundert Lire, die du mir zwar nicht geliehen hast, die du aber bereit warst, mir zu leihen. Zur Hälfte gehört also der Hund dir.»

Peppone kratzte sich am Hinterkopf.

«Donnerwetter», murmelte er, «es gibt doch Priester, die sich als Ehrenmänner benehmen und das Volk nicht betrügen!»

Don Camillo blickte ihn drohend an.

«Junger Mann, wenn wir jetzt mit Politik beginnen, schlage ich andere Töne an und behalte den ganzen Hund.»

«Als ob ich nichts gesagt hätte», rief Peppone, der nicht anders war, als er war, der aber schließlich auch Jäger war. Ein Jäger ist auch ein Mensch, und darum war es Peppone viel mehr daran gelegen, die Achtung für Ful, als die für Marx, Lenin und andere Brüder dieser Art zu bewahren. Ful erschien mit verbundenem Hinterteil im Hausflur und besiegelte mit einem munteren Gebell den Nichtangriffspakt.