VIER
Giordan erstarrte bei ihren Worten. Bei dem widerwärtigen Angebot.
Narcise stand keine zehn Schritte von ihm entfernt, stocksteif gerade, ihr elfenbeinfarbenes Gesicht bleicher als sonst und ohne das Leuchten, das sonst von ihr ausging. Das dunkle, straff zurückgezogene Haar ließ sie noch starrer erscheinen, ihr Gesicht glich jetzt beinahe einer ausgemergelten Fratze. Ihre Kleidung für ihre Kämpfe, diese enganliegende Tunika und Hose, wies feuchte Schweißflecken auf, und dann blühte da auch ein roter Fleck an ihrer Schulter, wo jemand sie verletzt hatte.
Ihr blauvioletter Blick war kalt und dunkel, keine Spur von Drakule Glut darin.
„Ist das, wie Sie es üblicherweise tun? Sie bieten eine Auswahl an?“, fragte er, aufrichtig neugierig und zugleich angeekelt bei dem bloßen Gedanken.
„Zu Anfangs nicht“, sagte sie, wie um Konversation zu machen, obwohl ihre Stimme ganz leicht zitterte. „Zuerst habe ich sie alle bekämpft. Ich habe eine Weile gebraucht, um herauszufinden, dass es weniger schmerzhaft und oft auch schneller vorbei ist, wenn ich einfach wie ein Stück Fleisch daliege.“
Sein Magen verkrampfte sich, als seine Gedanken zu dem großen Bett auf der einen Seite des Zimmers wanderten. Dunkle und unangenehme Bilder schossen ihm durch den Kopf; aber er konnte auch nicht leugnen, dass die Vorstellung von ihr, wie sie dort auf dem Bett lag, nackt und die Glieder von sich gestreckt, betörend war. Mehr als betörend. Wildes, unbändiges Begehren erfasste ihn, noch verstärkt durch die Tatsache, dass der ganze Raum nach ihr roch – nach schwerem, exotischem Ylang-Ylang und Vetiver – und nach Koitus und Blut.
Seine Venen begannen anzuschwellen, als seine Zähne sichtbar zu werden drohten. Er zwang sich, von dem Bett wegzuschauen ... was auch nicht gerade ein kluger Schachzug war, denn da fiel sein Blick auf andere Einrichtungsgegenstände Der Kammer.
Ketten mit Handfesseln hingen von einer getünchten und hell gestrichenen Wand. Genau deshalb, weil es keine rohe Steinmauer war, verlieh das dem Ganzen einen Anschein absurder Normalität. Eine Auswahl an Peitschen. Eine kleine Metallbox. Phallusse aus geschnitztem Elfenbein in verschiedenen Größen. Selbst kleine Messer: zu zierlich, um jemandem den Kopf abzuschneiden, aber sicherlich gefährlich genug, um jemandem damit dekorative Schnittwunden zuzufügen.
Giordan drehte sich der Magen um, in dem Wissen, dass jeder dieser Gegenstände vielfach benutzt worden war. Und das waren nur die Gegenstände, die er mit einem raschen Blick erfasste. Narcise, Narcise ... wie schaffst du es, noch normal sein, nach all dem hier?
„Also, wie möchten Sie es haben?“, drängte sie ihn, ihre Stimme jetzt sehr angespannt. Sie hatte sich absolut unter Kontrolle, was auch er gerade versuchte zu erreichen. „Die Entscheidung kann doch nicht allzu schwer sein.“
„Wo ist das Guckloch?“, fragte er. Fürs Erste musste er ihre Frage einfach ignorieren. Schon allein daran zu denken, untergrub seine ohnehin schon geschwächten Vorsätze, seinem Begehren nicht nachzugeben.
Sie starrte ihn eine Sekunde lang nur verständnislos an, dann flogen ihre Augen kurz zu der Wand gegenüber der Wand mit den Handfesseln und Ketten. Cezar hatte sich nicht einmal die Mühe gemacht, die kleinen Löcher zu verbergen, durch die er alles beobachten konnte, oder musste. Sie waren kaum größer als Pfeilscharten in einer mittelalterlichen Burg, aber es gab mehrere von ihnen auf unterschiedlichen Höhen, in der getünchten Wand. Nicht so offensichtlich, dass sie einen beim eigenen Vergnügen störten, aber ganz gewiss vorhanden.
Ohne Vorwarnung schritt Giordan über den dicken Teppich zu der Wand hin und redete in die dunklen Schlitze hinein. „Ich wünsche nicht beobachtet zu werden, Moldavi.“ Er konnte das Gemisch aus männlichem Trieb und der Lust durch die Schlitze hindurch riechen, und wusste, dass mindestens ein paar von denen, die vorher in dem anderen Raum dabei gewesen waren, jetzt auch dort standen und auf noch mehr Zerstreuung warteten. Und wie er in die dunklen Stellen blickte, sah Giordan das schwache Glühen von mehreren Augenpaaren, rot und orange, brennend, die sich dann blinzelnd abwandten.
Er nahm an, seinen Gastgeber mit seiner Forderung verärgert, vielleicht sogar erzürnt zu haben, aber Giordan war sich sicher, dass der Mann eine Beteiligung an seinem nächsten Gewürzschiff nach China dringend genug wollte, um hier anstandslos den Rückzug anzutreten.
Sein Bedarf an frischem Opium war wohl Beweggrund genug.
Aber dann wiederum: Cezar Moldavi musste immer die Kontrolle über alles haben, und ein Kampf, den er nicht gewinnen konnte, wie den hier mit Giordan, würde ihn unterlegen aussehen lassen.
Als die männlichen Gerüche verblasst waren, und er wusste, sie waren jetzt alle verschwunden, drehte er sich also wieder zu Narcise um. Sie beobachtete ihn misstrauisch, und soweit er sehen konnte, hatte sie sich nicht von der Stelle gerührt.
„Wie möchten Sie es jetzt haben, Cale?“, fragte sie ein drittes Mal. „Sie haben nur bis zur Morgendämmerung.“ Die Ränder ihrer vollen Lippen waren weiß vor Anspannung.
„Weder noch. Ich werde nicht Hand an Sie legen“, sagte er.
Eine angespannte Stille legte sich über den Raum.
„Sind Sie verrückt?“, flüsterte sie. Ihre Hand hatte sich bewegt, und er konnte sie schwach zittern sehen, als Narcise sie an ihren Hals legte. Ihr Gesicht hatte jetzt ein bisschen Farbe.
„Nur ein bisschen.“ Giordan konzentrierte sich auf etwas anderes als sie und sagte, „gibt es in dieser Folterkammer auch etwas zu trinken?“ Blutwhisky würde ihm die Sinne etwas vernebeln.
Narcise antwortete nicht; vielleicht hatte sie auch Angst, die Stimme würde ihr versagen. Aber sie ging zu einem kleinen Kabinettschränkchen, der ihm bislang noch nicht aufgefallen war und holte eine Flasche hervor, von – den Schicksalsgöttinnen sei Dank – Brandy oder Whisky. Kaum hatte sie den Korken entfernt, breitete sich der warme, beißende Geruch in der Luft aus, der Giordan verriet, obwohl Cezar hier nicht seinen besten Whisky bereitstellte, war es immer noch um Längen besser als das, was man in den meisten Schenken Englands bekam. Der bernsteinfarbene Strahl des Getränks, wie er sich in das Glas ergoss, war vorerst das einzige Geräusch in dem Zimmer. Sie schenkte noch ein weiteres Glas ein, was ihn etwas überraschte, und drehte sich dann, um ihn wieder anzusehen. Eines der beiden Gläser ließ sie auf dem kleinen Tisch stehen und entfernte sich, während sie selbst an ihrem Glas nippte.
„Ihr Name ... er ist nicht französisch“, sagte sie unvermittelt. Obwohl sie sich bereits miteinander unterhalten hatten, hatte Giordan nicht wirklich das wunderbar tiefe, rauchige Timbre ihrer Stimme wahrgenommen. Aber jetzt schlängelte sie sich in herrlichen Kringeln um ihn, und sein Bauch erschauerte zuckend in Erwiderung.
„Nein, das ist er nicht, außer er wäre eine Abkürzung für irgendeinen Namen oder einen Ort. Oder mein Vater war einfach ein Engländer. Ich weiß nicht viel über meine Herkunft. Ich bin ziemlich sicher, meine Eltern stammen vom Lande“, sagte er und folgte bereitwillig der vorgegebenen Ablenkung, denn es war ihm selbstverständlich ernst damit gewesen, als er sagte, er beabsichtige nicht, sie anzufassen. Abgesehen davon würde diese Unterhaltung seinem pochenden Gaumen etwas Erleichterung verschaffen, die seine Zähne rausdrängten und auch die Ausbuchtung in seinen Hosen etwas beruhigen.
Er ging durch das Zimmer, um sein Glas zu holen, wobei er sich fragte, ob sie es dort gelassen hatte, um wieder die Oberhand zu erlangen, oder ob sie ihm nicht genug vertraute, um sich ihm so weit zu nähern, dass sie es ihm reichen konnte. „Sie zogen später dann in die Stadt, und ich weiß nicht, was dann passiert ist. Wir waren arm. Ich erinnere mich verschwommen an meine Mutter, aber nichts wirklich Greifbares.“
„Aber Sie sind nicht mehr arm. War das...“, sie zögerte und schaute ihn jetzt mit verzweifelten Augen an. „Hat Er Ihnen Reichtümer versprochen?“
Giordan wusste genau, was sie sagen wollte. „Luzifer erschien mir, nachdem ich schon auf bestem Wege war, so reich wie der König selbst zu werden.“ Das alte unangenehme, bohrende Gefühl stellte sich wieder in seiner Magengrube ein. „Er versprach mir lediglich, dass die Dinge sich nie ändern würden und dass ich mich bis in alle Ewigkeit unermesslicher Reichtümer erfreuen würde. Und ich ... und ich hatte ja auf der Straße, in den Gassen und unter Abwasserbrücken geschlafen. Wenn du einmal fünf Jahre lang jeden Tag hungrig warst, und über ein Jahr lang keine Schuhe oder kein sauberes Hemd gesehen hast, dann tust du aus Verzweiflung alles, um das nie wieder erleiden zu müssen. Zumindest ... habe ich es getan.“
Er nahm einen großen Schluck und schürzte die Lippen, beachtete die Zweifel und die Dunkelheit nicht, die ihn angesichts seiner Erinnerungen an die eigene Vergangenheit überfielen. Warum nur hatte er einer Unterhaltung zugestimmt, die ihn dorthin führte?
„Hat Cezar Sie gezeugt?“, fragte er.
„Nein“, erwiderte sie. „Aber in gewisser Weise schon. Er war es, der den Besuch von Luzifer bei mir arrangiert hat. Wenn er es nicht getan hätte...“, sie zuckte mit den Schultern. „Wenn er es nicht getan hätte, hätte er sein Spielzeug nur für zwei Jahrzehnte oder so haben können, statt elf.“
Ihr Stimme klang sorglos; etwas was Giordan nur schwer akzeptieren konnte. Wie lange war sie schon die Gefangene ihres Bruders? Und wie konnte er sie hier wegbringen? „Luzifer erschien Ihnen also in Ihren Träumen?“, warf er ein und seine Gedanken kehrten sich von Dingen ab, die er nicht ändern konnte. Noch nicht.
„Ist das nicht immer so, wenn himmlische Wesen uns Nachrichten überbringen?“, bemerkte sie trocken. „Oder Einladungen?“
„Für mich ist Luzifer kein himmlisches Wesen“, erwiderte Giordan mit einem ebenso trockenen Lächeln und spürte sogleich ein Zwacken hinten an seiner rechten Schulter, wo sein Teufelsmal seine Haut mit Narben überzog. Luzifers Verärgerung oder Zorn machte sich oft spürbar durch die wurzelähnlichen Striemen, die sich hinten an seiner Schulter befanden.
„Nein, natürlich ist er das nicht mehr. Aber er war einmal befreundet mit Uriel und Michael und Gabriel.“
Ihm fiel auf, dass ihr Gesicht weniger angespannt war, und als sie sich einen Stuhl aussuchte, um sich darauf niederzulassen – immer noch etwas von ihm entfernt, aber zumindest kam sie dort etwas zur Ruhe –, spürte er, wie sie sich allmählich entspannte. Was sicher auch daran lag, dass ihr Gespräch sich jetzt von den gefährlichen Themen wegbewegte, hin zu Engeln, gefallene und andere, und der Art von Welt, in der sie beide lebten.
„Und dann ist Luzifer gefallen“, fügte sie hinzu, ihr Gesicht ernst. Gezeichnet. „Genau wie wir.“
„Man muss nicht ein böses, restlos selbstsüchtiges Leben führen, selbst wenn man ein Drakule ist“, sagte Cale und musste seine Zähne zusammenbeißen, angesichts des jähen, brennenden Schmerzes.
Narcise fixierte ihn nachdenklich mit ihrem Blick. Wenn sie gerade einen ähnlichen Schmerz durchmachte, verbarg sie es gut. Aber dann wiederum, sie hatte auch schon viel Übung darin. „Mir ist bislang noch kein Vampyr untergekommen“, sagte sie, wobei sie das alte Rumänische Wort für die Drakule verwendete, „der nicht ausschließlich zum eigenen Vergnügen lebt, auf Kosten des Lebens, der Würde und der Schmerzen anderer. Mich selbst nehme ich nicht aus. Ist das nicht, wie man uns erschaffen hat? Dem haben wir doch zugestimmt?“
Giordan konnte es kaum fassen, dass sie hier gerade ein solches Gespräch führten. Luzifer würde sie sicherlich bei lebendiger Haut an ihren Teufelszeichen verbrennen, denn er selbst hatte jetzt Schwierigkeiten zu atmen, wie ihn der Schmerz gerade glühend heiß durchströmte. Wenigstens wurde er dadurch von der Lust und dem Begehren abgelenkt, die sie ihm verursachte.
Vielleicht war dieses offene Gespräch auch dem Whisky geschuldet. Vielleicht lag es daran, weil sie dieselbe Verbindung, die er wahrnahm, ebenfalls zwischen ihnen spürte – wenn auch unbewusst. Vielleicht hatte sie niemanden sonst, mit dem sie über diese Themen sprechen konnte. Er konnte sich nur schwer vorstellen, wie sie und Cezar so miteinander diskutierten.
„Es ist auch als Drakule möglich, ein ehrenhaftes Leben zu führen. Ich kenne wirklich einen, der es tut“, sagte er.
„Sie?“, ihre Augen verengten sich skeptisch.
„Nun“, sagte er und ließ etwas Leichtigkeit in seiner Stimme mitklingen, und verbarg die Pein, die ihm gerade die Schulter herabbrannte. „Ich habe nachweislich schon die eine oder andere edle Tat vollbracht. Aber ich sprach von meinem Freund Dimitri, dem Earl von Corvindale. Er hat seit über hundert Jahren von keinem Menschen getrunken. Er sucht, um genau zu sein, einen Weg, den Pakt mit Luzifer aufzukündigen.“
„Unmöglich“, sagte sie.
„Ich weiß. Aber er versucht es dennoch. Er verlässt seine Studierstube nur sehr selten, und dann auch nur auf der Suche nach neuen Manuskripten oder Schriften.“
„Und das ist also warum...“ Ihre Stimme verstummte, und sie presste gedankenverloren die Lippen aufeinander.
Giordan vermutete, dass er wusste, was sie gerade sagen wollte. Obwohl er damals nicht dort gewesen war, war ihm die Geschichte jener Nacht in Wien 1690 bekannt, als Dimitris Haus niederbrannte. In jener Nacht hatte Cezar sich dort uneingeladen Zutritt verschafft und seinem Gastgeber Narcise als Geschenk angeboten – der dankend abgelehnt hatte, er hatte nicht das geringste Interesse an ihr gezeigt.
Wie Dimitri der Frau gegenüber gleichgültig sein konnte, die jetzt ihm hier gegenüber saß, war jenseits von Giordans Vorstellungskraft, aber er war in vielerlei Hinsicht dankbar dafür.
„Was ist in der Box?“, fragte er, als ihm die kleine Metallbox wieder auffiel, die sich inmitten von Gegenständen befand, die allesamt eines Marquis de Sade würdig gewesen wären.
„Wenn Sie mir ernsthaft kein Leid antun wollen ... dann bitte öffnen Sie sie nicht“, sagte sie rasch. Die Anspannung war wieder in ihr schönes Gesicht zurückgekehrt.
„Es muss Ihre Asthenie sein“, sagte er. „Und ihr Bruder lässt zu, dass man sie hier aufbewahrt, wo Sie sich ohnehin schon im Nachteil befinden?“ Wut ließ ihn ganz kalt werden. Cezar Moldavi war einer der Drakule, der es wahrhaft verdiente, auf ewig in der Hölle zu schmoren.
Anstelle einer Antwort schaute Narcise ihn nur an, was einer Bejahung seiner Frage gleichkam, seiner Meinung nach.
„Vielleicht werden Sie mir eines Tages genug vertrauen, um es mir zu erzählen“, fuhr er fort.
Er stand auf, ging hinüber zu der Flasche Whiskys und schenkte sich ein weiteres Glas ein. Als er daran nippte, drehte er sich um und sah wieder zu Narcise. Maßloses Begehren machte, dass ihm das Herz fast stehen blieb und sein Atem sich veränderte, aber er vergrub es tief, sehr tief.
Nicht jetzt.
Nicht hier.
Nicht heute Nacht.
Er packte sein Glas fester, konzentrierte sich auf den Geruch des Alkohols und nicht auf die Essenz dieser Frau, die sein ganzes Bewusstsein füllte. Nicht die einladende Kurve ihres Kinns, die er plötzlich sehr gerne mit den Lippen gestreift hätte, nicht die elfenbeinerne Säule ihres Halses, so schlank und elegant.
„Warum haben Sie das hier getan?“, fragte sie.
„Aus einer ganzen Reihe von Gründen, und alle davon – nun, sagen wir, die meisten – recht edel.“
Narcises Augen wanderten hoch und schauten ihn über den Rand ihres Glases an. „Als da wären?“
„Ich habe Sie fechten sehen, und ich wollte Ihr Können selbst erkunden. Ich wollte eine Gelegenheit bekommen, mit Ihnen zu sprechen.“
Ihre Augen waren jetzt Schlitze, und sie leerte ihr Glas in einem Zug. „Aber wir haben nicht gefochten, Monsieur Cale“, sagte sie, ihre Stimme noch rauchiger, jetzt auch schwer vom Whisky. „Und Sie wussten, dass ich nicht in bester Verfassung–“
„Was genau der Grund war, warum ich es vorzog, es zu tun, wie es heute Abend geschah. Ich war mir natürlich nicht ganz sicher, ob ich Sie besiegen könnte, und daher hielt ich es für das Beste sicher zu stellen, alles liefe zu meinen Gunsten ab.“ Insgeheim stellte Giordan fest, dass ihm dieses Eingeständnis überhaupt nichts ausmachte. Jedoch... „Ich verstehe voll und ganz. Sie kennen mich nicht sehr gut, aber ich empfinde es durchaus als eine Beleidigung, Sie könnten von mir denken, ich wollte gewinnen, damit ich Sie dann mit mir in einem Zimmer einsperren kann, um Sie dann dort zu vergewaltigen.“ Er nahm einen weiteren Schluck aus dem Glas, welches er mittlerweile so fest umklammerte, dass er fürchtete, es könnte ihm zerspringen.
Bei seinen offen ausgesprochenen Worten schnappte ihr das Kinn hoch, ein schockierter Gesichtsausdruck huschte über ihre Züge. „Warum hätte ich anders von Ihnen denken sollen?“, fragte sie ... aber in ihrer Stimme war weder Anklage noch Rechtfertigung zu hören. Nur Erschöpfung.
„Weil“, sagte er, während er sie beobachtete, „als Sie vor drei Wochen von mir getrunken haben, habe ich nicht einmal ein lüsternes Hauchen in deine Richtung von mir gegeben, Narcise. Obwohl alles was ich tun wollte, war, dir meinen Arm aus dem Mund zu entreißen und dich dort gegen die Wand zu drücken und meine Zähne in deiner Schulter zu versenken ... und dann in deinem Arm ... und deinem Busen ... und innen, dort an dieser zarten Stelle deiner Schenkel...“ Seine Stimme wurde tiefer, unsicher und rauh. „Und dann hätte ich meine Zunge genommen, lang und feucht und warm ... überall auf deiner Haut.“
Ihr Keuchen war deutlich zu hören, und Röte stieg ihr ins Gesicht. Ihre Blicke trafen sich, und er ließ sie die brennende Lust in seinen Augen sehen. Die nackte Begierde.
„...ich will meine Hände voll von dir haben, dich schmecken. Ich vermute, du machst einen Mann satt und warm, herrlich wie es auch ein gewürzter Pudding tut, süß und dennoch mächtig. Ich will meinen Körper an deinem entlanggleiten lassen, spüren, wie deine Haut sich an meiner reibt, anfühlt, vermischt. Die Hitze der Reibung zwischen uns.“
Er wusste seine Worte waren so leise, dass Narcise sie kaum hören konnte, aber das Heben und Senken ihrer Brust und das immer stärkere Brennen in ihren Augen verrieten ihm, ihre Ohren hatten alles gehört.
„Als du in mich eingedrungen bist“, fuhr er fort und betörte sie mit seinen Worten, streichelte sie mit dem Klang seiner Stimme, „wusste ich, du bist es. Es wird immer nur dich geben. Narcise.“
Sie machte eine abrupte Bewegung, die Röte in ihren Wangen verblasste wieder. „Betörende Worte, Monsieur Cale. Aber wie lächerlich sie doch aus dem Munde eines Mannes sind, der ewig leben wird.“
Giordan zuckte mit den Schultern und konzentrierte sich darauf, wie seine Füße breitbeinig und fest auf dem Boden standen. Dort verwurzelt, im Steinboden verankert, und ihn davon abhielten, zu ihr zu gehen, und ihr Gesicht in seine Hände zu nehmen, um ihr zu zeigen, wie sicher er sich seiner Sache war. „Ich habe noch nie etwas Derartiges empfunden, Narcise. Und ich habe schon eine halbe Ewigkeit Zeit gehabt.“
Er spürte das Gewicht ihres Blickes auf ihm und sah dort auch die Andeutung eines Schimmers, ein zartes Glühen. Sein Gaumen wurde ihm wieder eng, schwoll an, und mit aller Gewalt schob er die Erinnerung an ihren Mund an seinem Arm, um ihn, von sich und an ihre Lippen, die an seinem Handgelenk entlang spielten. Die Erinnerung an ihre Zunge, die durch seine Bluthitze gewandert war, konnte er nicht verdrängen, ebenso wenig die Begierde, die in ihren Augen brannte.
„Ich sagte, ich würde nicht Hand an dich legen“, hörte er sich selbst sagen. „Aber das heißt nicht, dass du mich nicht berühren kannst.“