Wo zum Teufel steckt er bloß, Dom?« Paul Smith saß an einem Picknicktisch nahe der Telefonzellen auf der Vince-Lombardi-Raststätte und nickte lächelnd wie bei einer ganz normalen, angeregten Unterhaltung. Sein Atem bildete kleine Wolken in der schneidenden Kälte.

Dominick Polifrone saß neben ihm und grinste nicht weniger freundlich. »Wie soll ich das wissen, verdammter Mist! Los, rede einfach weiter.«

So unauffällig wie möglich schaute er prüfend über den Parkplatz. Es war ein trüber, nasskalter Tag, und die Autofahrer eilten hastig aus der Kälte in eines der Restaurants. Gestern hatte er mit Kuklinski geredet und ihm gesagt, dass er hier um zehn Uhr das ›reiche jüdische Bürschchen‹ treffen würde, um ihm eine Probe Kokain zu geben. Dominick hatte vorgeschlagen, er solle vorbeikommen und sich den Typen mal anschauen, damit er auch den Richtigen erwischte, wenn es so weit war. Kuklinski war einverstanden gewesen und wollte sich später im Herrenklo mit ihm treffen.

»Ich friere mir noch den Arsch ab.« Paul Smith lächelte krampfhaft weiter. »Hoffentlich taucht er auch auf, verflucht noch mal. Ich hab mich schließlich gründlich vorbereitet.«

»Vorbereitet?«

»Ich hab Ronnie Donahue gefragt, wie ich so einen reichen Bengel spielen soll, um glaubwürdig zu sein.«

»Ach ja? Was hat er gesagt?«

»Er meinte, ich solle mich wie ein Schafskopf benehmen.«

»Aha, du sollst also sein wie immer.«

Smith musterte ihn grimmig. »Das war exakt seine Antwort. Woher weißt du das?«

»Er hat’s mir verraten.«

Sie lachten. Beide vermieden es, offen auf die grüne Limousine zu schauen, die etwa neun Meter entfernt parkte. Hinter dem Steuer saß Ron Donahue und tat, als lese er eine Zeitung. Über einen Kopfhörer in einem Ohr hielt er Kontakt mit den drei anderen Beamten, die rund um die Raststätte verteilt waren. Vor ihm auf dem Armaturenbrett stand ein großer Pappbecher. Sobald er hörte, dass jemand Kuklinski erspäht hatte, würde er ihn wegnehmen, damit Dominick und Paul wussten, dass er im Anzug war.

»Bring mich nicht zum Lachen, Smith. Ich soll dich doch nicht leiden können.«

»Warum nicht? Ich bin ein schwerreicher Kokser und dein bester Kunde. Schließlich will ich dir zwei verdammte Kilo abkaufen, vielleicht sogar drei. Aber ich muss dir sagen, Dom, so großartig ist dein Preis nicht. Also benimm dich.«

Dominick warf ihm einen bösen Blick zu. »Smith, ich hätte dich umlegen sollen, als ich die Chance dazu hatte.«

Paul Smith musste sich in die Nase kneifen, um nicht laut herauszuplatzen. »Sag mal, meinst du nicht, wir sehen ein bisschen komisch aus? Zwei Kerle, die hier draußen in der Kälte rumhängen und dann auch noch wie die Irren lachen? Wir sollten uns besser zusammenreißen für den Fall, dass Richie irgendwo lauert und uns zuschaut.«

Dominick schaute über den Parkplatz. »Ja, hast recht.« Er griff in die Tasche seiner Lederjacke und zog einen Umschlag heraus, der ein Plastiktütchen mit einer Unze Puderzucker enthielt – die Kostprobe ›Koks‹ für seinen Kunden. Er überreichte ihn Paul Smith.

Smith spähte in den Umschlag und steckte ihn ein. »Oh, danke, Sir, vielen Dank.«

»Weißt du, Paul, ich wäre nicht überrascht, wenn Richie jemand anderen hergeschickt hätte, um dich in Augenschein zu nehmen.«

»Ach, komm!«

»Nein, überleg mal. Ich würde es dem Hundesohn durchaus Zutrauen.«

»Wozu? Und wen sollte er schicken?«

»Zum Beispiel seinen alten Kumpel Tim.«

»Was hätte er davon? Wenn er jemand anderen in diese Sache hineinzieht, müsste er ihm bloß ein Stück vom Kuchen abgeben.«

»Na ja, ich bin kein Psychologe. Ich hab keine Ahnung, was in seinem Kopf vorgeht. Aber ich weiß, dass so einer, der mit verfluchtem Zyankali tötet, zu allem fähig ist.«

»Hm … vielleicht.« Paul Smith war das Lächeln vergangen. Dominick spähte verstohlen zu Ron Donahues Wagen. Der Becher stand immer noch auf dem Armaturenbrett.

»Glaubst du wirklich, er würde Tim schicken?«, fragte Smith.

Dominick zuckte die Schultern. »Warum nicht? Er wäre doch ideal. Wir wissen nicht, wie er aussieht. Er könnte genau in diesem Moment hier irgendwo stecken und Fotos von uns machen.«

»Fotos! Scheiße, an so was habe ich noch gar nicht gedacht. Was ist, wenn Richie ein Foto von mir in die Finger kriegt? Er könnte sich jederzeit an mich dranhängen oder mir sogar nach Hause folgen! Am Ende kommt er noch auf die Idee, dir einen Gefallen zu tun und mich gleich zu killen!«

»Beruhig dich, Smith. Richie lässt sich nichts durch die Lappen gehen. Er wartet, bis er das Geld bar auf der Kralle hat.«

»Ja … wahrscheinlich«, nickte er, allerdings ohne große Überzeugung.

Der Limobecher hatte sich nicht bewegt.

»Dom ich sag es wirklich nicht gern, aber ich glaube, er wird langsam misstrauisch.«

»Ach was, ausgeschlossen.«

»Er hat dir erzählt, er würde herkommen, um mich zu begutachten. Dass er jemand anderen schickt, kann ich mir nicht denken. Es ist kein Risiko dabei, sich bloß mal jemanden anzuschauen. Er müsste längst hier sein. Garantiert ist er misstrauisch geworden, Dom. Bestimmt.«

Dominick schwieg. Die gleichen Gedanken waren ihm ebenfalls in den Sinn gekommen, aber er wollte es einfach nicht wahrhaben. Er hatte schon erlebt, wie manche Ganoven plötzlich argwöhnisch wurden und anfingen, sich seltsam zu benehmen, das war im Grunde nichts Außergewöhnliches. Aber bei Kuklinski traf das nicht zu, das spürte er. Kuklinski war vorsichtig, äußerst vorsichtig, doch er hatte keinen Verdacht geschöpft. Wenigstens noch nicht.

»Wir machen besser Schluss für den Fall, dass er uns beobachtet«, sagte er schließlich. »Sinnlos, hier länger herumzuhängen.«

»Hast recht.«

Dominick streckte ihm mit strahlendem Lächeln die Hand entgegen. »Nun, mein Lieber, es war nett, dich zu sehen. Ich hoffe, bald wieder Geschäfte mit dir zu machen. Das nächste Mal bringe ich meinen großen Freund mit dem Nasenspray mit. Er wird dir eine hübsche kleine Dosis verpassen.«

»Wirklich entzückend. Ich kann’s kaum erwarten.« Paul Smith schüttelte ihm die Hand und grinste. »Wir treffen uns drüben in Fairfield, Dom.«

»Klar.«

»Dann bis nachher.«

»Mach’s gut.«

Sie trennten sich und gingen zu ihren Wagen. Als Dominick an Ron Donahues grüner Limousine vorbeikam, sah er den Pappbecher auf dem Armaturenbrett. Vor Frustration schlug er mit der Faust gegen die Fahrertür.

Ron Donahue zuckte nicht mit der Wimper. Er blätterte nur ungerührt die Zeitung um.

 

 

 

 

Der Iceman - Die Jagd auf Amerikas brutalsten Killer
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