Dominick Polifrone konnte es immer noch nicht glauben. Grinsend lenkte er seinen Shark über die Kreuzung der Bloomfield Avenue und der Route 23. In seiner Tasche steckte die Kassette mit einer Kopie der Aufnahme, die er von dem heutigen Telefongespräch mit Richard Kuklinski und ›Tim‹ gemacht hatte. Er kam gerade vom Bureau of Alcohol, Tobacco, and Firearms in Newark, wo er Kuklinskis Anruf erwidert hatte und ein Recorder sofort jedes Wort aufzeichnete. Die Mitglieder des Sonderkommandos Operation Iceman waren eilig zu einem Treffen im Gebäude des Organized Crime Bureau in Fairfield zusammengerufen worden. Dorthin war er jetzt unterwegs.

Dominick konnte es kaum erwarten, Carrolls Gesicht zu sehen, wenn er dieses Band abspielte. Der stellvertretende Staatsanwalt würde auf dem Tisch tanzen. Kuklinski hatte tatsächlich zugegeben, mit Zyankali zu morden, und das auf Band. Dazu dieses Gerede, es in einem Sprühfläschchen zu verabreichen – Jesus! Jede Geschworenenjury, die das hörte, musste diesen Kerl verurteilen. Carroll würde jubeln.

Eine Ampel schaltete vor ihm auf Rot, und Dominick hielt an, als plötzlich sein Pieper ertönte. Er zog das Gerät aus der Tasche und blickte auf die Nummer, die angezeigt wurde. Es war dieselbe im Süden Jerseys, von der aus Kuklinski heute morgen telefoniert hatte. Hinter ihm ertönte ungeduldiges Hupen. Die Ampel hatte wieder auf Grün geschaltet.

Dominick gab Gas und überlegte, was er tun sollte. Eigentlich hatte er vorgehabt, ihn warten zu lassen, um die Kontrolle über die Situation zu behalten. Aber im Augenblick hatte er das Gefühl, dass diese Taktik vielleicht nicht unbedingt angebracht war. Immerhin hatte er Kuklinski gebeten, Militärwaffen für ihn aufzutreiben, und gesagt, es gehe um eine große Bestellung, die bis zu einer halben Million Dollar einbringe. Selbst Michael Dominick Provenzano wäre nicht derart kaltschnäuzig bei einem so dicken Geschäft. Das ergäbe keinen Sinn, und Kuklinski könnte misstrauisch werden. Wenn er ebenso paranoid war wie die meisten Ganoven, könnte Kuklinski argwöhnisch werden und anfangen zu spekulieren, ob er vielleicht mit den Bullen zusammenarbeitete oder sogar selbst einer war. Womöglich kam er noch auf den Gedanken, dass Dominick immer so lange brauchte, sich bei ihm zu melden, weil er einfach zuerst die nötigen technischen Vorbereitungen für die Aufnahme des Gesprächs treffen musste. Dominick entschied, dass es sicher klüger wäre, gleich zu antworten. In einiger Entfernung erblickte er auf der linken Seite vor einem Lokal eine Telefonzelle, blinkte und bog in eine Parklücke.

In einer Telefonzelle las er die Nummer von seinem Pieper ab und wählte. Nach zweimaligem Läuten wurde abgehoben. »Hallo?« Es war Kuklinski.

»Hallo, Rich? Ich bin’s.«

»Ja, Dom. Wie geht’s?«

»Gut. Was gibts?«

»Bist du an einem Münztelefon?«

»Klar, wir können reden.«

»Okay, hör zu. Wir haben ein paar Anrufe gemacht, und Tim bekommt ein Probestück.«

»Ehrlich? Was für ein Kaliber?«

»Zweiundzwanzig und komplett mit einem aufschraubbaren Schalldämpfer.«

»Wie ist der Preis?«

»1100 Dollar. Aber bei einer größeren Bestellung sehen wir mal, was noch drin ist.«

»Also 1100 Dollar für das komplette Ding, richtig?«

»Jawohl.«

»Okay, damit bin ich einverstanden. Ich ruf das Mädchen an und höre, ob sie interessiert ist.«

»Gut. Wenn du alles geklärt hast, können wir uns verabreden, damit du’s dir ansehen kannst. Man kauft schließlich nicht die Katze im Sack, was?«, lachte Kuklinski.

»Genau so ist es«, erwiderte Dominick fröhlich.

»Kennst du die Ausfahrt an der Vince-Lombardi-Raststätte zur Autobahn nach Norden?«

»Ja?«

»Dort können wir uns treffen.«

»Okay … das ginge.« Dominick fragte sich immer noch, warum er ausgerechnet diesen Platz ausgesucht hatte.

»Wann ist es dir recht?«

»Lass mich erst mal mit dem Mädchen reden. Vielleicht will sie solches Zeug gar nicht.«

»Was soll das heißen, Dom?«, Kuklinskis gute Laune war verschwunden. »Ich dachte, du hättest Tim gesagt, du suchst nach diesen Dingern?«

»Klar, Rich. Aber du weißt, wie die verfluchten Weiber sind. Brauchen sie je einen Grund, um ihre Meinung zu ändern?«

»Nein, aber …«

»Gibt’s ein Problem, an dem Preis festzuhalten, bis ich mit ihr geredet habe?«

»Nein, das ist es nicht …«

»Dann will ich erst sichergehen, dass es das Richtige ist, okay?« Dominick gab sich absichtlich etwas aggressiv, damit Kuklinski nicht merkte, dass er ihn hinhielt.

»Na gut, Dom, ich ruf dich in ein paar Tagen an, und dann sehen wir weiter.«

»Prima.«

»Du bist sicher, dein Mädchen ist noch interessiert? Ich meine an der kompletten Bestellung, der großen?«

Dominick lachte. »Klar doch, keine Frage. Aber ich will dir ehrlich sagen, wie es ist, Rich. Beim ersten Geschäft muss sie sich etwas zieren, so sind diese Leute nun mal. Wenn sie dir dann aber vertraut, wird sie kaufen, was du nur ranschaffen kannst, und der Zaster fließt. Du weißt, was ich meine?«

»Kapiere.« Kuklinski lachte etwas gezwungen.

»Okay, ruf mich am Wochenende an, und wir setzen ein Datum fest. Ich kann dir beinahe garantieren, dass sie diese Sachen nimmt, ich will nur sichergehen.«

»Okay, ich melde mich wieder.«

»Mach’s gut.«

Dominick hängte auf und fragte sich, was Kuklinski wohl dachte. Ob er misstrauisch geworden war? Und warum wollte er sich ausgerechnet am Vince-Lombardi-Rastplatz treffen, wo immer reichlich Betrieb herrschte? Natürlich war das günstig, weil man in der Menge nicht auffiel, aber es trieben sich zahlreiche fiese Typen dort herum. Und wo genau würde diese Zusammenkunft stattfinden? Vielleicht in der Herrentoilette? Auf gar keinen Fall. Es war viel zu schwierig, dort Verstärkung zu postieren. Außerdem war es ein abgeschlossener Raum. Was war, wenn er ein Fläschchen Nasenspray mit Zyankali dabei hatte?

Dominick ging zurück zu seinem Auto. Ihm war klar, dass er sich nicht dauernd um eine Verabredung mit Kuklinski drücken konnte, und es sah so aus, als müsse er sich ganz nach Richies Wünschen richten. Das Problem war nur, wie sie auf der Lombardi-Raststätte die Situation unter Kontrolle halten sollten.

Er startete den Wagen und bog wieder in den Verkehr ein. Alle möglichen Fragen gingen ihm durch den Kopf. Wie schnell könnte er reagieren, wenn man ihm etwas ins Gesicht sprühte? Ob er eine Chance hatte, falls er den Atem anhielt? Vielleicht wäre es gut, sich mal etwas gründlicher über dieses Zeug zu informieren. Seine Augen brannten, wenn er nur daran dachte.

 

 

 

Der Iceman - Die Jagd auf Amerikas brutalsten Killer
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