Über den Umgang mit Computern
Mit einer widerspenstigen Waschmaschine kann man sich ja noch verständigen, weil ihr Wortschatz begrenzt ist. Aber wenn man es mit einem Computer jüdischen Ursprungs zu tun bekommt, wird’s kritisch. Soviel ich weiß, ist der Riesen-Computer unseres Finanzministeriums in Jerusalem der einzige auf Erden, der seinen Vorgesetzten folgende Mitteilung zugehen ließ: »Meine Herren, gestern nachmittag bin ich verrückt geworden. Schluß der Durchsage.«
Bisher hat es mich noch nie gestört, daß ich zufällig den gleichen Namen trage wie ein Nebenfluß des Jordan. Aber vor einiger Zeit erhielt ich eine Nachricht von der Steuerbehörde, auf offiziellem Papier und in sonderbar wackeliger Maschinenschrift:
»Letzte Mahnung vor Beschlagnahme. Da Sie auf unsere Mitteilung betreffend Ihre Schuld im Betrag von Isr. Pfund 20.012.11 für die im Juli vorigen Jahres durchgeführten Reparaturarbeiten im Hafen des Kishon-Flusses bis heute nicht reagiert haben, machen wir Sie darauf aufmerksam, daß im Nichteinbringungsfall der oben genannten Summe innerhalb von sieben Tagen nach dieser letzten Mahnung die gesetzlichen Vorschriften betreffend Beschlagnahme und Verkauf Ihres beweglichen Eigentums in Anwendung gebracht werden.
Sollten Sie Ihre Schuld inzwischen beglichen haben, dann betrachten Sie diese Mitteilung als gegenstandslos, (gez.) S. Seligson, Abteilungsleiter.«
Ungeachtet des tröstlichen Vorbehalts im letzten Absatz verfiel ich in Panik. Einerseits bewies eine sorgfältige Prüfung meiner sämtlichen Bücher und Belege unzweifelhaft, daß keine wie immer gearteten Reparaturen an mir vorgenommen worden waren, andererseits fand ich nicht den geringsten Anhaltspunkt, daß ich der erwähnten Zahlungsverpflichtung nachgekommen wäre.
Da ich seit jeher dafür bin, lokale Konflikte durch direkte Verhandlungen zu bereinigen, begab ich mich zur Steuerbehörde, um mit Herrn Seligson zu sprechen.
»Wie Sie sehen«, sagte ich und zeigte ihm meinen Personalausweis, »bin ich ein Schriftsteller und kein Fluß.«
Der Abteilungsleiter faßte mich scharf ins Auge:
»Wieso heißen Sie dann Kishon?«
»Aus Gewohnheit. Außerdem heiße ich auch noch Ephraim. Der Fluß nicht.«
Das überzeugte ihn. Er entschuldigte sich und ging ins Nebenzimmer, wo er den peinlichen Vorfall mit seinem Stab zu diskutieren begann, leider nur flüsternd, so daß ich nichts hören konnte. Nach einer Weile forderte er mich auf, in die offene Türe zu treten und mich mit erhobenen Händen zweimal im Kreis zu drehen. Nach einer weiteren Weile war die Abteilung offenbar überzeugt, daß ich im Recht sei oder zumindest im Recht sein könnte. Der Abteilungsleiter kehrte an seinen Schreibtisch zurück, erklärte die Mahnung für hinfällig und schrieb mit Bleistift auf den Akt: »Hat keinen Hafen. Seligson.« Dann machte er auf den Aktendeckel eine große Null und strich sie mit zwei diagonalen Linien durch.
Erleichtert kehrte ich in den Schoß meiner Familie zurück:
»Es war ein Irrtum. Die Logik hat gesiegt.«
»Siehst du!« antwortete die beste Ehefrau von allen. »Man darf nie den Mut verlieren.«
Am Mittwoch traf die »Benachrichtigung über die Konfiskation beweglichen Gutes« bei mir ein:
»Da Sie unsere ›letzte Mahnung vor Beschlagnahme‹ unbeachtet gelassen haben«, schrieb Seligson, »und da Ihre Steuerschuld im Betrag von Isr. Pfund 20.012.11 bis heute nicht beglichen ist, sehen wir uns gezwungen, die gesetzlichen Vorschriften betreffend Beschlagnahme und Verkauf Ihres beweglichen Eigentums in Anwendung zu bringen. Sollten Sie Ihre Schuld inzwischen beglichen haben, dann betrachten Sie diese Mitteilung als gegenstandslos.«
Ich eilte zu Seligson.
»Schon gut, schon gut«, beruhigte er mich. »Es ist nicht meine Schuld. Für Mitteilungen dieser Art ist der elektronische Computer in Jerusalem verantwortlich, und solche Mißgriffe passieren ihm immer wieder. Kümmern Sie sich nicht darum.«
Soviel ich feststellen konnte, war die zuständige Stelle in Jerusalem vor ungefähr einem halben Jahr automatisiert worden, um mit der technischen Entwicklung Schritt zu halten. Seither besorgt der Computer die Arbeit von tausenden traurigen Ex-Beamten. Er hat nur einen einzigen Fehler, nämlich den, daß die Techniker in Jerusalem mit seiner Arbeitsweise noch nicht so recht vertraut sind und ihn gelegentlich mit falschen Daten füttern. Die Folge sind gewisse Verdauungsstörungen, wie eben im Fall der an mir vorgenommenen Hafenreparatur.
Seligson versprach, das Mißverständnis ein für allemal aus der Welt zu schaffen. Sicherheitshalber schickte er noch in meiner Gegenwart ein Fernschreiben nach Jerusalem, des Inhalts, daß man die Sache bis auf weiteres ruhen lassen sollte, auf seine Verantwortung.
Ich dankte ihm für diese noble Geste und begab mich in vorzüglicher Laune nach Hause.
Am Montag vormittag wurde unser Kühlschrank abgeholt. Drei stämmige Staatsmöbelpacker wiesen einen von S. Seligson gezeichneten Pfändungsauftrag vor, packten den in unserem Klima unentbehrlichen Nutzgegenstand mit geübten Pranken und trugen ihn hinaus. Ich umhüpfte und umflatterte sie wie ein aufgescheuchter Truthahn:
»Bin ich ein Fluß?« krähte ich. »Habe ich einen Hafen? Warum behandeln Sie mich als Fluß? Kann ein Fluß reden? Kann ein Fluß hüpfen?«
Die drei Muskelprotze ließen sich nicht stören. Sie besaßen einen amtlichen Auftrag, und den führten sie durch.
Auf dem Steueramt fand ich einen völlig niedergeschlagenen Seligson. Er hatte soeben aus Jerusalem eine erste Mahnung betreffend seine Steuerschuld von Isr. Pfund 20.012.11 für meine Reparaturen erhalten.
»Der Computer«, erklärte er mir mit gebrochener Stimme, »hat offenbar die Worte ›auf meine Verantwortung‹ falsch analysiert. Sie haben mich in eine sehr unangenehme Situation gebracht, Herr Kishon. Das muß ich schon sagen!«
Ich empfahl ihm, die Mitteilung als gegenstandslos zu betrachten – aber da kam ich schön an. Seligson wurde beinahe hysterisch:
»Wen der Computer einmal in den Klauen hat, den läßt er nicht mehr los!« rief er und raufte sich das Haar. »Vor zwei Monaten hat der Protokollführer des parlamentarischen Exekutivausschusses vom Computer den Auftrag bekommen, seinen Stellvertreter zu exekutieren. Nur durch die persönliche Intervention des Justizministers wurde der Mann im letzten Augenblick gerettet. Man kann nicht genug aufpassen…«
Ich beantragte, ein Taxi zu rufen und nach Jerusalem zu fahren, wo wir uns mit dem Computer aussprechen sollten, gewissermaßen von Mann zu Mann. Seligson winkte ab:
»Er läßt nicht mit sich reden. Er ist viel zu beschäftigt. Neuerdings wird er sogar für die Wettervorhersage eingesetzt. Und für Traumanalysen.«
Durch flehentliche Bitten brachte ich Seligson immerhin so weit, daß er den Magazinverwalter in Jaffa anwies, meinen Kühlschrank bis auf weiteres nicht zu verkaufen.
Einer am Wochenende eingelangten »Zwischenbilanz betr. Steuerschuldenabdeckung« entnahm ich, daß mein Kühlschrank bei einer öffentlichen Versteigerung zum Preis von Isr. Pfund 19.– abgegangen war und daß meine Schuld sich nur noch auf Isr. Pfund 19.933.11 belief, die ich innerhalb von sieben Tagen zu bezahlen hatte. Sollte ich in der Zwischenzeit…
Diesmal mußte ich in Seligsons Büro eine volle Stunde warten, ehe er keuchend ankam. Er war den ganzen Tag mit seinem Anwalt kreuz und quer durch Tel-Aviv gesaust, hatte seinen Kühlschrank auf den Namen seiner Frau überschreiben lassen und schwor mir zu, daß er nie wieder für irgend jemanden intervenieren würde, am allerwenigsten für einen Fluß.
»Und was soll aus mir werden?« fragte ich.
»Keine Ahnung«, antwortete Seligson wahrheitsgemäß. »Manchmal kommt es vor, daß der Computer eines seiner Opfer vergißt. Allerdings sehr selten.«
Ich erwiderte, daß ich an Wunder nicht glaubte und die ganze Angelegenheit sofort und endgültig zu regeln wünschte.
Nach kurzem, stürmischem Gedankenaustausch trafen wir eine Vereinbarung, derzufolge ich die Kosten der in meinem Hafen durchgeführten Reparaturen in zwölf Monatsraten abzahlen würde. Mit meiner und Seligsons Unterschrift versehen, ging das Dokument sofort nach Jerusalem, um von meinem beweglichen Gut zu retten, was noch zu retten war.
»Mehr kann ich wirklich nicht für Sie tun«, entschuldigte sich Seligson. »Vielleicht wird der Computer mit den Jahren vernünftiger.«
»Hoffen wir’s«, sagte ich.
Gestern erreichte mich der erste Scheck in der Höhe von Isr. Pfund 1.666.05, ausgestellt vom Finanzministerium und begleitet von einer Mitteilung Seligsons, daß es sich um die erste Monatsrate der insgesamt Isr. Pfund 19.993.11 handelte, die mir von der Steuerbehörde gutgeschrieben worden waren.
Meine frohe Botschaft, daß wir fortan keine Existenzsorgen haben würden, beantwortete die beste Ehefrau von allen mit der ärgerlichen Bemerkung, es sei eine Schande, daß man uns um die Zinsen betrüge, anderswo bekäme man sechs Prozent.
Die Zukunft gehört dem Computer. Sollten Sie das schon selbst gemerkt haben, dann betrachten Sie diese Mitteilung als gegenstandslos.