5:25 Uhr
Der Kopf des Plastikroboters war das Erste,
was er sah. Ein blauer Roboter mit kräftigem Kiefer, das Gesicht
zusammengeschraubt mit Plastikstiften, die wie Nieten wirken
sollten. Rechts davon ein Muskelmann, dessen Oberkörper von einer
Lanze aus Glas zerfetzt worden war. Aus der Wunde tropfte
rosafarbener Schleim. Trotzdem war der Ausdruck auf seinen
Plastikzügen immer noch derselbe. Er wirkte wie die Gleichmut in
Person. Das hatte etwas Ermutigendes.
Kowalski lag zerschmettert in einem Meer aus
verstaubtem Spielzeug, Sachen, die er aus seiner eigenen Kindheit
kannte.
Die 1970er – damals mussten sie den Laden
geschlossen haben. Kowalski blinzelte und entdeckte ein gemaltes
Holzschild, das senkrecht in einer Ecke stand. SNYDER’S
SPIELZEUGLADEN.
Niedlich.
Er war von Spielzeug umgeben. Von Kampfrobotern.
Einem Superman mit ausziehbaren Gliedmaßen. Helden, die aus der
Zeit von Der Sechs-Millionen-Dollar-Mann stammten.
Sein bester Freund Steve hatte Austin, den Helden der Serie, als
Spielfigur. Kowalski wollte so sein wie er, wenn er groß
war. Selbst wenn dazu ein grässlicher Raketen-Crash nötig war und
Teile seines verstümmelten Körpers durch bionische Ersatzteile
ersetzt werden mussten. Wir können dich neu zusammensetzen. Wir
haben die Technologie dafür.
Tja, das war sein Crash. Von einem fahrenden
Zug geschleudert. Die Haut aufgerissen, das rechte Bein an
mindestens zwei Stellen gebrochen, dazu ein verdrehtes Handgelenk.
Und eine Fleischwunde am Kopf, die so tief war, dass er spürte, wie
das Blut durch sein Haar lief und den staubigen Holzboden tränkte.
Wahrscheinlich war selbst die Feuchtigkeit in seinem Gesicht kein
Schweiß.
Wo waren jetzt die bionischen Ersatzteile?
Wo war Oscar Goldman? Austins Vorgesetzter, der für
die Ersatzteile zuständig war. Wo war er jetzt?
Aber natürlich. Er selbst hatte ja seinen Oscar
letztes Jahr für die Schwester eines Bankräubers aufgegeben.
Für Katie.
Schluss damit. Mach, dass du hochkommst. Kowalski
rollte sich auf die Seite, streckte die Hand aus, umklammerte den
Rand einer gesplitterten Bodendiele und zog sich etwa fünfzehn
Zentimeter vorwärts. Dann musste er innehalten. Ihm war schwindlig.
Der Schmerz in seinem Bein war unerträglich. Es musste daran
liegen, wie er aufgekommen war. Er schob das Spielzeug beiseite.
Plastikpuppen. Weiße Murmeln. Zerbrochene und immer noch gefräßige
Plastik-Nilpferde. Miniaturnähmaschinen. Anstecker und Aufkleber.
Plastikastronauten. Brettspiele von MB in aufgeplatzten Kartons.
McDonald’s-Figuren. Das Zeug war überall. Er musste einige
Stahlregale umgestoßen haben, als er durchs Fenster gekracht war.
Es fühlte sich an, als läge sein Körper auf diesem rauen
Teppichbodenbelag, wie ihn seine Eltern im Wohnzimmer hatten. Er
kroch noch ein Stückchen weiter und fand sich Aug in Aug mit Mayor
McCheese wieder. Er hatte früher auch eine Mayor-McCheese-Puppe
gehabt. Mit normalem Körper und einem großen Cheeseburger als Kopf.
Er wusste nicht, was damit passiert war. Vielleicht war sie hier
gelandet. Vielleicht war er gelandet, wo auch immer sie
gelandet war. Vielleicht war er tot. Vielleicht war er durch die
Luft geschleudert worden und in seiner Kindheitsversion des Himmels
gelandet: dem Wohnzimmer seiner Eltern, Weihnachten 1977.
Schluss damit, Schluss.
Er brauchte zehn Minuten, um die andere Seite des
Zimmers zu erreichen, wo die Sporttasche mit Ed
Hunters Kopf gelandet war. Dahinter schimmerte ein
Spielzeugspiegel, matt wie ein Stück Alufolie. Aber Kowalski konnte
darin sein Gesicht erkennen.
Er sah es.
Und er schrie.
Sein Körper zitterte und wand sich.
Er trommelte mit der rechten Faust auf den Boden
und klammerte sich mit den verletzten Fingern seiner linken Hand am
Holz fest.
Er hatte so darauf geachtet, alles unter Kontrolle
zu behalten. Denn er war ein Profi. Jemand, der nichts an sich
ranließ. Doch in Wirklichkeit war er immer noch das Kind, das mit
einer Mayor-McCheese-Puppe gespielt hatte, das Kind, das erwachsen
werden würde, um eine Frau kennenzulernen und sich zu verlieben und
ein Kind zu zeugen, und beide waren jetzt tot, weil er nicht da
gewesen war, um sie zu beschützen, und jetzt, schau ihn dir
an, voller Blut, die Wangen zerkratzt und entstellt, und mit
einem Ohr, von dem ungefähr die Hälfte fehlte, aber die Augen, oh
ja, diese Augen waren immer noch dieselben wie an jenem
Weihnachtsmorgen 1977, und sie blickten ihn an und sie wussten
Bescheid.
Sie wussten, was es bedeutete, im Körper eines
Scheusals gefangen zu sein.