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Man könnte Bobbie Faye als eine wahre Naturgewalt bezeichnen, wenn sie nicht vollkommen unnatürlich wäre.
Lucy Swimmer, Leiterin des Katastrophenschutzes vom Roten Kreuz, südlicher Bereich
Während Bobbie Faye durch den Wald stapfte, machte sie innerlich Inventur: Sie war klatschnass, wütend, dreckig, sauer, voller Sand, verwirrt und zu allem Überfluss juckte es sie auch noch an allen möglichen und unmöglichen Stellen. Zudem fühlte sie sich von dem ganzen üppigen Grün um sie herum geradezu erschlagen und desorientiert. Die Blätter der Baumkronen über ihnen bewegten sich und ließen einzelne Sonnenstrahlen hindurch, sodass sich tanzende Lichtpunkte auf dem Boden bildeten, die Bobbie Faye regelrecht hypnotisierten. Nach der tiefen Dunkelheit im See machten sie die ständig wechselnden, strahlenden Farben, die nun in ihr Bewusstsein drangen, ganz benommen. Sie hielt den Blick gesenkt oder auf Trevors Rücken gerichtet und konzentrierte sich auf jeden einzelnen Schritt, um nicht in eines der dornigen Brombeergestrüppe zu stolpern, die hier überall schulterhoch wuchsen. Womöglich war es das Adrenalin, das sie so sensibel für das unwirkliche Licht im Gehölz, dieses immergrüne Dach der Baumkronen, den durchdringenden Geruch alter Erde und junger Pflanzen oder das Spanische Moos machte, welches von den Bäumen zu tropfen schien wie graues Wachs einer brennenden Kerze. Vielleicht war es tatsächlich dieses Adrenalin, das ihre Gedanken wild in ihrem Kopf herumwirbeln und sie von einem Thema zum nächsten springen ließ, sodass nichts mehr irgendeinen Sinn ergab.
Hatte sie nicht gerade eben noch mit einem Pick-up in einer Röhre am Grund eines Sees festgesteckt?
Sie starrte auf Trevors Rücken, versuchte, sich zu konzentrieren, versuchte, wieder in der Wirklichkeit anzukommen. Stattdessen fiel ihr Blick immer wieder auf seine austrainierten Muskeln, seinen perfekt definierten Trizeps, wenn er einen seiner Arme hob, um einen Ast aus dem Weg zu drücken. Welche Erotik und wie viel Selbstvertrauen er bei jeder Bewegung ausstrahlte. Herrgott noch mal, es war zum Durchdrehen! Sich in so einer Situation ernsthaft für einen Mann zu interessieren … Das konnte sie genauso gut gebrauchen wie eine dritte Brust – wenn man mal davon absah, wie viel Geld sie damit in einer Freakshow würde verdienen können.
Verdammt, reiß dich endlich zusammen!
Trevor war ein Idiot mit überdies äußerst fragwürdigen Motiven, redete sie sich ein. Auch wenn er zugegebenermaßen einer war, den sie erst gekidnappt hatte, dessen Pick-up dann von ihr beschossen (äh … mehrfach sogar) und schließlich vollends zerlegt worden war. Okay, okay er hatte also vielleicht nicht ganz zu Unrecht schlechte Laune. Aber das war eigentlich auch egal. Sie hatte beschlossen, sich vorerst keinen neuen Freund zuzulegen. Nun ja, eigentlich hatte sie eher beschlossen, nicht mehr auszugehen. Die Blödmänner, mit denen sie nach Cam unterwegs gewesen war, konnte man bei aller Liebe nicht als Freunde bezeichnen, auch wenn sie ursprünglich andere Pläne gehabt hatte.
Ihr fiel auf, dass solche Vorhaben in ihrem Leben immer irgendwie schiefgingen.
Die Sache mit Cam hatte sich als gigantisches Fiasko herausgestellt. Und die Männer nach ihm konnte man eigentlich nur als eine Parade von Losern bezeichnen. Mal im Ernst, sie hatte ihr Soll, was solche Vollpfosten anging, wirklich mehr als erfüllt. Es würde also keine Verabredungen mehr geben, bis sie ihr Leben ein bisschen besser im Griff hätte.
Bei dem Tempo, das sie gerade vorlegte, würde sie allerdings womöglich erst im Altersheim so weit sein, sich mal mit jemand Normalem zu treffen.
Sie beschloss, nicht mehr auf Trevors Rücken zu starren und sich stattdessen auf den Weg vor ihr zu konzentrieren, was jedoch zur Folge hatte, dass sie es nicht gleich bemerkte, als er stehen blieb, und gegen ihn prallte.
Nach dem dritten Mal warf er ihr einen wütenden Blick zu. »Haben Sie im Kindergarten immer geschwänzt, als geübt wurde, wie man im Gänsemarsch läuft?«
»Hey, zumindest haben immer alle gesagt, dass ich gut mit anderen zusammen spielen könnte.«
»Nur weil Sie noch nicht dahintergekommen waren, wie Sie die vielleicht in die Luft sprengen könnten.«
»Ich habe nichts in die Luft gesprengt …«, protestierte Bobbie Faye, »… in letzter Zeit zumindest.«
Er murmelte irgendetwas, das sie nicht verstehen konnte. Und das war wahrscheinlich auch gut so.
Dann ging es weiter durch den Wald. Sie folgte Trevor über kleine, verschlammte Bäche und morastige Stellen, wobei sie ihre nackten Arme zum Schutz vor den scharfen Wedeln der Palmettopalmen, die hier zuhauf bis auf Schulterhöhe sprossen, eng um ihren Körper legte. Trevor indes benutzte einen langen Stock, um die Spinnweben von den Bäumen zu reißen und zu überprüfen, ob der Boden vor ihnen fest war oder ob er sich als tiefe, schlammige Soße mit verkrusteter Oberfläche herausstellte. Natürlich hatte keiner von ihnen zuvor daran gedacht, bis Bobbie Faye mit einem Stiefel an eben so einer Stelle eingebrochen und bis zum Knie im Morast versunken war.
Als sie schließlich wild stampfend vor ihm gestanden hatte, um den Schlamm abzuschütteln, war ihr gleich eine ganze Salve von Flüchen herausgerutscht, sodass Trevor nur lachend den Kopf geschüttelt hatte.
»Was?!«, wollte sie wissen.
»Ich konnte drei Eichhörnchen beobachten, die ihren Babys die Ohren zugehalten haben, so schockiert waren die über Ihre Ausdrucksweise.«
»Scheiß auf die Eichhörnchen. Die können ja auch klettern«, meinte sie, trampelte weiter auf der Stelle herum und schleuderte dabei aus Versehen etwas Schlamm auf seine Jeans.
»Ist die Aufführung von Lord of the Dance jetzt langsam mal zu Ende?«
»Ich weiß wirklich nicht, was mich gerade mehr schockiert … dass Sie einen Witz gemacht haben oder dass Sie Lord of the Dance kennen.«
Er gluckste, und sie spürte, wie sein Lächeln einen Energieschub in ihr auslöste. Wow! Dies war die erste Gelegenheit, in der sie ihn sich wirklich einmal in Ruhe ansehen konnte, ohne ihn nur auf den Schnittchen-Faktor zu reduzieren. Sie mochte die kleinen Fältchen um seine Augen, dieses absolut nicht perfekte Gesicht mit dem schiefen Grinsen, die Ruhe, die er ausstrahlte. Dieser Mann sollte sehr viel öfter lächeln. Sie musste sich innerlich auf die Finger schlagen, damit sie nicht die kleine Narbe direkt unter seinem rechten Auge berührte.
Einen Moment lang standen sie so da und grinsten. Dann marschierten sie gleichzeitig los, um tiefer in den Wald vorzudringen. Sie liefen schnell und wichen dabei Gestrüpp aus, mieden wuchernde Brombeerbüsche voller Dornen und umgingen vorsichtig umgestürzte Bäume, um keine Schlangen, die möglicherweise zwischen den Ästen auf Beute lauerten, aufzuschrecken. Bobbie Faye entdeckte Spuren von Wildtieren und einige Minuten später einen Bereich mit platt getretenem Gras, wo sich in der vergangenen Nacht augenscheinlich mehrere Rehe niedergelegt hatten. Über ihnen breiteten die Farne nach dem Regen wieder ihre Blätter aus und bedeckten damit die dicken, knorrigen Äste alter Eichen, welche sich in der leichten Brise des Waldes wie dicke Zierfransen kräuselten. Die satten Farben und die verschiedenen Gerüche beruhigten Bobbie Faye, und diese Ruhe gab ihr Hoffnung.
Trevor blieb neben einer Kiefer stehen und lauschte auf das Rotorengeräusch eines Helikopters … Moment, er hörte mehrere Helikopter. Es mussten mindestens zwei sein. So viel zum Thema Hoffnung. Bobbie Faye musterte sein Gesicht. Sie beschlich das unheimliche Gefühl, dass er nicht nur wusste, wie viele Hubschrauber es genau waren, sondern auch hätte sagen können, um was für Maschinen es sich dabei handelte, welche Nutzlast sie hatten und wie viele Leute an Bord waren – und all das allein aus dem Geräusch schließend. Zudem war sie noch immer verwirrt darüber, dass er sich in diese ganze Katastrophe, die ja eigentlich nur sie persönlich betraf, überhaupt hatte hineinziehen lassen. Denn eins war ihr inzwischen völlig klar geworden: Er war kein Mann, der sich so einfach in etwas verstricken ließ. Und das machte ihr Sorgen.
Gerade als sie ihn danach fragen wollte, nahm Bobbie Faye aus den Augenwinkeln heraus eine Bewegung wahr. Sie hielt ihn am Arm fest. »Stopp!«, sagte sie eindringlich und in scharfem Tonfall, sodass er augenblicklich erstarrte.
Ohne sich zu bewegen, schaute sie sich um. Sie war sich nicht sicher, was sie gesehen hatte, aber auf unerklärliche Weise war ihr siebter Sinn geweckt worden – ihr Überlebenstrieb. Zu ihrer Überraschung behielt Trevor sie aufmerksam im Auge und wartete ab.
Und dann entdeckte sie das Biest. »Eine Wassermokassinotter«, flüsterte sie Trevor zu, der regungslos stehen blieb.
Die Schlange lag zusammengerollt zwischen den Wurzeln der nächststehenden Kiefer, das Maul weit aufgerissen, während sie sich hin und her wand, bereit, jede Sekunde zuzubeißen.
Ein Schauder nach dem nächsten jagte Bobbie Fayes Rücken hinunter. Sie bekam eine Gänsehaut und erstarrte zu völliger Bewegungslosigkeit. Der Wald und die Sümpfe um sie herum wimmelten nur so von allen möglichen Schlangen, und nun befand sich direkt vor ihnen ausgerechnet eine hochgiftige Wassermokassinotter, die sie bei ihrem schnellen Marsch durch das Unterholz nicht rechtzeitig gesehen hatten.
»Kann sie uns erwischen?«, fragte Trevor, und Bobbie Faye nickte. Das Gefährliche an dieser Spezies war, dass sie nicht wie andere ihrer Artgenossen vor einem überlegenen Eindringling floh, wenn sie die Möglichkeit dazu hatte. Diese Schlange folgte einem sogar und biss auch dann noch zu, wenn man bereits versuchte, ihr Territorium zu verlassen. Es würde also nicht einfach sein, sich zurückzuziehen. Bobbie Faye war unsicher, was sie tun sollten, denn die Schlange befand sich direkt hinter Trevor und konnte bei einer Länge von ungefähr einem Meter zwanzig fast noch einmal genauso weit hochschnellen. Auch wenn Trevor versuchen würde, schnell abzuhauen, wäre es folglich ein Leichtes für das Tier, ihn zu erwischen. Vielleicht würde es sogar sie selbst beißen können, sollte Trevor doch schnell genug sein.
Dann entdeckte Bobbie Faye aus den Augenwinkeln heraus genau das, was sie brauchte – ein Messer, das in einer Scheide an Trevors Hüfte steckte. Es war ein Ka-Bar, ein Kampfmesser, wie es auch die Marines im Zweiten Weltkrieg benutzt hatten und es noch heute von vielen Soldaten und Exsoldaten bevorzugt wurde. Ce Ce verkaufte so etwas. Die Klinge allein war über siebzehn Zentimeter lang, und mit dem Ledergriff zusammen maß das Messer dreißig Zentimeter. Langsam tastete sie sich mit ihrer rechten Hand zu seiner Hüfte vor und knöpfte die Scheide auf.
»Was zum Teufel machen Sie da?«, murmelte er.
»Halten Sie einfach still«, flüsterte Bobbie Faye, ohne die Schlange aus den Augen zu lassen. Langsam zog sie das Ka-Bar hervor, dankbar, dass die Schlange diese Seite von Trevors Körper nicht sehen konnte, und wog es in der Hand. Trevor wollte gerade protestieren, doch irgendetwas hielt ihn zurück. Sie spürte, wie er den Atem einsog, und wusste, dass es ihn überraschte, wie sicher sie mit dem Messer umging. Scheiß drauf, jeder war bisher verblüfft gewesen.
Als hätte sie ein inneres Metronom, schätzte sie nun den Bewegungsrhythmus der Schlange ab und wurde zusehends ruhiger … Dann warf sie das Messer mit einer fließenden Bewegung treffgenau ins Ziel. Sie sah, wie der Kopf der Schlange mit einem scharfen Tschack durch die Klinge an den Stamm der Kiefer genagelt wurde …
»Ooh, igitt«, fluchte Bobbie Faye, presste sich die Wurfhand auf den Mund, erschauderte einmal heftig und wandte sich von der aufgespießten Schlange ab, wobei sie alles in ihrer Macht Stehende tat, um sich nicht übergeben zu müssen.
»Sie verarschen mich«, meinte Trevor, während er seinen Blick immer wieder von ihr zu der toten Schlange wandern ließ. »Sie werfen wie … ein Kerl, aber Sie …«
»… fangen gleich an zu kotzen«, vollendete sie seinen Satz und erschauderte erneut. »Zumindest wenn Sie nicht sofort das Messer holen und das Biest entsorgen.«
Sie hörte, wie er hinüberging und nach dem Ka-Bar griff, und drehte ihm den Rücken zu, bis er wieder zu ihr zurückkam. Sie wusste, dass er sie beobachtete, und schluckte die Galle herunter, die in ihr aufgestiegen war. Dann zwang sie sich dazu, ihren Ekel zu überwinden. Sie würde noch so viel mehr zu bewältigen haben, wollte sie Roy retten.
»Gehen wir weiter. Und passen Sie auf diese Mistviecher auf«, sagte sie und deutete vage in die Richtung, in der sie die tote Schlange vermutete. »Ich kann Ihnen nicht immer wieder den Arsch retten.«
»Sie sind schon ein seltenes Exemplar«, meinte er mehr zu sich selbst als zu ihr.
»Ja, das bekomme ich oft zu hören«, erwiderte sie.
Cam beobachtete, wie Zeke zu dem FBI-Helikopter hinüberjoggte, der gerade direkt neben dem Wrack des Sattelschleppers auf der Straße gelandet war. Ein weiterer Agent kletterte heraus und überreichte Zeke dessen Arbeitskleidung für warmes Wetter. Alles war hübsch zusammengefaltet und gebügelt. Cam schnaubte, als er die Springerstiefel erblickte, die auf Hochglanz poliert und wie neu aussahen, vielleicht sogar tatsächlich noch nie benutzt worden waren. Zeke würde sich bestimmt schnell Blasen holen.
Die beiden Männer vom FBI sprachen miteinander, während Zeke sich mitten auf der Straße umzog und sein Kollege Flugbahnen in Karten einzeichnete, die er mitgebracht hatte. Cam bekam nicht den Eindruck, dass die beiden eine klare Vorstellung davon besaßen, wohin Bobbie Faye und dieser Cormier unterwegs sein könnten. Klar dagegen war, dass sie entweder wussten oder aber vermuteten, was Cormier wollte und warum Bobbie Faye bei ihm war.
Detective Benoit, ein dunkelhäutiger, drahtiger Cajun, trat hinter seinen Kollegen, blieb für einen Moment dort stehen und musterte die beiden Agenten, als diese sich für weiß Gott was rüsteten.
»Du hast heute nicht unbedingt deinen besten Tag«, bemerkte er, und Cam beschloss, das Lächeln, das man aus der Stimme seines Freundes heraushören konnte, zu ignorieren. »Haben sie irgendwas erzählt?«
»Wahrscheinlich weniger als die Hälfte von dem, worüber sie mich hätten informieren müssen«, entgegnete Cam, die Arme immer noch vor der Brust verschränkt, während er mit den Fingern auf seinen Oberarmen trommelte. Er bemerkte Benoits Blick und hörte damit auf. »Ihnen kommt es vor allem auf den Kerl an«, erklärte Cam und setzte Benoit dann über das Wenige in Kenntnis, was er über Trevor erfahren hatte.
»Ah, mon ami«, meinte sein Kollege, während er in den Akzent der Cajun verfiel, »du weißt, was dir blüht, solltest du nicht verhindern können, dass die Piratenkönigin getötet wird.«
»Was du nicht sagst.«
»Zum Teufel noch mal, das letzte Mal haben dich kleine, alte Kirchenladys getreten. Und da ist Bobbie Faye nur mit einer Gehirnerschütterung ins Krankenhaus gekommen.«
»Halt den Mund, Benoit.«
»Und vergiss nicht den Priester, der dich dazu bringen wollte, das Ave Maria zu beten.«
»Halt die Schnauze, Benoit.«
»Und dann waren da noch die Ministranten, die dir gedroht haben, dass sie dich krankenhausreif prügeln würden, sobald sie erwachsen seien, sollte Bobbie Faye nicht durchkommen.«
Wütend funkelte Cam seinen Kollegen an, der sich vor Lachen kaum noch halten konnte. Es war schon außerhalb der Kirche schlimm genug gewesen. Nicht, dass er diese oft besuchte, nach allem, was er die ganze Woche über zu sehen bekam. Aber manchmal tat es trotzdem gut, einen Ort zu frequentieren, wo das Gute in der Überzahl war. Doch Bobbie Faye war es gelungen, selbst in dieses winzige Stück Frieden vorzudringen.
»Untersuchst du den Diebstahl?«, wollte Cam wissen.
»Ja. Ich bin dran.«
»Wer arbeitet dir zu?«
»Crowe und Fordoche.«
»Ruf mich an, wenn du das komische Ding findest.«
»Woher weißt du, dass es komisch sein wird?«
»Wir haben es hier mit einem Bobbie-Faye-Fall zu tun.«
Benoit lachte und zeigte auf den Wald. »Gehst du da raus?«
Cam nickte.
»Hast du eine Weste an?«
Cam warf ihm einen wütenden Blick zu.
»Hey, kann ich was dafür, dass du mit einer Frau zusammen warst, die besser schießt als du?«
»Fahr zum verdammten Revier zurück«, knurrte Cam, und Benoit lachte erneut, während er zurück zu seinem Wagen ging.
Cam sah zu, wie der FBI-Helikopter abhob, bevor er sich an einen der Officers, die an dem Wrack arbeiteten, wandte. »Sag Kelvin, dass er die Hunde bringen kann«, wies er den Mann an.
Der Officer nickte und kontaktierte über sein Funkgerät die Zentrale.
Cam hatte bereits den Helikopter seines eigenen Distrikts angefordert, dessen Besatzung die Hundeführer am Boden bei der Suche unterstützen sollte. Zudem war ein Boot unterwegs, das die Hunde zum gegenüberliegenden Ufer bringen würde. Zu dumm nur, dass die Leute vom FBI abgeflogen waren. Er hatte sie fragen wollen, ob sie nicht irgendwelche Mittel und Wege wussten, wie er die Spur von Bobbie Faye aufnehmen könnte.
Nur wenige Minuten später trafen die Hunde ein. Sie saßen in Zwingern, die auf der Ladefläche eines Trucks standen. Es waren Catahoulas und Redbones, Cams Meinung nach die besten Spürhunde im ganzen Land. Er begrüßte den Hundeführer Kelvin, einen untersetzten, entspannten Mann mit sandfarbenem Haar und etwas älter als Cam mit seinen zweiunddreißig Jahren.
»Hast du etwas, womit sie die Fährte aufnehmen können?«, erkundigte er sich und rückte seine Baseballmütze zurecht, wobei er auf der Spitze eines Zahnstochers herumkaute.
Cam nickte und ging zum Kofferraum seines Streifenwagens. Eigentlich hatte er es wegwerfen wollen. Wie gut, dass er es nicht getan hatte. Er hätte einfach nicht die Zeit gehabt, zu Bobbie Fayes Trailer zu fahren und dort irgendetwas zu holen. Er öffnete den Kofferraum und griff in eine Umhängetasche. Kelvin machte ein etwas überraschtes Gesicht, als Cam ein sauber zusammengelegtes Flanellhemd für Männer herauszog.
»Frag nicht«, meinte Cam. Kelvin lachte und nahm das Hemd an sich.
Dann sah Cam dabei zu, wie er wieder in seinen Truck stieg und hinüber zu dem Boot fuhr, das ihn und die Hunde über den See bringen sollte. Kelvin würde warten, bis sie die andere Seite erreicht hätten, bevor er die Hunde an dem Hemd schnuppern ließe, damit sie Bobbie Fayes Spur aufnehmen konnten. Er selbst indes musste noch einen Anruf tätigen, wenn er nicht irgendeine Art von Voodoo-Zauber am Hals haben wollte. Nicht, dass er an den Kram glaubte, wirklich nicht. Kein Stück. Er war sich nicht einmal sicher, ob Ce Ce selbst es tat oder ob sie nicht einfach nur eine abgebrühte Geschäftsfrau war. Egal. Er musste sie anrufen. Bobbie Faye in seinem Leben zu haben war schlimm genug. Er konnte nicht auch noch eine Ce Ce gebrauchen, die es auf ihn abgesehen hatte.