00:32 Uhr
Sheraton, Zimmer 702
Bist du bereit, Jack? Ich hab keine Lust,
mich zu wiederholen.«
»Sprich weiter.«
»Ich habe ein Ortungssystem im Teststadium in
meinem Blut. Oder besser: nicht eins, sondern tausende.
Nanomaschinen. Ist dir der Begriff geläufig? Mikroskopisch klein
und fürs menschliche Auge unsichtbar. Ich vereinfache, wenn ich
sage, dass sie in meinem Blut sind. Sie befinden sich im gesamten
Flüssigkeitshaushalt meines Körpers – im Speichel, in meinen
Tränen, in den Lymphknoten.«
Jack blinzelte. Er blickte zu Kelly, dann zum
Nachttisch auf der anderen Seite des Zimmers.
»Was dagegen, wenn ich mitschreibe?«
»Das hatte ich gehofft.«
Er holte sich den Sheraton-Kugelschreiber und den
Notizblock vom Nachttisch und ging mit ihnen zurück zum Sofa. Er
notierte »Nanomaschinen«. Nur für den Fall, dass das Ganze
irgendwohin führte.
Oder falls er Beweise für die Anklage brauchen
sollte.
»Okay, du hast also diese winzigen Maschinen in
dir.«
»Bist du jetzt Jack, der Journalist?«
»Ja.«
»Gut, hör auf damit. Lass mich einfach
erzählen.«
Jack legte Stift und Papier zur Seite. »Vergiss
nicht, ich hab nur noch sieben Stunden zu leben.«
Kelly presste die Lippen zusammen, dann fuhr sie
fort. »Bei den Maschinen handelt es sich also um Ortungssysteme.
Sie versorgen einen Satelliten ständig mit Informationen:
Körpertemperatur, Herzfrequenz, Aufenthaltsort. Und diese
Informationen werden an eine Ortungsstation weitergeleitet.«
»Hört sich verdammt nach Big Brother an.«
»Kann man so sehen. Aber denk mal an die
Möglichkeiten, Kriminelle und Terroristen aufzuspüren. Eine weitere
ist – hast du nicht gesagt, du hast Kinder?«
»Eine Tochter.«
»Wie heißt sie?«
»Ich weiß nicht, ob ich dir das sagen will.« Jack
warf einen Blick zur Uhr auf dem Nachttisch. In Gurnee war es jetzt
halb zwölf. Callie war zweifellos am Schlafen und hielt ihren
rosafarbenen Bären, der gleichzeitig eine kleine Decke war, fest
umklammert. Das Ding sah aus wie ein mutiertes Faultier, aber sie
hatte es seit ihrer Geburt und wollte sich nicht davon
trennen.
»Sei nicht albern. Wie alt ist sie?«
»Callie ist vier.«
»Nun stell dir vor, was Gott verhüten möge, dass
irgendein krankes Arschloch sich in einem Einkaufszentrum eines
Tages deine Callie schnappt. Du hättest keine Möglichkeit, sie zu
finden, es sei denn, der Entführer ist so blöd, an einer
Überwachungskamera vorbeizulaufen.«
Der bloße Gedanke daran erzeugte in Jacks
Magengegend einen kalten, dumpfen Knoten.
»Mit diesem System dauert es eine Sekunde, um
Callies Position zu bestimmen, und die Polizei könnte sie einige
Minuten später befreien. Entführungen würden der Vergangenheit
angehören.«
Jack dachte darüber nach. »Es sei denn, die
Entführer machen sich schlau und finden heraus, wie man diese
Nanomaschinen ausschaltet.«
»Unmöglich. Es gibt viel zu viele davon. Sie
vervielfältigen sich von alleine, indem sie Abfallprodukte des
Blutes als Rohmaterial benutzen. Sie haben alle Vorzüge eines
Virus, aber keine seiner Schwächen. Außer sie verlassen den Körper.
Wenn sie nichts haben, wovon sie sich ernähren können, sterben sie.
Aber trägt man sie erst mal in sich, wird man sie nicht mehr
los.«
»Du scheinst echt stolz auf die Dinger zu
sein.«
»Ich habe in dem Labor gearbeitet, das sie
entwickelt hat. Das ist mein Job … war mein Job, drüben in
Irland.«
»Du hast keinen Akzent. Obwohl du vorhin bei
irgendeinem Wort ins Schleudern gekommen bist.«
»Ich versuch mich so gut wie möglich anzupassen,
Kleiner«, sagte sie mit breitem irischen Akzent. »Aber jetzt bist
du da. Und jetzt geht es nur um dich und mich und um … Weißt du,
wie ich diese Dinger nenne?«
»Nein, wie?«
»Mary Kates. Weißt du … diese blonden Zwillinge?
Die Olsens? Sie sind wie diese kleinen Dinger. Sie sind
überall.«
Durch Kellys Blut jagten also unzählige kleine
Maschinen, die sie nach einem Paar gerade mal volljähriger
Blondinen benannt hatte. Aber sicher doch.
»Sie können aber noch was anderes, und davor haben
alle einen Heidenrespekt. Die Mary Kates können nämlich nicht nur
deinen Aufenthaltsort bestimmen; sie verraten uns auch, ob jemand
bei dir im Zimmer ist. Das hat wieder mit dem Entführungsaspekt zu
tun. Das soll dem Einsatzteam helfen, die Kidnapper anzugreifen und
nicht das Opfer.«
»Jetzt im Moment wissen die Mary Kates also, dass
ich hier bei dir bin.«
»Ja. Sie nehmen dich wahr, wenn du weniger als drei
Meter von mir entfernt bist. Sie registrieren deine Hirnströme und
deinen Herzschlag. Sehr empfindsam, diese Mädchen.«
»Das ist verdammt unheimlich.«
»Nicht so unheimlich wie das, was ich dir gleich
erzählen werde.«
»Was?«
»Wenn die Mary Kates merken, dass ich allein bin,
wandern sie in mein Gehirn und bringen es zum Explodieren.«