Elfen-Tipp
Wenn du den Verdacht hast, dass jemand ein böser Elf ist, dann bitte ihn nicht in dein Haus. Gute Elfen? Kein Problem. Vergiss nicht: Ein Elf kann dein Haus nur betreten, wenn er hereingebeten wird.
Ich kann das unmöglich ohne Devyn und Issie machen. Ich brauche sie. Devyn weiß wegen seiner Recherche-Leidenschaft vielleicht sogar schon, wie man nach Walhalla gelangt. Und Issie? Bei Issie kann ich mich vielleicht rückversichern, dass ich all das nicht umsonst gemacht habe, dass Nick noch am Leben ist und dass Astley mich nicht total an der Nase herumgeführt hat. Deshalb lasse ich mich von diesem König, von meinem König, zu Issie nach Hause bringen. Wir fliegen wieder. Ich bin schon fast daran gewöhnt, in der Luft zu sein. Einen Vorteil hat es, ein Elf zu sein: Die Kälte macht einem weniger aus. Es ist erstaunlich.
Issies Zuhause strahlt etwas Tröstliches aus. Das Haus hat zwei Stockwerke und sieht sehr amerikanisch aus. Die Garage ist gleich neben dem Haus, und an den Fenstern gibt es diese süßen grünen Klappläden. Ich hab das Haus im Frühling noch nicht gesehen, aber ich wette, dass entlang des gepflasterten Wegs tonnenweise Blumen im Boden schlummern: Osterglocken und Tulpen und Gänseblümchen. Der bloße Gedanke daran wärmt mich, obwohl ich schreckliche Angst davor habe, Issie zu begegnen, schreckliche Angst davor, was sie wohl sagt, wenn sie erfährt, dass ich es wirklich getan habe. Sie ist meine beste Freundin. Es darf nicht sein, dass ich sie und Nick verliere. Das wäre zu viel.
Und ich habe Angst vor mir selbst. Obwohl ich glaube, die Kontrolle über mich zu haben, fürchte ich, dass irgendeine verrückte Begierde mich überkommt und ich einfach …
»Es wird alles gut, Zara«, sagt Astley.
»Liest du wieder meine Gedanken?«, frage ich, während er mir den Hut über die Ohren zieht. Seine Hände verweilen dort ein bisschen zu lange, bevor er sie wegzieht. Dieser Typ hat mich geküsst. Ich weiß, was das im Hinblick auf die Verwandlung bedeutet hat, aber ich weiß nicht, was es, wenn überhaupt, im Hinblick auf unser Verhältnis als Junge und Mädchen bedeutet. Aber eigentlich habe ich gerade auch gar keine Zeit, darüber nachzudenken.
Er schnipst eine Fluse von seiner dunkelgrünen Cordjacke. »Nein, nur deine Gefühle.«
Ich lasse Astley draußen stehen. Er steht auf der Garageneinfahrt und hat die Arme vor der Brust verschränkt, sodass seine Jacke am Kragen ein bisschen aufklafft.
»Das dauert schon ein paar Minuten«, sage ich zu ihm. Ich schaue zu Issies Zimmer hinauf. Aus dem Fenster scheint warmes Licht. Ich kann Issie und Devyn dort drinnen riechen. Issie riecht nach Schmetterlingen und Vanille und gelben Osterglocken, Devyn nach Federn und Wind und einer Art Moschus. Ein Junge. Werde ich nach seinem Blut gieren? Nein. Nein. Ich weigere mich, darüber auch nur nachzudenken. Es ist so abscheulich. Ich konzentriere mich neu. Da ist noch ein Geruch, den ich nicht recht erkenne, ich glaube, es ist Lavendel. Ich weiß nicht, wer das ist. Die Eingangstür wartet auf mich, aber ich möchte nicht klopfen und Issies Eltern wecken.
»Kann ich fliegen?«, frage ich Astley, der mit dem Weggehen offenbar wartet, bis ich hineingegangen bin, was sehr höflich ist.
»Wahrscheinlich nicht. Vielleicht. Aber versuch es noch nicht.« Er stolpert durch seine Sätze. »Normalerweise können nur Könige fliegen. Auch das unterscheidet uns von den anderen. Aber du kannst springen.«
»Springen?«
»Springen. Hoch springen. Sehr hoch und sehr weit, je nachdem, was du brauchst. Probier es.« Er schwingt beide Hände nach vorn in die Luft, um mir zu zeigen, wie ich Schwung holen soll.
Ich gehe ein bisschen in die Knie und konzentriere mich darauf, Schwung zu holen. Ich fliege durch die Luft und lande auf dem Fenstersims. Meine Füße drehen sich zur Seite, damit ich das Gleichgewicht halten kann, und ich greife nach dem Fensterrahmen. Allerdings habe ich viel zu viel Angst, um mich darüber zu freuen, dass ich gerade drei Meter hoch gesprungen bin. Ehrlich? Wow.
»Toll!«, ruft er. »Ich fliege eine Weile weg. Im Wald sind viele Elfen unterwegs, vielleicht kann ich ein paar überreden, sich mir anzuschließen.«
»Gut. Super. Mmm-hmm.« Ich weiß nicht, was ich sagen soll, also versuche ich es mit: »Sei vorsichtig.«
Meine Finger sind ganz weiß, weil ich mich so festklammere. Am Fensterrahmen sind ein paar dicke angetrocknete Farbtropfen. Ich frage mich, ob sie wohl Blei enthalten. Ist die Berührung mit Blei für Elfen schmerzhaft? Dann richte ich meine Aufmerksamkeit auf das, was in Issies Zimmer passiert. Es ist komplett grün gestrichen, und auf ihrem Bett und am Boden sitzen jede Menge Stoffhasen. Normalerweise würde mir das schon den Atem verschlagen, aber jetzt sehe ich auch noch Devyn bei Issie sitzen. Sie sind beide total aufgebrezelt, das heiß, dass heute der Ball stattfindet, und sie halten Händchen. Sie halten Händchen! Ich würde am liebsten dort draußen auf dem Fenstersims einen Freudentanz veranstalten, aber dann schaue ich noch einmal in das Zimmer hinein. Cassidy ist auch da. Sie macht den Eindruck, als wäre sie tief in Gedanken versunken, und studiert ein paar Kristalle, als wären sie Spickzettel für den Uni-Eingangstest. Warum ist Cassidy da? Wann haben Issie und Devyn mit dem Händchenhalten angefangen? Ich muss es wissen, aber zuerst teste ich mich: »Spüre ich ein Verlangen nach irgendwas? Habe ich das Gefühl, keine Kontrolle über mich zu haben? Bin ich wild? Habe ich Begierden? Nein. Nein. Und nochmal nein.« Ich klopfe mit dem Knie gegen das Fenster, weil ich mich nicht traue, loszulassen.
Issie dreht sich um, und ihr Mund öffnet sich zu einem großen O. Sie eilt herüber, und ihr liebes, rundes Gesicht erscheint am Fenster. »Zara!«
Sie reißt das Fenster auf und klappt das Fliegengitter weg.
Devyn packt sie an der Schulter: »Warte. Lass sie nicht rein.«
»Was?«
Devyn rümpft auf eine gar nicht nette Art und Weise die Nase. Seine Miene verdüstert sich. »Sie hat sich verwandelt. Ich kann es riechen. Außerdem liegt auf dem Fensterbrett überall Glitzerstaub.«
Ich schaue nach und frage mich, ob der Staub von mir oder von Astley stammt. Hinterlassen Königinnen Staub?
»Na und?« Issie runzelt die Stirn.
»Sie ist ein Elf. Sie könnte dir was tun«, behauptet er und mustert mich misstrauisch.
Seine Hände greifen nach Issies Arm. Nach dem Arm, mit dem sie das Fenster geöffnet hat. Cassidy weicht bis an die Wand zurück. Ihre Hand umklammert einen schwarzen Kristall.
Issies Gesicht verzieht sich missmutig: »Mensch, manchmal bist du schon ein Depp, Devyn. Ich meine, ich liebe dich, aber du bist ein Depp und hast viel zu wenig Vertrauen.«
»Und du bist zu vertrauensselig«, wendet er ein.
»Es ist doch nur Zara!«, ruft Issie.
»Sie könnte uns angreifen«, meint Cassidy. Ihre Augen werden schmal, als sie mich mustert. »Sie ist ein Elf. Wir wissen nicht …«
»Ihr habt ihr von den Elfen erzählt!« Ich stehe schwankend auf dem Fensterbrett und versuche, flehentlich zu gucken. »Leute? Bitte! Ich fall sonst runter.«
Devyn fasst unter das Bett und holt zwei Messer und ein Schwert hervor. Die Messer gibt er Cassidy und Issie, das Schwert behält er selbst. Er und Cassidy richten ihre Waffen auf mich, Issies Messer zeigt zum Teppich.
»Okay. Komm rein.« Issie winkt mich in ihr Zimmer. Devyn protestiert wieder, und Issie wischt ihre freie Hand an dem glänzenden Stoff ihres ausgeschnittenen Kleides ab. »Es ist mein Haus. Ich entscheide. Aber friss mich nicht auf, Zara. Versprochen?«
»Niemals!« Ich gleite durch das Fenster hindurch. Eigentlich würde ich Issie gern umarmen, aber an ihrem Gehopse sehe ich, dass sie immer noch sehr nervös ist, deshalb sage ich nur: »Danke.«
Devyn stellt sich zwischen uns, vielleicht will er Issie beschützen oder so. Er richtet das Schwert gegen mich. »Wie fühlst du dich?«
»Mir tut alles weh. Aber sonst, stark. Gut.«
»Hast du das Gefühl, dass du uns etwas antun musst?« Seine Hand mit dem Schwert zittert nicht, und seine Stimme ist fest.
»Nein.« Ich möchte ihm sagen, dass er sich beruhigen soll, aber Cassidy lehnt immer noch tief in Gedanken versunken an der Wand und schaut mich an, als könnte sie mein Elfen-Ich sehen. Issie wird wieder ganz gesprächig.
»Wow. Mehr braucht es nicht, um einen Elf hereinzubitten? Ich hatte gehofft, dass ich alte lateinische Verse murmeln muss oder etwas auf Keltisch deklamieren oder vielleicht einen besonderen Tanz aufführen oder so. Das ist ja richtig enttäuschend. Aber was rede ich da?« Sie schüttelt den Kopf, lässt ihr Messer auf das Bett fallen und stürzt auf mich zu, um mich zu umarmen.
»Nicht, Issie!«, schreit Devyn.
»Sei still, Devyn.« Sie ist knochig und zerbrechlich, aber sie zu umarmen, fühlt sich immer warm und gut an. Nach zu Hause. Sie lächelt breit, als sie sich von mir löst. »Ich bin so froh, dass du wieder da bist.«
»Ich auch«, sage ich und frage dann: »Du vertraust mir also noch?«
»Na klar!«, ruft Issie, während Devyn kategorisch »nein« sagt.
Cassidy ist mit gezücktem Messer näher gekommen. »Issie, du solltest dir auch dein Messer schnappen.«
»Warum? Sie tut mir nichts«, antwortet Issie. »Sie ist Zara.«
»Elfen-Zara«, korrigiert Devyn. »Nicht unsere Zara.«
Nicht ihre Zara. Ich schließe einen Augenblick lang die Augen, damit die Enttäuschung mich nicht vollkommen überwältigt. Alle meine Gefühle sind so viel heftiger, seit sie fast gegenständlich sind. Ich öffne die Augen wieder und reiße mich soweit zusammen, dass ich sagen kann: »Was muss ich tun, um euch davon zu überzeugen, dass ich euch nichts antun werde?«
Cassidy macht einen Schritt nach vorn, schlüpft zwischen Devyn und Issie hindurch und steht dann direkt vor mir. Sie trägt einen langen perlenbesetzten Rock und dazu im Lagenlook zwei dünne Tops, schwarz und lila, mit Spaghetti-Trägern. Ihre Armreifen klirren an ihrem Handgelenk, als sie die Hand zu meinem Gesicht hebt.
Devyn will ihr in den Arm fallen. »Sei vorsichtig …«
Sie weist ihn mit einer Handbewegung ab. »Ich werde es spüren.«
Ich habe keine Ahnung, was sie tun wird oder warum sie es tut, aber ich bleibe einfach vollkommen still stehen und lasse geschehen, was immer geschieht. Ihre braunen Augen sind unergründlich. Sie erinnern mich an Nicks Augen, und das ist irgendwie tröstlich. Sie streckt den Arm aus und reicht Issie ihr Messer, dann berührt sie mit den Fingerspitzen beider Hände meine Stirn. Einen Augenblick passiert nichts, aber dann habe ich das Gefühl, ein Hallenbad zu betreten. Die Luft ist feucht und warm, und mein Blutdruck sackt in den Keller.
Sie lächelt. »Keine bösen Absichten. Ihre Seele ist rein.«
Sie lässt die Hände sinken und lächelt triumphierend, während ich stottere: »W-w-w-as? Woher willst du das wissen?«
Issie hebt die Augenbrauen. »Wie sich rausgestellt hat, ist Cassidy zum Teil ein Elf. Ihr Ur-Ur-Großvater war ein Fabelwesen. Das befähigt sie zu gewissen Dingen.«
»Ein Elf? Im Ernst?« Ich schüttle den Kopf und fange dann an zu lachen, weil es einfach so verrückt und so cool ist und überhaupt nicht das, was ich erwartet habe.
»Nicht viel von einem Elf«, erklärt Cassidy, »aber genug, um in Menschen zu lesen und sagen zu können, ob sie gut sind oder nicht, oder um mit ein bisschen Magie vorherzusagen, wie Menschen handeln werden, manchmal sogar, um in die Zukunft zu schauen.«
»Deshalb kratzt sie sich dauernd. Elfen reagieren auf synthetische Fasern in menschlicher Kleidung. Und deshalb hing sie auch dauernd bei Devyn rum«, erklärt Issie und lässt sich auf ihr Bett fallen. Sie winkt mich zu sich. »Sie hat gespürt, dass er und Nick auch anders sind.«
»Ich wollte es wissen«, erklärt Cassidy. Sie geht zurück zu ihrem Platz und setzt sich inmitten von Stoffhasen und Kristallen auf den Boden.
»Aber ich habe gedacht …« Ich beende den Satz nicht, weil er zu peinlich ist.
»Dass sie in Devyn verliebt ist«, spricht Issie für mich weiter. »Ja, das habe ich auch gedacht, offensichtlich, und ich habe gedacht, Devyn wäre in sie verliebt, aber darum ging es gar nicht.«
»Oh«, sage ich, weil mir nichts anderes einfällt. Ich möchte mehr über das Händchenhalten wissen. Ich möchte es unbedingt wissen, aber ich habe keine Ahnung, wie ich fragen soll.
»Devyn und ich sind jetzt zusammen«, platzt Issie heraus.
Devyn nickt. Er hat das Schwert immer noch fest in der Hand, aber wenigstens richtet er es nicht mehr gegen mich.
»Echt? Das. Ist. So. Cool!«, kreische ich und stürze mich auf Issie. Wir umarmen uns, und sie lacht. Dann wende ich mich an Devyn: »Es wurde auch langsam Zeit.«
»Ich weiß«, stöhnt Devyn und lässt sich in Issies grünen Sitzsack fallen. »Ich hatte Angst, dass ich unsere Freundschaft zerstöre, und war mir grundsätzlich unsicher, was die Beziehung zwischen Werwesen und Mensch angeht, aber als wir dann Nick verloren haben …«
Der Schmerz kracht mit Wucht zurück in meine Brust. In meinem Herzen macht etwas pling.
»Er hat gemerkt, dass das Leben zu kurz ist und zu wertvoll, bla bla bla«, sagt Cassidy. »Aber das ist jetzt nicht wichtig. Wichtig ist unser nächster Schritt und dass wir dich auf den Stand der Dinge bringen. Richtig?«
Ich muss fast lächeln. Cassidy gefällt mir.
»Alles ist eine einzige Katastrophe«, sagt Devyn und fährt sich mit der Hand durch die Haare. Er hat sich tatsächlich irgendein Gel in die Frisur geschmiert. Für Issie hat er wirklich alles gegeben.
»Schön, dass du dich nicht in eine unkommunikative Zombie-Zara verwandelt hast. Schon verrückt, dass deine Verwandlung in einen Elf ein Fortschritt sein soll, aber vermutlich ist es so, denn du hoffst, dass du Nick zurückholen kannst und … ’tschuldigung!« Issie holt Luft. »Wir waren alle ein bisschen im Stress, seit du verschwunden bist.«
»Ja«, sage ich. »Ich auch.«
Dann bringen sie mich auf den Stand. Sie erzählen mir, dass die Elfen völlig ausgerastet sind. Zwei Achtklässler werden vermisst. Bettys Haus ist praktisch rund um die Uhr von Elfen umstellt. Sie muss sich Ausreden einfallen lassen und mit einem Polizisten eine Fahrgemeinschaft bilden, damit sie in ihrem Haus ein und ausgehen kann.
»Ich fürchte, dass das alles nur ein Trick war, Zara.« Devyn beugt sich in dem Sitzsack nach vorn. »Ich meine, es mag ja gute Elfen geben, Zara, aber wir können es nicht sicher wissen. Wir wissen nicht, ob wir ihnen vertrauen können. Wir wissen gar nichts. Ehrlich gesagt, fällt es mir trotz Cassidys Bestätigung nach wie vor schwer, dir nach deiner Verwandlung zu trauen. Wir wissen einfach wahnsinnig wenig. Du meinst vielleicht, da wir Werwesen sind, haben wir eine Ahnung, aber das ist nicht so. Wir finden dauernd was Neues raus.«
»Zum Beispiel«, stupse ich ihn an.
»Zum Beispiel …« Er denkt einen Augenblick lang nach. »Zum Beispiel, dass Cassidy teilweise ein Elf ist.«
Ich schnappe mir eines von Issies Kissen und drücke es mir an die Brust. Es riecht so wunderbar nach Mensch, nach Issie. Einen Augenblick lang möchte ich nur hier sitzen und geschehen lassen, was immer geschieht. Aber das würde Nick nicht zurückbringen. Das würde nur bedeuten, dass ich diesen ganzen schmerzhaften Elfenverwandlungszirkus vergeblich mitgemacht hätte, dabei wünsche ich mir so sehr, dass er einen Sinn hat.
Issie und Devyn haben sich telepathisch per Augenkontakt verständigt, und Devyn legt endlich seine aggressive Haltung ab und ist wieder ganz der Alte.
»Ich habe ein bisschen recherchiert …«, beginnt er.
Issie unterbricht ihn stolz: »Er hat einen Professor ausfindig gemacht, der auf nordische Mythologie spezialisiert ist. Das ist so genial. Er hat seine Nummer in Schweden herausgefunden und mit ihm geskyped.«
»Cool.« Ich nicke, begierig mehr zu erfahren.
Devyn fährt fort: »Ich habe ihn vage befragt, bis er schließlich direkt damit herausgeplatzt ist: ›Sehen Sie tatsächlich Elfen? Oder Wandelwesen?‹ Zuerst war ich zögerlich, aber dann habe ich ihm alles erzählt.«
»Und er hat Devyn nicht für verrückt gehalten!« Issie hält sich den Mund zu. »Ups. Ich hab dich unterbrochen. Tut mir leid.«
»Nach allem, was ich erfahren habe, denke ich, dass der Professor kein Fabelwesen ist, aber er glaubt an ihre Existenz, und das ist selten«, beginnt Devyn.
Is räuspert sich.
»Na, unsere liebe Is ist natürlich eine Ausnahme«, fügt er hinzu und tätschelt ihren Kopf. Sie wiegt ihn wohlig. »Jedenfalls hat er dieses alte Buch mit dem Vercelli-Gedicht empfohlen, in dem von Satan erzählt wird, der das Maul eines gigantischen Drachen ist und die Welt verschlingt. Es wurde erstmals um achthundert vor Christus als der Jüngste Tag erwähnt. Fenrir war der alte Monsterwolf, der von Vidar getötet wird. Der Mythos war zuerst da. Die Christen haben das Bild dann übernommen.«
»Ich habe keine Ahnung, wovon du sprichst«, sage ich zu ihm.
»Das ist der Mythos, der Mythos hinter dem, was hier gerade geschieht. Diese ganze Walhalla-Geschichte, du weißt schon. Nach dem Mythos wird es eine große Schlacht geben. Fenrir wird versuchen, die Welt zu verschlingen.« Devyn schaut Hilfe suchend zu Issie hin.
»Das kommt auch in Buffy!«, meldet Issie sich zu Wort. »Die Schule war direkt über einem Eingang zur Hölle, und Buffy musste immer die Apokalypse und so verhindern, damit Sunnydale nicht zusammen mit der ganzen restlichen Welt verschlungen wird.«
»Was?« Ich verstehe nur Bahnhof.
»Warum schaust du nicht Buffy?«, schmollt Issie. »Ich habe alle Folgen runtergeladen und hab dich immer daran erinnert. Du würdest das alles verstehen, wenn du die Serie geguckt hättest.«
»Ich habe sie nicht angeschaut, weil … ähm … weil ich immer mit Nick rumgemacht habe«, biete ich an.
Sie presst lächelnd die Lippen aufeinander und sagt: »Gute Antwort.«
Cassidy stimmt zu, aber Devyn wird ungeduldig. »Aber wir glauben nicht, dass genau das hier gerade passiert.«
»Keine Riesenwölfe, die unter der Schule lauern, um uns zu verschlingen?«, höhne ich.
Issie stößt Devyn mit dem Ellbogen an. »Sieh an! Nicht mal die Verwandlung in einen Elf hat unsere Zara zu einer echten Gläubigen gemacht. Sie ist nach wie vor sehr skeptisch. Juhu!«
Ich zeige mit dem Finger auf sie. »Hör auf zu sticheln. Das klingt einfach lächerlich.«
»Es ist lächerlich. Die Tatsache, dass ich ein Adler bin, ist lächerlich, aber so ist es, Zara. Es ist einfach so.« Devyn fährt sich enttäuscht mit den Händen durch die Haare. »Jedenfalls steht das alles in der Edda. Du kannst es nachlesen. Aber vielleicht ist es nicht buchstäblich das Maul eines Wolfes, das uns alle verschlingt, sondern eine Metapher dafür, dass das Böse die Macht auf der Welt ergreift. Ich weiß, dass es schwer für dich ist. Ohne Nick ist es für uns alle schwer. Und wir dachten, wir hätten dich auch noch verloren.«
Seine Stimme bricht. Issie und ich springen auf und nehmen ihn in den Arm. Cassidy streicht ihm über den Rücken. So stehen wir eine Weile alle zusammen.
Devyn löst sich als Erster und fährt fort: »Wir kommen damit in Berührung, weil Nick nach Walhalla gebracht wurde, um als Kämpfer zu dienen, wenn Ragnarök stattfindet.«
»Das ist die große Schlacht am Ende der Welt, in der alles, auch Himmel und Erde, zerstört wird«, unterbricht Cassidy und schlingt ihren Pullover um sich.
»Astley hat mir das schon erzählt. Ich habe es verstanden.« Ich löse mich von Issie und gehe zum Fenster, um hinauszuschauen. Die Welt liegt kalt und ruhig da. Astley kann ich nicht entdecken. Auch die anderen Elfen, die im Wald verborgen darauf warten, zuzuschlagen, kann ich in der Dunkelheit nicht sehen, aber ich kann sie riechen. »Und diese große Schlacht – glaubt ihr, dass sie bald stattfinden wird?«
Devyn bläst sich die Haare aus der Stirn. »Hoffentlich nicht.«
»Gegen die Apokalypse musst du immer aufbegehren«, sagt Issie. »Weißt du?«
»Ich weiß«, seufze ich. »Wir müssen also nur Nick holen und dann die Welt retten.«
Obwohl Cassidy da ist, kann ich nicht an mich halten und erzähle ihnen alles: von Astley und wie wütend ich bin, weil ich nicht einmal sicher weiß, ob Nick noch am Leben ist. Wie irre es war, ein Elf zu werden. Wie sehr ich mich davor gefürchtet habe, dass ich ihnen etwas antun könnte, aber wie cool es andererseits ist, so stark zu sein und nicht so schrecklich zu frieren. Was ich ihnen verschweige, sind all meine verrückten, gemischten Gefühle, die ich hatte, weil ich Astley geküsst habe. Und wie sehr mir Nick fehlt.
Als ich fertig bin, sagt Cassidy: »Ich glaube, wir können herausfinden, ob er noch lebt.«
Und Devyn fügt erklärend hinzu: »Sie hat das schon mal gemacht, mit dir.« Dabei schaut er sie an wie ein stolzer Vater. »Wir haben dich mit ihrer Hilfe in dem Hotelzimmer gesehen …«
»Du hast geschrien«, wirft Issie ein, »und gezittert. Es war gruselig, weil du so sehr Elf warst. Nichts für ungut.«
»Schon gut«, antworte ich, aber ich höre gar nicht richtig hin, denn meine ganze Aufmerksamkeit gilt Cassidy. »Du kannst das wirklich?«
Sie nickt und wendet sich ihren Kristallen zu. Einen kleinen lässt sie zwischen ihren Fingern hin und her gleiten. »Ich kann es versuchen. Redet einfach weiter, ich brauche ein paar Minuten, um mich vorzubereiten.«
»Eigentlich kann ich es gar nicht ab, wenn sie das tut«, sagt Issie und wird so blass, als würde sie gleich ohnmächtig werden. Dann nimmt sie einen ihrer Stoffhasen, einen Peter Rabbit in blauer Jacke, fest in den Arm. »Die Elfen haben uns verfolgt. Wahrscheinlich sind sie auch jetzt draußen im Wald. Wir müssen sehr aufpassen, wenn wir rausgehen. Einer hat Mrs Nix geschnappt.«
»Aber sie konnte sich befreien«, meint Devyn.
»Die letzten paar Tage waren nur schrecklich«, fährt Issie fort. »Wir hatten solche Angst um dich. Wir hatten Angst, dass du sterben könntest oder dass du vielleicht …«
»Ganz böse wirst?«, schlage ich vor.
Sie nickt. »Ja.«
Ich muss schlucken. Es ist unerträglich still im Zimmer. Ich denke an die Zeremonie, die ich gerade erlebt habe, an den Plan, daran, was als Nächstes geschehen muss. Ich räuspere mich. Mein Atem schneidet mir durch die Brust. Ich drücke eine Hand auf meinen Magen und akzeptiere, was ich getan habe. Ich habe es aus einem guten Grund getan. Ich habe mein früheres Selbst aufgegeben, um Nick zu retten, Und das war es wert. Das ist es wert. Ich bedauere nichts. Issie hat Schluckauf, wie immer, wenn sie versucht, nicht zu weinen.
»Also«, sagte ich und versuche, die beiden zum Weiterreden zu motivieren und die Begräbnisstimmung zu vertreiben. »Das andere Anagramm … habt ihr es entziffert?«
»Nein.«
»Ein wunder Punkt für unser kleines Genie.«
Devyn kommt zu mir ans Bett und nimmt meine Hand. »Du glaubst, dass er tot ist, nicht wahr? Du glaubst, dass man dich betrogen hat.«
Ich kann nur leicht mit dem Kopf nicken. »Ja.« Meine Stimme ist wieder ganz leise, nur ein verzagtes, hoffnungsloses Flüstern. »Und nur die Hoffnung, nein, die Überzeugung, dass er noch lebt, hält mich aufrecht, verstehst du? Ich will nicht ohne ihn sein, ich kann mir einfach nicht vorstellen, ohne ihn zu sein. Natürlich weiß ich, dass ich ohne ihn existieren kann, aber das würde mir sehr schwerfallen.«
Ich lehne mich an Issie. Sie legt mir den Arm um die Schultern und tätschelt mir den Kopf.
»Ich bin bereit«, verkündet Cassidy.
»Vielleicht sollten wir besser nicht …«, fängt Devyn an.
»Wir müssen«, unterbreche ich ihn. Ich sitze wieder ganz aufrecht da, lasse aber seine Hand nicht los.
Cassidy hat eine Ecke des Zimmerbodens von Stoffhasen und Kleidern freigeräumt. Die Kristalle liegen kreisförmig um sie herum, und vor ihr steht eine mit Wasser gefüllte Salatschüssel. Sie sprenkelt Wasser auf den Kreis, dann streckt sie ihre langen Arme aus, schließt die Augen und murmelt etwas. Auf einmal fühlt sich die Luft im Zimmer anders an, elektrisch aufgeladen, wie vor einem Gewitter. Cassidys Haare fliegen vor ihrem Gesicht herum, als würde ein Wind wehen, der sich nur auf sie zentriert.
Devyns Griff um meine Hand wird fester. Issies Mund entschlüpft ein leises Wimmern, und dann hat es den Anschein, als würde sich der Wind, der sich bislang ganz auf Cassidy zentriert hat, aus dem Kreis heraus bewegen und uns treffen. Allerdings ist es nicht einfach ein Wind, sondern eher ein elektrischer Strom, der alle Energie an sich zieht. Alle Atome in meinem Körper scheinen zu surren und sich zu entladen und irgendwie zu schimmern.
»Es saugt uns aus«, keuche ich.
»Alles in Ordnung«, beruhigt mich Devyn.
Cassidy scheint nichts mehr wahrzunehmen. Ihr Körper zittert, als stecke sie voller Elektrizität. Die Lichter im Zimmer gehen einfach aus, ohne dass jemand einen Schalter berührt, und Cassidy ist von einem gespenstischen Glühen umgeben. Ich will vom Bett aufstehen: »Ich kann sie nicht mehr sehen.«
Devyn hält mich zurück. »Das gehört dazu.«
Und auf einmal verändert sich das Glühen. Graue Linien bilden sich und verwandeln sich zu Umrissen. Das Bild eines Bettes entsteht, und in dem Bett liegt etwas. Einen Moment denke ich, dass ich das wieder bin in dem Hotelzimmer, aber das Bett passt nicht. Dieses hier sieht aus, als wäre es aus Ästen gebaut, und die Bettdecke entspricht auch nicht der standardmäßigen Hotelausstattung, sondern ist aus Fell. Ich kneife die Augen ein bisschen zusammen, und mein Herz bleibt stehen. Der Junge im Bett kommt mir bekannt vor. Seine Augenbrauen sind ein bisschen zu groß für sein perfektes Gesicht. Seine Wangen sind eingefallen, als hätte er abgenommen, aber sein Mund bewegt sich. Sein Mund bewegt sich!
»Er lebt«, schluchze ich, und jedes einzelne Organ in meinem Körper scheint in einem verrückten Freudentanz gegen die anderen zu stoßen. Das Loch, das die Angst erzeugt hat, füllt sich mit Hoffnung. »Issie. Schau nur! Er lebt.«
Auch sie weint. Devyn lässt meine Hand los und holt herzzerreißend tief Luft.
Nicks Mund bewegt sich immer noch.
»Was sagt er?«, frage ich und beuge mich weiter nach vorn. Das Bild ist nicht ganz scharf, sondern ein bisschen verschwommen und nicht gleichmäßig in den Farben, aber das ist mir egal, denn es ist Nick, mein Nick, und er lebt. Ich starre auf seine Lippen. Diese Lippen habe ich geküsst, in diesen Lippen habe ich mich millionenmal verloren. Sie bewegen sich und formen ein Wort: Zara.
»Ich komme, Baby. Ich komme und hole dich. Ehrenwort.« Mit diesen Worten gehe ich auf ihn zu.
Aber er hört mich nicht. Er stöhnt vor Schmerz, und das Bild wackelt. Ich greife nach ihm, werde jedoch zurückgestoßen, abgedrängt von Cassidys Magie, und dann ist alles weg. Von einer Sekunde zur nächsten kippt das Bild weg, und die Lichter gehen wieder an. Der Computer erwacht brummend zum Leben, und unsere Handys piepsen. In diesem Augenblick fällt Cassidy nach vorn, aber ich fange sie auf, bevor sie auf den Boden knallt. Ich nehme sie auf den Arm, stehe auf und trage sie zum Bett. Dort lege ich sie so vorsichtig wie möglich ab.
»Mensch, bist du stark«, staunt Issie.
»Ich sag’s ja! Das sind die Vorzüge des Elfendaseins. Ich kann auch sehr gut riechen, und ich kann unglaublich hoch springen.« Ich schiebe Cassidy ein Kissen unter den Kopf und streiche ihre Haare glatt. Sie sieht aus, als habe sie zehn Pfund abgenommen. Nick sah auch so aus. Ich drehe mich um und wische die Tränen weg, die mir immer noch das Gesicht herunterlaufen. »Leute, er lebt. Nick lebt. Wisst ihr, was das bedeutet?«
Devyn hat auch feuchte Augen. Er möchte antworten, aber er ist noch so gerührt, dass ihm ausnahmsweise mal die Worte fehlen. Issie gibt mir Zeichen, weiterzureden und es auszusprechen. Wahrscheinlich weiß sie, dass ich es unbedingt aussprechen möchte. Ich möchte jedem einzelnen miserablen Klischee im Universum entsprechen und es von allen Berggipfeln herabschreien.
»Das heißt, dass ich nicht umsonst ein Elf geworden bin. Das heißt, dass ich Nick finden und ihn nach Hause bringen werde«, sage ich.
Devyn und Issie nehmen sich an der Hand und flechten ihre Finger ineinander. Ich bemerke es, und Cassidy bemerkt es wohl auch, denn sie murmelt: »Wie süß.«
»Du hast etwas vergessen«, sagt Issie zu mir.
Ich weiß nicht, was sie meint. Meine Finger beugen sich, sie sehnen sich nach Nicks Fingern, und ich sage: »Was?«
Devyn beendet den Satz für sie: »Dass wir dir helfen werden.«
»Wir alle«, betont Cassidy.
»Wir alle.« Ich wiederhole ihre Worte und erlaube mir zum ersten Mal seit Tagen ein Lächeln. Dann berühre ich das Fußkettchen, das Nick mir geschenkt hat. Es ist immer noch da. Die Kette ist nicht gerissen, so wie das Band unserer Freundschaft nicht gerissen ist. »Cool.«
Issie schaut auf die Uhr. »Der Ball. Wir sind total spät dran.«
»Stimmt«, keucht Cassidy.
Devyn verdreht die Augen.
»Ich geh dann mal«, sage ich, aber Issie packt mich am Arm. Irrationaler, heftiger Zorn durchflutet mich. Ich könnte mich einfach von ihr losreißen. Ich könnte sie würgen. Ich könnte sie töten. Ich schaudere. All das kann ich tun, ich mit diesem neuen Ich. Ich kann problemlos töten. Aber ich werde es nicht tun. Ich atme aus, und der Zorn verfliegt.
»Du kommst mit uns«, beharrt Issie.
»Ich glaube nicht.« Ich schaue Devyn angsterfüllt an, aber er hebt nur die Hände in die Luft. »Idiot, ich brauche Hilfe.«
»Nick würde wollen, dass du gehst«, sagt Cassidy und steht auf. »Du brauchst ein Kleid. Hast du ein Kleid? Oder gibt’s bei dir nur T-Shirts von alten Rockbands?«
»Das ist nicht nett«, sagt Issie und wischt sich über die Augen, »aber wahr. Außerdem haben wir nicht so viel Zeit, dass Zara heimfahren und ein Kleid holen könnte. Betty würde eine Riesenszene machen. Darauf bist du jetzt nicht scharf, oder?« Bevor ich antworten kann, sagt sie »Nein, ich glaube nicht.«
Ich lasse mich aufs Bett fallen. Devyn meint: »Nick würde bestimmt nicht wollen, dass sie ohne ihn geht.«
»Danke.« Ich lächle ihn an.
»Gern geschehen«, antwortet er.
»Nun, Nick ist nicht ihr Boss, und er ist nicht da und ich möchte, dass sie mitkommt.« Issie ist zu ihrem Schrank gegangen. »Du weißt das wahrscheinlich nicht, Zara, aber als ich jünger war, hatte ich einen Kleidertick.«
»Ja«, bekräftigt Cassidy. »Sie hat nur Kleider getragen.« Dann geht sie zum Kleiderschrank, und die beiden unterhalten sich murmelnd über Farben und Größen.
»Da lässt sich nichts gegen machen, was?«, frage ich Devyn.
Er lässt sich neben mich aufs Bett fallen, legt sich zurück und verschränkt die Hände unter dem Kopf. »Nö. Nichts für ungut, aber das wäre schwieriger, als einen Elf zu töten.«
»Passt schon.« Ich stupse ihn in die Seite. Dann habe ich das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen. Ich bin ein Elf. Alle verhalten sich, als wäre es okay, und vielleicht ist es ja auch okay, aber die Dinge liegen anders. Ich bin anders.
Cassidy dreht sich um und hält ein dunkelgrünes trägerloses Empirekleid hoch. »Wie wär’s mit diesem?«
»Es ist schön.« Ich versuche zu lächeln.
Offenbar ist es mir nicht gelungen, denn Issie sagt: »Was ist los? Gefällt es dir nicht? Es ist doch wunderschön.«
»Nein, das ist es nicht … Das ist superschön, Issie …« Ich kämpfe um die richtigen Worte und setze mich auf. Devyn tut es mir nach. »Ich … ich weiß nur einfach nicht, wie das alles gehen soll. Ich bin jetzt anders …«
Cassidy legt das Kleid über den Stuhl vor Issies Schreibtisch. Sie kommt herüber, geht vor mir in die Hocke und ergreift meine Hände. »Du hast es vorhin schon einmal gesagt: Du bist aus einem bestimmten Grund ein Elf.«
»Woher willst du das wissen?«
Sie legt den Kopf schief. »Der Elf in mir.«
»Damit erklärt sie alles, seit sie sich geoutet hat«, erklärt Issie, »aber sie hat fast immer recht.«
Cassidy ignoriert Issie und redet weiter »Du musst anders fühlen, Zara. Ich weiß, du denkst, dass es hier nur um Nick geht, aber so ist es nicht, Es geht auch um dich. Du hast dich für ihn verwandelt, aber du bist diejenige, die sich verwandelt hat. Du warst mutig und verrückt und hast Initiative gezeigt. Betty und Devyn waren die ganze Zeit über ziemlich angefressen, aber du hast es getan, Zara, und es sollte so sein.«
Ihre Worte hallen in meinem Kopf wider. Ich denke immer, nur Nick wäre mutig, aber ich bin es auch.
»Wäre schön, wenn du recht hättest«, sage ich schließlich.
»Gut.« Sie lässt meine Hände los. »Denn ich habe recht. Devyn, bitte bewege deinen Jungenkörper aus diesem Zimmer, damit wir Zara anziehen können.«
»Bin schon weg.« Er macht sich aus dem Staub und schließt die Tür hinter sich.
Issie klatscht in die Hände. »Gut, dann machen wir dich mal salonfähig, Elfenprinzessin.«
Mein Herz macht einen Satz, als ich sie dieses Wort sagen höre – Prinzessin.
Ich starre mich in Issies Wandspiegel an und stelle flüsternd meine Frage: »Glaubst du, das geht?«
»Alles ist möglich, klar?« Issie hält inne und schnappt sich eine Haarbürste, während sie ihre Frage selbst beantwortet: »Klar.«
Und, was soll ich sagen? Sie hat einfach recht. Alles ist möglich. Ich bin aus einem bestimmten Grund ein Elf. Ich bin Zara, eine andere Zara, aber immer noch Zara. Was aus uns allen wird, hängt nicht zuletzt von mir ab, und es ist meine Aufgabe, meine Pflicht, meine Freunde zu beschützen. Und das werde ich tun. Und der Elf in mir befähigt mich dazu.
»Macht mich salonfähig, Mädels«, sage ich und stehe auf. »Lasst mich wie eine Königin aussehen.«