8
Ohne auch nur den leisesten Schmerzenslaut zu äußern, ließ Jasha die Ikone fallen.
Ann umklammerte seine Unterarme und drehte sie um. Ein hässliches rotes Mal zog sich über eine Handinnenseite bis zu den Fingern. »Was ist das?« Sie mochte ihren Augen nicht trauen. »Kann es sein, dass du allergisch auf die Farben reagierst?«
»Allergisch, hmmm.« Er riss seine Hände weg und steckte sie in eine der Wasserpfützen, die sich in dem weichen Lehmboden gebildet hatten. »Hast du mich vorhin damit attackiert?«
»Ja.« Und tatsächlich, die knallrote Stelle auf seiner Wange sah ebenfalls aus wie ein Brandmal. »Kommt das auch daher?«
»Ja. Sie bewirkt das. Die Heilige Jungfrau. Ich darf sie nicht berühren.«
»Na, hör mal! Willst du mich veralbern?« Ann hob mit spitzen Fingern die Ikone aus dem Matsch und wischte sie mit einem Hemdzipfel sauber. Der gezackte Rand verfing sich in dem Stoff. »Es ist doch bloß ein Bild.«
»In Russland sind Ikonen nicht bloß Bilder. Sie stehen für die russische Seele, das russische Herz und den orthodoxen Glauben. Traditionell wird dem jungen Paar bei der Hochzeit eine Ikone der Heiligen Jungfrau mit dem Jesuskind geschenkt. Und die Familienikonen werden für gewöhnlich in der krasni ugol, der schönen Ecke, mit Kerzen und roten Spitzendeckchen dekoriert.« Er wischte sich die schmutzigen Hände an seiner Jeans, sein Blick klebte auf dem Antlitz der Madonna. »Im Übrigen werden Ikonen der Madonna nicht gemalt - sie erscheinen.«
»Wie bitte?«
»Ikonenmaler signieren ihre Werke nicht. Folglich heißt es, dass Ikonen Erscheinungen, Wunder sind.«
Ann betrachtete das Kultbild genauer. Zwischen ihre schön geschwungenen Brauen schob sich eine steile Falte. Woran mochte Jasha sich wohl verletzt haben?
Die Jungfrau blickte zurück, ernst und entrückt.
»Die Madonna will nicht, dass ich sie berühre«, fuhr Jasha fort. »Aber du darfst es. Dir vertraut sie.«
»Das ist doch …« Ann japste nach Luft.
»Das ist was? Aberglaube? Ein Ding der Unmöglichkeit? « Jasha betastete seine Wange. »Trotzdem hab ich mich verbrannt. Und das ist kein Wunder, es tut nämlich höllisch weh.«
Unwillkürlich berührte sie das Mal auf ihrem Rücken. Bildete sie sich das bloß ein? Sie spürte es kaum, so als wäre da gar nichts. Aber nein, Irrtum, es war da.
Sie hätte damit rechnen müssen, dass ihr Leben irgendwann eine dramatische Wendung nehmen würde, sagte sie sich. Nach so vielen Jahren Normalität hatte Ann jedoch gedacht - geglaubt, gehofft -, dass alles so normal weiterlaufen würde wie bisher. Schließlich wusste außer Schwester Mary Magdalene niemand, wo Baby Ann gefunden worden war und dass dies eine Fülle von Problemen mit sich gebracht hatte. »Schätze, ich muss meine Meinung ändern, von wegen möglich oder unmöglich«, murmelte sie.
Er lachte bitter und blickte sich um. Der Sturm hatte sich gelegt; der Donner verstummte allmählich, die Wolkendecke löste sich auf. »Das Unwetter ist zwar vorbei, trotzdem ist es hier draußen ungemütlich. Komm, lass uns verschwinden.« Er schlang seine Arme abermals um Ann, hob sie hoch und stapfte los.
Er legte ein ordentliches Tempo vor, und Ann war klar, in welcher Gemütsverfassung er sich befand, das hatte sie nach der langen Zusammenarbeit raus: Er war besorgt. »Jasha, wovor hast du Angst?«
»Dass ich versagen werde.«
Was meinte er bloß damit?, überlegte Ann unbehaglich. Die letzten Sonnenstrahlen fielen durch die Bäume, malten lange, breite Schatten auf den Waldboden. Sie vernahm das unablässige Rascheln im Dickicht. Wilde Tiere - und Schlimmeres. Nicht auszudenken: Womöglich waren es Geschöpfe wie er.
Die Wölfe.
Jasha und Ann erreichten das Schloss in Rekordzeit. Wenn sie sich nicht verirrt hätte, dachte sie im Nachhinein, wäre sie vorhin in null Komma nichts wieder zum Haus zurückgelangt. Und hätte vor verschlossenen Türen gestanden, denn er trug sie zum hinteren Eingang. Dort, wo die Garage im rechten Winkel ans Haus angebaut war, mit vier breiten Schwingtüren, hinter denen bestimmt Jashas teure Luxuskarossen parkten.
Das erinnerte sie an - »Mein armes Auto«, stöhnte sie.
»Ich ruf jemanden an, der es morgen von dort abschleppt.«
»Wenn es dann noch da ist«, versetzte sie dumpf.
»Ja. War ein verdammt heftiges Unwetter. Im wahrsten Sinne des Wortes.« Jasha schnaubte belustigt, ein kurzes bitteres Lachen. Es signalisierte Ann, dass er etwas wusste, was er ihr nicht verriet.
Er setzte sie auf der hinteren Verandatreppe ab und stützte sie, bis sie die Balance wiedergefunden hatte. »Alles okay mit dir?«
Ja, bis auf ihre brennenden Füße. Und sie war mächtig erschöpft von der ganzen Rennerei. Sie hatte jedoch die Ikone, und sie lebte. Sie hatte sich noch nie besser gefühlt. »Mir geht es blendend.«
Er tastete mit den Fingern den Türsturz ab, bis er den Schlüssel fand, und schloss auf. Er drückte ihr sanft eine Handfläche ins Kreuz und schob sie ins Innere, als wenn sie ihm sonst jeden Moment türmen könnte.
Und damit lag er vermutlich gar nicht so falsch. Inzwischen grauste ihr vor dem Haus, in dem er sich vor ihren Augen in einen Wolf verwandelt hatte. Sie sah die Szene noch lebhaft vor sich. Igitt! »Wie bist du eigentlich vorhin ins Haus gekommen?«
»Es gibt eine Hundeklappe.« Er gestikulierte abwesend auf die neben dem Portal angebrachte Klappe, während er das Alarmsystem erneut aktivierte.
»Na toll, eine Hundeklappe. Das leuchtet ein. Sonst kämst du als Wolf nicht mehr in dein eigenes Haus, stimmt’s?«
Statt einer Antwort fixierte er sie mit seinem Blick.
Das feurige Begehren darin war kühler Skepsis und kaum verhohlenem Misstrauen gewichen. »Okay. Los, frag schon.«
»Was … was meinst du?«
»Stell mir die Frage, die dir unter den Nägeln brennt.«
Sie hatte nicht nur eine, sie hatte viele Fragen. Irrsinnig viele Fragen. Eine quälte sie jedoch am meisten. Sie wippte verlegen von einem Fuß auf den anderen. Wollte sie es überhaupt so genau wissen? Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß, flüsterte eine kleine Stimme in ihrem Kopf. Allerdings hatte Schwester Mary Magdalene ihre Schülerinnen stets darauf gedrängt, die Wahrheit zu suchen. Folglich fragte sie: »Hast du ihn getötet?«
»Getötet? Wen?« Er trat aus den Sportschuhen, ohne sie aufzubinden, und schob sie mit seinen nackten Füßen in eine Ecke.
»Sind es so viele, dass du dich nicht mal mehr genau erinnern kannst?« Sie zupfte an dem Hemdensaum und versuchte verschämt, damit ihre Schenkel zu bedecken.
Seine sinnlich vollen Lippen zuckten ärgerlich. »Ich hab in letzter Zeit niemanden getötet, wenn dich das beruhigt.«
»Bevor du reinkamst, hörte ich einen Schuss. Und du … du hattest Blut an deinem Mund.« Sie wartete angespannt, in der Hoffnung, dass Jasha alles abstritt. Zumal sie die Vorstellung unerträglich fand, dass er einen Menschen ermordet haben könnte - und sich anschließend über sie hergemacht hatte.
»Ist das deine Frage?« Es war schon ziemlich dunkel in dem schmalen rückwärtigen Flur. Das Dämmerlicht verschattete seine steinerne Miene, gleichwohl bemerkte Ann auf einer Wange eine blasse, gezackte Narbe, auf der anderen das feuerrote Mal, wo die Ikone ihn gestreift hatte. Seine Augen jedoch sprühten Blitze, maßen sie mit der bohrenden Intensität eines Beutejägers. »Ist das alles, was du wissen willst?«
»Sagen wir mal so, es würde mir fürs Erste reichen.«
»Du verblüffst mich.«
Sie schwieg hartnäckig.
»Nein. Ich hab ihn nicht umgebracht.«
Ein erleichterter Seufzer entfuhr ihrer Kehle.
»Es war ein Jäger. Er war betrunken und schoss auf das Wolfsrudel.«
»Das ist verboten.« Und du hättest dabei getötet werden können.
»Eine Menge Dinge sind verboten, und trotzdem stört sich keiner daran.« Jashas grimmige Miene hellte sich auf. »Ich hab sein Gewehr zerlegt und ihn halb zu Tode erschreckt. Der lässt sich hier nicht mehr blicken.«
»Sind die anderen Wölfe wie du?«
»Du meinst, ob sie sich verwandeln? Nein. Sie sind Tiere, aber sie sind schlau und loyal, und obwohl es Leader nicht behagt, lässt er mich friedlich mit seinem Rudel laufen. Manchmal, wie beispielsweise heute, kann ich meinen Frust und meine Wut auf diese Weise am besten abreagieren.«
»Auf den Jäger oder so?«
Er strich mit seinem Daumen gedankenvoll über ihre Wange, sah ihr dabei tief in die Augen. »Mein Vater hat uns immer wieder ermahnt, wir sollten uns möglichst nicht verwandeln. Weil wir dabei jegliches Moralempfinden einbüßen und uns angreifbar für die Wildheit in unseren Herzen machen würden. Wenn ich die heutigen Ereignisse so sehe, muss ich ihm verdammt Recht geben.«
Sie streckte spontan den Arm aus, wie um ihre Handfläche auf sein Herz zu legen, zog ihn aber hastig zurück und machte eine Faust. »Ich mag diese Wildheit.«
»Nein, nicht …« Er umschloss ihr Handgelenk. »Mach mich nicht wieder an. Es ist alles noch so neu und so frisch, und ich war vorhin wahnsinnig scharf auf dich.« Er küsste ihre Fingerknöchel. Als sie ihre Faust lockerte, brachte er ihre Handfläche an seine Lippen und küsste ihre Lebenslinie. Er beobachtete sie, während er mit gehaucht weichen Küssen zu ihrem Handgelenk glitt, bis seine Lippen auf ihrer bläulich schimmernden Pulsader hielten. Er schob die Hand hinter ihren Rücken und riss Ann an sich.
Sie fand den engen Körperkontakt mit ihm immer noch schockierend intim, und als er seine Lippen auf ihre presste, signalisierte ihre Libido neu erwachtes Begehren und prickelnde Leidenschaft.
Er schmeckte himmlisch gut, und sie ließ ihn gewähren. Ihre Brüste spannten, und sie fühlte die warme Feuchtigkeit, die verräterisch zwischen ihren Schenkeln kitzelte.
Mit einem missmutigen Ächzen ließ er sie los und wich zurück. »An dir verbrenn ich mir noch die Finger. Wie an der Ikone.«
Sie sah ihn mit verräterisch feuchten Augen an. Obwohl sie sich mit jeder Faser ihres Körpers nach ihm sehnte, war sie den Tränen nahe.
Jedes Mal, wenn sie Gefühle zeigte, wurde sie ausgelacht oder kritisiert - oder niemand bemerkte es.
Sie machte es nie richtig.
»Nicht hier, Ann, nicht im Eingang und so verdreckt, wie wir sind … heul doch nicht gleich los!« Er schlang einen Arm um sie, schob sie in den Wirtschaftsraum und knipste das Licht an. Der Boden war gefliest, Mäntel hingen an Haken, Stiefel standen ordentlich aufgereiht an der Wand. In einer Nische entdeckte Ann Waschbecken, Spiegel und sogar eine kleine Duschkabine.
Sie fuhr mit den Fingern über ihre Lippen. Seit ihrer Rückkehr aus dem Wald hatte er den stürmischen Lover abgestreift und war wieder der Jasha, wie sie ihn kannte: geschäftsmäßig, effizient, knallhart. Das eine Mal mit ihr hatte ihm bestimmt gereicht, seufzte sie innerlich.
Sein Kuss hingegen war kein bisschen geschäftsmäßig gewesen. Vielmehr besitzergreifend. Sie sollte froh sein, dass es ihm etwas bedeutete, wo sie sich liebten, statt dass er irgendwo über sie herfiel.
War sie aber nicht.
Sie machte sich Sorgen um ihn. »Was, wenn der Jäger zur Polizei geht?«
»Was soll er denen denn erzählen?« Jasha nahm Handtücher aus dem Schrank und legte sie auf die Ablage, die über dem Waschbecken angebracht war. »Dass er auf einen Wolf schoss, der sich in einen Menschen verwandelt und ihm die Knarre zerlegt hat? Der sich dann in einen Wolf zurückverwandelte, ihn jagte und biss? Bevor er abermals Mensch wurde und ihn gewaltsam in sein Auto stopfte?«
»Du hast ihn gebissen? Grundgütiger, das spricht eindeutig gegen dich, wenn sie es dir beweisen können.« Ann fasste sich innerlich an den Kopf. Unglaublich, was für ein Thema sie da gerade behandelten!
»Können sie aber nicht. Mein Gebissstatus als Wolf ist nirgendwo dokumentiert.«
»Nein … stimmt.« Sie war erleichtert. Und verwirrt. Und - heiß auf ihn. »Kannst du dich eigentlich beliebig oft hin- und herverwandeln?«
»Im Prinzip schon, aber je öfter ich mich nacheinander verwandle, umso langsamer geht es. Es kostet mich jedes Mal einen Haufen Kraft.« Er stützte den Arm auf die geflieste Handtuchablage, als hätte er einen anstrengenden Tag mit zig Transformationen hinter sich. Vielleicht auch, weil er ihren hübschen Luxuskörper den ganzen Weg hierher getragen hatte.
»Und als Wolf weißt du noch genau, was du tust. Du bist dann nicht geistig unterbelichtet oder so was?«
»Wenn du mich fragst: Tiere sind lange nicht so blöd, wie wir das vielleicht gern hätten.«
Interessiert hakte sie nach. »Du wirst also nicht von irgendwelchen Mondphasen oder von deinen Stimmungen beeinflusst?«
»Die Geschichte mit dem Mond ist völliger Quatsch. Au ßerdem bin ich kein Werwolf. Ich bin ein …« Er hielt inne.
»Wer bist du?«
Er wich ihrem Blick aus. »Ich bin ein Typ wie jeder andere, nur dass ich mich in einen Wolf verwandeln kann«, versetzte er. »Meistens, wenn ich ausraste, was nicht passieren darf. Nicht bei dir. Und jetzt eine schnelle Dusche« - Jasha schob die Glastür auf - »ein ausgedehntes Bad gibt es nachher oben. Und dann ab ins Bett mit dir. Du bist bestimmt hundemüde.« Er drehte das Wasser auf. »Bin mal kurz weg. Ich muss die Alarmanlage überprüfen und das zerbrochene Fenster neben der Haustür notdürftig reparieren. Und mich um ein paar andere Dinge kümmern. Schaffst du das hier allein?«
Sie bekämpfte den Impuls, sich hilflos in seine Arme zu stürzen. »Ich komm schon klar.«
»Ganz bestimmt. Du bist ein starkes Mädchen.« Er presste seine Hand auf ihre Wange, drehte ihr Gesicht zu sich und küsste sie hart auf den Mund. »Bademäntel findest du an der Garderobe«, sagte er und verschwand.
Eilends legte sie die Ikone auf die Ablage, zog ihre Sachen aus und stieg in die Dusche. Der verkrustete Schmutz rann in braunen Rinnsalen über ihre Haut, während sie sich akribisch schrubbte. War das himmlisch, den Dreck endlich loszuwerden! Als Kind hatte sie sich nie gern schmutzig gemacht; ihre Uniform war so makellos sauber gewesen, dass die anderen Schulkinder, die Kinder mit Eltern wohlgemerkt, sie mit wachsender Begeisterung mit Grasklumpen beworfen hatten.
Eine der jüngeren Nonnen, Schwester Catherine, hatte sich redlich bemüht, sie zum ausgelassenen Herumtollen und Toben zu bewegen. Sie hatte mit ihr im Sand gespielt, sich mit ihr im Gras gewälzt oder wild geschaukelt. Ann hatte es versucht, war aber nie mit dem Herzen dabei gewesen.
Einmal wollte Schwester Catherine sie dazu überreden, mit Fingerfarben zu malen. Und musste laut losprusten, weil die sonst so folgsame Ann ihr eine miesepetrige Grimasse schnitt.
Eines Abends, als die anderen Kinder Hausaufgaben machten, hatte Schwester Catherine mit Ann draußen auf einer der großen Schaukeln gesessen. Sie hatte sie beide immer höher in die Lüfte geschwungen und atemlos gelacht, gar nicht wie eine Ordensschwester, sondern glockenhell wie ein Engel, der seine Schwingen ausbreitete und unbeschwert davonflog. Und plötzlich hatte das Mädchen in ihr Lachen eingestimmt und für einen kurzen Augenblick ihr schweres Los vergessen.
Und jetzt stand Ann unter der Dusche, eine Hand auf ihren Rücken gepresst, ihren Blick nach innen gekehrt.
Das Lachen war ihr bald vergangen.
Sie zog das Böse an. Und geriet dauernd an die falschen Menschen.
Sie hatte ihre Lektion gelernt, eine harte Lektion, die sie für das Leben geprägt hatte. Nie wieder war Ann so ausgelassen gewesen, denn bei allem, was sie tat, schwebte der Geist von Schwester Catherine bedrohlich über ihr.
Jasha glaubte, sie hätte niemals Kind sein dürfen.
O doch. Allerdings war sie ein sehr folgsames Kind gewesen. Ann hätte niemals etwas getan, was man nicht tun durfte.
Bis jetzt.
Sie lehnte ihren Kopf an die feucht bedampften Fliesen und schloss die Augen.
Einmal ist immer das erste Mal. Ein einziges Mal bloß hatte sie etwas Verruchtes und Verbotenes gemacht, und prompt hatte sie die Bescherung.
Alles Jammern nützt nichts, hätte Schwester Mary Magdalene jetzt gesagt. Was passiert war, war passiert, und Ann musste mit den Konsequenzen leben.
Ann stieg aus der Duschtasse, trocknete sich ab und wickelte sich in den Bademantel.
Sie nahm das Heiligenbild von der Ablage, wusch vorsichtig den Schmutz ab. Dabei betrachtete sie es von allen Seiten.
Die Ikone war schön. Perfekt. Ein Wunder.
Unmöglich, dass Jasha sich daran die Haut verbrannt hatte, sann sie verwirrt. Gleichwohl hatte sie den Rauch genau gesehen.
Sie war bei Nonnen aufgewachsen. Und wusste sehr wohl, was ein derartiges Omen bedeutete.
Irgendwie, irgendwann hatte er Gott enttäuscht, und jetzt lastete ein Fluch auf ihm.
Eine einsame Träne kullerte über ihre Wange, tropfte auf das Madonnenantlitz, und Ann wischte sie gedankenverloren weg.
Das alles war ihr unbegreiflich. Stimmte irgendetwas nicht mit Jasha? Hatte er übernormale Fähigkeiten? Gut, er war attraktiver als die meisten Männer, aber auch nicht überirdisch schön. Er zog Frauen an wie der Honig die Bienen, aber das war offensichtlich keine übernormale Gabe, zumal seine Verlobte ihn wegen der dauernden Flirtgeschichten verlassen hatte. Zweifellos war er ein brillanter Geschäftsmann, aber doch nur darum, weil er bis spät in die Nacht arbeitete und ein Händchen für gute Mitarbeiter hatte, und nicht, weil seine Rivalen nach mysteriösen Wolfsattacken das Zeitliche segneten.
Wer oder was war er? An diesem Punkt wich er ihr aus und weigerte sich hartnäckig, ihr diese Frage zu beantworten.
Lastete ein Fluch auf ihm?
Und wenn ja, was bedeutete das für sie? Sie hatte ihm nachgegeben. Statt sich mit Händen und Füßen zu sträuben, hatte sie die Finger nicht von ihm lassen können.
Schlimmer noch, sie versuchte nicht mal mehr zu fliehen.
Sie ließ die Ikone in die Tasche des Bademantels gleiten.
Jetzt würde sie in sein herrschaftliches Schlafzimmer gehen und sich in eine Wanne mit dampfend heißem duftendem Wasser legen.
Und dafür irgendwann ganz sicher in der Hölle schmoren müssen.
Folglich konnte sie diese Nacht in vollen Zügen genießen, als ob es ihre letzte wäre.
Nachtschwarze Küsse - Scent of Darkness
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