KAPITEL 7

OPEN HARDWARE

Ein Markt, auf dem Kunden Ihnen bei der Entwicklung Ihrer Produkte helfen und die Produkte dann von Ihnen kaufen? Kein Problem – verschenken Sie einfach die Bits und verkaufen Sie die Atome.

An einem sonnigen Freitagnachmittag im März 2007 plante ich ein wundervolles Bastlerwochenende mit meinen Kindern. Unter den üblichen Besprechungsexemplaren, die an jenem Tag in der Wired-Redaktion ankamen, befanden sich dieses Mal ein Lego-Mindstorms-Robotics-Set und ein flugbereites ferngesteuertes Modellflugzeug. Ich schnappte mir beide, versprach, jeweils eine Besprechung zu schreiben, und stellte einen Zeitplan auf: Am Samstag würden wir Roboter bauen und am Sonntag das Flugzeug fliegen lassen. Es würde ein unglaubliches Wochenende werden.

Aber schon am späten Samstagvormittag lief alles schief. Beim Auspacken der Lego-Mindstorms-Box und beim Zusammenbauen des Roboters, einem dreirädrigen Rover, waren die Kinder noch voll bei der Sache, aber als wir die Batterien angeschlossen hatten, war ihre Enttäuschung nicht zu übersehen. Hollywood hatte die Robotertechnik für Kinder anscheinend ruiniert: Sie erwarteten laserbewaffnete humanoide Maschinen, die sich in einen Truck verwandeln können. Doch der Mindstorms-Rover konnte nach einer Stunde Montage und Programmierung gerade einmal vorwärtsrollen und fuhr dabei noch gegen Wände. Wir schauten online nach, was andere mit den Mindstorms anstellten, und fanden heraus, dass Amateure schon alles Mögliche damit gebaut hatten, von Robotern, die Zauberwürfel lösten, bis zu Kopiergeräten, die tatsächlich funktionierten. Wir wollten etwas ganz Neues erfinden, aber wir brachten auf keinen Fall auch nur etwas Annäherndes zustande. Nach dem Mittagessen hatten die Kinder jedes Interesse verloren.

Aber wir hatten ja noch das Flugzeug. Am Sonntag gingen wir damit in den Park. Ich warf es in die Luft und steuerte es prompt in einen Baum. Die Kinder sahen mich einfach nur an, entsetzt über meine Unfähigkeit und darüber, dass ich ihre Erwartungen enttäuscht hatte. Ich hatte ihnen vorgeschwärmt, wie cool das Flugzeug sein würde (und wir hatten gemeinsam auf YouTube Videos von atemberaubender Flugakrobatik angeschaut), und jetzt war es in Wirklichkeit alles andere als cool. Ich warf mit Stöcken nach dem Flugzeug im Baum, damit es herunterfiel, während meine Kinder so taten, als würden sie mich nicht kennen. Mein Wochenende als Geekdad war ein Reinfall, und ich ärgerte mich über mich selbst, weil ich alles falsch gemacht hatte, und über meine Kinder, weil sie so undankbar waren. Ich ging eine Runde Laufen, um Dampf abzulassen.

Beim Laufen dachte ich über die Sensoren nach, die für Lego Mindstorms erhältlich waren. Es gab Akzelerometer (»Neigungssensoren«), elektronische Drehratensensoren, einen Kompasssensor und einen Bluetooth-Anschluss, über den ein drahtloser GPS-Sensor angeschlossen werden kann. Eigentlich war es eine erstaunliche Ausstattung, und mir kam der Gedanke, dass man genau diese Sensoren brauchte, um einen Autopiloten für ein Flugzeug zu bauen. Wir konnten zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Wir erfanden etwas Cooles mit Lego, auf das noch niemand zuvor gekommen war, und wir ließen den Roboter das Flugzeug steuern! Ein besserer Pilot als ich war er auf jeden Fall.

Sobald ich wieder zu Hause war, begann ich auf dem Esstisch mit dem Bau eines Prototyps für einen Lego-Autopiloten, und eines der Kinder half mir, die Software dazu zu schreiben. Wir schossen ein paar Fotos, posteten sie, und noch am selben Abend waren sie auf der Startseite von Slashdot. Wir setzten den Autopiloten in ein Flugzeug ein – die wahrscheinlich erste Lego-Drohne der Welt – und nahmen ihn erst einige Wochenenden später wieder raus. Es funktionierte sogar irgendwie: Das Flugzeug blieb definitiv in der Luft und lenkte sich selbst, wenn auch nicht immer in die Richtung, die wir wollten.

An diesem Punkt erwachte endgültig der Tüftler in mir, und ich beschloss, so lange daran zu arbeiten, bis es so funktionierte, wie ich es mir erträumt hatte. Jetzt, Jahre später, habe ich mein Ziel immer noch nicht erreicht. (Meine Kinder haben leider schon nach ein paar Tagen jedes Interesse daran verloren und sind wieder zu ihren üblichen Beschäftigungen zurückgekehrt, Videospielen und YouTube, die schnellere Befriedigung bieten.)

Ich arbeitete an einer verbesserten Version des Lego-Autopiloten, und schließlich hatte ich einen, der die meisten Funktionalitäten eines professionellen Autopiloten aufwies, wenn auch nicht dieselbe Leistungsfähigkeit. (Er steht inzwischen im offiziellen Lego-Museum in Billund, Dänemark.) Mir war aber schnell klar geworden, dass Lego Mindstorms nicht der beste Weg war, um einen richtigen Autopiloten zu bauen: Zunächst einmal war das Gerät zu groß und zu teuer, und es reagierte damals nicht besonders gut auf Funkfernsteuerungen.

Was wäre ein besserer Weg? Ich beschloss, öffentlich und online nach Antworten auf diese Frage zu suchen und zu veröffentlichen, was ich unternahm und fand. Es war das Jahr 2007, und Facebook boomte, daher richtete ich DIYDrones.com als soziales Netzwerk ein (auf der Ning-Plattform) und nicht als Blog (schließlich hatten wir nicht mehr 2004!).

Die Entscheidung, die Site als Community aufzubauen und nicht als Nachrichten- und Informationsseite eines Einzelnen, wie ein Blog es ist, machte den entscheidenden Unterschied aus. Wie bei allen guten sozialen Netzwerken hat jeder Teilnehmer, nicht nur der Gründer, Zugriff auf alle Autorenwerkzeuge: Neben den üblichen Kommentaren können alle Mitglieder eigene Blogposts veröffentlichen, neue Unterhaltungen beginnen, Videos und Bilder hochladen, Profilseiten erstellen und sich gegenseitig Nachrichten schicken. Mitglieder der Community konnten zu Moderatoren ernannt werden, um vorbildliches Verhalten zu fördern und schlechtes zu unterbinden.

Dadurch ging es auf der Website nicht nur um mich oder meine Ideen. Es ging stattdessen um jeden, der sich daran beteiligte. Und das waren von Anfang an fast alle. Auf der Website wimmelte es bald von Menschen, die Ideen und Berichte über ihre eigenen Projekte und Versuche austauschten. Anfangs posteten die Mitglieder einfach Programmcode und Designdaten und prahlten vor den anderen Freaks mit ihren Ideen. Aber mit der Zeit organisierten wir die Zusammenarbeit immer besser. Wir richteten eine Versionsverwaltung und Dateiablagen ein, Wikis, Mailinglisten, und teilten offizielle Teams ein.

Ich war schwer beeindruckt von dem, was Mitglieder unserer Community mit Sensoren aus Handys und Chips, die weniger als eine Tasse Kaffee kosteten, alles zustande brachten. Schritt für Schritt arbeiteten sie sich zur Flugzeugelektronik vor, die nur zehn Jahre zuvor mehrere Millionen Dollar gekostet hatte. Ich hatte das Gefühl, die Zukunft der Luftfahrt mitzuerleben. Der PC war aus dem Homebrew Computer Club heraus von Amateuren entwickelt worden und hatte schließlich die etablierte Computerindustrie der 1980er-Jahre auf den Kopf gestellt. Ich konnte mir vorstellen, dass Roboter auf ganz ähnliche Weise den Himmel erobern konnten. Wir erlebten die Anfänge dieser Bewegung. Wenn es in der Branche eine Firma wie Apple Computer gab, dann uns!

An dieser Stelle erwachte der Unternehmer in mir. Ich kann nichts einfach nur aus Spaß tun, es muss immer alles einen Zweck haben. Leider führt das in der Regel dazu, dass ich »meine Hobbys industrialisiere«, wodurch dummerweise aller Spaß verloren geht. (Bei der Erziehung meiner Kinder hatte ich es vor ein paar Jahren auch so gemacht. Aus meiner Suche nach Projekten, mit denen ich meinen Kindern den Spaß an der Technologie vermitteln konnte, wurde der GeekDad-Blog, der heute GeekDad Inc. ist, ein erfolgreiches, eigenständiges Unternehmen. Zumindest in dem Fall konnte ich die Sache in andere Hände legen, bevor sich selbst meine Rolle als Vater wie Arbeit anfühlte.) Schnell war klar, dass es bei DIY Drones genauso sein würde.

Meine erste Manufaktur

Meine erste Flugroboterfirma nahm tatsächlich auf unserem Esstisch ihren Anfang. Ich baute dabei auf einem Luftschiffcontroller auf, den ich mit einem anderen Mitglied der Community entworfen hatte, und suchte mir die Teile zusammen, die ich für einen Bausatz brauchte. Die Entwurfsdaten für die Platine schickte ich an einen Hersteller und ging dann auf die Jagd nach möglichst günstigen Deals für die anderen elektronischen Teile, die ich in größeren Mengen benötigte. Die Materialbeschaffung nahm mehrere Wochen in Anspruch. Die Hersteller sollten ihre Materialien von keinem Zwischenhändler beziehen, das war meine einfache Vorgabe. Am Ende hatte ich Motoren aus China, Luftschiff-»Hüllen« aus Mylar von einem Warendepot in Kanada, Propeller aus Taiwan, eine große Kiste mit maßgefertigten, lasergeschnittenen Kunststoffteilen für den Unterbau und stapelweise Pizzaschachteln als Verpackung. (Ich überredete außerdem Lego dazu, eine große Kiste mit Getriebeteilen zu spenden.)

Die ersten paar Dutzend Platinen lötete ich von Hand zusammen, bevor ich mir schwor, das nie wieder zu machen. Ich suchte über Craigslist einen Studenten oder Schüler in meiner Nähe, der weitere 100 oder so zusammenbauen sollte. Dadurch hatte ich am Ende aber mehr Ärger als Nutzen. Schließlich tat ich, was ich von Anfang an hätte tun sollen: Ich beauftragte eine Montagefirma damit, es bei einigen weiteren 100 Stück richtig zu machen, nämlich mit Bestückungsautomaten. Ich bekam eine große Kiste mit fertigen Platinen geliefert und verbrachte einen Abend damit, sie zu testen und die Software zu laden.

Endlich war es soweit, und ich konnte die Bausätze verpacken. Wir hatten alle Einzelteile beisammen, und ich bestach die Kinder, damit sie mir beim Packen halfen. Im Esszimmer waren Tisch und Fußboden mit Haufen von Einzelteilen übersät, an denen jeweils ein Notizzettel klebte, auf dem stand, wie viele in eine Packung gehörten. Während meine Kinder mit wachsendem Überdruss eine Packung nach der anderen füllten, erlebten sie einen Vormittag lang, was es heißt, in einer richtigen Fabrik zu arbeiten. (Eine schmerzhafte Lektion: Überlassen Sie die Qualitätskontrolle nie einem fünfjährigen Kind – wir mussten alle Packungen noch einmal überprüfen.)

Mit dem nächsten Produkt unserer Community, einer Platine für einen Flugzeugautopiloten, wandten wir uns gleich an Profis. Von der Mentalität her passte SparkFun am besten zu uns. Die Firma entwirft, baut und verkauft elektronische Bauteile an die wachsende Open-Source-Hardware-Gemeinde. Sie kümmerte sich um die Materialbeschaffung und die Herstellung, sodass sich unsere Community ausschließlich mit Forschung und Entwicklung beschäftigen konnte. Außerdem gingen wir so auch kein Bestandsrisiko ein.

Im Lauf der Zeit jedoch entwickelte unsere Community neue Produkte schneller, als SparkFun sie annehmen konnte, und viele waren zu speziell für das Sortiment von SparkFun. Es wurde Zeit für eine eigene Fabrik. Mit meinem Partner Jordi Muñoz (über ihn später mehr) gründete ich eine richtige Firma: 3D Robotics.

In einer angemieteten Garage in Los Angeles begann Muñoz mit dem Aufbau unserer eigenen kleinen Version von SparkFun. Statt eines Bestückungsautomaten hatten wir einen jungen Mitarbeiter mit scharfen Augen und einer ruhigen Hand, und als Reflow-Ofen benutzten wir einen umgebauten kleinen Tischbackofen. Auf diese Weise brachten wir es auf Dutzende von Platinen pro Tag.

Als die Nachfrage stieg, wurde die Garage für uns zu klein. Muñoz zog mit dem Betrieb in Gewerberäume in einem Industriepark in San Diego um, das näher am Billiglohnzentrum Tijuana lag. Wir schafften richtige automatisierte Produktionswerkzeuge an: zuerst einen kleinen Bestückungsautomaten, dann einen größeren, und schließlich einen noch größeren mit automatischer Bauteilzuführung. Der Tischbackofen wich einem richtigen automatischen Reflow-Ofen mit Stickstoffkühlung für eine perfekte Temperaturkontrolle. Und dafür brauchten wir natürlich einen Stickstoffgenerator. So ging es immer weiter. Die Ausstattung wurde immer professioneller, und Muñoz und sein Team lernten den Umgang mit den Geräten mithilfe von Tutorials aus dem Internet.

Zu diesem Zeitpunkt war unsere Firma für die erste Gewerbefläche schon zu groß geworden, und wir hatten uns auf eine größere angrenzende Fläche ausgebreitet. Dann wurde uns auch das zu klein, und heute erstreckt sich die Fabrik von 3D Robotics in San Diego über 3600 Quadratmeter, und in Tijuana gibt es eine zweite, die fast genauso groß ist. Überall in der Einrichtung stehen Montageautomaten, die von Fabrikarbeitern bedient werden, und mehrere Ingenieurteams entwickeln immer neue Produkte. Die Platinen aus den Bestückungsautomaten werden in automatischen Reflow-Öfen gebacken, bei denen ein Stickstoffgenerator die Temperatur reguliert. Lasercutter, 3-D-Drucker und CNC-Maschinen stellen Einzelteile für Quadcopter her. Drei Jahre zuvor hatte Muñoz mit einem Lötkolben Platinen von Hand auf seinem Küchentisch zusammengebaut, und jetzt hatten wir zwei richtige Fabriken.

Vom Maker zu Millionen

In unserem ersten Jahr machten wir etwa 250000 Dollar Umsatz; im Jahr 2011, unserem dritten Jahr, hatten wir die Drei-Millionen-Dollar-Grenze geknackt. Für 2012 haben wir über fünf Millionen Dollar angepeilt. Unsere Firma wächst weiterhin mit 75 bis 100 Prozent pro Jahr, was für eine Open-Hardware-Firma wie unsere nicht ungewöhnlich ist. Wir haben vom ersten Jahr an schwarze Zahlen geschrieben (im Hardwarebereich ist das gar nicht so schwer, man muss nur höhere Preise verlangen, als Kosten entstehen!), aber wir investieren den Großteil unserer Gewinne wieder, um neue Fertigungslinien einzurichten. Wir verkaufen online und waren so von Anfang an global. Durch Netzwerkeffekte über Mundpropaganda im Internet wachsen solche Firmen in der Regel stärker als herkömmliche Industriebetriebe. Aber wir stellen Hardware her, die Geld und Zeit in der Herstellung kostet, und daher haben wir nicht dieselbe exponentielle Wachstumskurve wie die bekanntesten Internetfirmen.

Unsere Firma ist ein Hybrid: Sie basiert wie ein herkömmlicher Industriebetrieb auf einem einfachen Geschäftsmodell und hat dieselben Liquiditätsvorteile, bei Marketing und Reichweite stehen uns allerdings alle Vorteile einer Internetfirma offen. Wir sind noch ein Kleinbetrieb, doch der Unterschied zu den chemischen Reinigungen und Tante-Emma-Läden, die den Großteil der Mikrounternehmen in den Vereinigten Staaten ausmachen, ist, dass wir webbasiert und global sind.

Wir mussten uns vom ersten Tag an auf dem internationalen Markt behaupten. Viele Firmen konzentrieren sich zunächst auf den lokalen Markt und hoffen, später international expandieren zu können, und sind dadurch nicht auf den globalen Wettbewerb vorbereitet. Eine Firma wird stärker, wenn sie vom ersten Tag an weltweit anbietet. Zwei Drittel unserer Aufträge kommen heute von außerhalb der Vereinigten Staaten. Allein durch den lokalen Markt kann eine Firma nie das Wachstum erzielen, das eine globale Marktpräsenz ermöglicht.

Gewinn zu machen ist nicht schwer

Gewinne zu erwirtschaften ist für Internetfirmen immer ein Problem. Ihr oberstes Ziel sind möglichst viele Besucher auf ihrer Website, und Geld zu verlangen schadet dabei nur. Im Hardwarebereich, wo es unvermeidbare Kosten gibt, die bezahlt werden müssen, ist eine gute Preiskalkulation unverzichtbar für den Aufbau eines zukunftsfähigen Unternehmens.

Viele Maker, die ihre Produkte verkaufen wollen, machen am Anfang den Fehler, zu wenig für ihre Produkte zu verlangen. Das ist aus verschiedenen Gründen verständlich. Sie wollen, dass ihr Produkt ein Erfolg wird, und sie wissen, dass es sich umso besser verkauft, je niedriger der Preis ist. Manche fühlen sich nicht wohl dabei, mehr als die Selbstkosten zu verlangen, weil ihr Produkt mithilfe von Freiwilligen in einer Gemeinschaft entwickelt wurde.

Dieses Denken ist nachvollziehbar, aber falsch. Nur durch einen angemessenen Gewinn kann man ein zukunftsfähiges Unternehmen aufbauen. Ein Beispiel: Sie stellen 100 Einheiten Ihres wunderbaren, per Laserschnitt hergestellten Aufziehspielzeugs Drummer Boy her. Das Holz, der Laserschnitt, Hardware, Verpackung und Anleitungen kosten Sie insgesamt 20 Dollar pro Stück. Nehmen wir an, Sie setzen den Preis auf 25 Dollar fest, um alle Kosten zu decken, die Sie nicht berücksichtigt haben, und fangen an, es zu verkaufen.

Es ist ein lustiges Ding und ziemlich billig, also findet es schnell Käufer. Sie stellen plötzlich fest, dass Sie neu produzieren müssen, dieses Mal 1000 Stück auf einmal. Nur müssen Sie diesmal nicht nur ein paar Tausend Dollar für Material vorstrecken, sondern Sie müssen Zehntausende Dollar dafür hinlegen. Sie können die einzelnen Sets auch nicht wie vorher in Ihrer Freizeit verpacken, sondern müssen jemanden dafür einstellen. Sie müssen einen Lagerraum für die ganzen Kisten anmieten, und Sie müssen jeden Tag zu FedEx fahren.

Langsam artet Ihr Hobby in richtige Arbeit aus. Und es wird noch schlimmer. Ihr Spielzeug ist so beliebt, dass einige große Internethändler darauf aufmerksam werden, Hunderte Stück auf einmal kaufen wollen und einen großzügigen Großhandelsrabatt erwarten. Sie freuen sich, dass die Nachfrage nach Ihrem Produkt so groß ist, und Sie sind geschmeichelt, dass diese Händler, die sehr viel mehr Menschen erreichen als Sie über Ihre eigene Website, es verkaufen wollen. Aber wenn Sie es für 25 Dollar verkaufen, können die großen Händler es kaum teurer verkaufen. Die Händler verlangen einen Preisnachlass, weil sie selbst ja auch mit jedem Stück Gewinn machen müssen, meist um die 50 Prozent. Also dürfen sie im Einkauf nicht mehr als 17 Dollar pro Stück kosten. Das wiederum würde jedoch bedeuten, dass Sie bei jedem Stück Verlust machen! Ihre Kosten, die anfangs noch im Rahmen üblicher Ausgaben für ein Hobby lagen, könnten Sie und Ihr Unternehmen in den Ruin treiben.

Unternehmer lernen schnell, dass sie für ihr Produkt mindestens das 2,3-Fache der Herstellungskosten verlangen müssen: mindestens 50 Prozent Gewinnspanne für sich selbst und weitere 50 Prozent für ihren Zwischenhändler (1,5 ∙ 1,5 = 2,25). Die ersten 50 Prozent für den Unternehmer decken vor allem die versteckten Kosten, die entstehen, wenn ein Geschäft anfangs ungeahnte Ausmaße annimmt. Diese Kosten reichen von den nicht geplanten Angestellten bis zu Versicherungen, die unnötig schienen, und dem Kundenservice sowie unerwarteten Reklamationen. Die 50-Prozent-Spanne für die Zwischenhändler ist im Einzelhandelsmarkt einfach üblich. (Die meisten Firmen kalkulieren sogar mit einer 60-Prozent-Spanne, wodurch sich der Multiplikator auf 2,6 erhöhen würde. Aber durch den kleinen Rabatt erhalte ich mir den Grundgedanken der Uneigennützigkeit und Wachstumsförderung, der typisch für den Maker ist.)

Damit hätte das 20-Dollar-Spielzeug für 46 Dollar verkauft werden müssen statt für 25. Das mag auf den ersten Blick überteuert wirken, aber wenn Firmen ihre Preise nicht von Anfang an richtig kalkulieren, werden sie ihre Produkte nicht sehr lange herstellen können, was ein Verlust für alle wäre. Das ist eben der Unterschied zwischen einem Hobby und einem echten, erfolgreichen und profitablen Unternehmen. Man sollte außerdem bedenken, dass in diesem mehr auf individuelle Kundenwünsche ausgerichteten Markt Produkte üblicherweise höhere Preise erzielen. Kunden sind sowohl begeisterungsfähig als auch clever: Sie sind bereit, ein bisschen mehr auszugeben, wenn sie dafür genau das bekommen, was sie wollen. Es ist ein vielversprechendes Geschäftsmodell.

Die Vorteile von Open Design

Wir benutzen Open-Software-Produkte inzwischen jeden Tag: den Firefox-Webbrowser, die Android-Handys, die Linux-Webserver, auf denen die meisten der von uns besuchten Websites laufen, und zahlreiche weitere Open-Source-Software, auf der das Internet aufgebaut ist. Schon morgen könnte das auch für Hardware gelten. Ich habe Open-Source-Autos gefahren (den Local Motors Rally Fighter, von dem später noch die Rede sein wird) und Open-Source-Flugzeuge fliegen sehen. Es werden Open-Source-Raketen entwickelt, die ins All fliegen sollen, und auch Open-Source-U-Boote. Es gibt Open-Source-Armbanduhren und -Wecker, -Kaffeemaschinen und -Tischöfen.

All diese Firmen verschenken die Bits und verkaufen die Atome. Alle Dateien mit Entwürfen, die ganze Software und andere Elemente, die digital beschreibbar sind, also in Bits, sind im Internet frei verfügbar, unter einer Lizenz, die kaum Nutzungsbeschränkungen vorsieht, solange alles offen und verfügbar bleibt. Aber die physischen Produkte selbst, die Atome, werden verkauft, weil bei ihrer Herstellung reale Kosten entstehen, die gedeckt werden müssen.

Es gibt täglich neue Beispiele für sehr erfolgreiche Geschäftsmodelle im Open-Hardware-Bereich. Der MakerBot-3-D-Drucker ist Open Hardware, und auch der RepRap, auf dem er basiert. Dasselbe gilt für Arduino und die Hunderte von Produkten von Firmen wie Adafruit, Seeed Studio und SparkFun. Nachforschungen von Phillip Torrone von Adafruit ergaben, dass Ende 2011 mehr als 300 kommerzielle Open-Hardware-Produkte erhältlich waren, die insgesamt Umsätze von über 50 Millionen Dollar erzielten.28

Offenheit war der Leitgedanke, den Thomas Jefferson und die Gründerväter bei ihrem Patent Act im Sinn hatten, einem der ersten offiziellen Gesetze der jungen Vereinigten Staaten von Amerika im Jahr 1790, ein Jahr nach der Ratifizierung der Verfassung. Der Sinn eines Patents – eines Monopols, das für eine begrenzte Zeit garantiert wird – lag für die Gründerväter nicht in erster Linie darin, dem Erfinder Einkünfte aus seiner Erfindung zu garantieren. Das erreichten Erfinder einfacher, indem sie ihre Erfindungen als Betriebsgeheimnis behandelten. Stattdessen sollten Erfinder dazu ermutigt werden, ihre Erfindungen mit der Öffentlichkeit zu teilen, damit andere von ihnen lernen konnten. Erfinder konnten ihr Patent nur lizenzieren, wenn sie es veröffentlichten, und so die Gesellschaft als Ganzes von der Erfindung profitierte. (Der Wissenschaftsbetrieb funktioniert genauso. Dort hängen Ansehen und beruflicher Aufstieg auch davon ab, wie viele Publikationen in Fachzeitschriften erschienen sind.)

Heute teilen immer mehr Erfinder ihre Erfindungen mit der Öffentlichkeit ohne jeglichen Patentschutz. Genau dafür stehen Open Source, Creative Commons und all die anderen Alternativen zum herkömmlichen Schutz geistigen Eigentums. Warum diese Erfinder das machen? Weil sie glauben, dass sie mehr zurückbekommen, als sie hergeben: Sie bekommen kostenlose Unterstützung bei der Entwicklung ihrer Erfindungen. Menschen schließen sich gern vielversprechenden offenen Projekten an, und wenn diese Projekte dann veröffentlicht werden, werden auch ihre Beiträge automatisch mit veröffentlicht. Erfinder bekommen außerdem Feedback und Unterstützung bei Werbung, Marketing und Fehlerbehebung. Und sie erwerben dadurch »soziales Kapital«, eine Mischung aus Aufmerksamkeit und Ansehen (Goodwill), das für den Erfinder später noch nützlich sein kann.

Ein Produkt, das in einem offenen Innovationsumfeld entwickelt wurde, steht nicht unter demselben rechtlichen Schutz wie eine patentierte Erfindung. Man könnte jedoch argumentieren, dass ein solches Produkt bessere Chancen auf kommerziellen Erfolg hat. Es wurde höchstwahrscheinlich schneller, besser und billiger entwickelt, als es im Geheimen der Fall gewesen wäre. Zumindest wurde es auf dem Markt der Meinungen schon einmal getestet, und das ist nicht die schlechteste Art der Marktforschung. Auch ein eigenes Marketing-Team bringt das Produkt gleich mit, bestehend aus Mitgliedern der Entwicklergemeinschaft, die sich für den Erfolg des Produkts einsetzen. Jedes Produkt, um das sich vor dem Markteintritt eine Gemeinschaft bildet, hat sich bereits auf eine Weise bewährt, wie es ein Patent nur selten schafft.

Den Firmen, die auf offene Innovationen setzen, bieten sich neben dem erweiterten Marktzugang noch weitere Vorteile. Bei einer gut durchdachten »Architektur der Partizipation«, wie Tim O’Reilly es nannte, dessen Firma die Zeitschrift Make herausgibt, beteiligen sich Hunderte fähige Menschen ehrenamtlich aus denselben Gründen, die auch für Open-Source-Software und Wikipedia gelten: Manche wollen Teil von etwas sein, an das sie glauben, andere wollen einfach etwas schaffen, das ihre eigenen Bedürfnisse befriedigt, veröffentlichen ihr Projekt aber, um den Normen der Gemeinschaft zu entsprechen.

Das bedeutet billigere, schnellere und bessere Forschung und Entwicklung. Dadurch arbeiten Firmen, die ihre Produkte auf diese Weise entwickeln, unschlagbar wirtschaftlich. Und das gilt nicht nur für Forschung und Entwicklung. Auch Produktdokumentation, Marketing und Kundenservice werden auf diese Weise realisiert, durch eine Gemeinschaft von Freiwilligen innerhalb einer Gemeinschaft. Einige der teuersten Aufgabenbereiche in herkömmlichen Unternehmen werden so oft kostenlos übernommen, solange die sozialen Anreize stimmen.

Bei 3D Robotics machen wir es mit allem so, und zwar aus folgenden Gründen: Wenn man seine Entwürfe im Internet unter einer Lizenz veröffentlicht, die es anderen erlaubt, die Entwürfe zu benutzen, baut man Vertrauen auf, eine Gemeinschaft und eine potenzielle Quelle für kostenlose Tipps und Mitarbeit bei der Entwicklung. Wir veröffentlichen die Entwürfe für unsere elektronischen Leiterplatten in ihrer nativen Form (dem EAGLE-Format von CadSoft) unter einer Creative-Commons-Attribution-ShareAlike-Lizenz (»by-sa«), die eine kommerzielle Verwendung gestattet. Unsere Soft- und Firmware werden mittlerweile alle unter einer GPL-Lizenz veröffentlicht, die ebenfalls eine kommerzielle Verwendung gestattet, solange die Vorgaben zur Namensnennung eingehalten werden und der Quellcode zugänglich bleibt. Das Ergebnis war, dass Hunderte von Menschen Code und Designideen beigetragen, Fehler behoben und eigene Produkte entwickelt haben, die unsere ergänzten.

Allein dadurch, dass wir unseren Quellcode offengelegt haben, bekamen wir ein praktisch kostenloses Forschungs- und Entwicklungsprogramm, das uns Hunderttausende von Dollar gekostet hätte, wenn wir unter einer Closed-Source-Lizenz gearbeitet hätten und Ingenieure hätten bezahlen müssen, ganz zu schweigen von der Qualität dieser Arbeit. Tagsüber arbeiten unsere ehrenamtlichen Helfer für andere Firmen als Experten auf ihren jeweiligen Gebieten. Solche Profis hätten wir nie abwerben können. Aber nachts gehen sie ihrer Leidenschaft nach und leisten großartige und ehrenamtliche Arbeit für uns. Sie tun es, weil wir gemeinsam etwas erschaffen, das sie selbst haben und an dem sie beteiligt sein wollen. Weil alles Open Source ist, wissen sie, dass es mehr Menschen erreichen und noch mehr begabte Menschen anziehen wird. So entsteht ein sich selbst verstärkender Effekt, der den Innovationsprozess weit stärker beschleunigt, als es die herkömmliche Entwicklung vermag.

Wenn die Grundlagen für eine Gemeinschaft erst einmal durch Inhalte gelegt sind und die ersten Nutzer auftauchen, muss man die Arbeit delegieren. Konstruktive Teilnehmer können zu Moderatoren ernannt werden, und besonders freundliche und hilfsbereite Mitglieder sollten eine »Tutor«-Kennzeichnung bekommen. Wenn genügend Mitglieder einen offiziellen Posten oder eine Auszeichnung für ihre gemeinschaftsbildende Arbeit bekommen haben, helfen sie sich üblicherweise gegenseitig, und ersparen einem die Mühe.

Ein Problem ist dabei immer die Frage, ob man Freiwillige bezahlen soll. Ich bin der Meinung, dass wichtige Beiträge zu einem Produkt honoriert werden sollten, aber man darf nicht überrascht sein, wenn so ein Angebot abgelehnt wird. Dafür gibt es vielfältige Gründe: Die freiwilligen Mitarbeiter leisten ihren Beitrag nicht aus finanziellen Gründen; die ausgezahlten Summen sind winzig im Vergleich zu dem, was sie in ihrem regulären Job verdienen; sie halten es für falsch, Geld anzunehmen, wenn andere Mitwirkende nichts bekommen; und schließlich, wenn ihnen klar wird, dass jede Honorarzahlung höhere Preise für die Kunden bedeutet, lehnen sie ab, weil das dem eigentlichen Grund widerspricht, aus dem sie sich beteiligt haben: etwas zu erschaffen, das ein größtmögliches Publikum erreicht; denn höhere Preise bedeuten weniger Nutzer.

009_Ande_deutsch.eps

Aber außer Geld gibt es noch andere Belohnungsmöglichkeiten, die noch motivierender sein können, vor allem für die Lieferanten der wichtigsten Beiträge, die meistens auch schon in ihrem Beruf sehr erfolgreich sind und entsprechend verdienen.

Wir haben für das Entwicklerteam bei DIY Drones eine Hierarchie der Belohnungen entwickelt. Sie reicht von läppischen, aber effektiven Belohnungen wie etwa einem Kaffeebecher pro beigesteuertem Stück Code (selbst wenn man dafür nur ein oder zwei Stunden gebraucht hat), bis zu ziemlich wertvollen Belohnungen, wie Aktienoptionen von 3D Robotics für die wichtigsten Mitarbeiter.

Wie man eine Gemeinschaft aufbaut

Bei der Durchführung eines Open-Source-Projekts verschenkt man etwas in der Hoffnung, mehr zurückzubekommen. Klappt das immer? Nein. Man muss zusätzlich eine Gemeinschaft aufbauen. Dazu muss man sicherstellen, dass eine Nachfrage nach dem Grundprodukt besteht, und dass es ausreichend dokumentiert und einzigartig genug ist, dass Menschen bereit sind, an seiner Entwicklung mitzuarbeiten. Selbst dann kann schon die Organisation einer Open-Source-Community zum Vollzeitjob werden. Aber wenn sie funktioniert, ist eine solche Community ein wahres Wunder: eine Abteilung für Forschung und Entwicklung, die schneller, besser und billiger ist als bei so manchem Weltkonzern.

Wenn man eine Gemeinschaft aus dem Nichts aufbaut, sollte man sich gut überlegen, ob man sie anstelle eines Blogs oder Diskussionsforums nicht lieber als soziales Netzwerk einrichtet. Die besten Social-Media-Werkzeuge bieten alles: tolle Blogging-Werkzeuge, super Diskussionsforen, Profile, persönliche Nachrichten, Videos, Fotos und mehr.

Eine der wichtigsten Voraussetzungen für eine erfolgreiche Gemeinschaft ist, dass ihre Inhalte ein möglichst breites Publikum erreichen, nicht nur über Diskussionsforen, sondern auch in Blogbeiträgen, Veröffentlichungen von Fotos und Videos und Nachrichten-Feeds. Die Maker-Gemeinschaften haben all das, von zahlreichen täglichen Blogbeiträgen bei MakerBot, SparkFun und Adafruit bis zu den Videoprofilen der Mitglieder bei Kickstarter und Etsy.

Mit derart reichhaltigen und ansprechenden Inhalten wird Marketing betrieben, Marketing für die Gemeinschaft selbst, aber auch für die Produkte, die in dieser Gemeinschaft entstehen. Die erfolgreichsten Maker sind gleichzeitig die besten Verkäufer, selbst wenn sie sich nicht so sehen. Sie erstellen ständig Blogbeiträge über ihre Fortschritte oder twittern darüber. Sie machen Fotos und Videos von jedem größeren Fortschritt und posten sie. Ihre Begeisterung für das, was sie tun, wirkt ansteckend und führt zu wachsender Begeisterung für und Vorfreude auf das fertige und veröffentlichte Produkt.

So ist jede Produktentwicklung in der Öffentlichkeit gleichzeitig Marketing. Die Verwaltung einer Gemeinschaft ist Marketing. Das Posten von Tutorials ist Marketing. Facebook-Updates sind Marketing. E-Mail-Kontakte zu Makern, die an ähnlichen Projekten arbeiten, sind Marketing. Natürlich geht es dabei nicht nur um Marketing. Diese Art der Produktentwicklung ist so effektiv, weil es den Menschen auch etwas Wertvolles bietet, das sie schätzen und dem sie Aufmerksamkeit schenken. Aber letzten Endes ist alles, von der Namenswahl für ein Produkt bis zur Entscheidung, auf wessen Erfolgswelle man mitreitet (wie wir uns für Arduino entschieden haben), zumindest teilweise eine Marketing-Entscheidung. Ihre Community ist Ihr bester Marketing-Kanal. Aus ihr entstehen die Mundpropaganda und das virale Marketing, das Sie brauchen werden. Gleichzeitig ist sie ein Ort, an dem Sie nach Herzenslust von Ihren Produkten schwärmen können. Wenn Sie den Menschen einen Grund für ihr Engagement liefern, der ihre Bedürfnisse und Interessen befriedigt, dann ist es keine Werbung, wenn Sie Ihr neuestes Spielzeug anpreisen, es ist Inhalt.

Festungen ohne Mauern

Wie aber können sich Firmen, die nach der Open-Innovation-Philosophie arbeiten, vor Wettbewerb oder gar Produktpiraterie schützen? Schließlich gehört es zum System der Open Innovation dazu, dass man etwas zurückgibt, dass man alles mit der Gemeinschaft teilt, die es geschaffen hat. Welchen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil haben diese Firmen?

Sind es die Marken? Viele Open-Hardware-Projekte veröffentlichen die Entwurfsdaten ihrer Produkte, lassen ihre Namen und Logos aber als Marken schützen. Damit können andere zwar dasselbe Produkt herstellen, aber sie können es nicht genauso nennen (zumindest ist es in den Ländern nicht legal, in denen die Marken registriert sind). Eine Marke kann tatsächlich ein nachhaltiger Wettbewerbsvorteil sein. Aber diesen Markenschutz gerichtlich wirkungsvoll durchzusetzen, vor allem in anderen Ländern, kann extrem teuer werden. In einer Welt des Open Source kann man auch nicht mehr einfach davon ausgehen, dass die Kopien minderwertig und einfach zu erkennen sind.

Sind es die Communitys? Ja, solange sie Pionierkunden und andere Maker unterstützen. Eine chinesische Firma kann Kopien unserer Produkte herstellen und sie billiger verkaufen, aber sie wird nicht unsere Community haben, und wenn unsere Community die Kopie erkennt, werden sich die Mitglieder meist weigern, denen zu helfen, die die »Heimmannschaft« nicht unterstützen. Allerdings gibt es unsere Communitys ja gerade, weil unsere Produkte kompliziert sind. Es sind überwiegend Unterstützergemeinschaften, wo Mitglieder sich gegenseitig dabei helfen, sich auf verwirrendem und unbekanntem Terrain zu bewegen. Die Entwicklergemeinschaft ist im Vergleich dazu klein und besteht für das eine Prozent der Nutzer, die dazu beitragen wollen, das Produkt weiterzuentwickeln, oder ganz neue Wege damit einschlagen wollen.

Aber das eigentliche Ziel der Open-Innovation-Projekte ist die Entwicklung neuer Produkte, die genauso gut sind wie Produkte aus den herkömmlichen geschlossenen Innovationsansätzen, oder sogar besser. Das bedeutet in erster Linie, dass sie leicht zu handhaben sein müssen, gut konstruiert und dokumentiert. Bei einem Toaster aus dem Kaufhaus ist es egal, ob es dazu eine Gemeinschaft gibt. Tolle Produkte brauchen keine tolle Gemeinschaft. Manchmal sprechen tolle Produkte einfach für sich selbst.

In diesen Fällen ist der einzige nachhaltige Wettbewerbsvorteil ein Ökosystem. Keine Gemeinschaft aus Kunden, sondern eine Gemeinschaft aus anderen Firmen und Entwicklern, die Produkte herstellen, die mit unserem eigenen Produkt zusammen funktionieren und es ergänzen. Man denke nur an die Zehntausende Apps, die Android, ein quelloffenes Betriebssystem für mobile Geräte, ergänzen und stützen. Oder die Hunderte von Plug-ins und Dienstprogrammen rund um WordPress, die Open-Source-Blogplattform. In all diesen Fällen sorgte die Offenheit für einen Kundenkreis, der zum anhaltenden Erfolg des Produkts führte. Es war egal, dass andere es kopieren konnten, weil der ganze Goodwill einen Netzwerkeffekt ausgelöst hatte, der sehr viel schwerer zu kopieren war als der reine Programmcode.

Aber was ist, wenn uns trotzdem jemand abzocken will? Das kommt ganz darauf an, was man unter »abzocken« versteht. Wenn ein anderer unsere Dateien benutzt, ohne große Modifikationen oder Verbesserungen die Produkte herstellt und uns Konkurrenz macht, dann müssen diese Waren schon deutlich billiger sein als unsere, um auf dem Markt Fuß zu fassen. Wenn sie das mit derselben oder gar besserer Qualität schaffen, dann ist das toll: Der Verbraucher gewinnt, und wir können die Produktion dieser Ware einstellen und uns auf andere Dinge konzentrieren, die mehr Zusatznutzen bringen (wir wollen ja gar nicht in die Massenproduktion).

Allerdings wird das in der Realität kaum geschehen. Unsere Produkte sind ohnehin schon sehr günstig, und wir benutzen dieselben Werkzeugmaschinen, wie sie auch in China eingesetzt werden, zum selben Preis.

Und selbst wenn die Produkte in derselben Qualität billiger hergestellt werden können, ist da noch die kleine Frage des Kundenservice. Unsere Community ist unser Wettbewerbsvorteil: Sie leistet den Großteil des Kundenservice über Diskussionsforen und Tutorialblogs und unser Wiki. Jemandem, der eine chinesische Kopie unseres Produkts auf eBay gekauft hat, wird unsere Community nur im Ausnahmefall helfen. Ein solches Verhalten gilt als illoyal gegenüber dem ursprünglichen Entwicklerteam.

Wie aber erkennt man, welches unser Produkt ist und welches eine Kopie, die unsere Open-Source-Lizenz ermöglicht? Die Kopien können nicht denselben Namen verwenden. Das einzige geistige Eigentum, das wir schützen lassen, ist unser Markenname. Wenn jemand also dieselben Platinen herstellen will, dann muss er sie anders nennen. Das Arduino-Projekt funktioniert nach demselben Prinzip. Man kann die Platinen einfach kopieren, aber man kann sie nicht »Arduino« nennen (obwohl man sie als »Arduino-kompatibel« bezeichnen kann). Man muss sogar alle Logos, Namen und Grafiken aus den Entwurfsdateien der Leiterplatten entfernen, die man veröffentlicht. Das ist eine ideale Möglichkeit, um ein Minimum an unternehmerischer Kontrolle zu behalten und trotzdem am Prinzip von Open Source festzuhalten.

Open Source sieht die Möglichkeit für Nutzer, die Produkte selbst herzustellen, wenn sie es wollen, ausdrücklich vor. Sie müssen nicht unbedingt dafür bezahlen. Davon profitieren etwa 0,1 Prozent der Nutzer, von denen auch die besten neuen Ideen und Innovationen rund um das Produkt kommen. Aber den anderen 99,9 Prozent ist es lieber, jemanden für die Herstellung zu bezahlen, der die Funktionsfähigkeit gewährleistet. Darin liegt das Kerngeschäft.

Wie Sie Ihre »Piraten« dazu bringen, für Sie zu arbeiten

Ein Beispiel aus der Praxis: Gegen Ende 2010 postete jemand auf der DIY-Drones-Website die Nachricht, dass bei Taobao, eBay und anderen Online-Marktplätzen chinesische Kopien unseres Ardu Pilot Mega verkauft würden. Und tatsächlich waren die Kopien gut gemacht und voll funktionsfähig. Nicht nur das, auch unsere englische Gebrauchsanleitung war ins Chinesische übersetzt worden, zusammen mit einem Teil der Software.

Unsere Community war schockiert über diese dreiste »Piraterie« und wollte wissen, was wir dagegen zu unternehmen gedachten.

Gar nichts, antwortete ich.

Beides wird bei Open-Source-Hardware erwartet und sogar gefördert. Software, deren Vertrieb nichts kostet, ist kostenlos. Hardware, deren Herstellung teuer ist, wird zu einem Preis verkauft, der gerade ein gesundes Wachstum eines zukunftsfähigen Betriebs ermöglicht, um die Qualität, Unterstützung und Verfügbarkeit der Produkte sicherzustellen, aber die Entwürfe werden ebenfalls verschenkt. Alles geistige Eigentum steht frei zur Verfügung, damit die Gemeinschaft es nutzen, es verbessern, und eigene Varianten herstellen kann.

Die Möglichkeit, dass andere die Produkte kopieren, ist fester Bestandteil des Modells. Unsere Open-Source-Lizenz gestattet dies ausdrücklich. Im Idealfall werden die Produkte verändert und verbessert (Stichwort: »derivative Designs«), um eine bestehende Nachfrage auf dem Markt zu befriedigen, die wir nicht berücksichtigt haben. Diese Art der Innovation soll durch Open Source gefördert werden. Aber wenn die Produkte einfach nur kopiert und zu einem niedrigeren Preis verkauft werden, ist das auch okay. Der Markt entscheidet.

Übrigens ist Arduino mit dem Entwicklerboard genau dasselbe passiert: Mehrere chinesische Firmen haben es nachgebaut. Die Qualität der Nachbauten war teilweise schlechter, aber selbst wenn sie gut war, unterstützten die meisten Leute doch lieber weiter die offiziellen Arduino-Produkte und deren Entwickler. Kopien machen heute nur einen kleinen Teil des Marktes aus und kommen vor allem in preisempfindlichen Märkten wie China vor. Aber ein Produkt für das Niedrigpreissegment des Marktes anzupassen ist ja nur eine andere Form der Innovation, und das ist doch gut.

Persönlich gefällt mir diese Entwicklung aus vier Gründen:

  1. Ich finde es großartig, dass jemand das Wiki ins Chinesische übersetzt hat, weil so noch mehr Menschen darauf zugreifen können.
  2. Es ist ein Zeichen des Erfolges: Man wird nur kopiert, wenn man etwas macht, das Menschen wollen.
  3. Wettbewerb ist gut.
  4. Eine zunächst reine Kopie kann sich zu einer echten Innovation entwickeln oder zu Verbesserungen führen. Unsere Lizenz verlangt, dass alle abgeleiteten Produkte ebenfalls quelloffen sein müssen. Wäre es nicht toll, wenn ein chinesisches Team etwas Besseres erfinden würde als wir? Dann könnten wir den Spieß umdrehen und ihren Entwurf nachbauen, die Dokumentation ins Englische übersetzen und das Produkt außerhalb Chinas auf den Markt bringen. So gewinnen alle!

Kurz nachdem ich das geschrieben hatte, meldete sich ein Mitglied namens »Hazy« über die Kommentarfunktion. Er habe mit dem Team zusammengearbeitet, das die chinesischen Boards herstellte, und er habe alles übersetzt. Ich gratulierte ihm zu der Geschwindigkeit, in der er es geschafft hatte. Und dann fragte ich ihn, ober er sich vorstellen könne, seine Übersetzung in unser offizielles Handbuch einzuarbeiten, ein Wiki bei Google Code, wo auch unser Datenarchiv liegt. Er erklärte sich bereit, und so gab ich ihm Editierrechte für das Wiki und ergänzte eine Wahlmöglichkeit für die Nutzer zwischen englischer Version oder chinesischer Übersetzung.

Damals benutzten wir das Versionskontrollsystem Subversion (inzwischen benutzen wir Git), und Google Code arbeitete mit einer sehr einfachen Implementierung. Die Wiki-Seiten waren einfach Dateien, die im selben Archiv gespeichert waren wie der Quellcode für unsere Autopiloten, und ich hatte mir die Berechtigungsoptionen nicht genau angesehen. Damit andere das Wiki bearbeiten konnten, gab ich ihnen einfach umfassenden Schreibzugriff (also die Erlaubnis, Dateien zu erstellen und zu bearbeiten) für das ganze Archiv.

Mitglieder der Community, denen ich diese Zugriffsrechte gab, bat ich üblicherweise, nicht aus Versehen den Code zu verändern (die Mitgliedschaft im Code-Entwicklerteam war stärker beschränkt, weil die Gefahr dort größer war, dass etwas passierte), aber bei Hazy vergaß ich es.

Als Erstes integrierte Hazy die chinesische Übersetzung nahtlos in unser Handbuch, sodass man durch einen einfachen Mausklick auf einen Link zwischen den beiden Sprachen wechseln konnte.

Er war ein Experte für unseren Autopiloten (schließlich hatte er in dem Team mitgearbeitet, das ihn nachgebaut hatte), und so führte er gleich noch einige Korrekturen am englischen Handbuch aus. Ich sichtete seine vielen Änderungen und bestätigte alle: Sie waren clever, korrekt und in perfektem Englisch geschrieben.

Dann wurde es interessant, denn Hazy begann, Fehler im Code direkt zu beheben. Beim ersten Mal dachte ich, er habe aus Versehen eine Wiki-Datei in den falschen Ordner verschoben. Aber ich sah mir die Datei an: Es war Code und seine Korrektur war nicht nur korrekt, sondern auch ausführlich dokumentiert. Wer hätte geahnt, dass Hazy auch Programmierer war?!

Ich dankte ihm, dass er den Fehler behoben hatte, und dachte nicht weiter darüber nach. Aber dann änderte er immer mehr Code: Hazy arbeitete unsere Liste mit Programmfehlern ab; er nahm sich alle Fehler vor, einen nach dem anderen, für die das Entwicklerteam zu beschäftigt gewesen war, um sie selbst zu beheben.

Heute ist er einer der besten Entwickler in unserem Team. Ich habe ihn immer noch nicht persönlich kennengelernt, aber nach einer Weile wollte ich mehr über ihn wissen und fragte nach.

Sein richtiger Name ist Xiaojiang Huang. Er lebt in Beijing. Tagsüber arbeitet er an seiner Doktorarbeit in Informatik an der Universität Beijing.

Er erzählte mir von seinem Leben:

»Als ich klein war, faszinierten mich Modelle aller Art, und ich wollte unbedingt ein RC-Flugzeug. Viele Jahre später, als ich meinen College-Abschluss machte, konnte ich mir endlich einen RC-Helikopter leisten. Ich kaufte außerdem RC-Trucks und -Flugzeuge. Manchmal werde ich als naiv verlacht, weil ich mit ›Spielzeug‹ spiele, aber ich bin glücklich, weil es mein Kindheitstraum war. Ich stieß beim Surfen im Internet zufällig auf ArduPilot, und mir gefielen die leistungsfähigen Funktionen. Ein paar meiner Freunde waren ebenfalls interessiert, aber sie hatten Probleme mit der englischen Dokumentation. Also übersetzte ich sie ins Chinesische, weil ich hoffte, es für die chinesischen Fans einfacher zu machen, mit dem ArduPilot zu spielen. Danke, DIY Drones, für die großartige Arbeit, und ich hoffe, dass dadurch mehr Menschen ihre Träume verwirklichen können.«

Was hier geschah, war reine Magie. Als wir das erste Mal von den nachgebauten Boards gehört hatten, waren einige in unserer Gemeinschaft sofort davon überzeugt, dass das ein klarer Fall der üblichen chinesischen Produktpiraterie war, und sie fragten, wann wir rechtlich dagegen vorgehen würden. Aber dann erinnerte ich sie daran, dass diese Version nicht »geklaut« war, sondern eine »abgeleitete Version«, die unsere Open-Source-Lizenz nicht nur erlaubte, sondern anregte, und die Stimmung kippte.

Weil wir das chinesische Team nicht verteufelten, sondern sie als Teil der Gemeinschaft behandelten, verhielten sie sich auch so. Hazy gab sich zu erkennen und trug zu unserer Arbeit bei, statt sie einfach nur auszunutzen.

Damit arbeitete zumindest ein Teil der »Piraten« jetzt für uns. Statt einfach nur unsere Technologie zu verwenden, helfen sie uns dabei, sie für alle zu verbessern. Hazy hat seine Träume verwirklicht, und indem er es tat, hat er auch uns dabei geholfen, unsere Träume zu verwirklichen.