DREI
Narcise machte eine Drehung mit dem Säbel hoch über ihrem Kopf und ließ ihn mit der flachen Seite gegen den Kopf ihres Gegners niedersausen, der um einiges größer war als sie.
Er stolperte, seine roten Augen waren jetzt weit aufgerissen, und er drosch mit seinen Armen wild um sich.
Er fletschte seine Zähne zu einem wüsten Lächeln, sie setzte bei dem Schlag noch einmal nach, wirbelte auf den Ballen ihrer bloßen Füße herum und keuchte dann fast, als sie Giordan Cale neben ihrem Bruder sitzen sah.
Vor einem Augenblick war er noch nicht dort gewesen.
Das wütende Brüllen ihres Gegners lenkte ihre Aufmerksamkeit wieder auf den Kampf zurück, und Narcise packte das Schwert fester mit ihren plötzlich klammen Händen, genau dann, als er sich auf sie stürzte. Sie konnte es sich nicht leisten, unaufmerksam zu sein; sie musste ständig auf der Hut sein.
Sie war schon bereit gewesen, dem hier ein Ende zu machen, und hätte schon das Schwert an seiner Kehle gehabt, wenn der Anblick von Cale sie nicht abgelenkt hätte.
Er saß ein bisschen hinter ihrem Bruder, als hätte man für den späten Gast noch schnell einen Stuhl an den Tisch gestellt, an dem sich schon einige andere Zuschauer niedergelassen hatten. Obwohl sie im Schatten lagen, konnte sie erkennen, dass seine Augen nur auf ihr lagen, und selbst von hier aus, konnte sie die Hitze in ihnen spüren.
Ich hätte eingegriffen.
In die Hölle und dann retour mit dem Kerl, wenn sie ihre Konzentration nicht wiederfand, müsste er heute Abend vielleicht wirklich eingreifen. Nicht, dass Cezar das zulassen würde.
Narcises Gedanken waren daher zum Teil nicht bei der Sache, als sie über einen flachen Tisch setzte, sich etwas Raum zum Nachdenken verschaffte, und Distanz zu ihrem Widersacher. Jetzt stand sie mit dem Rücken zu dem Podium, auf dem die Zuschauer saßen, und obschon sie spürte, wie Cales Blicke sich in ihren Rücken bohrten, lief sie keine Gefahr mehr, seinen Blick zu kreuzen und sich darin zu verfangen.
Wut brach sich einen Weg aus ihr heraus, befeuert durch ihre Unsicherheit, und das wiederum gab ihr die Geschwindigkeit, sich unter dem Schwert des anderen weg zu ducken, eine Pirouette zu vollführen und sich eine Scheibe vom Arm ihres Angreifers herauszuschneiden.
Er schrie erneut vor Wut auf, aber sie war schneller, als es ihm sein langer, schlaksiger Körper gestattete – und sein von Lust vernebelter Kopf vermochte ebenso wenig, Schritt zu halten – und sie schnappte sich einen Stuhl und schleuderte diesen zu ihm hin. Das Krachen von Holz, das auf Knochen traf, dann fiel es krachend zu Boden, das verriet ihr, sie hatte selbst blind ihr Ziel gut getroffen. Sie machte dann eine Drehung auf Zehenspitzen, wirbelte herum, um ihn wieder anzusehen. Und dann war sie schon da, griff an, benutzte ihre Klinge, um den Mann durch sein Hemd und seinen Arm hindurch am Tisch festzunageln, bevor er sich erholen konnte.
Den Pflock hatte sie schon einen Atemzug darauf in der Hand, und sie setzte ihm den Pflock auf die Brust. „Ergib dich“, herrschte sie ihn an.
Er ergab sich, und sie trat einen Schritt zurück, entfernte ihre Waffen vorsichtig, wie sonst auch immer, und beobachtete, wie er sich das Gesicht mit einem Ärmel abwischte. „Großvotzige Schlampe“, sagte er, sein Gesicht eine hässliche Fratze. Da war kein Funken Lust mehr zu sehen.
„Schwanzlutscher“, erwiderte sie gelassen und verachtungsvoll auf diese vorhersehbare Reaktion. „Kein Spaß für dich heute Nacht.“
Sie schaute zu, wie er zur Tür hinkte, die von Cezars Wachen geöffnet worden war, und rammte ihren Säbel in die Scheide. Und dann holte sie tief Luft und drehte sich um, um auf ihre eigenen Wächter zu warten, die sie in die Einsamkeit ihrer Zelle führen würden.
Heiße, schwere Augen bohrten sich von hinten in sie, und sie wusste ohne einen Zweifel, dass es Giordan Cale war, der sie derart anstarrte. Sie schluckte und merkte, wie ihr die Hände zitterten, und dass ihr Körper angefangen hatte, abwechselnd heiß und kalt zu werden.
Es war vor drei Wochen gewesen. Drei Wochen. Und nicht nur hatte Cezar sie nicht dafür bestraft, von Cale zu trinken, er hatte dazu nicht einmal etwas angemerkt. Sehr seltsam, und ganz im Grunde beunruhigend.
Und obwohl Cezar sich nicht die Mühe gemacht hatte, den Zwischenfall in jener Nacht später nochmals zu erwähnen, war Narcise nicht in der Lage, diesen aus ihren Gedanken und Träumen zu bannen. Selbst jetzt noch spürte sie, wie ihre Venen pulsierten und anschwollen, vor Begehren und mit unbefriedigter Lust.
Sie war sich vage der Stimmen hinter sich bewusst, Stimmen von dem Podium, und der raspelnden Tiefe, die sie als Cales Stimme erkannte ... gefolgt von einem kurzen Auflachen und dann einer Bestätigung durch Cezar.
„Narcise“, sagte ihr Bruder herrisch.
Sie hatte keine andere Wahl, als sich umzudrehen und das Publikum anzuschauen. Ihr Blick überflog rasch drei Paare männlicher Augen, voller Lust und wilder Gier ... höchstwahrscheinlich zukünftige Kampfgegner ... und den belustigten Gesichtsausdruck ihres Bruders. Cale ... er war aufgestanden und bewegte sich auf sie zu.
„Was hast du mir zu sagen?“, erwiderte sie, genauso knapp angebunden. Schau ihn nicht an.
„Monsieur Cale bedauert, den größten Teil der Lustbarkeiten des heutigen Abends verpasst zu haben. Und er hat einen besonderen Wunsch ausgesprochen.“
Auf einmal wurde ihr am ganzen Körper kalt, ihr Magen sackte ins Bodenlose. Cale hatte ein Schwert in der Hand, und er begutachtete die Klinge.
„Er wünscht, selber eine Runde zu unserer Unterhaltung beizutragen.“
Ein jäh aufleuchtendes Licht nahm ihr kurz die Sicht und verblasste dann wieder. Zwei Kämpfe an einem Abend? Trotz der Tatsache, dass sie bei dem letzten Kampf ihrem Gegner haushoch überlegen gewesen war, bedeutete das noch lange nicht, dass sie auch einen zweiten Kampf gewinnen würde.
Insbesondere gegen den blonden Mann, der sich gerade vor ihren Augen den Mantel abstreifte.
Cale hatte keinen Blick für sie übrig, als er den Mantel auf den Tisch warf und begann, seine Weste aufzuknöpfen, dann seine Manschetten und danach sich die Ärmel bis zu den Ellbogen hochzukrempeln.
Als sie ihn mit wachsender Beklemmung beobachtete, blickte er zu ihren nackten Füßen und zog sich dann seine eigenen hochhackigen Schuhen mit den Schnallen ab ... und dann die Socken, die ihm bis an die Kniebundhose reichten. Narcise blickte kurz auf seine nackten, muskulösen Waden und riss die Augen dann von ihm los.
Sie sollte gegen ihn kämpfen?
Und wenn er gewann, würde er sie zu Der Kammer fortzerren.
Ein Knoten bildete sich in ihrem Magen, wurde schwerer und immer dicker. Ich darf ihn nicht gewinnen lassen.
„Ich möchte andere Waffen haben“, kündigte sie an. Ein zweischneidiges Breitschwert wäre schwerer, aber es würde ihr auch einige Vorteile verschaffen.
„Dasselbe wollte ich auch gerade vorschlagen“, sagte Cale und sprach zum ersten Mal mit ihr.
Sie konnte nicht umhin, ihn anzuschauen, und zu ihrer Bestürzung war die Hitze aus seinen Augen entschwunden und einer kühlen Beherztheit gewichen. Ihr drehte sich der Magen um, denn sie hätte es vorgezogen, dort ein Gefühl zu sehen, das sie gegen ihn verwenden könnte. Wie etwa Lust oder Begehren.
„Ich schlage vor, jeder von uns hat lediglich einen Holzpflock, Mademoiselle. Sie sollten vielleicht den aus Ihrem Haar entfernen und ebenso den in der Innentasche Ihrer Tunika und sich für einen der beiden entscheiden.“
Narcise verbarg ihre Besorgnis angesichts der Aussicht auf einen derart körpernahen Kampf, Mann gegen Mann. Sie war leichter, sagte sie zu sich selbst. Geschmeidig und flink.
Aber dann wiederum ... das war der Mann, der per Überschlag von einem Dach gesprungen war, vier Stockwerke tiefer, nur um damit seine Freunde zu unterhalten. Oder so hatte man es ihr zugetragen.
„Wenn Sie Holzpflöcke vorschlagen, heißt das ein Kampf auf Leben und Tod“, sagte sie und hielt ihre Augen kühl. „Sie sind ein mutiger Mann, Monsieur Cale, denn Sie wissen um meine Fähigkeiten.“
Der Raum war so still, das einzige Geräusch war das Rauschen in ihren Ohren und das Knistern und Knacken von der Feuerstelle auf dem Podium.
„Wenn das Ihr Wunsch ist, Mademoiselle, dann beuge ich mich dem selbstverständlich gerne.“ Da flackerte etwas in seinen Augen, fast sanft, aber dann war es weg. „Du“, befahl er einem von Cezars Angestellten, als wäre es sein eigener. „Ein Taschentuch oder einen Schal.“
„Was, wollt ihr etwa mit verbundenen Augen kämpfen?“, krähte einer von den Zuschauern. „Das wird vielleicht ein Anblick werden.“
„Nein, ich denke, das ist es nicht, was Cale vorschwebt“, lispelte Cezar, Entzücken in seiner Stimme. „Er möchte, dass ihre Hände aneinander gebunden werden. Narcise!“
Das letzte war in Befehl von ihm, und zuerst konnte sie sich nicht dazu bringen, sich zu bewegen. Sie beabsichtigten, ihre Handgelenke aneinander zu fesseln, so dass keiner sich zurückziehen konnte. Oder springen oder einen Ausfallschritt machen.
Sie konnte nicht atmen. Der Verstand versagte ihr, und Furcht gewann die Oberhand. Schon jetzt konnte sie seinen Körper auf sich spüren, seine Hände, wie sie ihr die Kleider vom Leib rissen, sein Mund und seine Zähne an ihr.
Wie fürchterlich, schrecklich sie ihn doch unterschätzt hatte.
Das Zwischenspiel in seinem Haus, wo er mehr als ein Gentleman gewesen war, menschlicher und unaufdringlicher, als sie es je erfahren hatte ... war eine Lüge gewesen.
In Wirklichkeit war er wie die anderen: blind vor Lust, angetrieben von Prahlerei.
Ohne jedes Gefühl bewegte sich Narcise auf Cale zu, hob ihren rechten Arm; denn sie war im Kampf Linkshänderin. Sie standen sich gegenüber, und seine starken, nackten Finger schlossen sich um ihre Hand, als wolle er eine Runde Armdrücken spielen. Das Gefühl ihrer Hand in seiner erinnerte Narcise an jenen intimen Moment, in dem ihre Finger sich ineinander verschränkt hatten, damit sie von seinem entblößten Handgelenk trinken konnte. Der Diener wickelte den Schal um ihre Hände, band ihn fest zusammen, und besorgt stellte sie fest, dass sein Arm fast doppelt so lang war wie ihrer.
Wärme strömte von seiner Haut in ihre hinein, und sie spürte das Hämmern eines Pulses, wo die zarte Haut ihrer Handgelenke aneinander lag. Ob der Puls zu ihr oder zu ihm gehörte, wusste sie nicht zu sagen. Aber sie war sich seines rauchigen, vollen Dufts sehr bewusst, und der Größe seiner nackten Füße, nur wenige Zentimeter von den ihren entfernt.
Sie konnte ihm nicht in die Augen schauen, stattdessen suchte sie sich einen Punkt irgendwo hinter seiner Schulter, als sie sich anschickten, gegeneinander anzutreten.
„Beginnt“, rief Cezar, und so geschah es.
Zuerst umkreisten sie einander in einem unsicheren Tänzeln, so weit voneinander entfernt, wie ihre Fesseln das zuließen, sachte und ohne einen gemeinsamen Takt, während jeder die Stärke des anderen zu ergründen suchte, seine Strategie und seine Schritte. Nach einem kurzen Blick, mied sie seine Augen, und beobachtete stattdessen den Rest seines Körpers. Dann sprang Cale vorwärts, sie tanzte ihm leichtfüßig davon.
Aber Narcise war nicht so leicht zu täuschen; sie wusste, er hatte sich nicht so schnell und so gewandt bewegt, wie er es konnte. Er stellte sie auf die Probe, um zu sehen, wie sehr der vorhergehende Kampf sie ermüdet hatte.
Sie verlegte sich darauf, genau auf die Signale zu achten: seine Augen, der Wechsel in seinem Atem, die Balance und die Gewichtsverlagerung seiner Beine und seines Mittelpunkts, und als er wieder vorwärts stürzte, war sie gewappnet. Ihre freien Arme kollidierten, als sie ihren hob, um seinen Schlag abzuwehren, und Schmerz zuckte jäh an ihrem ganzen Arm entlang.
Narcise schluckte ihren Schrei herunter und griff ihn an, bevor er seine Position wieder vollständig einnehmen konnte, prallte an einem Schlag von seinem Arm ab. Und ohne zu zögern, duckte sie unter ihren gekreuzten Armen hindurch und wickelte sich um ihn, aber Cale war zu schnell, und er wirbelte in gleichen Moment nach unten und herum, und verhinderte, dass sie ihm in den Rücken fiel. Sie war müde und bewegte sich daher nicht so schnell wie sonst.
Aber sie musste.
Zorn brannte in ihr. Sollte sie die Gelegenheit bekommen, würde sie ihn töten. Es gab keinen Grund zu zögern; denn andernfalls, würde er sie sich nehmen.
Und das würde sie nicht ertragen. Nicht nach all diesen Wochen, der Hoffnung. Ihrer Träumereien und Hoffnungen.
Bitterkeit trieb sie voran, und sie schlug blitzschnell mit dem Pflock zu, ließ ihn mit all ihrer Kraft auf seine Schulter niedersausen. Er grunzte überrascht, und sie hätte schwören können, seine Augen belustigt aufblitzen zu sehen – aber da tänzelte sie schon wieder von ihm weg.
Er brachte sie mit seiner nächsten Bewegung zum Stolpern, und sie verlor das Gleichgewicht. Sie fing sich wieder mit dem rechten Fuß, aber nicht bevor er sich nicht schnell verdrehte. Als Nächstes hielten sie ihre gefesselten Arme mit dem Rücken an seinen Oberkörper gepresst, wie einen Tanzschritt, und er hatte seinen Pflock in Position, über ihrer Brust. Ihre eigene gefesselte Hand wurde ihr von seiner gegen den Bauch gedrückt, und ihr eigener Körper bildete einen Schutzschild für ihn, an dem ihr Pflock nicht vorbeikam.
„Schachmatt“, murmelte er ihr ins Ohr, und verflucht noch mal, seine tiefe Stimme prickelte in ihr wie kleine Nadeln.
Sie versuchte, ihm auf den Fuß zu treten, um endlich eine Zielscheibe für ihren Pflock zu haben, aber er war darauf vorbereitet und verlagerte nur sein Gewicht, was sie wieder aus dem Gleichgewicht brachte.
„Bist du sicher, dass du bis zum Tode kämpfen willst?“, fügte Cale hinzu, wieder ganz nahe an ihrem Ohr. „Ich hatte mir ein anderes Ende vorgestellt.“
Ekel und Hass schossen durch sie hindurch, und Narcise zog hart an ihren gefesselten Händen, zerrte ihn mit einer wüsten Drehung herab.
Er schnaubte vor Schmerz, und für einen Augenblick glaubte sie, ihn überrumpelt zu haben. Aber sein Bizeps spannte sich sogleich wieder an, und er riss sie wieder an sich, so hart, dass ihr die Luft wegblieb, als sie gegen seine Brust krachte.
Sein Pflock kam ihrem Hals jetzt näher und verharrte dort, als eines seiner kraftvollen Beine sich bewegte, sich nach vorne um ihr Bein legte, so dass er sie nach vorne beugen konnte, und auf diese Weise ihre Füße unbeweglich machte. Jetzt war sie leicht vornübergebeugt, zum Boden hin, ihr Pflock hing nutzlos von ihrem Arm herab, ohne einen Angriffspunkt.
„Und jetzt müssen Sie mich pfählen“, sagte sie und biss die Zähne zusammen. „Denn das war die Vereinbarung.“
Cezar hatte begierig zugesehen, und jetzt fing er an, laut und heftig in die Hände zu klatschen. „Gut gemacht, Cale“, sagte er und stand auf. „Sie sind seit Jahren der Erste, der Narcise besiegt hat.“
Sie warf ihrem Bruder einen finsteren Blick zu und sagte, „und das ist ihm nur gelungen, weil er abgewartet hat, bis ich müde war. Er hätte nicht gewonnen, wenn ich ausgeruht gewesen wäre.“
Cales Arme packten sie kurz etwas fester an, und sie spürte die Schwingung seiner Brust, als er sprach, „aber die Frau hat Recht ... sie hatte sich schon verausgabt. Daher, werde ich mein Recht ausschlagen, sie zu töten – wie sie es angeboten hat – und stattdessen die übliche Beute in Anspruch nehmen. Wenn Sie einverstanden sind, Moldavi.“ Er sprach fast nachlässig, aber in seiner Stimme lag eine Schärfe verborgen, die deutlich machte, er duldete hier keinen Widerspruch.
„Na gut, also dann“, erwiderte Moldavi sofort, Narcise, die auch die kleinste Nuance im Tonfall ihres Bruders zu deuten wusste, hörte da die Unzufriedenheit heraus, aber sie war sich nicht sicher, ob es daran lag, dass er sie lieber tot sähe, oder weil sie verloren hatte.
Ungeachtet der Tatsache, dass er ihr solche Kampfsituationen aufzwang, verspürte Moldavi eine perverse Art von Stolz, was sie betraf; daher warf ein Fehler oder eine Niederlage in ihrem Kampf ein schlechtes Licht auf ihn.
„Ausgezeichnet“, sagte Cale, und er ließ Narcise los, so dass sie wieder alleine stehen konnte. „Lass deine Waffe fallen, ma chère. Ich habe den einzigen Pflock, den wir noch brauchen.“ Er lachte kurz zum Podium hin, und die übrigen Zuschauer ließen leises Lachen erschallen.
Der Diener trat heran, um sie loszubinden, aber Cale gebot ihm mit erhobener Hand Einhalt. „Das ist nicht nötig. Ich werde mich gleich selbst darum kümmern.“ Wieder schaute er Narcise an. „Lass den Pflock fallen“, wiederholte er, seine Stimme war jetzt etwas schneidend. „Ich möchte nicht, dass ich mich deiner erwehren muss.“
Narcise fiel auf, wie ihre Knie schlotterten, derart, dass sie kaum stehen konnte. Ihr Magen fühlte sich an, als ob er jeden Moment explodieren würde, und sie war sich sicher, ihr Puls raste so laut, dass er es hören konnte. Sie vermochte kaum, sich dazu zu zwingen, die Finger zu lösen, um den Pflock fallen zu lassen, aber schließlich fiel er doch klappernd zu Boden.
Cale blickte sie kurz an, seine Stirn gerunzelt, aber sie wich seinem Blick aus. Narcise sog die Luft ein und richtete ihre Schultern auf, um stolz dazustehen, als er sie zur Tür aus dem Zimmer zog.
Warum hatte sie solch eine panische Angst? Sie hatte das Entsetzen und die lähmende Angst doch vor langem überwunden. Sie hatte gelernt, es über sich ergehen zu lassen, weiterzuleben ... sich gegen die Bedürfnisse der Blutlust ihres eigenen Körpers durchzusetzen, diese reflexartige Antwort auf frisches Blut und Penetration. Da war nichts, was sie nicht schon einmal durchgemacht hatte. Es gab nichts, was er ihr antun konnte, was man ihr nicht bereits angetan hatte.
Aber sie wusste, wo das Problem lag. Nicht nur hatte Cale sie um die Phantasie betrogen, die sie sich von ihm gemacht hatte, da war auch noch, in ihr, diese immer noch vorhandene, leise Begierde. Sie begehrte sein Blut und die Erinnerung daran, wie er geschmeckt hatte und wie er sich angefühlt hatte, all das klang noch tief in ihr fort.
Narcise war sich selber wohl bewusst, wie sie aus dem Zimmer dirigiert wurde und dann den kurzen Korridor hinunter zu Der Kammer; aber es war als ob sie nicht in ihrem Körper wäre, neben sich stünde, sich selbst beobachtete.
Cale sagte nichts zu ihr, und auch nicht zu Cezars Diener, der ihnen den Weg in den Raum der Hölle zeigte. Erst als sie vor der schweren Holztür angelangt waren, drehte sich ihr neuer Gefängniswärter um und bot dem Diener ihre beiden gefesselten Handgelenke dar. Dieser kam dem Wunsch nach und durchschnitt den Schal mit einem Messer, und Narcise war frei, genau dort, bevor sich die Tür öffnete.
Mit einem rebellierenden Magen und schwachen Knien zwang sie sich, Die Kammer zu betreten.
Sie hörte, wie die Tür sich hinter ihr schloss, und wie der Metallbolzen mit dem vertrauten, unheilvollen Klick vorgeschoben wurde.
Sie nahm all ihren Mut zusammen und drehte sich zu Cale um und sagte, „wie möchten Sie mich haben? Soll ich kämpfen und es grob gestalten, oder soll ich nur daliegen und es Ihnen einfach machen?“