VIERZEHN

Um kurz vor zwölf ist die Katharina dann aufgeschreckt, ob es die blendende Sonne war oder das Klopfen an der Haustür unten, das hat sie gerade nicht einordnen können, weil ihr furchtbar schlecht gewesen ist, zu wenig Schlaf, rasende Kopfschmerzen, Kreislaufschwäche.

Der Matteo ist immer noch da gewesen, also kein Traum, was sie für den kurzen Moment, den sie sich nimmt, bevor sie sich in ihr Gewand wirft, sehr genießt. Ihn anzusehen, wie er schläft. Ihn zu küssen und das feine Stechen seiner Bartstoppeln auf ihren Lippen zu spüren.

Vor der Tür ist der Peter gestanden, ihr schlechtes Gewissen sozusagen, und hat gesagt: »Duad mir leid, wenn i di aufgweckt hab – aber i kimm mitm Bujdog ned an dem BMW vorbei.«

Und mit diesem kurzen Satz hat er eigentlich auch gleich gesagt, dass er alles verstanden hat und dass es ihm wehgetan hat, und die Katharina hat ihn in den Arm genommen und gedrückt, aber er ist nur dagestanden und hat sie nicht zurückumarmt. Sondern nur ganz leise und ruhig gesagt: »I glaab, des lasst jetz besser bleibn.«

»Mir redn spaada mitanand, okay?«, hat die Katharina geantwortet. Und hat ihn losgelassen, den BMW-Schlüssel geholt und den Wagen auf die Seite gefahren. Die Italiener – parken wo und wie es ihnen einfällt.

Und weil es schon Mittag war und die Essenseinladung vom Brunner auf eins festgesetzt war und seine Frau, die Resi, gern pünktlich ein warmes Essen auf den Tisch gestellt und gar nicht gern gewartet hat, hat die Katharina es jetzt recht eilig gehabt. Und mit ihrem Tagesprogramm ist sie jetzt direkt nach dem Aufstehen schon mindestens drei Stunden im Verzug gewesen. Also noch vor dem Duschen Caffè aufsetzen, Brunner anrufen.

»Jetz hab i scho denkt, dass du im letzten Moment no absagst, Kathi! Wo die Resi an so an guadn Sauerbraten im Rohr hat, i sag’s dir.«

»Naa … nix von wegen Absage, was denkst du vo mir?«, hat die Katharina gleich zurückgespielt. »Im Gegenteil, Josef. Kannt i noch jemand mitbringa?«

»Jetz samma eh scho mehra … ja guad, warum ned. Wer kimmt denn mit?«

»Mei …« Jetzt, was sagen?

»Dei Freind?« Der Brunner ist ja schon immer recht schnell und gut im Vervollständigen der Sätze anderer gewesen, das ist wie bei einer Befragung Verdächtiger, die muss man auch ab und zu verbal anschieben.

»Sozumsagn. Ja.«

»Und wer is des jetz?«

»Und warum klingt des bei dir immer wiar a Verhör, Josef? Und was hoaßt eigentlich, mir sand eh scho mehra

»Mei Nichte kimmt aa, mit ihrm Freind, hoaßt des. Der Resi ihr Sauerbraten is ihr Leibspeis.«

»Wer? Welche Nichte

»Ja, sag amoi, Kathi, stehst jetz aufm Schlauch oder was? Die Anni hoit.«

»Was?!«

»Ja unser’ Anni hoit. D’Fischhaber Anni. Des woaßt doch!«

»Naa, woher sojt i des wissen?« Und jetzt hat sich die Katharina plötzlich erinnert, was ihr an der Fischhaber Anni an ihrem ersten Tag in der Polizeidienststelle in Weil beinahe aufgefallen wäre, und zwar die Brunnersche Familienähnlichkeit. Und an dem Gedanken war noch mehr dran, und das hat sie gar nicht mehr losgelassen, weil irgendwas war an dem Altmann-Fall, das sie genauso übersehen hat. Und jetzt war ihr Bauchgefühl wieder da, und das waren nicht nur die Hände auf ihrem Bauch, Matteos Hände, der sie von hinten umarmt und in den Nacken geküsst hat, und sein Geruch hat sich mit dem Duft vom Caffè vermischt, der in der Kanne hochgebrodelt ist. Und weil ihr dieser Moment dermaßen unter die Haut gegangen ist vor lauter Liebe und Familie und Geborgenheit und allem, hat sie sich alles inklusive dem flüchtigen Gedanken eingeprägt wie ein Bild, und das hat sie später noch sehr gut brauchen können.

»Ja, Chefermittlerin, hinter jedem Indiz herjagn wiar a Windhund, aber ned zuhörn und ned mitdenga!«, hat der Brunner jetzt gelacht am anderen Ende der Verbindung. »Du woaßt doch, dass i zwoa Briader hab und a kloane Schwester, und die is mit dem Fischhaber Florian verheirat’, und die Anni is ihr Tochter. Du hast friara doch aa amoi kindst bei der Anni!«

»Da hat s’ no Anita ghoaßn und Windeln oghabt!«, hat sich die Katharina zu Recht verteidigt, jetzt, wo der Brunner sie an ihre alten Babysitterzeiten erinnert hat. Und nebenbei versucht, den Matteo sanft abzuschütteln, weil sein Dreitagebart an ihrem Nacken hat sie ziemlich gekitzelt.

»Und wen bringst du jetz mit?«, hat der Brunner nachgehakt.

»Des siggst na scho. Und wenn mir jetz no lang weitertelefoniern, dann kimm i z’ spaad mit meim Freind

Und deswegen haben sie aufgehört, und die Katharina ist auch erst einmal nicht dazu gekommen, ihrem Freund zu erklären, wo er jetzt gleich mit ihr mit hinkommt, weil sie ihn ja nicht hat abschütteln können und eigentlich auch nicht wollen und er sie ein bisschen, aber sanft, gegen den Kühlschrank gedrückt hat mit seinen Annäherungsversuchen und seinen Küssen, und an ihrem Rücken die kalte Kühlschranktür und vor ihr, ganz nah, Matteo Lucarelli, der noch immer nicht genug hatte.

 

»Ja, und Anni, warum hast du nix gsagt? Die ganze Zeit nennst du deinen Onkel nur den Brunner, da kimmt ma ja ned drauf«, hat die Katharina jetzt zur Anni gesagt, quer über den Tisch hinweg, und die Anni hat geantwortet, dass das in der Dienststelle halt schon professioneller daherkommt als ein Onkel Josef, oder Sepp am End, und da hat sie auch wieder recht gehabt.

Neben der Katharina am Tisch ist der Matteo gesessen, gegenüber die Anni, neben der wiederum der Hansi, also offiziell, dass die beiden ein Paar waren, am schmalen Ende vom Tisch der Hausherr, also der Brunner Josef, und am anderen Ende die Resi. Das heißt, die Resi ist eigentlich mehr herumgesprungen als gesessen, weil so eine plötzliche, unverhoffte, nette Großfamilie will ja auch ordentlich bedient sein. Eine Familie, durch und durch aus Polizei bestehend, da ist es freilich nebenbei auch um diverse Delikte und Kriminalgeschichten gegangen. Und halt ganz viel Privates.

»Mecht no oana was zum Dringa?«, hat die Resi zwischendurch immer wieder fürsorglich gefragt.

»Jetz wo sd’ scho grad stehst, bring mir doch bittschee no a scheens, koids Weißbier, Resi, und hock di wieder zuawe da, des macht mi ganz verruckt, du und dei ewige Ummanadaspringerei!«, hat der Brunner liebevoll längs über den Tisch hinweg gerufen.

»I daad no a Alkoholfreies dringa«, hat der Hansi sich gemeldet.

»Kathi, du?«, hat die Resi nachgefragt, aber die Katharina hat nur den Kopf geschüttelt, weil sie erstens mit Wasser vorliebgenommen hat, wegen ihren Kopfschmerzen, da muss ja nicht unbedingt ständig Alkohol draufgeschüttet werden, und zweitens, weil sie gerade mit der Anni, respektive Anita, über alte Zeiten geredet hat.

»Und dei Freind?«, hat die Resi nicht lockergelassen, und sich dann direkt an den Matteo gewandt. »Herr Lucarelli, möchten Sie noch ein Birra?« Und weil die Resi recht wild gestikuliert hat mit einer Bierflasche in der Hand, hat der Matteo sie dann doch auch verstanden, obwohl Deutsch für ihn ein Buch mit sieben Siegeln war und Bairisch eines mit mindestens vierzehn.

»Troppo gentile, ma grazie, no. Sono a posto così.«

»Was? Ah, na Schmarrn, wie bitte? Prego?«, hat die Resi noch einmal nachgefragt, weil sie gerade abgelenkt gewesen ist, weil sie dem Josef das Bier eingeschenkt hat, und so ein Weißbier gehört schön langsam eingeschenkt, mit Konzentration, damit es nicht zu viel und nicht zu wenig Schaum gibt und die ganze Hefe mit reingeht ins Glas.

»Passt scho, Resi«, hat die Katharina beiläufig für den Matteo geantwortet, zwischen zwei Sätzen, die sie gerade an die Anni und den Hansi gerichtet hat.

Ein bisschen verloren hat der Lucarelli gewirkt in dieser zusammengewürfelten bayerischen Großfamilie, wo er kein Wort verstanden hat. Den Sauerbraten und die hausgemachten Kartoffelknödel hat er wahrscheinlich nur anstandshalber gegessen, in Italien gibt es nichts annähernd vergleichbares Kulinarisches, zumindest hat er so was noch nie gegessen gehabt. Aber die zwei Weißbier haben ihm schon gemundet, zu so einem üppigen Frühstück braucht es das einfach, wurscht, welche Nationalität man mitbringt.

Im Übrigen hat er mehr gegessen als die Katharina, bei der der Teller nach dem Essen gar nicht so viel anders ausgeschaut hat als vorher.

»Mangiane ancora un po’ Katharina … O non ti piace?«, hat er zu ihr hinübergebeugt leise gefragt.

Die Resi hat zeitgleich ungefähr dasselbe gesagt. »Iss doch a bisse mehra, Kathi, bist ja ganz boanad worn. Kannst as scho vertragn, oder schmeckt’s dir ned?«

»Doch, ojs perfekt, guad wia eh und je, dei Sauerbraten, Resi. Aber mir habn recht spaad g’frühstückt …« Amore e caffè. »Mi piace, però mi sento male«, hat sie dem Matteo zugeflüstert.

»Se ti senti male, andiamo.«

»Fra un pochino.« Fra un pochino, also: gleich. Muss man sagen, wenn man wo eingeladen ist.

Weil erst einmal hat es noch eine Runde Schnaps gegeben und dann noch eine zweite, als Katalysator für die Sauerbratenverdauung, und nur die Katharina und der Hansi haben sich davor drücken können, weil sie ja noch Auto fahren haben müssen. Also, der Hansi hat doch noch ein bisschen genippt, höchstens aber ein halbes Stamperl, aber die Katharina niente di niente, also hat die Resi beim Abschied schon ganz komisch geschaut und gefragt, warum die Kathi eigentlich gar keinen Alkohol trinkt, ob irgendwas ist. Wenn du als Frau auf dem Land nämlich nichts Alkoholisches trinkst, dann aus genau nur einem Grund, und dass dieser eine Grund für die Katharina nie ein Grund sein würde, das hat die Resi ja nicht wissen können.

Der Brunner hat sich das mit dem möglichen Grund nicht mehr gefragt, der hat sich nach dem Essen in seinen Fernsehsessel verzogen zum Schlafen, recht berauscht, und auch die Anni und der Matteo, der ja das bayerische Weißbier und den Selbstgebrannten vom Gastreiner aus Halling nicht gewohnt war, waren bedient. Also nicht betrunken, aber bedient.

Und die ganz nüchterne Katharina hat sich ans Steuer von dem italienischen BMW M5 gesetzt und ihren bedienten, dahergelogenen italienischen Ehemann zurück ins Austragshäusl gefahren.

Wo sie sich erst einmal hingelegt haben, alle beide, weil der Matteo aufgrund der bayerischen Mittagsessensbräuche und die Katharina wegen ihrem Kopfweh dermaßen fertig waren, dass an das Tagesprogramm der Freizeitermittlerin im Moment nicht zu denken war.

Und die Katharina hat ihrem Commissario stattdessen alles erzählt, womit sie sich in den letzten Wochen so beschäftigt hat, von den verwandtschaftlichen Verstrickungen in und um Weil, die manchmal auch für sie nicht zu durchschauen waren, von dem Fall, den sie gerade bearbeitet hat, von den Geschichten und Hintergrundgeschichten von all den Verdächtigen und weniger Verdächtigen, von den vielen Jaguars und Polen und Putzfrauen und Tierärztinnen und Tandlern und Beziehungen untereinander. Und was der Brunner davon gewusst hat, nämlich nur das Nötigste. Und er, der Matteo, hat nun praktisch alles gewusst.

Alles gar nicht so anders wie bei ihnen in Italien, hat der Matteo bemerkt, und dann hat er erzählt.

Von seiner Frau Lavinia, die er während seines Jurastudiums kennengelernt hat, die eines Tages schwer krank geworden ist, und als sie Brustkrebs diagnostiziert haben, war es längst zu spät für eine Therapie. Von ihrem langen und schmerzhaften Sterben. Von seinem abgebrochenen Studium, kurz vor der laurea. Von seiner Schwester Francesca Lucarelli, die Richterin in Genf war, weil Genf war nicht Italien, und in Italien hätte sie das nie und nimmer geschafft. Als Tochter einer Anwältin und eines hohen Richters, die beide zeit ihres Lebens gegen die Organisierte Kriminalität gekämpft haben.

Aber trotzdem hat sie ihre Heimat geliebt und ist immer wieder zurückgekommen, hat sich ihre teure Wohnung in Rom gehalten, obwohl ihr Elternhaus, sein Elternhaus, nur 30 km nördlich von Rom am Lago di Bracciano bei Anguillara Sabazia gelegen und die meiste Zeit leer gestanden ist. Eine weitläufige abgelegene Villa, gut versteckt und gut gesichert. Nein, die Eltern haben nicht mehr dort gelebt. Um genau zu sein, sie haben nirgendwo mehr gelebt, und dieses Nirgendwo war ein Familiengrab auf dem weitläufigen Land rund um die Villa herum.

Und dann war er plötzlich ganz still, der Matteo, und die Katharina hat ja gewusst, wie man sich ohne Eltern fühlt, da ist es vollkommen egal, wie alt man selber ist, und dann hat sie ihn umarmt und nicht weiter gefragt, denn eigentlich hat sie es gleich gespürt gehabt, dass seine Eltern nicht eines natürlichen Todes gestorben sind, aber manchmal darf man fragen und manchmal muss man still sein, und ganz still und umschlungen sind sie jetzt dagelegen, und dann ist die Dunkelheit ins Zimmer gekrochen und ein kühler Wind, der die Abendwärme vertrieben hat, und der Geruch von gemähten Wiesen. Und ganz heimlich und ganz nebenbei ist es Herbst geworden.

 

»Herr Hafner, einen schönen guten Morgen.«

Nach ihrem ersten Caffè hat die Katharina sich bereit für ihr vertagtes Tagesprogramm vom Sonntag gefühlt. Das sie jetzt auch schnell noch vor Dienstbeginn anleiern wollte. Also halb acht. Der Matteo ist unter der Dusche gewesen, sie selbst praktisch abflugbereit.

»Aaah die Frau Berger!«

»Ja, die Frau Berger«, hat die Katharina bestätigt, ein bisschen genervt von der aufgesetzten ewig guten Laune vom Hafner. »I hab denkt, Sie wojten Eana zruckmejdn bei mir? Gestern!«

»Echt? Hab i des gsagt? Mei … duad ma leid, aber … Des ganze Wochaend hab i mit ana Importgschichtn zum Doa ghabt, und jetz hab i an recht an dahauden polnischen Jaguar aufm Hänger, der ned amoi d’ Hojfdn wert is vo dem, was i zoit hab!«

Armer Mann, hat die Katharina sich mit unverhohlenem Spott gedacht und gesagt: »Ja aber Herr Hafner, den fahrn S’ schnoj durch d’ Waschanlag, und dann verkaffn S’n fürs Doppelte!«

»Mei, Sie habn aber guade Ideen, Frau Berger, so machmas, wojn S’ ned mei Business-Beraterin wern?«

»Geht doch ned, Herr Hafner, i bin ja mit dem Polizeidienst vollends ausgelastet!«

»Ah ja, stimmt ja. Sie sand ja bei der Polizei. Oiso dann –«

»Ja hoit! Ned auflegn, Herr Hafner! I hab a Anliegen!«

Er hat ganz genervt und gestresst geseufzt. »Ja, was is’n?«

»Jetz, wo Sie grad no so polnisch eingstimmt sand vo Eana Ihrm Wochaend, Herr Hafner, daad i gern heit no mit Eana über a paar Polen sprecha, unter anderem über den Polen am Steuer vom Altmann seim Jaguar. Woher haben S’ denn des schon wieder gwusst?«

»Hab i genauso wenig gwusst wia Sie, Frau Berger. Bloß geraten.«

»Wann habn S’n Zeit?«

»Ja mei, Zeit wenn i hätt! Was i dann ojs daad!«

»So, Herr Hafner. I sag Eana, was i dua: I kimm heit so ummara sechse auf d’ Nacht bei Eana vorbei, und Sie sand dann bittschee da!«

»Ja, aber versprecha kann i nix.«

 

Ein Versprechen hat die Katharina gar nicht gebraucht, weil sie ist davon ausgegangen, dass der Hafner jetzt, am Morgen, da ist. Und deswegen hat sie sich vom Matteo den sauteuren 507-PS-schweren BMW M5 mit italienischem Kennzeichen ausgeliehen und ist als erste montägliche Amtshandlung um Punkt acht mit genau diesem Wagen beim Hafner in Halling auf dem Hof vorgefahren, in voller Uniform und mit der Pistole im Holster.

Was natürlich ein mords Aufsehen erregt hat. Bei der Susi, beim Jakob und beim Hafner erst recht.

Autos sprechen halt immer eine deutliche Sprache, und dieser Wagen hat quasi gesagt: don’t mess with the police, oder besser: non attaccare briga con la polizia.

»Einen schönen guten Morgen allerseits«, hat die Katharina die versammelte Mannschaft begrüßt, die mit großen Augen geschaut hat, wie sie aus dem M5 ausgestiegen ist.

»Ja, Frau Berger, i hab Eana heit friar no gar ned erwart«, hat der Tandler mit ehrfürchtigem Blick auf das italienische Auto gesagt.

»Ach wissen S’, i hab mir denkt, was du morgens kannst besorgen … Und deswegen mein Vorschlag, Herr Hafner. Mir zwoa redn jetzt in Eana Ihrm Büro oder, wenn Eana des liaber is, in der Polizeidienststelle in Weil.« Und dann hat die Katharina recht freundlich in die Runde gelächelt.

»Da parken S’ a bisse unguad«, hat der Hafner nur gesagt.

»Der Jakob kann den Wagen ja schnell besser parken«, war die Antwort von der Katharina, während sie dem Jakob den Schlüssel zugeworfen hat, und der hat ihn gefangen und sich gefreut, sich in den Karrn setzen zu dürfen.

»Sand S’ jetz unter die Italiener ganga?«, hat der Hafner wissen wollen, während sie zu zweit ins Büro rein sind, die Sekretärin hat draußen bleiben müssen.

»Herr Hafner, i hätt a paar Fragen.«

»Also dann fragen S’ – aber bittschee schnoj, weil mir haben alle ned vui Zeit.« Hat ihm so gar nicht gepasst, dass die Berger Katharina in ihrer Funktion als Polizistin in aller Früh bei ihm auf dem Hof auftaucht. Aber das Überraschungsmoment war jetzt grad auf der Katharina ihrer Seite, und das hat sie erst einmal voll ausgekostet.

»Ach wissen S’, Herr Hafner, am Montag in der Friar hab i persönlich immer am meisten Zeit.«

Sie hat sich kurz umgeblickt im Büro. Ein Sparkassen-Kalender an der Wand, Autoposter, eine Sprengzeichnung von irgendeinem Getriebe mit recht vielen Zahnrädern, eine Kaffeemaschine im Eck, Fax, Telefon, Computer, Autozeitschriften, Ordner, Formulare, alles recht voll und voll auf Zweckmäßigkeit ausgelegt. Aber keine Kalender mit Pin-up-Girls, die sich auf Motorhauben räkeln, weil in dem Büro hat ja die Lorenz Susi das Sagen gehabt, und die hat so eine sexistische Sauerei eigenhändig verhindert.

Der Hafner hat jetzt erst einmal geschwiegen. Und sich auf der Susi ihren Bürostuhl gesetzt, hinter die Empfangstheke. Die Katharina ist stehengeblieben und hat sich mit verschränkten Armen an die Theke gelehnt und hat ganz entspannt ausgesehen dabei. Dass sie jetzt auf den Hafner hat runterblicken können, das hat ihr recht gut getaugt.

»Herr Hafner …«

»Ja, Frau Berger?«

»Sagt Eana der Name Jurek Pawliczyk was?«

»Pawliczyk scho – aber i hab Eana ja scho gsagt, meine Polen heißen Karol und Wieslaw.«

»Und dass die vielleicht irgendwia mit einem Jurek Pawliczyk verwandt sei kannten, des is ned möglich?«

»Woaß i ned, und wurscht is’s mir aa.«

»Aber mir ned.« Ganz nett gelächelt hat die Katharina und hinzugesetzt: »Und da Sie ja sicher a Telefonnummer vo Eana Ihre Polen haben, daad i vorschlagen, Sie ruafn die zwoa jetz amoi o.«

Gar nichts hat der Hafner da erwidert. Nur stumm sein Handy herausgezogen und eine Nummer gewählt. Und dann ein bisschen gewartet. Und dann auf Hochdeutsch, ganz langsam, mit einem Pawliczyk gesprochen, aber bei einem Bayern hörst du den Dialekt immer durch.

»Karol, hier ist der Hafner. – Ja, hat schon alles gepasst. – Nein. – Nein, warum? – Ich hab ihn noch nicht angeschaut. Der steht noch auf meinem Hänger. – Ja du, warum ich anruf. Hier steht gerade eine fesche junge Frau vor mir, die dich etwas fragen möchte. – Ja, des weiß ich nicht. Am besten redet ihr beide direkt miteinander.« Und mit diesen Worten hat der Hafner der Katharina sein Handy gereicht.

»Karol Pawliczyk, wer spricht da?«, ist es der Katharina in fast akzentfreiem Deutsch aus dem Hörer entgegengekommen. Und jetzt ein bisschen pokern.

»Hier ist – Elena. Es geht um einen Autoimport, und der Herr Hafner war so freundlich, mir zu erzählen, dass Sie sich auf polnischer Seite schon öfter um diverse Jaguars bemüht haben.«

»Kann man so sagen. Wie kann ich Ihnen helfen, Frau Elena?«

»Ich rufe an wegen eines Wagens aus dem Fuhrpark von Thomas Altmann.«

»Ah. Altmann.« Die Kathi hat jetzt gleich gemerkt, dass der Karol vorsichtiger wird bei dem, was er sagt. Und sie ist auch vorsichtig geworden, bei dem, was sie fragen wollte. Erst die Polen-Connection in Sicherheit wiegen.

»Meines Wissens wollte er Ihnen vor einigen Wochen einen Wagen bringen lassen.«

»Ja, das stimmt.« Bingo!

»Aber die – sagen wir mal: Lieferung ist nicht bei Ihnen angekommen.«

»Nein, er wollte den Wagen ja von einem Jakob herfahren lassen, nicht liefern. Und dann wieder retour, wie immer.«

Jetzt hat der Karol was ganz was Komisches gesagt, nämlich dass der Jakob den Wagen eben mal gerade so rüberfahren wollte nach – wohin eigentlich und warum? Und retour: wie immer. Schneller denken, Katharina. »Der Jakob hat nicht können, deswegen hätt ich das machen sollen, so war das vereinbart – mit dem Altmann und dem Jakob.«

»Wer sind Sie denn?«, ist der Karol jetzt ein bisschen misstrauisch geworden.

»Dem Jakob seine Freundin.«

Der Hafner hat gegrinst, aber er ist mucksmäuschenstill geblieben. Der Katharina ihre unorthodoxen Verhörmethoden haben ihm schon irgendwie imponiert und dass sie sich trotz Uniform und Polizeidienst recht wenig um Konventionen oder Kompetenzen schert.

»Ah so. Und wo ist das Problem?«, hat der Karol von der Elena-Katharina wissen wollen.

»Es hat sich was verzögert. Aber Ende der Woche kann ich kommen. Wenn Sie noch interessiert sind.«

»Das liegt an Altmann, ob er noch interessiert ist.«

»Natürlich! Sonst würde ich ja nicht anrufen in seinem Auftrag. Aber noch eine Frage, und zwar, ich hab nicht ganz verstanden, wie ich zu Ihnen komme.« Schadet ja nicht, wenn die Elena ein bisschen auf doof macht, hat die Katharina sich gedacht, weil schlaue Frauen kommen nicht immer gut an in der Geschäftswelt, und wenn es um Autos geht, schon zweimal nicht.

»Wieso? Ist doch ganz einfach, A5 nach Prag, dann die Staatsstraße 10, kurz nach Weschen die 65 Richtung Reichenberg, und an der Grenze ist Leśna dann schon ausgeschildert. Da gibt es keine schnellere Verbindung und keine sicherere, auch wenn der Altmann das nicht glaubt.«

Bingo! Leśna, Autoverkäufer, und jetzt alles auf die Null, Polnisch Roulette.

»Danke, hab ich mir schon gedacht, dass der Thomas mir das viel zu kompliziert erklärt hat. Ach, da fällt mir ein. Der Thomas hat mir aufgetragen, Ihnen noch etwas auszurichten, warten Sie, ich hab es mir aufgeschrieben, ich hab den Sinn der Frage nicht verstanden, aber er meinte, ich soll sie genau so stellen. Sie würden dann schon verstehen, was das bedeutet.«

Jetzt hat die Katharina mit irgendwelchen Autoformularen und Werbezetteln auf der Theke vom Hafner seinem Büro herumgeraschelt. Der Hafner hat amüsiert, aber schweigend zugeschaut, er hat ja immer nur der Katharina ihre Sätze gehört, dem Karol seine nicht, aber er hat seine Polen schon gekannt, und die Fantasie hat ihm auch schon gereicht, um sich die polnische Hälfte von dem Gespräch dazudenken zu können.

Und dann hat die Katharina zum Karol gesagt: »Ich hab’s. Hier.« Und dann im Vorleseton: »Wo ist Jurek?«

»Was!?«

»Wo – ist – Jurek? Ich hab keine Ahnung, was das soll, er sagte, Sie würden schon –«

Jetzt hat sich der Karol ein bisschen aufgeregt, und zwar genau in die Richtung, die sich die Katharina erhofft gehabt hat, er hat sich nämlich verquatscht.

»Spinnt der Altmann? Wir haben unseren Bruder geschickt, mein Wort, vor fünf Wochen, am 25. Juli, wie vereinbart, mit dem silbernen XKR inklusive Lieferung. Der Jurek wollte dann weiter nach Frankreich. Seither haben wir nichts mehr von ihm gehört. Was will der Altmann jetzt von uns?«

»Ich hab nur gesagt, was er mir aufgetragen hat. Ich hab keine Ahnung von gar nichts. Ich werde ihm einfach das durchgeben, was Sie mir gerade gesagt haben. Ansonsten ist alles klar. Also, ich meld mich dann Ende der Woche und geb den Termin durch, an dem ich kommen kann. In Ordnung?«

»In Ordnung. Schönen Tag noch, Frau Elena.«

Die Katharina hat aufgelegt, durch den Hafner hindurchgestarrt, eine halbe Minute überlegt, was der Karol ihr da eigentlich erzählt hat, nämlich, dass der Jurek Pawliczyk von seinen Brüdern mit dem Wochenendjaguar vom Altmann inklusive einer Lieferung von Weiß-Gottwas, aber sicher nichts Legalem, am 25. Juli, am Django-Wochenende, zum Altmann geschickt worden ist. Und was immer die importiert haben, der Altmann hat da mit dringesteckt, weil er diese Lieferung mit den Polen vereinbart hat. Und der Jakob hat vielleicht auch schon Kurierfahrten übernommen gehabt, und jetzt ist es der Katharina gerade zu viel geworden, sie hat einen wahnsinns Kopfwehanfall bekommen und ist ganz blass geworden. Aber eins hat sie gewusst, nämlich, dass die Lieferung noch in dem XKR sein muss und dass der Hafner mit der Sache nichts zu tun hat. Denn sonst hätte er ihr nie und nimmer den Wagen gezeigt. Aber jetzt wollte sie es noch einmal von ihm selber hören.

»Frau Berger!« Jetzt ist der Hafner um die Theke herumgekommen und hat sie festgehalten, bevor sie hat umkippen können, und er hat sie zum Stuhl geführt, wo sie sich willenlos hinsetzen hat lassen. »Sie sand immer no ned ganz fit. Und zwar seit Sie aus dem Krangahaus auße sand. Jetz fojn S’ mir bittschee ned um. Und nachert gengan S’ bittschee zum Doktor, des versprechan S’ mir jetz, und i versprich Eana, dass i Eana a Gschicht verzoj.« Er hat ihr eine Flasche Cola gereicht, die eigentlich zu der Susi ihrem Brotzeitpaket für heute gehört hat, und sie ein bisschen genötigt, was von dem Zuckerzeug zu trinken. Was gut war. Der Hafner hat an der Theke gelehnt, die Katharina ist gesessen und hat nur genickt, im Sinne von ich versprech Ihnen, was Sie wollen, und dann hat er von sich aus geredet.

»I hab mir scho denkt, dass da was ned stimmt, an dem dauernden Hin- und Hergefahre vo dene Jaguars vom Altmann. Der hat irgendwelche Gschäfterl gmacht mit meine Polen, und i find des gar ned guad, weil die sand mei Connection, die zwoa. I glaab aa, die Gschäfterl warn irgendwia hoaß, wenn S’ mi verstengan, Frau Berger …« Rechnungen hat der Altmann am Ende auch nicht mehr gezahlt, was dem Hafner persönlich an der Angelegenheit natürlich am meisten gestunken hat. Und sein Tipp, dass der am Steuer von dem E-Type ein Pole war, das hat ihm nur so sein Gefühl gesagt, weil der Altmann ja einen Stress gehabt hat mit Polen. Dass seine beiden Pawliczyks noch einen Bruder namens Jurek gehabt haben, hat der Hafner nicht gewusst, er hat immer nur verschiedene polnische Vornamen gehört, die er sich gar nicht gemerkt hat. Und der Jakob hat zwar immerzu irgendwas an dem Altmann seinen Wagen geschraubt, aber er, der Hafner, hat ihm klipp und klar gesagt, dass er ihm nicht nach Polen rüberfährt, »… weil sonst is er seinen Job bei mir los. Und dann is er hoit ned gfahrn.«

Weil dem Hafner seine Erläuterungen ja doch recht subjektiv und gefühlsbasiert geklungen haben, wollte die Katharina jetzt die Polengeschichte noch aus einer anderen Perspektive erzählt bekommen.

»Den Jakob ruafn S’ mir jetz aa no nei«, hat die Katharina recht schwach gesagt.

»Mach i. Aber nur unter oaner Bedingung.«

»Als da wäre?«

»Sie ruafn jetz Eana Ihrn Mister M5 o und sagn eam, dass er Eana abhoit, weil so fahrn S’ mir ned sejber nach Weil zruck.«

Und dann hat der Hafner sie herausfordernd angesehen, und ihr ist nichts anderes übrig geblieben, als auf diese immerhin gut gemeinte Bedingung von ihm einzugehen. Also hat sie den Matteo angerufen und ihm gesagt, sie fühlt sich nicht gut und wo sie ist und dass sie ihm ein Taxi bestellt und dass er sie abholen soll, und der Matteo hat gesagt, was ist passiert, hast du einen Unfall gehabt, bist du verletztaber nein, alles in Ordnung, nur der Kreislauf, und er: Ich komme sofort, a dopo commissaria, und sie: a dopo, Lucarelli. Und dann hat sie noch ein Taxi aus Weil gerufen und dem Taxifahrer alles beschrieben, wen er wo abholen und wohin bringen soll.

»Zufrieden?«, hat sie ein bisschen feindselig gefragt, und der Hafner hat genickt.

»Hab zwar nix verstanden vo Eana Ihrm netten Italienisch, aber werd scho passen.«

Dann hat er den Jakob hereingerufen, ihm den Schlüssel vom M5 abgenommen und die beiden alleine gelassen.

»Geht’s dir ned guad?«, hat der Jakob gleich besorgt gefragt. »Ko i was doa?«

Die Katharina hat den Kopf geschüttelt. »Naa, is schon klärt. Mei Mo hoit mi ab.«

Der Jakob hat ganz komisch geschaut. »Ah so. Und wo hast du jetz plötzlich an Mo her?«

»Ach, Jakob«, hat die Katharina geseufzt, und dann ist ihr eingefallen, dass ja eigentlich sie die Fragen hätte stellen sollen und nicht der Jakob. Also auf. »Gfoj i dir eigentlich, Jakob?«

Jetzt ist der Jakob ein bisschen rot geworden. »Ja, scho.«

»Daadst du was für mi doa?«, hat es die Katharina mit einem schwachen Lächeln probiert.

»Ja, warum ned? Kimmt a bisse drauf o, was.«

»Daadst du mir, ganz unter uns, verzojn, was du an dem Altmann seine Jaguars machst an deine Wochaenden und warum du wejchen Jaguar nach Leśna hättst fahrn sojn und was du sonst no ojs für den Altmann duast?«

Jetzt war der Jakob ganz still, waren ja eine Menge Fragen, er hat auf seiner Unterlippe gekaut und ist im Büro ein bisschen auf und ab gegangen. Dann hat er die Katharina angeschaut. Und tief Luft geholt.

»Ned dass du moanst, i hätt Angst, weil i hab koa Angst«, hat er angefangen.

Und die Katharina hat genickt und leise eingeworfen: »Oana, der wo in a paar Wocha seinen Schwarzgurt macht, der hat koa Angst, des glaab ich dir scho.«

Da hat der Jakob gelächelt und sich sehr geschmeichelt gefühlt, dass die Katharina das von ihm weiß und anscheinend gut findet.

»Oiso, i hab Folgendes gmacht. Jedsmoi, wenn der Altmann an Wagen aus Leśna kriagt hat, und des war recht oft der Foj, dann hab i eam alle Verkleidungen abgmacht. Innen drin. Und die Tüten außaghojt. Und die Verkleidung wieder naufgschraubt. Und dann sand die Wagen wieder retourganga, zwoa, drei Wocha spaada.«

»Und was war drin, in den Tüten?«, hat die Katharina jetzt vom Jakob wissen wollen.

Er hat sie ungerührt angeschaut. Und gesagt: »Des woaß i ned.«

»Jakob! Sag amoi, glaubst du, i bin so bleed, dass i ned woaß, dass du neigschaugt hast in die Tüten?!«, hat sich die Katharina aufgeregt. Obwohl ihr die Aufregung gar nicht gutgetan hat im Moment.

»I hab ned neigschaugt. Des war a Teil von dem Deal. Er hat mi guad zojt, der Altmann. Wahnsinns guad! Und des war aa a Teil von dem Deal. Des is übers Vertrauen ganga. Bis i Depp zuagsagt hab, dass i den E-Type ummefahr nach Polen. Da hat der Andreas, oiso der Hafner, der Andreas hat gsagt, wenn i jetz aa no nach Polen fahr zwengs irgendwejche Gschäfterl und mi in irgendwas neiziagn lass, dann war’s des mit der Mechanikerkarriere. Und eigentlich hat er recht ghabt. Des war von vorn bis hinten a einziger Scheiß, weil irgenda heiße Ware – und ehrlich gsagt, i bin froh, dass der Altmann si abgesetzt hat, weil so bin i draußd aus dem Scheiß.«

»Aber wenn er si gar ned abgesetzt hat? Wenn eam irgendwas passiert is?«, hat die Katharina zu bedenken gegeben.

»Ehrlich gsagt?«

»Ja?«

»Ehrlich gesagt, i hab nix do, i hab bloß gschraubt, und i hab nix gseng, und wenn er nimmer auftaucht, der Altmann, dann is des ganz alloa sei Schujd. Weil irgendwas is nimmer glaffa. Des zumindest hab i gspannt.«

Und dann hat die Katharina sehr müde ausgesehen und nur noch genickt und nicht mehr weitergefragt.

Aber der Jakob hat noch einmal gefragt: »Ko i sonst echt nix für di doa?«

»Naa, hast scho gnua do. Bist a Netter. Echt.«

Sie hat ihn angelächelt und er zurück, aber dann war’s schon wieder vorbei, weil in dem Moment ist das Taxi angekommen, und der Hafner ist mit einem gut aussehenden, teuer angezogenen Mann ins Büro gekommen, da hast du aus 500 Meter Entfernung schon gesehen, der ist nicht von hier, sondern Importware quasi. Und der ist vor der Katharina in die Knie gegangen und hat ihr Gesicht in seine Hände genommen und irgendwas Italienisches zu ihr gesagt und sie geküsst und sich so herzergreifend um sie gekümmert, dass der Jakob hinausgehen hat müssen, weil er sich ja schon fast wie ein Voyeur vorgekommen ist, und im Rausgehen nur noch beiläufig gesagt hat: »Wenn i du warad, Katharina, daad i am Altmann sei Freindin fragn, was drin gwen is.«

Und dann war der Jakob draußen.

 

»Katharina, bitte sag mir … Was ist los?« Der Lucarelli hat versucht, sich auf den Weg zu konzentrieren, aber immer wieder besorgte Seitenblicke auf die Katharina geworfen.

Sie hat den Kopf an die halb heruntergelassene Fensterscheibe gelehnt und hinausgeblickt auf die vorbeifliegenden Baumkronen. Der Fahrtwind hat ihr jetzt gutgetan. Frische Luft und ein Schluck Amibrause sind gute Kreislaufstärker. Auf seine Besorgnis und auf seine Frage ist sie aber nicht eingegangen.

»Der Wagen …«, hat sie stattdessen angefangen.

»Welcher Wagen?«

»Der Wagen in der Garage vom Andreas Hafner. Ein Jaguar XKR, silberfarben. Den müssen wir uns als Nächstes ansehen. Innen, hinter der Verkleidung. Und zwar sofort. Bitte, kannst du umdrehen?«

»Warum sagst du mir nicht, was los ist? Du isst nicht richtig, du fühlst dich schlecht, du hast Kopfschmerzen und Kreislaufprobleme.«

Aber die Katharina ist wieder nicht auf ihn eingegangen, sondern hat nur angefangen, ihm ganz langsam und leise alles zu erzählen, was der Hafner und der Jakob ihr gesagt haben, weil sie das Gefühl gehabt hat, sie vergisst alles, wenn sie es nicht wiederholt, und zum Aufschreiben hat sie sich irgendwie nicht fähig gefühlt im Moment. Wenn einem schlecht ist und man sitzt im Auto, dann darf man um Gottes willen nichts anderes tun als hinausschauen, auf etwas sich Bewegendes. Nicht nach innen auf einen Fixpunkt, ein Buch zum Beispiel, also nichts lesen und auch nichts schreiben. Und die Katharina hat um jeden Preis verhindern wollen, sich in dem teuren Auto neben ihrem tollen Mann zu erbrechen. Jetzt hat sie ihm jedes noch so kleine Detail erzählt. Was die 20 Minuten zurück nach Weil durch den morgendlichen Verkehr auch gut ausgefüllt hat.

»Und deswegen muss ich noch zur Tierärztin fahren, Sabine von Hohenstein, nach Süchting. Wie der Jakob gesagt hat. Ich muss sie fragen. Ich muss wissen, was in den Tüten drin war«, hat sie ganz leise ihre Erzählung beendet.

»Nein, Katharina«, hat der Matteo da geantwortet. »Ich bringe dich jetzt nach Hause. Und sonst nirgendwohin. Ich möchte, dass du dich hinlegst und ausruhst, und dann lassen wir einen Arzt kommen.«

»Das ist doch nicht nötig.«

Er hat sie angesehen und dann wieder auf die Straße geschaut.

»Doch, das ist nötig. Und alles andere kann warten.«

»Bitte, Matteo!«

»Wie lange geht das schon so, hm?«

»Was denn?«

»Dass du dich krank fühlst. Dass du krank bist und trotzdem weitermachst wie immer.« Es hat ein bisschen so geklungen, als wäre er stolz auf ihre Zähigkeit, und auch ein bisschen vorwurfsvoll.

»Ich weiß nicht, seit … seit ich aus dem Krankenhaus raus bin, glaube ich.«

»Was!? Aus welchem Krankenhaus?«

Er hat seinen Wagen auf dem Allmandinger-Hof geparkt, sauber und deutsch neben der Katharina ihrem alten Golf. Im selben Moment ist ihr Handy gegangen, und er hat es aus ihrer Jackentasche geholt, weil sie es nicht mehr geschafft hat. Und ist drangegangen.

»Pronto

»Katharina, bist du des?«

Die Katharina hat die Hand ausgestreckt, aber der Lucarelli hat weitergesprochen, weil den Namen Brunner, der auf dem Display gestanden ist, hat er schon gekannt.

Englisch hat er ja auch ein bisschen können und der Brunner auch, wenn auch jeder von den beiden mit seinem ureigensten Akzent. Dann hat der Matteo dem Brunner erklärt, dass die Katharina krank ist, und der Brunner war sehr besorgt, weil er sich eigentlich nur erkundigen hat wollen, warum sie in der Dienststelle weder aufgetaucht ist noch Bescheid gegeben hat. Und der Matteo hat ihm versichert, dass er gleich den Doktor rufen wird, und der Brunner hat noch gesagt, dass er sich gegen Abend noch einmal meldet und dass er froh ist, dass der Matteo da ist und ein bisschen nach ihr schaut.

Was er dann auch gemacht hat, der Matteo, er hat sie rauf ins Zimmer getragen, sie ausgezogen, ins Bett verfrachtet und die Nummer gewählt, die der Peter der Katharina auf einem Zettel notiert gehabt hat, und dann hat er auf Italienisch-Englisch dem Doktor Lechner klargemacht, dass er kommen soll, und zwar so schnell es geht.

Dann hat er sich auf der Katharina ihre Bettkante gesetzt, und sie hat ihm erzählt, wie sie letzte Woche nach ihrer Lebensmittelvergiftung zusammengebrochen und im Krankenhaus wieder aufgewacht ist, erst Tage später, mit einer Gehirnerschütterung, ganz langsam und leise und mit vielen Pausen hat sie es ihm erzählt. Und dass es ihr ganz furchtbar leidgetan hat und noch immer tut, dass sie ihn deswegen nicht anrufen hat können, und er: Ich hatte ja keine Ahnung, ich wäre sofort gekommen, und sie: Ich weiß.