Buchwerbung

 

In unserem Land besteht große Nachfrage nach Facharbeitern jeder Art, ausgenommen Skilehrer, Rauchfangkehrer und Dichter. Die Repräsentanten des zuletzt genannten Berufs legen eine geradezu bewundernswerte Hartnäckigkeit an den Tag und fahren fort, hebräisch zu dichten. Einigen wenigen gelingt es sogar, das Gedichtete zu verkaufen. Aber sie wissen, daß sie zugleich auch ihre Seele verkaufen müssen.

 

Der Verleger holte das Manuskript aus der Lade und wandte sich zu Tolaat Shani:

»Ich habe sie gelesen.«

Der Dichter rutschte auf die Sesselkante vor.

»Ja?« flüsterte er. »Ja?«

»Es sind wunderschöne Gedichte. Ich finde, daß in den letzten zweihundert Jahren nichts geschrieben wurde, was sich mit Ihrem ›Ich liebte dich, dich liebte ich‹ vergleichen könnte.«

»Danke«, kam es kaum hörbar von Tolaat Shanis Lippen. »Seien Sie bedankt, Herr Blau.«

»Ich gehe noch weiter und sage, daß der ganze Band zu den lyrischen Gipfeln der Weltliteratur gehört.«

»Ich danke Ihnen. Und ich werde trotzdem versuchen, an diesen Gedichten bis zur äußersten Vollendung zu feilen, bevor Sie den Band veröffentlichen.«

»Bevor ich den Band – was?«

»Veröffentlichen… den Band… Herr Blau… Ich liebte dich, dich liebte ich…«

»Wann habe ich von Veröffentlichung gesprochen?«

»Aber Sie sagten doch… wunderschöne Gedichte…«

»Wer kauft heutzutage Gedichte?«

»Niemand?«

»Nicht direkt niemand. Vierzig bis fünfzig Sonderlinge werden sich finden.«

»Ich bin bereit, auf jedes Honorar zu verzichten, Herr Blau.«

»Das versteht sich von selbst.«

»Ich bin ferner bereit, zu den Herstellungskosten beizutragen.«

»Auch schon was. Lassen Sie mich nachdenken…Leiden Sie an einer unheilbaren Krankheit?«

»Warum?«

»Dann könnte ich das Buch mit einer schwarzen Trauerschleife herausbringen: ›Das letzte Werk des Dichters‹ oder so ähnlich. Das würde vielleicht den Verkauf ankurbeln.«

»Es tut mir aufrichtig leid, Herr Blau, aber ich bin gesund. Allerdings… wenn die Regenzeit beginnt…«

»Darauf kann ich mich nicht verlassen.«

»Dann sagen Sie mir bitte, was ich tun soll.«

»Ich möchte Sie nicht beeinflussen. Ich möchte Sie nur daran erinnern, daß der bekannte Maler Zungspitz, nachdem er das Augenlicht verloren hatte, phantastische Preise für seine Bilder erzielen konnte.«

»Leider bin ich Brillenträger.«

»Tolaat, Sie scheinen nicht zu begreifen, um was es hier geht. Ohne Reklame und Skandal ist Kunst heutzutage unverkäuflich.«

»Mir fällt etwas ein, Herr Blau! Ich werde nackt auf der Dizengoff-Straße spazierengehen, mit einem Exemplar von ›Ich liebte dich, dich liebte ich‹ unterm Arm.«

»Ein alter Hut. Die Bildhauerin Gisela Glick-Galgal hat sich auf dem Rothschild-Boulevard zweimal nackt ausgezogen, um Besucher in ihre Ausstellung zu locken. Angeblich hat sie dann wirklich ein paar Plastiken verkauft. Und jedenfalls ist der Trick schon abgebraucht. Spielen Sie Trompete?«

»Noch nicht.«

»Schade. Dann bleibt nichts andres übrig als Brutalität. Nach dem ersten Verriß Ihres Buches schlagen Sie dem Kritiker alle Zähne ein. Einverstanden?«

»Gewiß, Herr Blau. Aber ich fürchte, daß niemand meine Gedichte verreißen wird.«

»Denken Sie nach, ob sie nicht doch irgendeine Krankheit haben.«

»Leider… wie ich schon sagte…«

»Vielleicht hat es in Ihrer Familie einen Fall von Wahnsinn gegeben? Das wäre brauchbar. Als Josef Melamed-Becker nach seinem Wahnsinnsausbruch in eine geschlossene Anstalt eingeliefert wurde, hat sein Roman drei Neuauflagen erreicht!«

»Der Glückspilz.«

»Es war nicht nur Glück. Es war die Erkenntnis, daß ein Buch auf Publicity angewiesen ist, wenn es gehen soll. Gibt es in Ihrem Band auch Liebeslyrik?«

»Aber Herr Blau! Erinnern Sie sich nicht?«

»Ich habe Ihre Gedichte noch nicht gelesen. Wenn sie wirklich realistisch und offenherzig sind… sozusagen nackte Tatsachen… Sie verstehen was ich meine…«

»Nein, Herr Blau! Nein und abermals nein! Da springe ich lieber aus dem fünften Stock auf die Straße.«

»Das ist eine Idee. ›Von der Liebe enttäuschter Dichter begeht Selbstmord‹. Nicht schlecht. Sie könnten Brigitte Bardot eines Ihrer Gedichte widmen.«

»Gerne. Wer ist das?«

»Spielt keine Rolle. Sie haben nichts weiter zu tun, als irgendeinem Gedicht die Widmung voranzusetzen: ›Meiner ewigen Liebe B.B.‹. Das genügt.«

»In Ordnung.«

»Na sehen Sie. Langsam beginnt mir Ihr Buch zu gefallen, Tolaat! Wir lassen an die Presse durchsickern, daß Sie zwei Jahre wegen Bigamie –«

»Lieber nicht. Das stimmt nämlich.«

»Dann also nicht. Kommen in Ihren Gedichten auch antireligiöse Motive vor? Vielleicht eine beleidigende Stelle über Moses? Sie wissen doch, wie empfindlich unsere Orthodoxen sind.«

»So etwas könnte ich mühelos einfügen.«

»Großartig. Wenn wir das Oberrabbinat dazu bringen, Ihr Buch mit einem Bannfluch zu belegen, ist die erste Auflage so gut wie verkauft.«

»Ich bewundere Ihre Erfindungsgabe, Herr Blau. Und ich danke Ihnen von Herzen.«

»Danken Sie mir noch nicht. Sie haben noch eine Menge zu tun. Heute nacht werden Sie sich wegen öffentlicher Gewalttätigkeit verhaften lassen. Dazu müssen Sie mindestens ein paar Fenster einschlagen. Dann verbarrikadieren Sie sich in der Damentoilette des Dan-Hotels, blasen Trompete, entkleiden sich, gehen auf die Straße und ziehen sich eine Lungenentzündung zu.«

»Ich werde mein Bestes tun.«

»Nachher versuchen Sie ein Bombenattentat auf die Regierung, lassen sich griechisch-orthodox taufen und wandern aus.«

»In Ordnung.«

»Und kommen Sie mir nicht unter die Augen, bevor Sie komplett wahnsinnig sind.«

»Das wird ganz leicht sein, Herr Blau.«