Elfen-Tipp

Man kann nicht, einfach so tun, als gäbe es sie nicht.

 

Die Schneesturmwolken haben sich verzogen. Ein leuchtend blauer Himmel verhöhnt mich, als ich unsere Straße überquere. Irgendwie habe ich immer noch meine Stiefel an. Das hatte ich nicht einmal bemerkt. Auf einem klebt Blut. Auch das hatte ich nicht bemerkt. Egal. Ich ziehe meine Füße durch den Schnee und ignoriere das Blut, ignoriere den Himmel und trete zwischen die Bäume. Der Schnee ist hier nicht so tief wegen des Baldachins aus Kiefernnadeln über mir. Einen Teil der Schneelast fangen die Äste auf, die dadurch niedergedrückt werden. Wir alle werden von irgendwas niedergedrückt.

Ich gehe durch den Wald und lausche den winterlichen Geräuschen der Krähen, die sich krächzend die neuesten Nachrichten erzählen. Streifenhörnchen keckern nervös, wenn ich vorbeikomme. Ich sehe nur ihre Spuren. Sonst gibt es außer meinen eigenen keine Fußspuren. Elfen hinterlassen nicht immer eine Spur. Ich weiß nicht genau, wie das geht. Aber es ist mir auch egal. Das Wie spielt keine Rolle mehr, oder?

Ich gehe zehn Minuten lang, dann ruft jemand meinen Namen.

»Zara …«

Es ist die Stimme einer Frau, tief und rau, wie die der Jazz-Sängerinnen, die Betty abends auf ihrem iPod hört. Ich bleibe stehen, aber ich greife nicht zu meinem Schwert. Die Angst erzeugt ein leichtes Kribbeln in meinem Nacken. Aber genau das wollte ich doch, ich will es. Ich will den Kampf.

»Zara, komm zu mir …« Diesmal ist es eine männliche Stimme, hoch und klar. Sie kommt von links, glaube ich. Sie versuchen, mich in die Irre zu führen. Idioten.

»Zara …«

»Prinzessin …«

»Zara …«

Die Krähen, die Eichhörnchen und die Streifenhörnchen sind still geworden. Mein Atem strömt aus mir heraus und bildet an der Luft eine Wolke. Es ist kälter geworden, aber ich spüre es nicht. Ich spüre gar nichts. Ich mache noch einen Schritt, und da ist sie, der weibliche Elf. Ich erkenne, dass sie zum Volk meines Vaters gehört. Ihre roten Haare stehen wild vom Kopf ab, vollkommen außer Kontrolle. Ihr Mund ist eine knurrende Falle. Sie trägt einen Bademantel über einem Pyjama mit aufgedruckten Katzen. Das klingt lächerlich, ist aber wahr.

»Prinzessin.« Sie lächelt.

Rechts von mir tauchen noch zwei Elfen auf, hochgewachsene Männer, die dünn sind vor Hunger. Links von mir knackt ein Ast. Drei Elfen nähern sich, eine Frau und zwei Männer. Weitere höre ich hinter mir atmen. Einer hockt in den Ästen einer Kiefer und wartet darauf, sich herabzustürzen. Ich sage nichts, sondern ziehe einfach mein Schwert.

Die rothaarige Elfenfrau lacht. Hinter mir sagt jemand: »Sollen wir sie jetzt töten, oder sollen wir sie zusehen lassen, wie wir ihre Freunde töten?«

Sie scheinen einen Augenblick lang nachzudenken. Mein Schwert liegt schwer in meiner Hand. Niemand rührt sich, dann sagt einer der Typen rechts von mir: »Ich bin dafür, dass wir sie zuerst fast umbringen und dann zusehen lassen.«

»Ein vernünftiger Vorschlag«, meint sie.

Ich schüttle den Kopf. »Ihr Elfen redet immer nur. Bla, bla, bla. Es ist soooo langweilig.«

Bevor sie irgendetwas tun können, mache ich einen Satz nach links und schlage mit dem Schwert durch die Luft. Es ist schwierig, aber es funktioniert. Die Klinge schneidet butterweich durch den Bauch eines Elfs. Er fällt nach vorn. Ich wirble herum, bereit, erneut zuzuschlagen. Sie stürzen sich alle auf einmal auf mich. Ich hebe mein Schwert hoch, aber bei Weitem nicht schnell genug, sodass die Rothaarige es mir entreißen kann. Als sie die Klinge berührt, schreit sie vor Schmerz auf. Das Eisen verbrennt ihre Haut mit einem schrecklich säuerlichen Gestank. Sie flucht laut, und einer der anderen Elfen reißt meinen Kopf an den Haaren nach hinten.

»Fesselt sie«, befiehlt sie. »Wir machen das langsam.«

Sie haben ein blaues Nylonseil. Aber da purzelt etwas durch die Äste und landet vor mir: Leder und Jeansstoff und blonde Haare.

»Verdammt«, murmelt Astley und ist auf den Füßen, bevor ich kapiere, was hier vorgeht. Er dreht sich um die eigene Achse, entreißt mich den beiden Elfen, die mich gepackt haben, und schreit: »Festhalten!«

Ich gehorche. Er schießt in die Luft hinauf. Kiefernnadeln kratzen an unseren Kleidern. Ich ziehe den Kopf ein und drücke mein Gesicht an seine Brust. Unter uns fluchen die Elfen. Ich klammere mich an ihn, um einen sicheren Halt zu bekommen. Einen Arm hat er um meine Taille gelegt, mit dem anderen versucht er, unsere Köpfe vor den Ästen zu schützen. Ein Pfeil zischt an uns vorbei und verfehlt uns nur um Zentimeter. Dann sind wir weit genug weg, über den Bäumen im Himmel.

»Was zum Teufel hast du dir dabei gedacht?«, sagt er in dem Augenblick, als wir die Bäume unter uns gelassen haben. Sein zweiter Arm umschlingt jetzt auch meine Taille. »Was ist los mit dir? Wolltest du dich umbringen?«

Meine Hände trommeln auf seine Brust: »Ich brauche nicht gerettet zu werden! Gib mir einfach eine Waffe und lass mich runter oder kämpf mit mir zusammen! Lass mich los!«

»Zara. Wir alle müssen retten, und wir alle müssen gerettet werden.«

Die Welt unter uns ist fern und kalt. Wir steigen in den leeren Raum über den Bäumen und unter dem wahren Himmel.

»Ich kann nicht ohne Nick leben«, sage ich.

Er stöhnt. »Natürlich kannst du das. Wir alle leben mit unseren Verlusten. Wir wollen es nicht, aber wir können es.«

Ich schiebe diese moralisierenden Worte beiseite und zwinge mich dazu, mich an die Ereignisse des Morgens zu erinnern: an das Elfenhaus, an den Kampf, an die Frau, die Nick weggetragen hat. Ich muss irgendwie nach Walhalla kommen, dann kann ich ihn vielleicht zurückbringen.

»Erzähl mir von den Walküren«, beharre ich.

Während wir fliegen, will er nicht sprechen, aber schließlich landen wir wieder sehr holprig auf dem Weg hinter Marthas Café und dem Riversider-Tanzstudio. Eine dünne Schneeschicht bedeckt den Asphalt. Die Ziegelsteine, aus denen die Rückwand der Gebäude gemauert ist, bröckeln, aber ich berühre sie trotzdem, um mich selbst zu erden.

»Warum sind wir hier?«, frage ich.

Er stopft sich mit einer schnellen, akkuraten Bewegung das Hemd in die Hose und erklärt: »Ich hab Hunger. Und in einem Restaurant dürften wir sicher sein.«

Er macht sich auf, das Gebäude zu umrunden. »Es ist zu öffentlich. Andererseits sind sie so hungrig, dass sie dreist genug sein könnten. Ich weiß es nicht. Der Hunger – die Begierde – kann dein Urteilsvermögen beeinträchtigen.«

Ich renne hinter ihm her und packe ihn am Ärmel seiner Jacke. »Hast du keine Begierden?«

»Doch.«

»Und wie kontrollierst du sie?«

»Ich bin ein König, aber ich bin noch jung, Zara.« Trauer überschattet sein Gesicht. »Mein Vater ist vor Kurzem gestorben. Für mich ist das alles neu. Die Begierde, die die meisten Könige überfällt, kommt frühestens in ein paar Jahren.« Er betrachtet mich mit zusammengekniffenen Augen. »Lass mich deine Haare in Ordnung bringen. Da hängen Zweige drin. Und auf seinem Gesicht ist angetrocknetes Blut.«

»Mein Dad, mein Stiefvater, ist auch vor Kurzem gestorben«, erzähle ich ihm.

»Ich weiß. Es tut mir leid.« Mit zwei Fingern berührt er sanft mein Gesicht. Ich schlucke. »Mir tut es auch leid.«

Seine Hände bewegen sich schnell und fassen meine Haare vorsichtig zu einem Pferdeschwanz zusammen. Dann zupft er Zweige und Blätter von meinen Kleidern und aus meinen Haaren und wirft sie auf den Boden. Mit ein bisschen Schnee reibt er das Blut aus meinem Gesicht und kratzt das angetrocknete Blut von meinen Händen. Dann gibt er mir seine Jacke zum Anziehen, damit ich den Schmutz und das Blut auf meinem T-Shirt verbergen kann. Als wir losgehen wollen, fällt es mir wieder ein.

»Ich bin blau«, sage ich,

»Na und?«

Ich wische mir die Hände an den Jeans ab und ziehe die Friedensschnalle fest. Mein Verstand arbeitet wieder. »In diesem Aufzug kann ich nicht in ein Restaurant gehen.«

Er nimmt mich am Ellbogen: »Natürlich kannst du das.«

»Nein, die Leute … die Leute werden  Ich bin ganz nass vom Schnee und zerkratzt und …«

»Das ist schon okay. Ich lass mir was einfallen.« Er schiebt mich in das Restaurant, bevor ich Widerspruch einlegen kann.

Das große braune Schild am Eingang sagt uns, dass wir uns selbst einen Platz aussuchen dürfen. Wir gehen über den schwarz-weißgefliesten Boden, vorbei an tiefrot gepolsterten Sitzecken und Postern mit alten Filmstars, die vor einem halben Jahrhundert ihre große Zeit hatten. Ganz hinten im Restaurant gleitet er in eine Sitzecke unter einem Bild von John Wayne in Cowboy-Montur.

»Dieser Platz gefällt mir«, sagt er.

Ich lege die Ellbogen auf den Tisch und ziehe den Kopf ein, um mein Gesicht vor dem Rest der Welt zu verbergen.

»Ich liebe die Pfannkuchen hier.« Er reicht mir eine Papierserviette. »Versuch zu reden, Zara. Du bist nicht gerade mitteilsam. Es ist besorgniserregend.«

Ich nehme die Serviette und lege sie mir auf den Schoß, dann starre ich viel zu lange darauf und versuche es: »Man kann sich nur schwer vorstellen, dass Elfen hierherkommen und essen, so wie jeder andere auch.«

Er gibt mir lächelnd die Speisekarte. »Nun, wir tun es.«

Es erscheint mir als läppisches Problem, aber ich sage es trotzdem. »Ich hab kein Geld dabei.«

»Ich lade dich ein. Das ist doch das wenigste, was ich an einem Tag wie diesem tun kann.«

Ich schaue ihn an: »Wie kommt es, dass du gerade jetzt Jagd machst auf die bösen Elfen? Genau das würde Nick auch tun.«

»Ich bin nicht Nick«, sagt er in so scharfem Ton, dass ich zusammenfahre.

»Offensichtlich.«

Er hebt eine Augenbraue. »Ich war sehr beschäftigt damit, dich zu finden, Zara. Du hast hier Vorrang vor allem anderen.«

Ich warte. Auf der anderen Seite des Raums hat ein kleines Mädchen seinen Pfannkuchen aufgegessen. Sie klettert auf den Schoß ihres Vaters und flüstert ihm etwas ins Ohr. Er legt die Arme um sie und zieht sie beschützend an sich. In einer anderen Sitzecke füßelt ein Paar in den Zwanzigern unter dem Tisch. Ihre Finger haben sie ineinandergeflochten. Alles ist so zerbrechlich. Ich möchte ihnen zurufen, dass sie den Augenblick genießen sollen, dass sie einander festhalten und lieben sollen, solange sie es noch können. Ich zupfe die Serviette auf meinem Schoß zurecht. »Warum habe ich Vorrang?«

»Weil du in Gefahr bist.« Er greift nach der Zuckerdose, dreht sie und lässt die Kristalle im Kreis herumwirbeln. »Und weil ich glaube, dass du meine Königin sein sollst.«

Elfen und ihre lächerliche Obsession mit ihren Königinnen. Ich habe es so satt. Ich schnappe mir ein Päckchen Zucker, versuche die Menschen zu ignorieren, die zu uns herüberstarren. »Ich bin immer in Gefahr. Was ist jetzt so anders?«, frage ich flüsternd.

Er hört auf, die Zuckerdose zu schwenken. »Was jetzt anders ist? Dein Vater und seine Elfen sind frei. Frank ist hier. Das ist anders. Weißt du, was das für dich bedeutet?«

»Unaussprechliches Unheil und Grauen?«

Er seufzt, aber bevor er antworten kann und bevor ich ihn fragen kann, wer Frank ist, kommt die Bedienung mit Wasser. Es ist Martha persönlich, die Besitzerin. Zwischen ihren Vorderzähnen klafft eine süße kleine Lücke. Im Augenblick kann ich sie sehen, denn ihr Mund steht offen.

»Zara, du bist ja ganz blau, Kind«, stößt sie hervor.

Ich nicke.

»Gesichtsfarbe«, erklärt Astley. »Sie geht nicht ab. Wir haben alles versucht.«

»Ach je!« Martha lacht und zieht Block und Bleistift hervor. »Und jetzt siehst du für immer aus wie Cookie Monster?«

»So schlimm ist es auch wieder nicht«, meint Astley. »Die Farbe ist schon viel heller geworden.«

»Armes Ding«, kichert Martha. »Ich bring dir ein paar Papiertücher und einen Farbverdünner.«

Sie blinzelt Astley zu, und er lächelt zurück. Ich bekomme kein Wort heraus. Alles in mir ist leer und hohl. Nick fehlt mir.

Als sie weg ist, wartet er kurz, räuspert sich und sagt: »Ich fange am besten damit an, dass ich dir von dem Krieg erzähle, ja? Von dem großen Krieg, über den auch geschrieben wurde.«

»Ich möchte über die Walküre reden«, beharre ich.

»Der Krieg ist ein Grund, warum sie hier ist. Der Krieg heißt Ragnarök oder Götterdämmerung. Er ist eine Legende, aber real, wenn du verstehst, was ich meine? In dieser Zeit kämpft der Bruder gegen den Bruder und der Sohn tötet den Vater. Die Leute haben keine Moral mehr.« Er fängt wieder an, die Zuckerdose zu schwenken. Sie erinnert mich an eine Schneekugel. Dann stellt er die Dose wieder hin. »Es tut mir leid. Du stehst noch unter Schock. Glaubst du, du kannst dich konzentrieren?«

Die Menschen an den anderen Tischen unterhalten sich leise murmelnd. Ich nehme einen Schluck Wasser. »Ich Versuchs.«

»Okay. Es tut mir wirklich leid, dass wir nicht mehr Zeit haben, aber ich glaube, das ist eine Information, die du wirklich brauchst.«

»Mir egal. Ich möchte es lieber wissen. Ich hasse es, wenn ich etwas nicht weiß.«

»Ich auch. Darin sind wir uns ähnlich.« Er taucht die Fingerspitzen in sein Eiswasser. »Nach der Legende findet der Krieg Ragnarök nach dem schlimmsten aller Winter statt, nach dem Fimbulwinter. Der Winter dauert drei Jahre ohne Sommer. Und dann kommt der Krieg, und es wird der letzte Krieg sein, der schlimmste Krieg.«

Seine Stimme verliert sich, dann holt er Luft und fährt fort: »Das heißt, dass dieser Ort hier – Bedford in Maine – eine Art Leuchtfeuer ist für alle Fabelwesen, zumindest für Elfen und Werwesen. Überleg mal, wie viele schon hier sind. Und sie sind hier, weil an diesem Ort die letzte Schlacht stattfinden soll.«

»Nein«, widerspreche ich. »Das werde ich nicht zulassen.«

»Ich bin mir nicht sicher, ob wir sie verhindern können.«

Mein Wasserglas ist kalt und glatt und glitschig. Ich korrigiere meinen Griff und sage: »Wir werden sie verhindern.«

Er streicht mit den Fingerspitzen über meine Hand, die das Glas immer noch umfasst.

Ich spüre eine elektrische Wärme und fahre zurück. »Warum hast du das getan?«

Er wird rot und schaut weg. »Ich konnte nicht anders. Entschuldigung.«

Wir schweigen. Die anderen Restaurantbesucher unterhalten sich über irgendeinen Busunfall. Ich schnappe Wörter auf wie »schrecklich« und »Band« und »Sumner«, auch eine Highschool, ungefähr fünfundvierzig Minuten entfernt die Küste hinauf.

Er räuspert sich wieder und fährt fort. »Alle können nicht überleben. Sie sind nicht stark genug, und es gibt verschiedene Seiten. Auch wenn die Fabelwesen sich dessen nicht bewusst sind, entscheiden sie sich für eine Seite. Odins Söhne – die Truppen der Guten würdest du uns vermutlich nennen – die Helden …«

»Eingebildet bist du wohl gar nicht.«

»Es ist wahr. Hältst du deinen Wolf nicht für einen Helden?«

Ich schließe die Augen. Trauer legt sich schwer um meine Brust. »Bitte sprich nicht von ihm.«

»Ich entschuldige mich noch einmal, Zara, aber ich muss es tun. Er ist auch ein Grund, warum du hier bist.«

Ich öffne die Augen, und ich weiß, dass mein Blick grimmig ist, aber das ist mir egal. »Er ist der einzige Grund, warum ich hier bin.«

Er lässt meine Worte wirken. Dann lehnt er sich zurück, streckt die Arme vor sich aus, legt die Hände zusammen und lässt die Gelenke knacken. Das habe ich Nick unzählige Male tun sehen. »Die Helden werden zur Schlacht gerufen. Sie kommen aus der ganzen Welt zu diesem Ort namens Vigrid. Es ist prophezeit, dass die letzte Schlacht dort ausgefochten wird. Und hier ist dieser Ort.«

Bedford ist dieser Ort.

Ich nehme die Tische wahr, die plaudernden Menschen, den Duft des Schinkens, das Summen der Lampen und den sanften gelben Schein, den sie aussenden. Dieser Ort erscheint mir so sicher, so normal, so alles andere als ein Schlachtfeld. Es ist schwer zu glauben. Ich bringe das Gespräch wieder auf das unmittelbar Wichtige: »Die Walküre hat gesagt, dass sie Nick mitnimmt, weil er ein Kämpfer sei.«

»Ja, für Odin und Thor. Es müssen achthundert Kämpfer sein.«

»Und Nick soll einer von ihnen sein?«

»Sie machen ihn gesund, und dann, ja, dann wird er bis zur Schlacht in Walhalla bleiben.«

Ich stehe auf und vergesse sogar zu flüstern: »Dann müssen wir dorthin! Wir müssen dorthin und ihn holen. Er wird uns helfen, die Schlacht zu verhindern, bevor sie beginnt.«

Er packt mich am Arm. »Setz dich hin. Die Leute schauen schon.«

Ich möchte nicht, aber ich tue es.

»Das ist nicht so leicht«, sagt er.

»Sie hat mir gesagt, dass Menschen nicht nach Walhalla gehen können.« Er wartet ab. Er will, dass ich es sage. Und ich sage es. Es rutscht mir einfach raus: »Du wirst mich küssen, ja? Du wirst mich verwandeln?«

»Ich würde es lieber nicht tun.«

»Weil ich es für Nick mache?«

Er nickt. »Ich würde es lieber tun, weil du sagst, dass du meine Königin sein willst.«

»Nick zu retten, ist der einzige Grund, warum ich es jemals tun würde«, antworte ich, während sein Fuß unter dem Tisch meinen berührt. Und wieder spüre ich dieses warme Prickeln. Ich ziehe meine Füße zurück unter die Bank.

Er taxiert mich. »Ich kenne dich noch nicht sehr lange, Zara, aber nach allem, was ich von dir weiß, ist das eine Lüge.«

»Du bezeichnest mich als Lügnerin?«

»Nein. Ich sage, dass das eine Lüge ist. Ich glaube nämlich, dass du es für alle deine Freunde machen würdest. Du würdest dich verwandeln, um deine Mutter zu retten oder deine Großmutter oder vielleicht sogar einen Fremden, nicht wahr?« Als ich nicht antworte, fährt er fort: »Du wirst dich verwandeln, weil es dein Schicksal ist, dich zu verwandeln«, sagt er leise. »Es ist dein Schicksal, meine Königin zu sein.«

»Das Schicksal spielt keine Rolle.« Ich reiße ein Süßstoffpäckchen auf und schütte den Inhalt in mein Wasser. Die kleinen Tabletten wirbeln von der Bewegung des Wassers mitgerissen im Kreis herum. Sie stoßen mit den Eiswürfeln zusammen und sinken schließlich zum Boden des Glases. »Lass mich mit Issie und Devyn reden und ihnen erzählen, was passiert ist. Und mit Gram. Dann werde ich es tun.«

»Wir haben nicht viel Zeit.« Er lächelt fast, als ich mein Wasser umrühre, damit sich der Süßstoff auflöst.

»Es wird nicht lange dauern.« Meine Gedanken rasen. »Ich muss meine Mom anrufen und ihr sagen, dass mein Dad frei ist. Sie ist in Gefahr.«

»Sie ist nicht die Einzige.«

»Was meinst du damit?«

»Mal abgesehen von ihren Begierden: Die Elfen, die du eingesperrt hast, wollen Rache.«

»Niemand wird meinen Freunden etwas antun.« Ich reiße den echten Zucker auf und schütte ihn ebenfalls in das Glas. Dann rühre ich mit einem Löffel klirrend um und sehe zu, wie die Zuckerkristalle verschwinden, wie sie einfach verschluckt werden und weg sind.

Ich lasse eine Minute verstreichen und fahre dann fort: »Okay. Gut soweit. Und mit dem Küssen?« Ich schaue ihm direkt in die Augen. »Sag mir, was ich tun muss.«