4:22 Uhr
Internationaler Flughafen Philadelphia
Drei Minuten nachdem sein Flugzeug an Gate A22
angekommen war, durchquerte der Boss die lächerlich
überproportionierte Ankunftshalle für die internationalen Flüge;
mit ihren Bildern, die Philadelphia als die Wiege Amerikas
darstellen. Wirklich niedlich.
Sein Sitznachbar im Flugzeug hatte nicht so viel
Glück gehabt. Ein blasser Schotte mit einem seltsamen Ausschlag an
den Händen. Seine Augenbrauen waren so blass, dass sie sich kaum
von der bleichen Stirn abhoben. Nicht, dass er viel geredet hätte,
nein, er kratzte sich … und kratzte sich und kratzte sich, fast den
ganzen Flug über von Toronto hier runter. Er hatte sich wohl
irgendwas eingefangen, drüben in Edinburgh.
Normalerweise buchte der Boss keine Flüge, bei
denen er umsteigen musste. Wenn zwischen Abreiseund Zielort kein
Flug verfügbar war, charterte er einfach eine Maschine. Was er in
diesem Fall auch hätte tun sollen. Anderthalb Stunden neben Mr.
Juckreiz zu sitzen … unerträglich. Außerdem musste er buchstäblich
in letzter Minute sein Ziel von Washington auf Philadelphia
umbuchen. So, und nun hatte er schlechte Laune. Gut, vielleicht war
es nicht gerade die feine Art gewesen, als er beschloss, seine Wut
an dem Schotten auszulassen. Er hatte eine Stewardess beiseite
genommen, ihr den Ausweis des Verteidigungsministeriums gezeigt und
ihr über den Schotten neben sich erzählt, dass er pausenlos von den
ganzen Pakistanern sprach, die er auf seinem Flug nach Amerika mit
Nagelbomben in die Luft jagen wollte und … Das reichte völlig aus.
Es würde eine ganze Weile dauern, bis der zerkratzte Schotte und
sein Rucksack die hübschen patriotischen Illustrationen in der
Ankunftshalle für die internationalen Flüge zu Gesicht bekamen.
Wenn überhaupt.
Er nahm die Rolltreppe Richtung Ausgang und
steuerte direkt auf eines der Taxis zu. Er hatte keine Tasche
abzuholen; alles, was der Boss nicht ständig mitführen konnte,
kaufte er.
Witzigerweise hatte das Taxi einen pakistanischen
Fahrer. »Mein Freund, der Schotte, hätte Sie geliebt«, sagte der
Boss.
»Sir?«
»Schon gut. Manchmal spinne ich einfach so vor mich
hin. Zum Pennsylvania Hospital, bitte.«
Er dachte über sie nach. Was zwei Wochen auf der
Flucht wohl mit ihrem Gesicht angestellt hatten und mit ihrem
Körper. Er war es gewohnt gewesen, ihr jeden Tag im Labor zu
begegnen. Würde sie für ihn immer noch genauso aussehen? Er
erinnerte sich an eine Freundin im College, die ihn verlassen
hatte; sechs Monate später ergab sich die Möglichkeit, erneut mit
ihr ins Bett zu gehen, aber es war nicht dasselbe. Sie sah anders
aus. Schmeckte sogar anders. Das Ganze war ziemlich
unbefriedigend.
Wäre es also mit ihr dasselbe? Mit »Kelly White«,
wie sie sich selbst nannte?
Man würde sehen. Selbst der Name war anders.
Allein das ließ sie schon anders erscheinen. Sein Kontakt im CI-6
hatte gesagt, sie sei »unschädlich« gemacht worden. Der Boss
hoffte, dass sie nicht so weit weg war, dass man sie nicht mehr
zurückholen konnte. Sie beide hatten noch einiges zu erledigen.
Vielleicht konnte er mit ihr in ein Geheimgefängnis nach Thailand
gehen. Wo sie ganz für sich
wären, wieder einmal. Diesmal sogar für einige Stunden.