9

Mehrere Gäste – hauptsächlich junge Seeleute – sprachen und tranken bis weit nach Mitternacht im »Seelöwen«. Magiere fühlte Erleichterung, als sie schließlich ihre Krüge leerten und gingen. Sie hatte keine Zeit festgelegt, zu der die Taverne schloss; ihr war es lieber, wenn die Gäste von sich aus aufbrachen. Aber diesmal war es besonders spät geworden, und es blieben nur noch ein paar Stunden bis zum Morgengrauen. Magiere sehnte sich nach dem Bett und dachte daran, dass Leesil den ganzen Abend seltsam still und zurückhaltend gewesen war. Am Nachmittag hatte sie von einigen Fischerfrauen erfahren, dass der Elf die Geldstrafe des Schmieds bezahlt und ihn aus der Zelle geholt hatte. Das überraschte sie, und voller Verlegenheit erinnerte sie sich an ihre Vermutung, dass er wieder gespielt hatte und das Geld brauchte, um Schulden zu bezahlen.

Beth-rae seufzte tief. »Ich dachte schon, die Jungs würden nie müde.«

Leesil saß am Ende der Theke bei der Tür und trank einen Becher Rotwein. »Vielleicht sollten wir unsere Gäste in Zukunft bitten, zu einer vernünftigen Zeit zu gehen«, sagte er.

»Du könntest längst im Bett liegen«, sagte Magiere schlicht. Der letzte Pharo-Spieler war schon vor Stunden gegangen, und angesichts so friedlicher später Gäste wie der jungen Seefahrer fragte sie sich, warum er all die Zeit an der Theke herumgehangen hatte.

Leesil blinzelte, runzelte dann die Stirn und wirkte verletzt. »Ich helfe immer dabei, die Taverne zu schließen.«

Ja, das stimmte, und das war es auch nicht, was Magiere Sorgen bereitete. Trotz all ihrer Spekulationen hatte sie keine Erklärung dafür gefunden, warum Leesil bereit gewesen war, einen Monatslohn auszugeben, um den Schmied auszulösen. Das ärgerte sie. Es ärgerte sie so sehr, dass sie Leesil nicht die Genugtuung gönnte, danach gefragt zu werden.

Chap schlief zufrieden am Feuer, zu einem großen silbergrauen Ball zusammengerollt. Die Hälfte der Lampen und Kerzen war gelöscht, und das Feuer im Kamin warf einen roten, flackernden Schein über Leesils weißblondes Haar und seine glatte Haut. Magiere fiel plötzlich ein, dass sie gar nicht wusste, wie alt ihr Partner war. Als Halbblut lebte er vermutlich länger als ein gewöhnlicher Mensch, aber sie hatte keine Ahnung, wie alt Elfen wurden.

»Na schön, lass uns sauber machen und dann zu Bett gehen«, sagte sie.

»Geh nur hinauf, Fräulein«, sagte Caleb mit der für ihn typischen Ruhe. »Du hast härter gearbeitet als alle anderen. Wir kümmern uns um den Rest.«

Magiere sah Leesil an, der nickte und aufstand.

»Ja, geh nur, ich helfe hier«, sagte er. »Ich habe lange genug untätig herumgesessen.«

Gerötete Augen und ein leichtes Lallen deuteten darauf hin, dass er mehr als nur ein oder zwei Becher Wein getrunken hatte. Aber Magiere war zu müde, um sich deshalb auf eine Diskussion mit ihm einzulassen, und ging zur Treppe. Chap erwachte und streckte sich, als Leesil zum Kamin trat, um das Feuer zu löschen. Caleb und Beth-rae gingen in die Küche.

In der finsteren Gasse auf der anderen Seite des »Seelöwen« hockte Rattenjunge neben Rashed und beobachtete, wie das letzte Licht hinter den Fenstern verschwand. Rattenjunge fühlte Rasheds strengen Blick auf sich.

»Es wird kein Blut getrunken und niemand getötet, wenn es sich vermeiden lässt«, sagte er zum dritten Mal. »Hast du verstanden? Beobachte nur den Schankraum und sei bereit, mir zu helfen, wenn ich Hilfe brauche. Ich werde durch ein Fenster im Obergeschoss klettern und der Jägerin das Genick brechen, während sie schläft. Wenn du unbedingt töten musst, meinetwegen – aber leise, ohne Aufsehen zu erregen. Wir bringen die Leiche der Jägerin zum Meer, und dann ist sie nur eine weitere ›verschwundene‹ Person.«

Es fiel Rattenjunge schwer, seinen Ärger und sein Unbehagen zu verbergen bei der Vorstellung, eventuell noch einmal gegen die Jägerin oder den Hund kämpfen zu müssen. Er fragte sich, warum er nicht einfach abgelehnt hatte. Während er durch die Schatten der Nacht schlich, wirkte Rashed ebenso elegant und würdevoll wie sonst. Er trug seinen dunkelblauen Kasack, darüber einen Kapuzenmantel, und die rechte Hand hatte er um das Heft seines Schwerts geschlossen.

Rattenjunge redete sich gern ein, dass sein schäbiges Erscheinungsbild eine bewusste Wahl für die Jagd war. Aber er wusste: Selbst nach gründlichem Waschen und mit feiner Kleidung hätte er nicht annähernd so edel ausgesehen wie Rashed; wenn er es jemals versucht hätte, wäre der Kontrast peinlich komisch gewesen. So versteckte er sich unter mehreren Schichten Schmutz in dem Versuch, sich eine eigene Identität zu geben. Wenn sie beide allein und einander so nahe waren, wurde ihm der Unterschied zwischen ihnen besonders deutlich bewusst.

»Was ist mit dem Hund?«, fragte Rattenjunge. »Und dem Halbblut? Wir wissen nicht, wo sie sind. Ich könnte ihnen über den Weg laufen, wenn sie in der Küche einen späten Tee trinken, während du oben herumschnüffelst. Was soll ich dann machen?«

»Lass dich von niemandem sehen«, flüsterte Rashed. »Das ist doch deine besondere Fähigkeit, oder? Verschmilz mit den Schatten.«

Ja, aber Rattenjunge fürchtete die Jägerin. Er erinnerte sich an die Schmerzen, die ihre Klinge verursacht hatte, an die Panik, als die Kraft aus seinen klaffenden Wunden geflossen war. Aber Rashed scherte sich nicht um seine Gefühle. Ihm ging es nur darum, dass sich Rattenjunge so verhielt, wie er wollte.

»Und wenn die Jägerin dich tötet?«, raunte Rattenjunge. »Du hast alle Antworten. Was mache ich dann?«

»Spiel nicht den Idioten.« Rashed richtete einen eisigen Blick auf ihn. »Kein sterblicher Jäger kann mich töten. Schleich dich jetzt hinein. Wir haben wenig Zeit, und ich möchte nicht mehr am Meer sein, wenn die Sonne aufgeht.«

Rattenjunge widerstand der Versuchung, zornig zu fauchen, als er zum Ende der Gasse kroch. Dies war die beste Zeit für den Angriff. Wenn alles gut ging, schliefen die Jägerin und ihre Begleiter. Dann konnten sie ihre Aufgabe schnell erledigen, die Leiche der Frau in der Bucht versenken und heimkehren. Am nächsten Tag würde es fast bis Mittag dauern, bevor jemand merkte, dass etwas nicht mit rechten Dingen zuging. Rattenjunge stellte nicht etwa Rasheds Intelligenz infrage, sondern sein Gebaren. Er behandelte alle wie seine Diener – bis auf Teesha.

Ohne ein weiteres Wort huschte das Schmuddelkind über die Straße und zu der Ecke des Hauses, die einem der vorderen Fenster am nächsten war. Rattenjunge spähte durch die Fensterläden und sah kein Licht im dunklen Schankraum. Das Feuer im Kamin war aus. Einige Aschereste glühten.

Er holte einen Dolch mit dünner Klinge hervor und schob die Spitze zwischen die Kanten der Fensterläden. Rasch drückte er den inneren Riegel nach oben und öffnete das Fenster – es war fast zu einfach. Er hätte gedacht, dass eine Jägerin ihr Haus besser sicherte. Rattenjunge klemmte sich die Klinge zwischen die Zähne und zog sich auf den Fenstersims. Er durfte nicht verlieren, wenn ihn der Hund ein zweites Mal angriff – er würde dem Tier sofort die Kehle durchschneiden. Rashed hatte von »leise« gesprochen, aber vielleicht ließ es sich nicht vermeiden, dass Blut floss. Wenn ihm das nicht passte, sollte er selbst gegen den verdammten Hund kämpfen. Dann würde der eingebildete Kerl die Sache bestimmt anders sehen.

Rattenjunge schnupperte nach dem Geruch von Lebenden, aber der Schankraum war noch immer voll von dem Gestank, den schwitzende Seeleute, Bier und gebratenes Fleisch hinterlassen hatten. Niemand saß an den Tischen, niemand am Kamin. Inzwischen hatte Rashed vermutlich das Dach überquert und sich Zugang zum Obergeschoss verschafft. Vielleicht lief tatsächlich alles so glatt, wie er hoffte.

Rattenjunge ließ sich lautlos auf den hölzernen Boden fallen, duckte sich und blickte über die Tische hinweg. Aus dem Augenwinkel bemerkte er ein mattes Schimmern, drehte den Kopf und reckte den Hals.

Das silbrige Haar war in der Dunkelheit leicht genug zu erkennen. Fast am Ende der Theke saß der Halbelf der Treppe zugewandt und trank aus einem angelaufenen Blechbecher. Er wollte erneut daran nippen, überlegte es sich dann anders und ließ den Becher sinken. Seine Hand verschwand unter der Theke.

Er drehte den Kopf und blickte genau dorthin, wo Rattenjunge im Dunkeln hockte.

In Rattenjunge krampfte sich etwas zusammen. Natürlich war die Nachtsicht eines Halbelfen fast so gut wie seine. Er fragte sich, ob er seinen Dolch schnell genug werfen konnte, um das Halbblut zu töten, bevor es Alarm schlagen konnte. Dann vernahm er ein dumpfes Zischen in der Luft, das ihm entgegenjagte, und er duckte sich an die Wand zurück.

Ein Stilett bohrte sich dort in den Tisch, wo eben noch sein Kopf gewesen war. Die Spitze steckte im Holz, und die Klinge vibrierte. Ein gespenstisches, fast schrilles Knurren kam von der anderen Seite des Kamins. Der silbergraue Hund sprang auf einen Tisch, den Blick direkt auf Rattenjunge gerichtet.

Rashed steckte sein Schwert in die Scheide und kletterte mühelos an der Wand der Taverne empor; seine harten Fingernägel bohrten sich in Risse und Spalten im Holz.

Die ganze Aktion war viel zu überstürzt, ohne irgendeine Planung, was alles sehr riskant machte. Mit mehr Zeit hätte er die Taverne drei oder vier Abende hintereinander besucht und festgestellt, welche Angewohnheiten die Leute hatten, wer in welchem Zimmer schlief und wo die Jägerin ihr Schwert aufbewahrte. Er hätte viele Dinge in Erfahrung bringen können. Jetzt war er gezwungen, blind ins Haus einzudringen und sein Ziel zu suchen.

Rashed kroch am Rand des Daches entlang und suchte nach einem geeigneten Fenster, vorzugweise nicht das Fenster des Zimmers, in dem die Jägerin schlief. Er hätte sie vielleicht geweckt und ihr Gelegenheit gegeben, zur Tür zu laufen. Er beugte sich über den Rand und blickte durch ein Fenster, an dem die Vorhänge nicht zugezogen waren. Der Raum dahinter bot genug Platz für ein Doppelbett, mehrere Truhen und einen Stuhl. Das leere Bett bedeutete, dass noch jemand auf den Beinen war, und Rashed hatte plötzlich das Gefühl, dass die Zeit drängte. Rattenjunge wusste, dass er leise sein und kein Aufsehen erregen sollte, aber vielleicht machte er einen Fehler, stieß unten auf jemanden und weckte alle. Dann bemerkte Rashed ein kleines blondes Mädchen, das auf einer Matte am Fußende des Bettes schlief. Sein Atemrhythmus wies darauf hin, dass es tief und fest schlief und nicht aufwachen würde, wenn er hineinkletterte. Für das Mädchen stellte er ohnehin keine Gefahr dar; er hatte noch nie das Blut von Kindern getrunken.

Das Fenster hatte kein Schloss, und wenige Sekunden später stand Rashed in dem Zimmer. Er trat an dem Mädchen vorbei, öffnete die Tür einen Spaltbreit und spähte hinaus. Der Flur war leer. Es gab nur zwei andere Türen und die Treppe nach unten; die Suche würde also nicht lange dauern. Rashed verließ das Zimmer und schloss die Tür hinter sich.

Ein unnatürliches, heulendes Knurren kam von unten, und es lief ihm kalt über den Rücken. Das Knurren wiederholte sich, wütend und zornig, und Holz splitterte.

Die Tür am Ende des Flurs schwang auf. Rashed erstarrte.

Ihr Haar reichte lose über die Schultern hinweg, aber sie trug noch immer ihre Kniehose und Lederweste. Laute Geräusche wiesen darauf hin, dass unten im Schankraum ein heftiger Kampf stattfand. Die Jägerin riss die Augen auf.

»Du …«, brachte sie überrascht hervor.

Bevor sie noch mehr sagen konnte, stürmte Rashed auf sie zu und warf sich gegen die Tür, als die Jägerin sie zu schließen versuchte. Sie fielen beide ins Zimmer.

Leesil zog das andere Stilett aus dem Ärmel, und es war ihm sehr peinlich, so überrascht worden zu sein. Geduckt eilte er zwischen den Tischen in Richtung des offenen Fensters. Der Eindringling war hereingekommen, bevor er ihn bemerkt hatte. Wie konnte er nur so unaufmerksam gewesen sein? Lag es vielleicht am Wein?

Chap sprang, und der Fremde stieß den Tisch vor sich beiseite, woraufhin der Hund mit den Vorderpfoten gegen die Tischplatte prallte. Die schiefen Tischbeine gaben unter dem plötzlichen Gewicht nach, Holz brach, und Chap fiel auf den Eindringling. Es krachte, und Leesil hörte wütendes Knurren, dann ein schmerzerfülltes Jaulen.

»Zurück, Chap! Zurück!«, rief Leesil und stieß mehrere Stühle beiseite, um das Durcheinander zu erreichen.

Der Hund ließ tatsächlich von dem Eindringling ab, aber nur deshalb, weil der Fremde ihn trat. Chap rutschte auf dem Rücken über den Boden, warf zwei Stühle um und blieb zwischen ihnen liegen.

»Bleib zurück!«, befahl Leesil seinem Hund, schob sich dann in Richtung Fenster vor und blickte über die Reste eines Tisches.

Mit einer unnatürlichen gleitenden Bewegung kam der Fremde auf die Beine. Im durch die offenen Fensterläden fallenden Mondschein zeigten sich dunkle Linien an der Seite des Gesichts, die Chaps Krallen hinterlassen hatten. Leesil verharrte, als er die Züge des Eindringlings sah.

Es war Rattenjunge, der verdreckte Bettler von der Straße nach Miiska. Leesil wich einen Schritt zurück, das Stilett bereit.

»Hat es dir beim letzten Mal nicht gereicht?«, fragte er.

Rattenjunge hob eine Hand zur Wange und strich wie verblüfft über die Wunden. Dann betrachtete er das Blut an den Fingern.

»Mein … Gesicht«, flüsterte er voller Schmerz und Fassungslosigkeit.

Seine Augen wurden so leblos wie die einer Leiche, und Leesil erinnerte sich daran, dass dieses Schmuddelkind bei ihrer letzten Begegnung den Eindruck erweckt hatte, kein Mensch zu sein. Zwischen den umgestürzten Stühlen kam Chap auf die Beine und näherte sich für einen neuen Angriff.

»Nein, Chap«, sagte Leesil scharf und versuchte, Rattenjunge im Blick zu behalten, als er den Kopf ein wenig zur Seite drehte, um zu sehen, ob der Hund gehorchte.

Rattenjunge sprang vor, einen blutigen Dolch in der Hand.

Leesil wich der Klinge aus, trat zurück und beobachtete, wie sein Gegner den Dolch hin und her schwang. In einem Messerkampf wäre Rattenjunge ihm ganz offensichtlich nicht gewachsen, aber Leesil dachte erneut an ihre letzte Konfrontation. Dabei hatte sich das unheimliche Wesen einen Armbrustbolzen aus dem Bauch gezogen, als wäre er nur ein lästiger kleiner Holzsplitter. Leesil wollte nicht riskieren, dass Rattenjunge nahe genug an ihn herankam, um ihn zu packen. Wieder wich er aus, als der Dolch nach vorn kam, und er spürte die Kante der Theke im Rücken. Er sprang, rollte mit dem Rücken darüber hinweg und duckte sich dahinter.

Beim ersten Mal hatte ihnen die Armbrust nicht viel genützt, aber Leesil sah keine Wahl und ergriff die geladene Waffe, die Magiere hinter der Theke aufbewahrte. Als er sie hob, befand sich sein Widersacher in der Luft – er flog über die Theke hinweg, ohne sie zu berühren. Leesil drückte ab.

Der Bolzen bohrte sich über dem rechten Auge in Rattenjunges Stirn, und die Wucht des Aufpralls warf den Körper nach hinten und auf die Theke. Der Dolch löste sich aus der Hand und fiel auf Leesils Seite der Theke, während Rattenjunge auf der anderen zu Boden stürzte.

Leesil beugte sich vor, um einen Blick auf die andere Seite zu werfen, doch in der Dunkelheit konnte er nicht deutlich sehen. In der Mitte des Schankraums kroch Chap nach vorn, verharrte jedoch, als Leesil die Hand hob. Er schlich an der Theke entlang, um an ihrem Ende auf die andere Seite zu gelangen, als Chap erneut knurrte.

Eine schmutzige Hand klatschte auf die Theke und schloss sich so fest um ihre Kante, dass das Holz knarrte. Aus einem Reflex heraus lehnte sich Leesil gegen die Weinfässer, die sich an der Rückwand aneinanderreihten.

Rattenjunge zog sich hoch und zerrte den Bolzen aus seiner Stirn. Blut strömte über sein rechtes Auge.

Planen und überlegen zählten nicht zu Leesils Stärken, und so reagierte er instinktiv.

»Warum bist du nicht längst tot?«, rief er und schwang die Armbrust wie eine Keule.

Sie traf Rattenjunges Kopf, und er taumelte einige Schritte zur Seite, in Richtung der Stühle. Erneut hielt er sich an der Thekenkante fest, um nicht zu fallen, starrte Leesil an und näherte sich ihm langsam.

»Du wirst für mich bluten«, grollte er kehlig.

Genau in diesem Augenblick wurde der Vorhang im Küchenzugang beiseite gerissen.

Am Ende der Theke, hinter Rattenjunge, kam Beth-rae mit einem gefüllten Eimer in den Schankraum. Leesil rief ihr zu, dass sie weglaufen sollte, aber dafür blieb keine Zeit mehr. Als Rattenjunge herumwirbelte und sich dem neuen Ziel zuwandte, sprang Chap, bohrte die Zähne in die Wade des Eindringlings und hielt ihn fest. Beth-rae schüttete den Inhalt des Eimers auf den vor ihr zappelnden Fremden. Leesil fragte sich verwundert, was sie damit erreichen wollte, aber dann geschah etwas Überraschendes: Rattenjunge schrie voller Pein.

Er trat und schlug um sich, stieß gegen die Theke und nahe Stühle, als er an der eigenen Kleidung zerrte und zu versuchen schien, sich die Haut vom Leib zu reißen. Sein Körper begann zu dampfen. Zischende Ranken aus grauem Dunst stiegen von schwarz werdendem Fleisch auf.

Rattenjunge heulte und kreischte so laut, dass Leesil kaum das Klirren von Stahl auf Stahl hörte. Er brauchte einen Moment, um zu begreifen, dass es aus dem Obergeschoss kam. Er sah zur Treppe, war dadurch einen Moment abgelenkt.

Der qualmende Rattenjunge sprang zu Beth-rae und schlug mit einer Hand zu. Krumme Finger trafen sie an der Kehle, als sie zurückzuweichen versuchte. Sie drehte sich und stieß gegen die Wand hinter ihr. Noch bevor sie zu Boden gesunken war, stürmte das heulende Wesen durch den Vorhang in die Küche, und Chap folgte ihm.

Leesil eilte zu Beth-rae und hörte, wie die Hintertür der Küche aufgerissen wurde. Er ging in die Hocke, neben einer dunkelroten Lache auf dem Boden, die immer größer wurde; Blut floss aus Beth-raes zerfetzter Kehle. Reglos lag sie da, die Augen aufgerissen. Der Kopf war weit zur Seite geneigt; Rattenjunges Schlag hatte ihr das Genick gebrochen. Leesil konnte nichts mehr für sie tun.

Er ließ die Armbrust fallen, hielt das Stilett bereit und hastete zur Treppe.

»Magiere!«, rief er und lief nach oben.

Magiere sprang durchs Schlafzimmer und griff nach ihrem auf dem Tisch liegenden Falchion.

»Hinaus!«, rief sie, ohne damit zu rechnen, dass der Edelmann ihrer Aufforderung nachkam.

Er antwortete nicht, holte aus und schlug mit seinem Schwert zu. Magiere wich zur Seite, und die Klinge traf den Tisch. Holz splitterte, und die Spitze des Schwerts bohrte sich in den Boden. Der Mann zog sie mühelos heraus.

Niemand konnte so stark sein. Der Raum fühlte sich plötzlich sehr klein ein und bot Magiere kaum Bewegungsspielraum, aber das galt auch für ihren Gegner. Auf einem Knie drehte sie sich am Ende des Bettes und kam auf die Beine. Ihr Gegner rutschte seitlich über den Boden, direkt auf sie zu. Im matten Lampenlicht waren seine Augen hell, fast farblos, und ihr Blick ruhig. Zorn verdrängte Magieres Furcht. Was dachte sich dieser Mistkerl dabei, sie daheim anzugreifen, in ihrem Zimmer?

»Feigling!«, rief sie ihm zu. Der Zorn in ihr schwoll immer mehr an, bis er die Vernunft zu überwältigen drohte. Sie holte mit ihrem Falchion aus, zielte nach dem Hals ihres Gegners und schlug mit aller Kraft zu. Er parierte den Hieb, doch die Wucht des Schlages ließ ihn zurücktaumeln, und er verlor das Gleichgewicht. Die beiden Klingen blockierten sich gegenseitig, und Magiere ballte die freie Hand zur Faust und rammte sie dem Mann an die Kinnlade.

Der Schlag schien ihm kaum Schmerzen zu bereiten und eher zu verblüffen. Er stieß Magiere zurück, und sie fiel aufs Bett.

»Jägerin«, sagte er nur und schlug erneut mit seinem langen Schwert zu.

Magiere rollte sich auf der anderen Seite vom Bett und hörte, wie die Klinge mit einem dumpfen Pochen auf die Steppdecke traf. Der Platz im Zimmer reichte für sie einfach nicht aus, sich richtig gegen den Mann in Position zu bringen. Er konnte sie allein mit seiner überlegenen Kraft töten. Dieser Gedanke hätte genügt, um jemand anders an Magieres Stelle mit Entsetzen zu erfüllen, aber ihr Zorn wuchs so sehr, dass er alles andere verdrängte.

Hass verwandelte sich in Kraft, und sie konnte sich schneller bewegen als jemals zuvor. Instinktiv hielt sie nach günstigen Gelegenheiten Ausschau, nach einer Möglichkeit, an ihrem Gegner vorbeizugelangen oder ihn aus dem Gleichgewicht zu bringen. Er drehte sich ständig, um ihr zugewandt zu bleiben. Immer wieder sprangen sie durchs kleine Zimmer und schlugen nacheinander, aber nie gab sich einer von ihnen eine Blöße, die der andere ausnutzen konnte. Magiere bekam nicht ein einziges Mal die Chance, zur Tür zu laufen oder sich unter einem Hieb hinwegzuducken und hinter ihren Gegner zu kommen.

Als sie sich einmal mehr an der Seite des Bettes wiederfand, rollte sie sich darüber hinweg. Der Mann lief sofort los, um sie auf der anderen Seite des Zimmers zu empfangen, aber diesmal verharrte Magiere mitten auf dem Bett und schlug so schnell mit ihrem Falchion zu, dass er den Hieb nicht abwehren konnte. Seine Stiefel rutschten über den Boden, und er neigte den Oberkörper nach hinten, um der Klinge auszuweichen. Das Falchion verfehlte den Hals, schnitt aber oberflächlich über die Brust.

»Was …«

Mehr brachte der Mann nicht hervor. Er schnappte nach Luft und riss die Augen auf, starrte auf Magieres Schwert. Schmerzerfüllt verzog er das Gesicht und biss die Zähne zusammen. Der Schock war so groß, dass er fast die eigene Waffe fallen gelassen hätte.

Magiere hatte die Fähigkeit verloren zu sprechen. Sie wollte ihren Gegner nicht mehr mit dem Falchion treffen, sondern ihm die Kehle zerreißen. Ihr Mund schmerzte, und sie konnte ihn nicht mehr richtig schließen, als wären die Zähne länger geworden. Verwirrung kostete sie den Vorteil, den sie gewonnen hatte.

Als sie schließlich angriff, hatte der Mann zwar das Gleichgewicht wiedergefunden, aber er hielt das Schwert noch immer zu locker in der Hand. Er ließ die Waffe fallen, griff mit der linken Hand nach Magieres Schwertarm, nutzte ihr Bewegungsmoment und schleuderte sie an die Wand zwischen Tür und Kleiderschrank. Die rechte Hand packte sie an der Kehle.

Instinktiv schloss Magiere ihre freie Hand um sein Handgelenk. Zweimal schmetterte er ihren Schwertarm an die Seite des Schranks, aber sie ließ das Falchion nicht los.

»Ich brauche keine Waffe, um dich zu töten«, flüsterte er, und zum ersten Mal erklang echtes Gefühl in seiner Stimme. »Du musst atmen.«

Magiere wand sich hin und her und versuchte, sich zu befreien, den Mann fortzustoßen, aber er hielt auch weiterhin ihren Hals umklammert und wartete darauf, dass sie erstickte.

Sie merkte nicht, dass sie aufhörte zu atmen. Der Mangel an Luft schuf Platz für sie zu wachsen, als hielte die Hand an ihrer Kehle auch den Zorn fest, der dadurch in ihrem Innern noch mehr anschwoll. Magiere starrte den Mann an, ohne zu blinzeln, bis ihre Augen tränten.

Als die erste Träne über ihre Wange rann, erklang im Erdgeschoss ein heulender Schrei, und für einen Moment drehte der Edelmann überrascht den Kopf zur Seite. Magiere spürte, wie sich der Griff an ihrem Hals für einen Sekundenbruchteil lockerte. Sie ließ das Handgelenk ihres Gegners los, griff nach dem Hinterkopf, beugte den eigenen Kopf vor und biss in die Kehle des Mannes.

Sie fühlte die Vibration seines erschrockenen Schreis, als sie die Zähne tiefer in den kalten Hals grub und Blut in ihren Mund geriet. Plötzlich hatte sie Heißhunger – ihr Magen wollte gefüllt werden. Der Mann hob beide Hände, um ihren Kopf fortzudrücken. Magiere löste den Mund von der Kehle, bevor ihr Gegner zufassen konnte, stieß gleichzeitig das Falchion nach unten. Diesmal knackte es, als die Klinge auf den Knochen der linken Schulter traf.

»Magiere!«

Die Stimme ertönte außerhalb ihres Blickfeldes und klang fern – sie kam aus dem Erdgeschoss.

Der Edelmann brüllte und schlug mit der rechten Faust zu, obwohl die Falchionklinge dadurch noch tiefer eindrang. Der Hieb traf Magiere am Kinn.

Der Schmerz, den sie fühlte, war ebenso weit entfernt wie die Stimme, die sie eben gehört hatte. Der Raum drehte sich, und sie sah, wie der Boden auf sie zukam. Sie fiel halb auf die Seite, und der Aufprall drückte ihr die Luft aus den Lungen. Als sie mit dem Kopf auf den Boden stieß, glaubte sie, die Geräusche von zerbrechendem Glas und Holz zu hören. Magiere versuchte, sich aufzusetzen, und noch immer drehte sich alles um sie herum. Blindlings schwang sie das Falchion von einer Seite zur anderen. Als sich schließlich das Bild vor ihren Augen stabilisierte und heftiger Schmerz hinter ihrer Stirn pochte, war der Raum leer.

Das Atmen fiel ihr schwer. Zorn und Hass lösten sich auf, als sie mit jedem mühevollen Atemzug Kraft verlor. Arme und Kopf wurden immer schwerer, und sie sank zu Boden. Als sie dort lag und nach Luft schnappte, wurde ihr allmählich klar, was sie gerade getan hatte.

Nicht das ganze Blut in ihrem Mund stammte von dem Mann, aber sie hatte es gekostet, sein Blut. Die Erinnerungen daran ersetzten Zorn durch Furcht.

Das Geräusch von Schritten auf der Treppe verdoppelte die Furcht. Kehrte der Mann zurück? Sie schloss die Hand fester um das Heft des Falchions und versuchte aufzustehen.

Leesil erschien über ihr. Er sank auf die Knie und zog ihren Oberkörper auf seinen Schoß. Erleichterung verdrängte Magieres Furcht, aber aus irgendeinem Grund wollte sie nicht, dass er sie sah. Sie wich fort und hob die freie Hand vors Gesicht.

»Sieh mich an, Magiere«, sagte er. »Ist alles in Ordnung mit dir?«

»Das war nicht ich«, hauchte sie und fand die Stimme wieder. »Das war nicht ich.«

»Magiere, bitte«, sagte Leesil und klang fast verzweifelt. »Beth-rae ist tot und Chap schwer verletzt. Ich muss wieder nach unten. Ist alles in Ordnung mit dir?«

Schamgefühl, Entsetzen, die Wirklichkeit – alles traf sie gleichzeitig. Warum versuchte sie, sich vor Leesil zu verbergen?

Sie setzte sich auf, und Leesil drehte sie zu sich um und sah sie an. Als sie die Hand vom Gesicht sinken ließ, schnitt er beim Anblick des Blutes an Mund und Kinn eine Grimasse. Er tastete nach der Unterlippe, wo sie die Faust des Mannes getroffen hatte.

Abrupt zog Leesil die Hand zurück und richtete einen plötzlich wachsamen Blick auf Magiere.

»Was ist?«, fragte sie. »Was ist los?«

Er zögerte. »Deine Eckzähne …«, sagte er. »Sie sind lang und spitz.«

Der Nachtwind kam durchs zerbrochene Fenster, strich durchs Zimmer und vertrieb die letzte Hitze des Zorns aus Magieres Körper.

Die Szene, die ihn im Schankraum erwartete, deprimierte Leesil so sehr, dass er fast wie gelähmt war.

Am Ende der Theke stand eine brennende Laterne, und Caleb kniete neben der toten Beth-rae. Verwirrt sah er zu Leesil auf und schien zu hoffen, dass ihm jemand sagte, dies alles wäre nicht wahr. Chap saß neben der Toten, jaulte und stieß Beth-raes Schulter mit der Schnauze an. Das Brustfell war blutverschmiert, aber seine Bewegungen deuteten darauf hin, dass er nicht die schweren Verletzungen erlitten hatte, die Leesil zunächst befürchtet hatte.

»Ich bin nach draußen gegangen, um frisches Wasser zu holen«, murmelte Caleb. »Und als ich zurückkehrte …«

»Es tut mir so leid, Caleb«, sagte Magiere leise am Ende der Treppe.

Sie wirkte noch immer recht mitgenommen, war sich ihrer Umgebung jetzt aber voll bewusst. Ohne das Blut am Kinn und an der aufgeplatzten Lippe hätte Leesil glauben können, dass sie nur einen der Scheinkämpfe in einem der Dörfer mit abergläubischen Bauern hinter sich hatte.

Beth-raes Kehle war von einer Seite zur anderen aufgerissen. Leesil wusste, dass ein schmutziger Fingernagel die Waffe gewesen war.

»Er war es«, sagte er schließlich. »Der verdreckte Bettlerjunge, gegen den wir auf der Straße nach Miiska gekämpft haben.« Er sah Magiere nicht an, während er sprach. »Er griff uns an … besser gesagt, Chap griff ihn an, aber er war durchs vordere Fenster hereingeklettert. Beth-rae schüttete etwas über ihn, und er kreischte, und seine Haut wurde schwarz.«

»Knoblauchwasser«, sagte Caleb leise und berührte Beth-raes Haar.

»Was?«, fragte Magiere.

»Wir haben ein Fass davon in der Küche«, erklärte Caleb leise. »Wenn man Knoblauch mehrere Tage in Wasser kocht, so hat man eine gute Waffe gegen Vampire.«

»Hör auf damit«, sagte Magiere scharf und trat näher. »Davon will ich jetzt nichts hören. Was auch immer sie wollten, es waren Menschen. Hast du verstanden?«

Zum ersten Mal, seit sie sich kannten, sah Caleb Magiere voller Ablehnung an. Er schlang die Arme um seine tote Frau und hob sie vorsichtig hoch.

»Wenn du dich der Wahrheit gestellt hättest, anstatt dich selbst zu belügen, wäre Beth-rae vielleicht noch am Leben.«

Er trug die Tote in die Küche. Chap folgte ihm und jaulte noch immer.

Magiere setzte sich auf die unterste Treppenstufe und hob beide Hände vors Gesicht. Einige Strähnen ihres zerzausten Haars klebten am Blut, das noch immer ihr Kinn bedeckte.

»Was geht hier vor?«, fragte Leesil. »Weißt du’s?«

»Der Mann am Wudrask war genauso«, erwiderte Magiere leise.

»Wovon redest du?«

»Er war genauso: bleich, die Knochen fest wie Stein, zu stark … davon überrascht, dass meine Waffe ihn verletzen konnte. Er war genauso.«

»Du meinst wie der Bettlerjunge«, fügte Leesil voller Ärger hinzu. »Gibt es sonst noch etwas, das du mir nicht gesagt hast?«

Er atmete mehrmals tief durch. Magiere anzuschreien, machte nichts besser, und deshalb wandte er sich von ihr ab. Er musste etwas trinken, ging zur Theke, fand seinen Becher und füllte ihn.

»Ich fühle sie jetzt nicht«, sagte Magiere. Leesil drehte sich um und beobachtete, wie sie ihre Zähne betastete, einen nach dem anderen. Sie ließ die Hand sinken. »Vielleicht hast du es dir nur eingebildet …«

»Ich habe mir nichts eingebildet!«, erwiderte Leesil, und seine Stimme wurde bei jedem Wort lauter. Er knallte den Becher auf die Theke, kehrte zu Magiere zurück und ging vor ihr in die Hocke. »Das hat nicht nur in deinem Kopf stattgefunden, und gewiss nicht in meinem.«

Er streckte die Hand nach ihrem Kinn aus. Magiere wich zurück, verharrte dann aber und starrte ihn an. Zuerst war ihr Gesicht ausdruckslos und ohne Emotionen, doch dann veränderte es sich und zeigte so etwas wie Trotz.

Leesil bewegte die Hand vorsichtig. Magiere hielt den Mund geschlossen, leistete aber keinen Widerstand, als er mit den Fingern sanften Druck auf den Unterkiefer ausübte, bis sich die Lippen teilten. Nichts deutete auf eine Verlängerung der Eckzähne hin. Leesil zog die Hand zurück, ohne den Blick von Magiere abzuwenden.

»Wir müssen dem Konstabler den Überfall melden«, sagte er. »Beth-raes Tod wird sich ohnehin schnell herumsprechen.«

Magiere ließ die Schultern hängen, und ihre Lider kamen herab.

»Leesil?«, erklang eine dünne Stimme vom oberen Ende der Treppe.

Magiere öffnete die Augen wieder. »Rose?«, fragte sie sanft und drehte sich um.

Das kleine Mädchen im Musselin-Nachthemd rieb sich die Augen und gähnte.

»Wo sind Oma und Opa?«, fragte Rose halb wach. Ihre Unterlippe zitterte ein wenig. »Ich habe laute Geräusche in der Dunkelheit gehört.«

»Du hattest einen Albtraum.« Leesil hob Rose hoch und hielt sie an seiner Schulter.

»Wo ist Oma?«

»Wer in meinem Bett schläft, hat nie Albträume«, sagte Leesil. »Weil es so groß und weich ist. Möchtest du dort schlafen?«

Rose blinzelte und versuchte, die Augen offen zu halten. »Und wo schläfst du?«

»Ich sitze auf dem Stuhl und wache über dich, bis die Sonne aufgeht. In Ordnung?«

Rose lächelte, legte ihm den Kopf an die Schulter und hielt sich an seinem Haar fest. »Ja. Ich fürchte mich.«

»Hab keine Angst.« Bevor Leesil mit dem müden Kind zu seinem Zimmer ging, sah er noch einmal nach unten. Magiere stand am Ende der Treppe, schwer ans Geländer gelehnt. Die Stimme des Elfen war freundlich und unbeschwert, als er zu Rose sprach. »Morgen früh ist alles besser, du wirst sehen«, log er.