22:46 Uhr
Interstate Highway 95 South, nahe Girard Point Bridge
Kowalskis Blick fiel auf einen Mann, der sich aus einem Taxi lehnte und auf den Asphalt des Interstate 95 kotzte. Scheißbesoffene. Konnte der Typ nicht wenigstens so viel Anstand besitzen, die andere Tür zu benutzen? Die Tür, die zu den ausgedehnten Raffinerien in Philadelphias Südwesten hinausging. Jetzt würde er das Bild die ganze Nacht vor Augen haben. Mann, was soll das? Es ist Donnerstagabend, Kumpel. Warte doch bis zum Wochenende damit.
Kowalski hatte einen Platz für den Ein-Uhr-Flug nach Houston bekommen. Mit etwas Glück würde er es rechtzeitig zum Flugsteig und durch die Sicherheitskontrollen schaffen. Dann um drei Uhr nachts in Houston ankommen und am Informationsschalter von Shuttle Texas seinen Umschlag abholen. Im Umschlag befand sich die Adresse des Leichenschauhauses. Er hatte keine Zeit, ein Auto zu mieten; also würde er sich wieder ein Taxi nehmen. Das war sein Plan soweit. Im Flugzeug würde er sich drei oder vier Möglichkeiten überlegen, unauffällig ins Leichenschauhaus zu gelangen, dann würde er sich holen, was er brauchte, abhauen und zum Übergabeort fahren.
Ein Kopf. Sie wollten Professor Manchettes ganzen Kopf.
Was – hey, egal, nicht sein Problem. Aber es brachte doch eine ganze Reihe logistischer Herausforderungen mit sich. So musste er irgendwie mit einem menschlichen Kopf aus dem Leichenschauhaus kommen. Kowalski brauchte zumindest eine Sporttasche und eine Metallsäge.
Gut, die Tasche konnte er am Flughafen besorgen. Er brauchte nur eine belebte Gepäckausgabe aufsuchen – davon gab es eine Menge im George Bush Intercontinental Airport – und sich eine Tasche vom Transportband schnappen. Wenn sich jemand beschwerte, würde er sich entschuldigen und behaupten, er hätte genauso eine, und nach einer anderen Ausschau halten. Schwarz oder marineblau. Die zwei gängigsten Farben. Niemand denkt daran, sich ein markantes Gepäckstück zu kaufen, bis er in der Schlange an der Gepäckausgabe steht und sich wünscht, er wäre so klug gewesen, einen rosafarbenen Samsonite zu besorgen. Allerdings auch nur, bis er die Gepäckausgabe verlassen hat und die ganze Sache wieder vergisst. Niemand will wirklich eine beschissene Tasche in Neonfarben durch die Gegend schleppen.
Und die Metallsäge? Das Leichenschauhaus hatte wahrscheinlich eine ganze Kiste voll davon. Und Plastiktüten, um die Tasche damit auszulegen.
Die besten Einsätze lieferten ihre Ausrüstung gleich mit.
Kowalski würde mit kaum mehr als seinen Klamotten und seinem Handy dort reinmarschieren. Die Kleidung konnte er schnell loswerden und verbrennen. Und sein Handy war mit einem hübschen kleinen Selbstzerstörungscode ausgestattet – der Sozialversicherungsnummer seines Vaters, was bedeutete, dass sie irgendwann doch noch zu was gut sein würde -, mit einem Selbstzerstörungsmechanismus, der gleichzeitig als Ablenkungsmanöver auf der Flucht dienen konnte. Und was würden die Behörden schon mit einem verrückten, nackten Mann anstellen, der bei dem Versuch erwischt wurde, den Kopf eines toten Universitätsprofessors abzusägen?
Nicht viel.
Während seine Fingerabdrücke in den Computer des FBI eingegeben wurden, bereitete seine Organisation wahrscheinlich schon den Papierkram für seine sofortige Entlassung vor. Es gäbe eine kurze Befragung, vielleicht eine Ermahnung, aber sie würden keine große Sache daraus machen. Dann könnte er wieder nach Philadelphia zurückkehren. Und seinen persönlichen Rachefeldzug spätestens am nächsten Mittwoch fortsetzen.
Und das galt nur für den schlimmsten Fall.
Regierungsaufträge. Es gab nichts Besseres.
Kowalskis Taxi hielt vor Terminal C. Der Fahrpreis betrug $ 42,30. So viel zur Pauschale. Er zog seine Reisebrieftasche aus dem Jackett – er würde sie in ein Schließfach stopfen, wenn er in Houston ankam. Er nahm zwei Zwanziger und einen Fünfer heraus und sagte dem Fahrer, er solle den Rest behalten. Das war weder zu großzügig noch zu wenig. Kein Grund für den Taxifahrer, sich an ihn zu erinnern.
Er ging durch die Drehtür zum Terminal der Continental und suchte die Abfertigung für die E-Tickets auf. Er schob seine Kreditkarte in den Schlitz, die auf einen Namen ausgestellt war, der zum texanischen Führerschein in seiner Reisebrieftasche passte.
Gepäck?, fragte der Computer.
Kowalski tippte die Null ein.
Auf dem Rückweg war das möglicherweise anders. Falls die Übergabe nicht glückte, würde er Manchettes Kopf vielleicht selber nach Philadelphia schaffen müssen. Und ihn ein paar Tage mit sich herumschleppen – ihm die Freiheitsglocke zeigen oder so.
Ha ha ho ho huuuuu.
Katie hätte das lustig gefunden.
Sein Ticket wurde gedruckt.
Mitten auf der Rolltreppe, die zum Flugsteig der Continental hinaufführte, fing Kowalskis Oberschenkel an zu vibrieren. Er griff nach dem Handy und schnippte es auf.
»Ja.«
Kowalski bekam eine Telefonnummer. Er fügte zu jeder Ziffer sechs hinzu. Dann ging er zu einer Telefonzelle an dem Ende der Halle, die dem Flugsteig entgegengesetzt lag, und wählte die neue Nummer. Er benutzte dafür eine weitere Telefonkarte. Darum kaufte er sie im Dreierpack.
»Flieg nicht. Wir glauben, dass deine Zielperson in Philadelphia ist.«
»Der Professor? Alles von ihm, oder wurde sein Kopf dabei beobachtet, wie er übers Rollfeld kullerte?«
Die Verbindungsoffizierin ignorierte seine Bemerkung.
»Eine Kreditkarte, die vermutlich Kelly White gehört, wurde vor einer Stunde in der Flughafen-Lounge benutzt.«
»Ich bin jetzt im Flughafen.«
»Das war vor einer Stunde, aber vielleicht befindet sie sich noch in der Lounge. Überprüf das bitte.«
»Kannst du mir eine Beschreibung geben?«
»Ich schicke dir ein Foto aufs Handy. Sie hat ihr Aussehen verändert, seit sie vor einer Woche ins Land gekommen ist.«
»Nichts Chirurgisches?«
»Nein.«
»Dann werde ich sie wiedererkennen.«
Kowalski bekam bereits die neue Mail. Im Betreff stand: »Happy Birthday!«
»Alles klar?«
»Ja.« Kowalski betrachtete das Bild im Display. »Weißt du, wie sie aussieht? Wie diese Schauspielerin … Ach verdammt, ich habe erst neulich diesen Film gesehen …«
»Antworte unter dieser Nummer mit einer SMS: ›Ich bin so froh, dass Sie sich erinnert haben‹ – wenn du sie gefunden hast. Und wenn nicht: ›Besser spät als nie.‹«
Kowalski legte auf. Das war gut. Wenn er für den gegenwärtigen Auftrag nicht die Stadt verlassen musste, würde er keine Zeit mit Reisen verlieren, so dass er bald wieder zu seinem eigenen Projekt zurückkehren konnte.
Wo gehen hübsche Frauen hin, wenn sie nachts im Flughafen unterwegs sind?
Blondes Gift
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